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Autor Thema: Gradwanderung: Heißkalte Womo-Tour durch Arizona und New Mexico  (Gelesen 31785 mal)

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ireula

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Freitag, 30. September

Gebirgsüberquerung mit RV

Lärmempfindliche Leute sollten den KOA Seligman meiden. Direkt am Campground führt die Bahnstrecke entlang, und von flüsterleisen Radsätzen hat man in Amerika noch nichts gehört. Die ganze Nacht donnern die Güterzüge an unserem Bett vorbei.


Reichlich Güterverkehr am Seligman-KOA. Am Tag und in der Nacht.

Anmerkung Dieter:
 
Da muss ich mich als Ehemann und Reisegefährte noch einmal einmischen: Irenes Kritik erscheint mir etwas zu harsch. Zum einen verliefen die Bahngleise etwa 150 Meter von unserem Bett entfernt, zum anderen hatten die vielen Züge und Waggons auch etwas Beruhigendes, so wie Schäfchen, die man zum Einschlafen zählen kann. Solange Züge rollen, floriert die Wirtschaft, und die Menschen haben Arbeit. Manchmal ist die Stille sogar beunruhigender und schlafraubender als lautgebende Geschäftigkeit. Mich haben die 29 Züge und ihre 1547 Waggons, die ich zwischen 22.12 und 5.13 Uhr gezählt habe, jedenfalls nicht im Geringsten am Schlaf gehindert. Aber im Nachhinein verklärt sich manchmal Einiges. Deshalb jetzt wieder zu Irene:

Am Morgen geht es über Prescott Valley nach Sedona. Die Wüste lassen wir bald hinter uns, Grasland und Wald wechseln sich ab. Die Straße 89A führt durch die Berge bis hoch auf 7700 ft. Schmal, kurvig, mit tollen Ausblicken. Irene steuert, Dieter blickt in den Abgrund (oder auch nicht). Was hinaufführt, muss auch wieder hinuntergehen. Unsere Bremsen leisten Schwerstarbeit. Das Bergbaustädtchen Jerome sieht urig aus, aber mit unserem großen Gefährt können wir hier nicht anhalten. Wir sind froh, dass wir die Durchfahrt vorbei an Baustellen ohne Schrammen bewältigen.


Phantastische Ausblicke gewährt die 89A.





Im Red Rock State Park machen wir einen kleinen Hike. Erstaunlich: Hier plätschert ein munteres Flüsschen durch die Felsen, es gibt sogar eine Art Sumpf.

Die Arizona State Parks kosten Eintritt. Im Red Rock sind 15 Dollar fällig, im Slide Rock State Park, den wir morgen anfahren wollen, sogar 20 Dollar. Das kann man umgehen, indem man einen Jahrespass kauft - 75 Dollar, aber nur für Arizona State Parks gültig. Also nicht zu verwechseln mit dem Annual Pass für die Nationalparks in ganz USA. Im Grundmann-Reiseführer Südwesten wird das recht irreführend beschrieben.

Auch in Sedona ist die Parkplatzsuche kein Kinderspiel. Die Pkw-Parkplätze sind voll, nach langer Kurverei finden wir ein Plätzchen an der Straße. Sedona ist eine echte Touristenfalle. Spezialität: New Age und Vortex. An jeder Ecke Wahrsager, heilende Steine, Kraftfeld-Karten und anderer esoterischer Quatsch. Immerhin: Dieter bekommt eine Weste aus Wildschweinleder. 


Sedona erleben wir als Touristenfalle mit nettem Ambiente
und einem Parkplatzproblem für RVs.



Die Falle hat zugeschnappt. Dieter bekommt eine Weste aus Wildschweinleder.
Schützt vor Blitzen, Rheuma, Appetitlosigkeit und Übergewicht.



Über die Veröffentlichung dieses Bildes wird Dieter sicher noch mit mir reden wollen...

Wir verlassen Sedona nach einer Stunde und steuern auf der 89A durch den Oak Creek Canyon unseren Campground Pine flat an. Ein einfacher Platz im Wald, leider etwas nah an der Straße. Die Site ist schön unter hohen Pinien gelegen. Der Nachbar spielt ausdauernd und heftig Rock-Gitarre, was Dieter eigene musikalische Aktivitäten zurückstellen lässt - wohl auch aus Sorge, zu einem gemeinsamen Konzert aufgefordert zu werden. Aber der Nachbar gibt irgendwann auf und mit Einbruch der Dunkelheit kommt die Konzertgitarre am Lagerfeuer doch noch zum Solo-Einsatz, natürlich nur leise. Vorher werfen wir die beiden riesigen T-Bone-Steaks auf den Grill. Er lässt sich mit einer Haube schließen, so wird das Fleisch schneller gar. Trotz eines wunderschön lodernden Campfires sind wir an diesem Abend früh in der Falle, die frische Luft macht müde.


Wiedergutmachung für die "Diva".


Und lecker war's.




U2LS

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Hallo ihr zwei,

da mein ICE aus Paris rund 45 Minuten Verspätung hatte (bis zur Grenze war er noch pünktlich; was will man auch anderes von der Bahn erwarten?), sitze ich gerade im RE nach Fulda. Vor lauter Langeweile habe ich jetzt in einem Rutsch die ersten Tage eurer Reise gelesen und muss sagen, es hat sich gelohnt: der Schreibstil ist sehr flüssig und äußerst amüsant, also einfach nur klasse. Gewürzt wird das Ganze noch mit den Anmerkungen von Dieter. Alles in allem ganz großes Kino!

Ich beneide euch um die romantischen Abende am Lagerfeuer mit der Gitarre.

Weiter so, ich bleibe am Ball!

P.S. fand denn die Unterredung wegen dem Bild schon statt?
Gruß
Lothar

I work bloody hard at work so that I can get home early

http://www.traumzielamiland.de/


sil1969

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Über die Veröffentlichung dieses Bildes wird Dieter sicher noch mit mir reden wollen...

