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Autor Thema: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000  (Gelesen 11820 mal)

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Scooby Doo

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #15 am: 09.11.2005, 12:59 Uhr »
@Micky
California Zephyr ist auf jeden Fall etwas besonderes, weil er 53 Stunden unterwegs ist und dabei mehrere spektakuläre Pässe, unter anderem den berühmten Donner Pass überquert.
Viele Grüße, Markus

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torric

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #16 am: 09.11.2005, 13:01 Uhr »
07. – 09. September 2000

Weiter geht es mit der eigentlichen Rundreise. Diese begann am frühen Morgen kurz nach 7 Uhr mit dem Maple Leaf, der New York mit Toronto verbindet und einen für mich wichtigen Zwischenstopp an den Niagarafällen einlegt. Der Zug war außergewöhnlich leer, so dass es kein großes Problem war, einen schönen Fensterplatz auf der linken Seite zu ergattern. Links deshalb, weil der Maple Leaf bis Albany, der Hauptstadt des Bundesstaates New York entlang des Hudson River fährt und man fast auf der ganzen Strecke den regen Schiffsbetrieb auf dem Fluss und die großen Highwaybrücken darüber sehen kann. Nach nur wenigen Minuten erlebte ich aber erst einmal eine faustdicke Überraschung. Mit mir im Abteil saß eine afroamerikanische Familie mit ihren Kindern, die mich kurzerhand zu einem ausgiebigen Frühstück einlud und die Fahrzeit doch sehr verkürzte.
Am Nachmittag erreichte der Zug Buffalo und der Schaffner erklärte mir, dass mein Rail Pass nur bis zum us-amerikanischen Bahnhof der Niagarafälle gültig sei, obwohl der kanadische Bahnhof viel zentraler liegt. Zum Glück fanden sich auf dem Bahnsteig, der von erfahrenen Taxifahrern nur so wimmelte, schnell kleine Gruppen, so dass sich der Fahrpreis bis zur Rainbow Bridge im Rahmen hielt. Mein Weg führte mich nach der unkomplizierten Grenzkontrolle gleich zu den Fällen, um das Naturwunder, was ich schon so oft auf Bildern gesehen hatte, endlich live erleben zu können. Für die Bootstouren war es schon zu spät, aber selbst aus sicherer Entfernung spürte man die Kraft des Wassers. Als Unterkunft hatte ich mir im Internet ein kleines No-Name-Motel ein paar Meter von den Fällen entfernt gesucht. Mein erstes Motel überhaupt war sicher keine Luxusherberge, aber verglichen mit dem New Yorker Hotel schon fast ein Traum, vor allem mit eigenem Bad.



Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen, was ich vor allem dem günstigen Umrechnungskurs des kanadischen Dollars verdankte, war ich einer der ersten auf dem Maid of the Mist-Boot. Konnte ich gestern die Wasserkräfte nur erahnen, war die Bootstour heute eines der eindrucksvollsten Erlebnisse meines Urlaubs, das man auf keinen Fall verpassen sollte, wenn man schon mal an den Fällen ist. Nachdem ich mein Gepäck aus dem Motel geholt und mir mit zwei Quartern die Wiedereinreise in die USA erkauft hatte, machte ich mich auf den Weg zu den Stadtbussen nach Buffalo, die auch den Bahnhof von Niagara Falls anbinden.
Der Maple Leaf in die Rückrichtung nach New York wurde an der Grenze etwas aufgehalten und kam ein paar Minuten zu spät an. Ziemlich schnell wurde auch klar, dass der Zug dieses Mal wesentlich voller werden würde, den es war Freitagabend und es stiegen mehr und mehr College-Studenten ein, so dass auch dieses Fahrt nicht so langwierig wurde, wie ich zunächst dachte. In New York war der Zug dann leider wieder pünktlich, etwas Verspätung hätte ich mir gewünscht, da mein Anschlusszug nach Boston erst gegen 1 Uhr in der Nacht fahren würde. So verbrachte ich die restlichen Stunden im abgesperrten Warteraum der Penn. Station, was zumindest aus Sicherheitsaspekten ganz gut so war.



