Washington, 28. Mai (AFP) -
Die USA treten auf die Bremse. Lange
waren PS-starke Straßenschlitten das Sinnbild des uramerikanischen
Traums von individueller Freiheit. Doch
die Preisrekorde an den Tankstellen lassen die Benzinfresser zum
Inbegriff kostspieliger Verschwendung werden. Amerika, bitte umsteigen: US-Autofahrer
entdecken Busse und Bahnen. Der öffentliche Personennahverkehr
verzeichnet Rekordzuwächse an Fahrgästen - und kann den Ansturm nach jahrzehntelanger Vernachlässigung kaum bewältigen.
Die Verkehrsbetriebe in den USA erleben laut Branchenverband American Public Transport Association (APTA) inzwischen die höchste
Nachfrage seit 50 Jahren - seit jener Zeit also, als die goldene
Ära des Autos begann und die Bahnen aufs Abstellgleis wanderten.
Die APTA registrierte 2007 gut 10,3 Milliarden Fahrten, 2008
könnten es schon fünf Prozent mehr sein. Autos bleiben dafür immer
öfter in der Garage. Im März 2008 fuhren die Amerikaner elf
Milliarden Auto-Meilen weniger als im Vorjahresmonat. Das war ein
Minus von 4,3 Prozent, so viel wie noch nie. Das Energieministerium
prognostiziert, dass der Benzinverbrauch in den USA 2008 erstmals
seit der Rezession von 1991 im Jahresverlauf sinkt.
Verbandschef William W. Millar sieht eine Renaissance von Bus
und Bahn. «Die Zahlen zeigen, wie wichtig der öffentliche
Nahverkehr in den USA wird», erklärt der APTA-Vorsitzende. Während
Großstädte mit langer Bus- und Bahntradition wie Boston und New
York immerhin ein Plus von mehr als fünf Prozent vorweisen, schnellen die Passagierzahlen derzeit vor allem in den autovernarrten Highway-Metropolen des Westens und des Südens nach oben. In Miami wiesen sie im April ein Jahresplus von 28 Prozent auf, in Charlotte waren es 34 Prozent, in Minneapolis 16 Prozent.
Die Verkehrsbetriebe fühlen sich vielerorts von der Entwicklung
regelrecht überrollt. In Washington arbeitet das U-Bahn-Management
an einem Notfall-Plan für den Fall, das der Benzinpreis auf mehr
als fünf Dollar pro Gallone steigt. «Es könnte ein massiver Zustrom von Passagieren auf uns zukommen, die wegen der Kosten vom Auto zum
Nahverkehr wechseln», warnte U-Bahn-Direktor John B. Catoe. Er
appellierte an die US-Regierung, für ihre gut 300.000 Angestellten
m Großraum Washington Gleitzeit einzuführen, um den Verkehr in
Stoßzeiten zu entlasten.