Das ist doch ein schönes Foto. Da habe ich gestern von meinem Mann ein ganz anderes gemacht, mit offenem Mund schlafend auf der Couch...  :lachen07:

Was ist denn das blau-weiße Teil auf dem Tisch beim Essen?
LG Silvia

Simone_JJ

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Das ist doch ein schönes Foto. Da habe ich gestern von meinem Mann ein ganz anderes gemacht, mit offenem Mund schlafend auf der Couch...  :lachen07:

Na, dann zeig mal her.  :lachen07:

Simone_JJ

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Der nächste Stopp gilt der viel gelobten Fire Wave. Diese farbenprächtige Welle aus Sandstein ist noch nicht so lange als Highlight bekannt. Grundmann/Synnatschke reklamieren in ihrem Reiseführer die Entdeckung und die Namensgebung für sich und preisen die Fire Wave in den höchsten Tönen. Unsere Meinung: Schön, aber nicht sensationell. Hätten wir uns zwischen den beiden Trails entscheiden müssen, hätte der White Dome Trail den Vorzug bekommen.

GENAU das gleiche habe ich auch gedacht!!!

Und die 89A sind wir vor 2 Wochen gefahren. Die schönste Strecke, die ich (bisher) in den USA gesehen habe. Ich bin aber quasi seekrank geworden. Der Schatz musste dann ganz langsam fahren und ich war heilfroh, nicht aus dem Fenster gereiert zu haben.  :roll:

Dem Lothar mag ich mich anschließen. Es macht Spaß bei Euch beiden mitzulesen.  :winke:

ireula

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Das ist doch ein schönes Foto. Da habe ich gestern von meinem Mann ein ganz anderes gemacht, mit offenem Mund schlafend auf der Couch...  :lachen07:

Na ja, der Mann ist nicht das Problem. Mehr der im Hintergrund lauernde Text - als "Diva" lässt sich ein echter Kerl nur ungern titulieren...


P.S. fand denn die Unterredung wegen dem Bild schon statt?

Ja, gestern Abend. Ich habe Abbitte geleistet und das Ganze als Zufall hingestellt (unter uns: manchmal ist es besser, klein beizugeben).

ireula

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Samstag, 1. Oktober

Katastrophenalarm

Early to bed and early to rise ... Gegen 8.30 Uhr sind wir abmarschbereit. Wir haben heute ein strammes Programm: Slide Rock State Park (ein Stück zurück auf der 89A), dann zum Sunset Crater NM und zum Walnut Canyon NM. Die Entfernungen sind nicht besonders groß, aber wir wollen schließlich auch kleine Hikes machen. Dann passiert es: Dieter fragt nach ein paar hundert Metern: ¨Wo habe ich denn mein Portemonnaie?¨, das in dem üblicherweise genutzten Fach in der Fahrerkabine nicht zu finden ist. Wir denken kurz nach, noch keineswegs alarmiert. Wir halten an einer Parkbucht und beginnen zu suchen. Die denkbaren Stellen sind Nieten. Dieters Atem geht stoßweise. Wir denken nach: Wann war es noch da? Am Abend, als er beim Host das Bündel Feuerholz gekauft hat. Auf dem Weg zurück verloren? Unwahrscheinlich, aber möglich. Im Dunkeln war er außerdem mit der Gitarre in der Hand über einen Holzbalken gestürzt. Dabei könnte das Portemonnaie aus der Gesäßtasche gefallen sein. Wir haben aber nichts auf der Campsite zurückgelassen. Geklaut? Doch wohl nicht.

Irene läuft zurück zum Platz und befragt den Host. Es ist nichts abgegeben worden. Die Site ist klinisch rein. Dann geht Dieter und sucht den Weg ab. Nichts. Unterdessen stellt Irene das Wohnmobil auf den Kopf. Jedes Schrankfach wird ausgeräumt, jedes Polster abgenommen, in jede Ritze mit der Taschenlampe geleuchtet. Nichts. Warum der ganze Aufstand? Nicht wegen der 200 Dollar. In der Geldbörse sind Führerschein, Kreditkarten, EC-Karte, Personalausweis, Krankenversicherungskarte und vieles andere mehr.

Schweren Herzens machen wir uns auf zum Slide Rock State Park. Dort fahren wir auf dem Parkplatz unseren Slideout aus, um die Ritzen zu inspizieren. Wir finden nichts. Den Park mit seinen Rutschfelsen und eiskalten Badepools können wir nicht richtig genießen. Ein paar Unerschrockene lassen sich tatsächlich im Wasser treiben, und ein Mann fällt voll bekleidet mitsamt seiner Kamerausrüstung ins Wasser. Selbst dieses bedauernswerte Missgeschick vermag Dieter nicht zu trösten. Ebenso wenig wie das Highlight: Eine bunt geringelte, gar nicht so kleine Schlange unter Steinen, die später von einem Experten als ungiftige Arizona Mountain Kingsnake identifiziert wird.


Den schön gelegenen Slide Rock State Park können wir leider nicht so recht genießen.




Irenes Schlange, eine Arizona Mountain Kingsnake.

Uns zieht es zurück an den Ort des Schreckens, unseren Campground. Vielleicht ist inzwischen was abgegeben worden. Aber nein, nichts. Unsere Site ist schon von einer Großfamilie bezogen worden. Die Leute versichern, dass der Platz völlig leer war, bieten aber an, uns anzurufen, falls sie im Gebüsch was finden. Vielleicht hat ja ein Rabe oder ein Waschbär das Portemonnaie weggeschleppt?