Der Nachtzug nach Boston war wiederum nur mäßig gefüllt und pünktlich, so dass ich keine Schwierigkeiten hatte, zwei Plätze für mich zu beanspruchen und halbwegs bequem einzuschlafen. Das Platzangebot war sehr großzügig, aber absolut kein Vergleich zu den Superlinern im Westen. Aber darauf komme ich noch. Viel Schlaf blieb auf der kurzen Strecke nach Boston nicht, weshalb ich mich gleich nach Ankunft am Bahnhof mit Kaffee eindeckte, bevor ich mein Gepäck loswurde und die Stadt erkunden konnte.
Die Orientierung in Boston fiel mir trotz des fehlenden Straßenrasters nicht allzu schwer, da ja der Freedom Trail alle wichtigen Sehenswürdigkeiten berührt. Und so spazierte ich entlang der vielen interessanten Gebäude aus der Kolonialzeit bis ich zu einer riesigen Baustelle kam, die mir den Genuss sehr versäuerte. Heute weiß ich, dass man gerade begonnen hatte, die mitten durch die Stadt führende Interstate unterirdisch zu verlegen. Damals musste ich mitten durch die Baustelle, weil der Freedom Trail eben so ausgeschildert war. Deswegen musste ich meinen Frust auch erst bei einer leckeren Pizza im italienischen Viertel nördlich der Altstadt loswerden, bevor es weiter zum Hafen und der USS Constitution ging. Um meine Füße zu schonen, fuhr ich zurück mit der T, der Bostoner U-Bahn, die mich auch direkt auf den Campus der Harvard University brachte. Dort konnte ich das lustige Treiben beobachten, das einmal im Jahr stattfindet, wenn die Eltern ihre Kinder das erste Mal zum College bringen. Da ich bis zur Abfahrt des Nachtzuges nach Washington noch etwas Zeit hatte, besuchte ich mit dem Aquarium und dem Boston Tea Party Ship zwei eher kitschige, typisch amerikanische Sehenswürdigkeiten der Stadt.

Scooby Doo

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #17 am: 09.11.2005, 13:16 Uhr »
Wow, echt klasse, mal ein Bericht nach meinem Geschmack.

Ich lese daraus, dass du alleine unterwegs warst und gerne mal Geld für feste Unterkünfte gespart hast und leiber im Zug übernachtet hast?

Von New York nach Boston - welchen Zug hast du da genommen?

In Boston ist der Freedom Trail übrigens noch immer von einer Baustelle unterbrochen, wo ich immer etwas anders als ausgeschildert gelaufen bin, weil es mir irgendwie logischer erschien.
Viele Grüße, Markus

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torric

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #18 am: 09.11.2005, 13:25 Uhr »
Der Nachtzug zwischen New York und Boston hieß damals noch Twilight Shoreliner und verkehrt eigentlich zwischen Newport News (Virginia), Richmond, Washington, Philadelphia, New York und Boston. Also einmal die komlette Nordostküste über Nacht. Seit letztem Jahr hat der Zug keine eigenen Namen mehr und fährt wie alle Tageszüge (abgesehen vom Hochgeschwindigkeitszug Acela Express) als Northeast Regional. Bei der Gelegenheit wurden auch die Schlafwagen entfernt, die der Zug damals noch hatte.
Das mit den Unterkünften stimmt natürlich. Zum einen spart man die Übernachtungskosten (Mehrbettzimmer kommen für mich absolut nicht in Frage und alles andere ist schon ziemlich teuer, wenn man allein unterwegs ist), zum anderen spart man natürlich auch Zeit, was sich in knapp fünf Wochen ordentlich lohnt und für ein paar mehr Reiseziele gereicht hat.
Entgegen meinen Befürchtungen konnte ich in den amerikanischen Zügen auch auf den Sitzplätzen sehr gut schlafen. Die Schlafwagenkabinen waren damals für mich unbezahlbar.

