New York, 6. Juli (AFP) -
Es bedarf nicht unbedingt eines
Abrisstrupps, um einen Mythos zu zerstören. Manchmal reicht eine
gründliche Generalüberholung. Prominente Künstler, Exzentriker,
blutige Verbrechen und wilde Partys haben das Hotel Chelsea in New
York zur Legende werden lassen. Doch über die Jahrzehnte ist der
mächtige Backsteinbau brüchig geworden. Eine neue Direktion will
das gammelige Rock'n'Roll-Hotel von Grund auf sanieren - und löste
damit wütende Proteste der Bewohner aus. «Die Barbaren stehen vor
den Toren, das ist das Ende einer Ära», seufzt Debbie Martin, die
seit zwölf Jahren im Chelsea lebt. Sie ist eine Dauerbewohnerin -
so wie zwei Drittel der Gäste. Sie verleihen dem Chelsea seine
einzigartige Atmosphäre zwischen Bohème und Irrsinn.
In den 60er und 70er Jahren war das Hotel das Zentrum der New
Yorker Untergrundkultur. Der Pop-Künstler Andy Warhol ging ein und
aus, der Literat Dylan Thomas starb hier den Alkoholtod. Der Ruf
des Hotels als Hort für Freigeister zog Künstler und Intellektuell
an. Der Schriftsteller Arthur Miller residierte hier, ebenso der
rebellische Punkrocker Sid Vicious von den Sex Pistols. 1978 wurde
seine Freundin Nancy erstochen in seinem Zimmer aufgefunden.
Vicious, unter Tatverdacht, beendete sein Leben mit einer Überdosi
Drogen. Die Bluttat im Chelsea war eines der größten Dramen der
Popkultur. Hoteldirektor Stanley Bard saß es aus - wie so viele
andere Skandale seit dem Zweiten Weltkrieg auch.
Damit ist es nun vorbei: Die Eigentümergemeinschaft des Hotels hat
den inzwischen 73 Jahre alten Bard entmachtet. Das Unternehmen BD
Hotels soll für ein modernes, professionelles Management sorgen -
und für ein saubereres Ambiente. Dauergast Debbie Martin wirft den
neuen Chefs vor, mit der Renovierung «eine hygienische Version» des
Chelsea anzustreben. «Das ist eine Schande, weil sich hier
wirkliche Geschichte ereignet hat.» Stanley Bard will sich nicht
einfach so abschieben lassen: «Seit 50 Jahren bin ich hier, das
Hotel ist mein Leben. Ich werde für die Gäste kämpfen, die
schließlich zu den spannendsten und kreativsten der Welt zählen.»
Andy Warhols Muse Viva, die lange hier lebte, bestärkt ihn: «Mit
Stanley verliert das Hotel seine Seele.»
Viele Dauergäste fürchten vor allem, dass sie nach der Renovierung
durch höhere Mieten aus dem Chelsea gedrängt werden. Derzeit zahlen
die Langzeitbewohner nur etwa tausend Dollar (735 Euro) pro Monat
für ein kleines Zimmer - für New Yorker Verhältnisse ist das
unschlagbar billig. «Ich sorge mich um die alten Gäste», sagt
Debbie Martin. «Es ist kein Geheimnis, dass manche schon jetzt
Probleme mit den Mietzahlungen haben.» Martin glaubt, dass New York
ohne die kreativen, aber finanzschwachen Bewohner des Chelsea ärmer
wäre. Viele Künstler haben Manhattan ohnehin schon den Rücken
gekehrt und sind in billigere Stadtteile wie etwa Brooklyn
ausgewichen.
Zuletzt lebte das Chelsea vor allem von seinem alten Mythos.
Durchreisende Touristen mussten zwischen 235 und 485 Dollar pro
Nacht zahlen - ein stolzer Preis für ein schmuddeliges Ambiente.
War von Euch schon mal jemand da? Ich erinnere mich zumindest an den alten Leonard Cohen Song...