Bedrückt gehen wir zurück zum Camper. Auch beim Host werden wir die Telefonnummer hinterlassen. Uns graut vor dem ganzen Papierkram des Kartensperrens und Neubestellens. Außerdem kann Dieter ohne Führerschein trotz der internationalen Fahrerlaubnis nicht mehr ohne Weiteres fahren. Da ist wohl mit der Führerschein-Kopie zumindest ein Besuch bei der Polizei fällig. Mist!

Irene ärgert vor allem, dass die Logik einfach dagegen spricht, dass das Ding verloren gegangen ist. Eigentlich muss es im RV sein. X-mal haben wir in den Fächern der Fahrerkabine gesucht. Nun steckt Irene die Hand noch einmal hinein. Handy, Sonnenbrille sind da. Und da ist noch ein zuvor nicht ertastetes schmales Fach - mit dem Portemonnnaie. Heureka! Der Tag und die Stimmung sind gerettet, wir sind glücklich!   
 
Erleichtert nehmen wir die nächsten Meilen unter die Räder. Im Norden überqueren wir die Interstate 40 und steuern das Sunset Crater National Monument an. Hier kommen wir endlich zu unserem Jahres-Nationalparkpass, der jetzt Interagency Annual Pass heißt. Für 80 Dollar haben wir jetzt ein Jahr lang freien Eintritt in allen Nationalparks und National Monuments der Vereinigten Staaten. Und man kann den Pass sogar an eine weitere Reisegruppe ausleihen.

Der Sunset Crater ist ein Vulkan, der vor rund 1000 Jahren ausgebrochen ist. Eine lavaschwarze Mondlandschaft ist übrig geblieben. Wir gehen - es ist mehr ein Stolpern - durch die harten Brocken, die sich am Fuß des Vulkankegels aufgetürmt haben. Auf dem Lava Flow Trail bieten sich phantastische Blicke in dieses surreale Panorama. Bäume und Pflänzchen erobern sich ganz langsam ihr Territorium zurück.


Die Gegend um den Sunset Crater und die Trails haben uns schon sehr beeindruckt.
Unter der Asche befinden sich noch Wohnsiedlungen und die sterblichen Überreste derer,
die es nicht rechtzeitig geschafft hatten, dem Feuersturm zu entkommen.










Ein Stück weiter südlich wartet der Walnut Canyon, ebenfalls ein National Monument, auf uns. Wir sind in New Mexico, tief im Indianerland. Der Walnut Canyon war eine Heimstatt der Sinagua-Indianer (von spanisch sin agua = ohne Wasser). Diese Ureinwohner haben ihre Häuser unter Felsüberhängen an den Canyon-Wänden gebaut. Ohne Wasser kamen sie natürlich nicht aus: Der Canyon führte nach der Schneeschmelze im Frühjahr reichlich Wasser, das aber nach einigen Monaten versiegte. Die Sinagua schleppten deshalb Wasservorräte in ihre Behausungen hoch über dem Fluss und kamen so über den Winter.


Im Walnut Canyon lässt auch nachfühlen, mit welchen
Widrigkeiten die Menschen damals zu kämpfen hatten.
Aus unserer komfortablen Sicht unvorstellbar.




Ein steiler Trail führt vom Visitor Center hinunter zu den Ruinen. Sie sind zum Teil rekonstruiert, aber 30 Prozent sind noch im Original erhalten. Der Trail ist schon ohne die Felsenhäuser unbedingt lohnenswert - sagenhafte Ausblicke. Auf der gegenüberliegenden Seite des Canyons sind weitere Felswohnungen zu erkennen - nach Ansicht der Historiker haben die Sinagua ein geselliges Leben in Familien und Nachbarschaften geführt. Wir malen uns aus, wie sie sonntags, schick in Fell gekleidet, die Nachbarn auf der anderen Talseite besuchen...

Wir haben den Walnut Canyon beinahe für uns. Aber als wir die steile Treppe wieder hinaufklettern, kommt uns eine ganze Horde Collegekids entgegen. Jetzt ist es mit der Ruhe vorbei. Zum Schluss: Woher hat der Canyon seinen Namen? Am Grund  der Schlucht sind amerikanische Walnussbäume heimisch.





Nach drei Highlights an diesem Tag fahren wir noch ein paar Meilen bis zum Meteor Crater. Hier steigen wir auf dem gleichnamigen RV-Park ab. Unsere Site hat Wasser und Strom, aber kein Abwasser. Das macht natürlich nichts, denn wir sind ja eigentlich autark. Vor der Abfahrt am nächsten Morgen werden wir dumpen, damit Blackwater- und Greywater-Tank für alles gerüstet sind.



ireula

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Was ist denn das blau-weiße Teil auf dem Tisch beim Essen?

Das ist ein holländischer Salzstreuer, den wir aus dem Roadbear-Austauschregal mitgenommen - und am Ende wieder aufgefüllt zurückgestellt haben.

ireula

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Sonntag, 2. Oktober

Das war knapp

Schon morgens um halb sieben setzt Irene die Waschmaschine in Gang. Gestern hat sie im Office 3 Dollarnoten in Quarters umgetauscht. 1,75 Dollar kostet der Washer, ebensoviel der Dryer. Die Duschen auf diesem Campground sind übrigens tipptopp - richtige kleine Badezimmer mit Toilette, Waschbecken und Dusche, alles sehr sauber.

Wäsche und Menschen sind also wieder klinisch rein, und wir starten zum Meteor Crater, den Dieter gerne sehen will. Er ist weder Nationalpark noch Monument oder State Park, sondern in privater Hand. Und daher wird kassiert: 18  Dollar pro Person. Mit einem 2-Dollar-Discount vom Campground sind es dann immerhin noch 32 Dollar.