Micky McBenz

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #19 am: 09.11.2005, 13:32 Uhr »
Toller Bericht! Nach den Unterkünften hat Scooby Doo ja schon gefragt, aber wie sieht es mit dem Gepäck aus?

Zitat von: torric
... bevor ich mein Gepäck loswurde und die Stadt erkunden konnte.


Wieviel Gepäck hast Du denn mitgenommen? Mehr als ein großer Rucksack dürfte doch eher lästig sein, oder? Und wo bist Du Dein Gepäck losgeworden, gibt es überall ausreichend Schließfächer oder wie hast Du das meistens gemacht?

torric

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #20 am: 09.11.2005, 13:48 Uhr »
Das mit dem Gepäck ist in der Tat eine komplizierte Sache. Ich hatte einen großen Rucksack für die Klamotten und einen kleinen für Wertsachen und Alltägliches mit. Den großen Rucksack konnte man damals noch auf jedem größeren Bahnhof einschließen. Heute ist das aus Sicherheitsgründen so gut wie unmöglich. Aber es gibt einen Trick, den ich damals auch schon angewendet habe, wenn es keine Schließfächer gab oder ich Geld sparen wollt. In den amerikanischen Zügen kann man wie auf dem Flughafen sein Gepäck an den meisten Stationen einchecken und es wird dann im Gepäckwagen transportiert. Am Zielort bewahrt Amtrak das Gepäck kostenlos 48 Stunden auf, danach noch einmal 72 Stunden gegen Gebühr. Wenn ich also am Zielort nur ein paar Stunden mir etwas anschauen wollte, habe ich mein Gepäck einfach eingecheckt und erst nach der Stadtbesichtigung wieder abgeholt. Oder umgekehrt kann man sein Gepäck (ähnlich wie beim Vor-Abend-Checkin) auch schon Stunden vor Abfahrt des Zuges abgeben und dann unbeschwert die Stadt anschauen. Das ganze steht irgendwo im Kleingedruckten bei Amtrak und wurde mir von einem ehemaligen Angestellten erklärt. Und es hat wunderbar funktioniert.

IkeaRegal

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #21 am: 09.11.2005, 14:24 Uhr »
Hört sich wirklich interessant an, aber 5 Wochen ohne ein vernünftiges Bett? Selbst nach einer Nacht im sitzen ist man doch geredert ohne ende, oder?

torric

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #22 am: 09.11.2005, 14:28 Uhr »
Fünf Wochen ohne ein Bett hätte ich nie im Leben durchgehalten, musste ich zum Glück auch nicht!

Kauschthaus

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #23 am: 09.11.2005, 19:52 Uhr »
Klasse, nach einer Busreise und einer Suntreck-Tour nun auch eine Eisenbahn-Tour.

Da möchte ich auch mitfahren ...  

Viele Grüße, Petra
Wenn DAS die Lösung ist, dann will ich mein Problem zurück!

freddykr

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #24 am: 09.11.2005, 20:12 Uhr »
Hi,

ich steig hier auch noch mit zu und setz mich mit rein (in die Nähe des Speisewagens)
Viele Grüße,
Danilo


IkeaRegal

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #25 am: 10.11.2005, 08:09 Uhr »
Zitat von: torric
Fünf Wochen ohne ein Bett hätte ich nie im Leben durchgehalten, musste ich zum Glück auch nicht!

Wie hast du es denn gemacht? Wenn ich das richtig verstanden hab, hast du auch desöfteren im Zug übernachtet.

pierremw

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #26 am: 10.11.2005, 08:26 Uhr »
Hi,

fahre als Eisenbahn-Freak (hallo Scooby) auch mit und wenn kein Platz mehr im Abteil ist, bleibe ich wie Easy gleich im Speisewagen!  :D
Never underestimate an old man with drumsticks!


torric

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #27 am: 10.11.2005, 11:28 Uhr »
Zitat von: IkeaRegal
Zitat von: torric
Fünf Wochen ohne ein Bett hätte ich nie im Leben durchgehalten, musste ich zum Glück auch nicht!