Der Weg zur  eigentlichen Attraktion führt an allerlei Kaufanreizen entlang, aber dann treten wir endlich ins Freie. Wir sehen in einen riesigen Krater, in den vor rund 50.000 Jahren ein Meteorit eingeschlagen ist. Angeblich war er im Durchmesser nur 25 bis 30 Meter groß, traf aber mit einer Geschwindigkeit von 70.000 Kilometern pro Stunde auf der Erde auf. Die Zerstörungskraft hat alle Atombombenexplosionen weit übertroffen. In weitem Umkreis starb jegliches Leben ab.

Der Krater misst 1,25 Kilometer im Durchmesser. Hier haben die Apollo-Astronauten trainiert, denn das Gelände entspricht erstaunlich genau der Mondoberfläche. 


Der Meteor Crater ist nahezu unverändert erhalten und zeigt die Wirkung des Einschlags sehr plastisch.

Die Erforschung des Kraters hat eine ganz eigene Geschichte - hier hat der Ingenieur Daniel Barringer praktisch sein ganzes Leben, seine Arbeitskraft und sein Geld investiert, um den Meteor als Botschafter aus dem All auszugraben. Es ist ihm nicht gelungen, nur Bruchstücke kamen zu Tage. Eines der größten Probleme: Die Bohrer, mit denen er ins Gestein vordringen wollte, waren nicht hart genug für die metallischen Strukturen. Die Bohrer brachen ab oder verkeilten sich, sodass die Bohrungen eingestellt wurden. Immerhin aber hat Barringer die Fachwelt von der Theorie des Meteoriteneinschlags überzeugt, die man vor seinen Forschungen durchaus nicht überall anerkannte. Meteor Crater ist defintiv einen Besuch wert.



Ein richtiger Nationalpark steht als nächstes auf dem Programm: Petrified Forest. Genau genommen sind hier zwei Nationalparks zusammengefasst, es gibt auch zwei Visitor Center: für Petrified Forest, den versteinerten Wald, und für Painted Desert, die bunte Wüste. Da wir durch den südlichen Parkeingang einfahren, können wir uns erst die braun, schwarz, rot, gelb und weiß schillernden Holzstämme ansehen, die hier in Massen herumliegen. Aber es ist kein Holz mehr, sondern Stein. Jedes Detail der unter Wasser und Schlamm begrabenen Stämme ist noch zu sehen: Rinde, Astlöcher, Wurzelreste.


Man sieht es dem Foto nicht an, aber es war ganz schön windig im Petrified Forest.


Es ist erstaunlich, wie detailreich sich die Strukturen der Bäume nach rund 220 Millionen Jahren erhalten haben.

Natürlich darf man nichts anfassen und schon gar nichts mitnehmen. Am Parkausgang werden die Fahrzeuge sogar stichprobenartig untersucht - jedenfalls verkündet das ein Schild. Seltsam allerdings, dass schon meilenweit vor dem Park ein Laden nach dem anderen gewaltige Mengen auch großer Versteinerungen anbietet. Mancher Hof ist mit Bruchstücken geradezu übersät. Wie kommen die Inhaber zu diesen Schätzen?





Die Painted Desert tut uns den Gefallen, pünktlich im Nachmittagssonnenlicht zu strahlen. Es gibt etliche Aussichtspunkte, von denen wir nur drei ansteuern. Denn wir haben noch einige Meilen zu fahren.


An der Painted Desert gibt es eine ganze Reihe von Aussichtspunkten mit Parkmöglichkeit.



Statt des zunächst geplanten Canyon de Chelly wollen wir einen Südschlenker in unsere Route einbauen. Dieter hat das ausbaldowert und mit dem El Morro National Monument ein neues Ziel gefunden. Und unsere - zugebenermaßen ziemlich alte - Karte sagt, dass es kurz hinter dem Monument einen sehr schönen Natur-Campground geben soll. Nur elf Plätze, aber wir wollen unser Glück versuchen.


Unterwegs - auch die Rinder haben freien Zugang zum Highway.



Die Fahrt zieht sich, führt aber durch einsames und ungeheuer abwechslungsreiches Land. Wir haben den zu Hause mit ¨Roadmusic¨ bespielten Musikstick im Autoradio stecken und genießen. Gegen 4 pm sind wir am El Morro. Zum Visitor Center geht es rechts ab. Nach der Karte muss der Campground fünf bis zehn Meilen weiter östlich links von der Straße liegen. Wir halten Ausschau und halten Ausschau - vergeblich. Mist. Plan B ist, nach Grants durchzufahren und auf dem dortigen KOA abzusteigen. Zwei kleine Probleme sind mit diesem an sich guten Plan verbunden. Erstens haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Campgrounds jetzt in der Nebensaison ziemlich früh schließen - 6 Uhr zum Beispiel. Und wir sind nicht mehr in Arizona, sodass die Zeit auf Irenes Uhr nicht stimmt: Tatsächlich ist es schon kurz nach 5. Gut 40 Meilen haben wir noch vor uns. Kann gerade so klappen.

Wir schaffen es. Der KOA-Host stellt sich gerade auf Feierabend ein, als wir aufkreuzen. Nur leider: Der Platz ist voll. Wohin nun in diesem Kaff? Der Mann empfiehlt, es vier Meilen weiter auf dem Lavaland CG zu versuchen:
¨Good luck!¨

Auf Lavaland ist das Büro zu, und ein anderes Wohnmobil steht davor. Die Leute berichten, dass sie über den Platz gefahren sind und keine freie Site gesehen haben. Dieter aber hat von der Straße aus freie Plätze erspäht und will so schnell nicht aufgeben. Am Office steht eine Plastikbox mit Formularen zur Selfregistration bei late arrival. Das klingt doch gut. Während der Mitbewerber abdreht, fahren wir zu den von Dieter entdeckten Plätzen. Hier sind zwar die Wasserhähne trocken, und die Stromkästen haben keinen Saft. Aber wir brauchen keine Anschlüsse und stellen uns einfach auf eine freie Site. Zum Formular mit unseren Daten und der Site-Nummer kommen 29 Dollar Cash, und der Deal ist perfekt. Weder heute Abend noch am nächsten Morgen bekommen wir einen Offiziellen zu Gesicht. Geschlafen haben wir blendend.   


ireula

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Montag, 3. Oktober
 
Doch noch El Morro

Beim Frühstück stellen wir uns die Gewissensfrage: Wollen wir auf direktem Weg Richtung Mesa Verde nach Norden fahren oder doch wieder 40 Meilen zurück, um El Morro zu besuchen? Weil wir ja keine Leute sind, die sich so schnell von erreichbaren Zielen verabschieden, entscheiden wir uns für El Morro. Das bedeutet auch: 40 Meilen durch herrliche Landschaft. Als wir nach links zum Visitor Center abbiegen, trifft uns nach 100 Metern fast der Schlag: Ein Schild weist links zum El Morro Campground. Hier also liegt er, direkt am Eingang zu unserem Ziel. Um den Schmerz nicht noch zu vergrößern, schauen wir uns die Sites gar nicht an. Sie sind bestimmt wunder-wunderschön ...

Aber das Monument ist auch nicht zu verachten. Ein 1-Kilometer-Trail führt an hoch aufragenden hellen Felsen entlang zu einem natürlichen Pool, der in die Felswände eingebettet liegt. Die frühen Siedler haben die Wasserstelle auf ihren Trecks nach Westen entdeckt und als Rastplatz für Mensch und Pferde genutzt. Sehr idyllisch ist es hier, die Sonne strahlt die Felswände an. Das haben wohl die Siedler auch so empfunden und sich auf dem glatten Stein verewigt. Namen, Daten, kleine Zeichnungen machen den Inscription Rock zu einer Art Nachrichtenbörse der Siedler. Die älteste (spanische) Inschrift stammt immerhin von 1605. Aber auch ungeachtet der Inschriften und der Geschichten, die hinter ihnen stehen, ist die Felsformation sehenswert. Mit mehr Zeit kann man den längeren Loop von 2 1/2 Meilen nehmen, der bis auf die Felsen hinaufführt.


Das El Morro National Monument ist sehenswert und auch in ein bis zwei Stunden zu erkunden.







Aber wir müssen nun Meilen machen. Wir fahren nach Norden Richtung Mesa Verde. Kurz vor dem Nationalpark kommen wir durch Cortez - eine recht große und vergleichsweise belebte Westernstadt, schon in Colorado gelegen. Wir können nicht widerstehen und kehren bei Pizza Hut ein. Erwartungsgemäß lecker und erstaunlich preiswert.


On the road again.

Jetzt wollen wir Quartier machen, denn eine solche Erfahrung wie gestern brauchen wir nicht wieder. Auf dem Ancient Cedars Mesa Verde RV Resort werden wir freundlich empfangen, aber die Inhaberin lässt keinen Zweifel daran, dass wir Glück haben, noch eine Site zu bekommen. Als sie erfährt, dass wir noch nach Durango wollen, wiegt sie den Kopf: Ob wir schon eine Campplatz-Reservation haben? (Nein). Ob wir schon Zugfahrkarten für den Trainride nach Silverton haben (Nein). Ob wir in Albuquerque, unserer geplanten folgenden Station, während des berühmtem Balloon-Festivals schon gebucht haben? (Nein).

Wir bekommen kalte Füße - nicht nur, weil es hier oben schon ganz schön kühl geworden ist. Die Lady hat allerdings eine Idee: Nach Durango sind es von hier nur  knapp 40 Meilen, wir könnten also zwei Nächte bleiben und dann am Morgen unseres Zugtrips von hier aus starten. So machen wir es und zahlen 35 Dollar pro Übernachtung.

An der wunderschönen Campsite unter Zedern gibt es keine Entspannung, denn jetzt wollen wir es wissen: Bekommen wir überhaupt noch Zugfahrkarten? Die Campgroundchefin hat erklärt, dass die vielen Babyboomers - nun retired - kreuz und quer im Land unterwegs sind, vorzugsweise mit Wohnmobilen. Sie sind nun zur Laubfärbung nach Colorado gekommen und wollen die romantische Zugfahrt erleben. Ob wir noch Karten bekommen, hält sie für zweifelhaft.

Die Internetbuchungsseite zeigt: Es wird voll. Die Deluxe-Klasse ist nicht mehr zu haben, es gibt nur noch Standard. Wir entscheiden uns angesichts der Temperaturen gegen den offenen Waggon (für Durango sind am Mittag magere 11 Grad Celsius vorhergesagt, und in Silverton wird das Thermometer knapp an der 0-Grad-Grenze landen) und buchen die letzten beiden freien Plätze für knapp 200 Dollar. Gleich hinterher auch noch eine Campsite für den Abend danach, denn wir kommen erst um 6 pm wieder am Bahnhof an. Die Tour geht am 5. Oktober um 8.45 Uhr in Durango los, führt in dreieinhalb Stunden in das Minenstädtchen Silverton und nach zwei Stunden Aufenthalt wieder dreieinhalb Stunden retour nach Durango. 


sil1969

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Was ist denn das blau-weiße Teil auf dem Tisch beim Essen?

Das ist ein holländischer Salzstreuer, den wir aus dem Roadbear-Austauschregal mitgenommen - und am Ende wieder aufgefüllt zurückgestellt haben.

Ah....Danke.