Wie hast du es denn gemacht? Wenn ich das richtig verstanden hab, hast du auch desöfteren im Zug übernachtet.


Natürlich habe ich ab und zu im Zug geschlafen. Teilweise auch ein paar Nächte hintereinander. Aber eben nicht nur. Dazwischen gab es immer auch Hotel- / Motelübernachtungen mit vernünftigen Betten. Im Sitzen musste ich aber selbst im Zug nie schlafen, zum Liegen war immer genug Platz, in den Superliner-Zügen sogar Schlafsessel.

Nachdem ich dem Zugbegleiter gesagt habe, er soll sich auch um die vielen Leute im Speisewagen kümmern, kann es ja jetzt weitergehen.

torric

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #28 am: 10.11.2005, 11:32 Uhr »
10. – 12. September 2000

Auch auf der Rückfahrt im Nachtzug konnte ich mich wieder problemlos auf zwei Sitzplätzen breit machen und hatte eine recht angenehme Nacht, die pünktlich 7 Uhr morgens in der Union Station von Washington endete. Der riesige Bahnhof, neben Los Angeles das Glanzstück im amerikanischen Bahnwesen, war zum frühen Sonntagmorgen fast wie ausgestorben. Meinen Plan, mit der U-Bahn zum Hotel zu fahren, musste ich auch schnell begraben, denn der Betrieb beginnt sonntags erst um acht. Zum Glück gab es auch einen Bus in die Richtung. Noch größeres Glück hatte ich im Hotel, dem besten auf der gesamten Reise, denn ich konnte gleich ein Zimmer beziehen.
Nach einer ausgiebigen Dusche machte ich mich auf den Weg, die Hauptstadt des Landes zu erkunden. Erwartungsgemäß war das Weiße Haus tabu, damals aber nur, weil sich Präsident Clinton kurz vor Ende seiner Amtszeit keinen Besuch an Sonntagen mehr gönnen wollte. Also ging ich weiter entlang der riesigen Mall, die wohl am eindrucksvollsten zeigt, wie eine ganze Stadt am Reißbrett entstanden ist, bis zum Lincoln Memorial mit dem schönen Blick über den Potomac River. Auf dem Rückweg füllten sich die Wiesen der Mall immer mehr mit Freizeitsportlern und Spaziergängern, die wie ich diesen wunderschönen Herbstsonntag genossen. Das spiegelte sich allerdings auch an der Schlange vor dem Washington Monument wieder. Vorbei an den vielen Museen, die ich mir wohlweislich für den nächsten Tag aufgehoben hatte, kam ich dann zum zweiten Machtzentrum, dem Kapitol, das aber ebenfalls sonntags keine Gäste empfängt. Dahinter passen sich noch der Supreme Court und die Nationalbibliothek dem typischen klassizistischen und neoklassizistischen Stil der Stadt an.