Das denken wir uns auch öfter: Bevor man noch lange herumfährt und sucht, kann man eine Nacht mal ohne Strom und Wasser aushalten.
LG Silvia

Yaphi

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El Morro kannte ich zum Beispiel noch gar nicht, das habe ich mal notiert :)
Tolle Reise bisher!

ireula

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Dienstag, 4. Oktober

Auf den Spuren der Pueblo-Indianer

Diese Nacht war kalt. So kalt, dass wir abends tatsächlich die elektrische Heizung gebraucht und mitten in der Nacht die zweite Decke über uns gebreitet haben. Gut, dass Roadbear vorgesorgt hat.
Am Morgen ziehen wir die wärmsten Sachen an, die wir haben. Das Zwiebelprinzip bewährt sich wieder einmal. Aber Irene beschließt, eine Legging oder Strumpfhose zum Anziehen unter der Jeans zu kaufen, denn in Silverton sind für Mittwoch 4 Grad angesagt - mittags!

Erst einmal aber brechen wir auf in den Mesa Verde Nationalpark. Hinter dem Visitor-Center geht es hinauf in die Berge. Die Bäume hier sind zwar nicht groß, aber die Laubfärbung ist wunderschön anzusehen. Höher und höher windet sich die Straße. Wir steuern das Spruce Tree House an, die einzige Klippensiedlung, die auf eigene Faust erkundet werden kann. Dachten wir. Doch ausgerechnet 2016 ist das Spruce Tree House wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen. Wir können es nur auf der gegenüberliegenden Seite des Canyons betrachten - wenig spektakulär, zumal es vormittags im Schatten liegt.


Der Mesa Verde Nationalpark, ein "Muss" (sicher nicht nur auf unserer Route).

Ein bisschen enttäuscht sind wir schon. Deshalb bekommt jetzt die Option einer guided tour doch ihren Reiz. Cliff Palace und Balcony House stehen dafür zur Verfügung. Dachten wir. Cliff Palace aber öffnet erst im nächsten Frühjahr wieder, erklärt die Rangerin. Aber für Balcony House gibt es noch Karten für die Tour um 3.30 pm. Bis dahin haben wir noch über drei Stunden Zeit, aber wir nehmen die Karten für 8 Dollar (für zwei).

Dieter schlägt vor, den Mesa Loop zu fahren, einen 6-Meilen-Rundweg mit zahlreichen Stopps an Sehenswürdigkeiten. Und das lohnt sich wirklich. Fast drei Stunden verbringen wir hier, besuchen gemütlich einen Aussichtspunkt nach dem anderen. Wir sehen Pueblo-Siedlungen in der Ebene, die in die Erde hinein gebaut worden sind. Wohnkeller sozusagen. Die frühesten Bauten stammten aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. Es gab Wohnräume und Vorratsräume und Kivas, wo kultische Handlungen, aber wohl auch gesellige Zusammenkünfte stattfanden. Ein kleines rundes Loch im Boden symbolisierte den Zugang zur Unterwelt.


Der Mesa Loop führt zu einer ganzen Reihe von Pueblo-Siedlungen, die in die Erde hinein gebaut wurden.

Immer mit besonderer Verbindung zur Unterwelt und mit einem Belüftungssystem, das Rauchvergiftungen vorbeugen sollte.

Am Mesa Loop eröffnen sich aber auch wunderbare Blicke auf die Klippensiedlungen. Unser kleines, aber leistungsstarkes Fernglas hat seinen großen Auftritt. Die Befürchtungen, dass Menschenmassen uns den Besuch von Mesa Verde vergällen würden, bewahrheiten sich übrigens nicht. Zwar war es am Visitor Center schon morgens richtig voll, aber der Park ist riesig. Vom Eingang bis Balcony House sind es 25 Meilen, da verläuft sich der Besucherstrom.


Die Klippenhäuser sind rund 600 Jahre alt.




Der Höhepunkt des Tages ist die Tour zum Balcony House. Ranger Roland, ein Native American, schleust die Gruppe mit 50 Personen durch die Klippen. Schon der Zugang ist spannend: Es geht ein paar Stahltreppen hinunter, dann an der Canyonwand entlang und anschließend eine 32 Fuß (10 Meter) lange, steile Leiter hinauf. Viele Teilnehmer haben offenkundig Muffensausen, aber wir schlagen uns als Bewohner einer Bergregion bravourös und sicher. Oben wartet der erste Raum von Balcony House. Tatsächlich haben die Ureinwohner hier Balkone vor ihre gemauerten Häuser unter den Felsüberhängen gebaut. Was hat sich auf den Balkonen wohl abgespielt? Wurde hier Essen gelagert oder saßen die Leute in der Sonne vor ihren Wohnzimmern? Fest steht nur, dass die Anasazi, die Ureinwohner, Bauern waren. Sie kletterten Tag für Tag die Felsen hinauf, um Corn (Mais) anzubauen. Aus dem Mais wurde mit Hilfe von Steinen Mehl gemahlen, das  gut lagerfähig war. Außerdem musste vom Canyon tief unten Wasser geholt werden. Die Anasazi lagen gewiss nicht auf der faulen Haut.


Ranger Roland an der 10 Meter langen, steilen Leiter, dem einzigen Zugang zum Balcony House. Aber nicht der einzigen Leiter...

Wir gehen durch schmale Felslücken in die nächsten Wohnungen. Roland legt großen Wert darauf, dass niemand etwas Menschengemachtes berührt. Schließlich sollen die historischen Bauten auch die nächsten Generationen überdauern. Daher darf auch außer Wasser kein Lebensmittel und kein Getränk in die Siedlungen gebracht werden. Nicht einmal ein Kaugummi.

Um wieder an die Oberfläche zu kommen, müssen wir zuerst auf Knien durch einen 45 Zentimeter breiten und vier Meter langen Tunnel kriechen. Der Rucksack auf dem Rücken ist da hinderlich, Irene muss ihn abnehmen und vor sich herschieben. Dann noch zwei fast senkrechte Leitern, und wir haben es geschafft.


Dieter an der letzten Leiter, dann sind wir wieder an der Oberfläche.

Auf dem Rückweg zum Campground kaufen wir ein und gönnen uns Riesengarnelen und Olivenbrot. Außerdem schlagen wir im Liquor Store beim Wein zu, denn weder bei Safeway noch bei Walmart findet sich Alkohol in den Regalen. Um 7 pm geht ein langer, schöner Tag mit köstlichen Meeresfrüchten und einem Glas Weißwein aus dem Columbia-Valley in Washington State zu Ende. 
 

ireula

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Mittwoch, 5. Oktober

Unter Dampf

Die Nacht am Mesa Verde Campground ist kurz. Um 5.45 Uhr klingelt der Handy-Wecker. Morgentoilette und schnelles Frühstück, um 7 Uhr sind wir abgedockt. Wir haben keine Zeit zu verlieren, denn um 8.45 Uhr fährt unser Zug. Aber schon um 8.15 Uhr soll nach den Informationen der Railroad-Company das Boarding beendet sein. Und wir haben noch knapp 40 Meilen vor uns. Etwas nervös fahren wir über die Interstate nach Osten.

Anmerkung Dieter:
Der Begriff ¨nervös¨ klingt relativ harmlos, aber selten zuvor in der Geschichte des motorisierten Straßenverkehrs dürfte ein Fahrzeugführer von einer Beifahrerin derart hemmungslos zum Verstoß gegen sämtliche Verkehrsregeln gedrängt worden sein, wie es auf diesen knapp 40 Meilen der Fall war. Um so wichtiger ist es, dass verantwortungsvolle Kraftfahrer Aufforderungen wie: ¨Gib endlich Gas¨, ¨die Ampel ist nicht Rot¨ und ¨den Schleicher schaffst Du auch noch¨ mit aller Entschiedenheit widerstehen und trotz des vermeintlichen Zeitdrucks der Sicherheit ihrer Mitmenschen einen höheren Stellenwert beimessen als einer wie auch immer gearteten Zugfahrt. Im späteren Verlauf des Tages haben Irene und ich nach einer gewissen Zeit der stillen Einkehr und der zu keinem übereinstimmenden Ergebnis führenden Selbst-Analyse des Geschehenen auch wieder miteinander geredet.
Dies musste dem auch einem Reisebericht aufzuerlegenden Mindestmaß an Aufrichtigkeit wegen angemerkt werden. Sonst wird der Mond über Colorado irgendwann noch eckig. Doch jetzt wieder Irenes wahrheitsgemäße Schilderung:

Kurz vor 8 stehen wir in der Schlange zum Parkplatz. Den Parkplatz (8 Dollar) haben wir zusammen mit den Zugtickets vorgebucht. Allerdings kostet ein RV-Parkplatz 10 Dollar, wie wir jetzt auf dem Schild lesen. Deshalb geht Irene mit zwei Dollarnoten in der Hand zum Parkplatzwächter. Er ist nett und erlässt uns die Zusatzgebühr. Er streicht unseren Namen in der Liste ab.
Wir haben uns am Morgen warm angezogen, denn es ist kalt hier oben in Colorado. Irene hat sich gestern extra eine Leggings gekauft, die nun unter der Jeans den Po wärmt. Auch die Halstücher kommen zum Einsatz.

Pünktlich stehen wir am Bahnhof, wo gerade der 8-Uhr-Zug abgefahren ist. Um 8.15 Uhr sitzen wir auf unseren Plätzen im Wagen (Coach) 24. Außer uns hat nur eine Holländerin die Zeitvorgabe ernst genommen. Die übrigen Mitreisenden trudeln erst nach und nach ein. Unter kräftigem Tuten des Horns startet die Dampflokomotive um 8.45 Uhr. Wir sitzen auf der linken Seite. Da der Zug in Silverton komplett gewendet wird und die Passagiere ihre Plätze behalten, sehen wir auf der Rückfahrt die Aussicht auf der anderen Zugseite.

Gemächlich zockeln die Waggons am Animas River entlang durch die Ausläufer von Durango. Wir sehen nach vier Meilen unseren Campground, wo wir für den Abend vorgebucht haben. Immer wieder stehen Leute an der Strecke und winken uns zu.
Der Zug dampft langsam, mit rund 15 Meilen per hour, die steiler werdenden Berge hinauf. Einen Zwischenstopp gibt es an der Stelle, an der Robert Redford 1969 in dem Streifen "Zwei Banditen" als Sundance Kid gemeinsam mit Paul Newman als Butch Cassidy den Zug überfallen hat.


Die lange, aber abwechlungsreiche Fahrt gewährt immer neue Blicke auf die Bergwelt.

Nach und nach stellt sich die Crew vor. Der Schaffner, das Mädchen vom Bistro und eine Frau, die allerlei Wissenswertes berichtet. Wir sind umgeben von einer niederländischen Reisegruppe, die von ihrem Bus in Silverton abgeholt werden wird. Außerdem sitzt vorne ein allein reisender Kanadier. Das heißt - so ganz allein ist er nicht. Ein Teddy ist sein Reisegefährte, und der Bär beansprucht einen Sitzplatz neben seinem Freund. Etwas eigenartig für einen rund 40-Jährigen.

Irene genehmigt sich einen Kaffee mit einer ordentlichen Portion Baileys. Immerhin sind dreieinhalb Stunden Zugfahrt zu überstehen. Die Landschaft ist herrlich, es geht durch bunte Wälder und an Felswänden vorbei immer höher. Ab und zu schieben wir das Fenster hoch, um zu fotografieren. Dabei weht die kalte Luft ins Abteil. Kaum zu glauben, dass auch im offenen Wagen eine Menge Leute sitzen. Sie müssen entweder in Felle gekleidet sein oder sich die Gliedmaßen abfrieren.


Irene friert, Dieter spendiert: ein Baileys-Kaffee-Gemisch mit deutlich höherem Baileys-Anteil.