Dass der nächste Tag nur ein Jahr später zum Schicksalstag in der amerikanischen Geschichte werden würde, konnte ich natürlich noch nicht ahnen, als ich mich durch die vielen Museen Washingtons quälte, um wenigstens einen Eindruck von den vielen Schätzen zu bekommen, die dort lagern. Begonnen hatte ich mit dem National Holocaust Memorial Museum, das auf sehr neutrale, aber gleichzeitig auch eindrucksvolle und bedrückende Weise den Aufstieg Hitlers bis zur Endlösung der europäischen Judenfrage schildert. Nur ein paar Meter entfernt weist das National Museum of American History vor allem patriotische Züge auf, die in vielen Ausstellungsstücken, allen voran „The Star Spangled Banner“, zum Ausdruck kommt. Etwas kürzer fielen danach die Besuche der National Gallery of Art und des Air & Space Museum aus, in denen ich mir aus Zeitmangel vor allem die Filetstücke herauspickte.
Am Nachmittag musste ich mich auch schon wieder auf den Weg zu Bahnhof machen, um den Capitol Limited nach Chicago nicht zu verpassen. Hier erlebte ich auch zum ersten Mal, dass die Passagiere des Zuges vor der Abfahrt wie am Flughafen an einem Gate versammelt wurden und der Schaffner gleich die Fahrkarten einsammelte und Platzkarten austeilte. Mein Fensterplatzwunsch wurde zwar erfüllt, ich hatte aber keinen freien Nachbarplatz, denn der Zug war auffallend gut gebucht. Das machte aber gar nicht so viel aus wie ich dachte, denn diese Strecke wird mit den Superliner-Zügen befahren, dem wohl bequemsten Wagenmaterial, das Amtrak zu bieten hat. Das Platzangebot ist gigantisch und sogar weiträumiger als in so mancher Business Class im Flieger. Außerdem kann man mittels verstellbarer Sitzlehne sowie Bein- und Fußstützen einen bequemen Schlafsessel basteln, so dass ich nachts an meinem Sitznachbarn vorbei kam, ohne ihn zu wecken. Nur eine Decke darf man wegen der ständig laufenden Klimaanlage nicht vergessen, aber die brachte mir dann der nette Schaffner.



Wiederum erstaunlich pünktlich erreichte der Zug am nächsten Morgen den angeblich weltgrößten Bahnhof von Chicago, der aber eigentlich aus einer Ansammlung von mehreren Bahnhöfen besteht, die vor allem den Vorortzügen dienen. Vorteilhaft ist, dass alle Fernzüge aus dem Osten des Landes, wenn sie denn pünktlich sind, vormittags eintreffen und die Züge in den Westen erst am Nachmittag weiterfahren. So hat man, wie in meinem Fall, immerhin sechs Stunden Zeit für eine kurze Stadtbesichtigung. Gleich neben dem Bahnhof bot sich natürlich der Sears Tower an, um sich einen Eindruck von den Ausmaßen der Stadt zu verschaffen, was aber nicht gelang, da die Stadt nahtlos in den Horizont übergeht. Lediglich der blau glänzende Lake Michigan bietet einen schönen Kontrast dazu. Gerade im Bahnhofsbereich wirkt die Stadt wie eine abstrakte Venedig-Kopie mit dem Chicago River, den die Stadtplaner in das rasterförmige Straßennetz einfach integriert haben. Einen guten Überblick der Innenstadt gibt es auch von den berühmten Hochbahnen, die kreisförmig einmal um die komplette City fahren. Mein eigentliches Ziel war aber der Lake Michigan, an dem ich mit ein schönes Picknick gönnte. Auf dem Rückweg zum Bahnhof musste ich natürlich noch den berühmten Brunnen aus der Fernsehserie „Eine schrecklich nette Familie“ finden, der auf den merkwürdigen Namen Buckingham Fountain hört.
Die bereits bekannte Prozedur mit Einchecken am Gate wird langsam zur Gewohnheit. Vorher hatte ich mich für die lange Reise nach San Francisco mit dem legendären California Zephyr aber noch mit ein paar Litern Wasser und ausreichend Nahrungsmitteln eingedeckt, schließlich sollte ich die nächsten 50 Stunden in demselben Zug verbringen. Auch hier werden die bequemen Superliner-Züge eingesetzt und ohne Sitznachbarn hatte ich mehr Platz als mein Auto jemals hergeben wird. Entspannt genoss ich die ewig lange Fahrt durch die Vororte Chicagos bis es ins eher ländlich geprägte Iowa ging und der Zug minutenlang von Feldern eingequetscht wurde, ohne dass man auch nur einen Menschen sah, bis die Dämmerung hereinbrach und im Zug die Lichter gedimmt wurden.

Scooby Doo

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Re: Eisenbahnkreuzfahrt USA 2000
« Antwort #29 am: 11.11.2005, 10:29 Uhr »
Hallo Torsten,

weiter so! Macht wirklich Spaß mitzufahren. Den California Zephyr bist du auch in der Coach Class gefahren?
Viele Grüße, Markus

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