Pünktlich um 12.15 Uhr treffen wir in Silverton ein. Gut zwei Stunden haben wir zur Erkundung dieses Wildweststädtchens. Die Straßen hier sind nicht gepflastert, sondern breite, staubige Gravel Roads ganz wie zu den Zeiten, als der Gold- und Silberrausch hier für Leben sorgte. Die Holzhäuser sind zum großen Teil erhalten geblieben, es wirkt alles urig und authentisch. Natürlich sind in den Gebäuden reihenweise Souvenirshops und Lokale untergebracht. Aber das kommt uns gerade recht.


Zwischenstation in Silverton, das sich den Reiz eines Westernstädtchens erhalten hat.



Die wenigen Wahlplakate auf unserer Reise warben meist für Donald Trump.

Wir kehren ein im Bent Elbow, einem wirklich hübschen Restaurant, das mit seiner Vergangenheit als Bordell renommiert. Die ¨Shady Ladys¨ haben in Silverton nachhaltige Spuren hinterlassen. Im Bent Elbow lassen wir uns nicht an der Bar, sondern an einem Tisch neben dem Klavierspieler nieder. Er könnte in jedem Western Karriere machen: zum Zopf gebundene lange Haare, Westernhut und kariertes Hemd, eine spitze, knallrote Nase, rote Apfelbäckchen und ein freundliches Lächeln im Gesicht. Unermüdlich greift er in die Tasten. Wir essen Wrap und Sandwich - sehr lecker.


Das Bent Elbow erwies sich als gute Wahl für die Mittagsrast.

Nach dem ausgedehnten Bummel durch die Shops besteigen wir unseren inzwischen gewendeten Zug und genießen die Fahrt, wo wir diesmal aufregende Blicke in die Schluchten links der Strecke bekommen. Die Sonne meint es gut mit uns und strahlt den ganzen Tag vom blauen Himmel. Mit einer Minute Verspätung sind wir um 6 pm wieder in Durango.









Obwohl wir doch heute fast nur gesessen haben, sind wir ganz schön geschafft. Das viele Schauen strengt eben auch an. Unser Campground ist schnell angefahren. Wir docken an und essen heute provisorisch: Ein Wrap aus Silverton, den Dieter nicht mehr geschafft und in einer Box mitbekommen hat, und die beiden Muffins, die wir uns als Proviant am Morgen eingepackt, aber nicht gebraucht haben. Irene packt auf den Schinken noch Tomate, Zwiebel und Käse und gibt das Ganze für drei Minuten in die Mikrowelle - lecker!   

Der Campground ist ruhig gelegen und hat eine Spezialität: Die Restrooms sind mit einem Code versehen: 3-4-2. Das ist an sich nichts Besonderes, aber hier muss man vor und nach Eingabe des Codes noch Knöpfe in bestimmte Richtungen drehen, außerdem sind die Zahlen an der Eingabe nicht arabisch, sondern römisch. Wenn man es eilig hat, ist das eine echte Herausforderung. Irene meistert sie, beobachtet aber neben sich Männer, die einen vollkommen ratlosen Eindruck machen. Dieter berichtet allerdings später, dass man beim Herrenklo den römischen Ziffern mittels Kugelschreiber eine arabische ¨Übersetzung¨ beigefügt hat. So viel zum Thema Pfiffigkeit.

Dieter meint: Ein Kommentar zu dem diesmal von Irene im Wesentlichen korrekt wiedergegebenen Sachverhalt erscheint mir zu billig. Allerdings hatte ich beim Besuch des männlichen Restrooms den Eindruck, als sei hinter zwei der verschlossenen Toilettentüren ein Hauch von Leggings sichtbar gewesen. Die wären dann wohl Damen zuzuordnen, die den eigenen femininen IQ-Zugang nicht zu überwinden vermocht und in ihrer Not bei den Simple-Minds Zuflucht gesucht hatten. Was mich zu der These verleitet, dass sich der von Irene verwendete Begriff der Pfiffigkeit nicht einem bestimmten Geschlecht zuordnen lässt. Zumindest nicht pauschal. Überdies ist es ja auch ein herausragendes Zeichen solidarischer Schwarm-Intelligenz, als Orientierungshilfe für seine Mit-Männer den römischen Ziffern beim Eingang zum Restroom arabische Zahlen hinzuzufügen. Diese bahnbrechende und im besten Sinne des Wortes der Erleichterung dienende Errungenschaft war unzweifelhaft nur bei den Herren zu verzeichnen. Vielleicht gereicht es manchen Frauen ja sogar zur Freude, wenn einige ihrer Geschlechtsgenossinnen an den römisch gesicherten Zugängen scheitern - mit allen Folgeerscheinungen. Erwähnenswert wäre in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch gewesen, dass der Damen-Restroom am Morgen zum Schauplatz einer derart massiven Fön-Orgie wurde, dass sämtliche Sicherungen unter Überlast die komplette Elektrik des Restroom-Gebäudes lahmlegten. Überflüssig anzumerken, dass es ein Vertreter der mit römischen Ziffern überforderten Spezies war, der die Sache wieder ausbügelte. Da sich das Thema an dieser Stelle fundiert ohnehin nicht erschöpfend behandeln lässt, morgen wieder Irenes Sicht auf die Dinge.


Wolfgang

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......Seltsam allerdings, dass schon meilenweit vor dem Park ein Laden nach dem anderen gewaltige Mengen auch großer Versteinerungen anbietet. Mancher Hof ist mit Bruchstücken geradezu übersät. Wie kommen die Inhaber zu diesen Schätzen?


Hi,

die Versteinerungen finden sich nicht nur innerhalb der Parkgrenzen, sondern auch außerhalb auf privatem Grund. Dieses Petrified Wood wird in diesen besagten Läden verkauft und ist völlig legal.
Gruß

Wolfgang