Titel: Rettung von Fort Jefferson
Beitrag von: Utah am 10.05.2004, 11:42 Uhr
Die Arbeitsbedingungen sind furchteinflößend, der Lohn aber attraktiv: Atemberaubende Aussichten, Fisch soviel Sie fangen (und essen) können und das stolze Bewußtsein, ein Nationales Monument erhalten zu haben.
Backstein für Backstein; der Nation isoliertestes und ehrgeizigstes, militärisches Monument - Fort Jefferson im Dry Tortugas National Park - fällt ins Meer. Das veranlaßt den Nationalen Park-Dienst rund 15 abgehärtete Seelen zu suchen, die willens sind, Einsamkeit und Entbehrung zu trotzen und zu versuchen die Schäden rückgängig zu machen, die 158 Jahre tropischer, salzwasserhaltiger Seeluft verursacht haben.
Es ist keine Mission für Sanftmütige oder Verwöhnte. Die Maurer-Crew für die erste Phase der 16 Mio. Dollar teuren Reparatur auf Garden Key, einer 23 Morgen großen Sandinsel 68 Meilen westlich von Key West, muß autark sein. Vollkommen und 100%ig autark. Schließlich wird diese Arbeit eine einjährige, alles-selbst-mitbringen Ausdauer-Prüfung sein. Das schließt die Grundbedürfnisse - Essen, Wasser, Unterbringung, Hygiene und Elektrizität - mit ein. Etwas vergessen? Es ist eine langer, teurer Ausflug zum nächsten Home Depot - eine zweistündige Fahrt mit der Fähre oder ein 30-Minuten Trip mit einem Wasser-Flugzeug. Und erwartet nicht, die Langeweile mit Telefonaten zu überbrücken.
"Cell Phones"? lacht Mike Ryan, der Leiter der Park Rangers. "Die sind hier allenfalls als Briefbeschwerer gut". Die Arbeit wird rauh sein. Sicher wird's eine Menge Zeit geben, sich zu den fast 80.000 jährlichen Besuchern des Parks zu gesellen, die das umliegende Korallenriff erforschen oder die 90.000 Jungvögel der angrenzenden Seeschwalben-Kolonie beim ersten Flug beobachten. Aber die eigentliche Aufgabe - die Reparatur des auswaschenden Mörtels des Forts und der Erosion der Kanonen-Halterungen - wird kein Spaziergang sein.
"Es wird heiß, ermüdend und lästig sein, meint" Mike Jester, Chef der Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten der Everglades und Dry Tortugas National Parks. "Sie sind dort draußen ohne Ihre Familie, Freunde, Hobbys, was immer. Es kann ganz schön eintönig " werden. Aber für geschickte Arbeiter, die Geschichte schätzen, wird die Reparatur von Fort-Jefferson eine seltene Gelegenheit darstellen. Sie kehren zurück zum goldenen Zeitalter des Küsten-Festungsbaus und werden die Genialität und die Kühnheit einer vergangenen Ära bestaunen. Sie werden die gleichen Wälle entlang wandeln, die Soldaten des amerikanischen Bürgerkriegs, Fahnenflüchtige der Unions-Armee und vier Männer, die wegen der Beihilfe zum Mord an Präsident Abraham Lincoln hier einsaßen, benutzen.
Der berühmteste von ihnen war Samuel Mudd, der Landarzt, der das Bein von John Wilkes Booth behandelt hatte, nachdem der Präsidentenattentäter es sich beim Sprung auf die Bühne des Ford Theaters gebrochen hatte. Zu Zwangsarbeit verurteilt traf Mudd 1865 in Fort Jefferson ein und überstand harsche Arbeitsbedingungen und eine Gelb-Fieber Epidemie, bis er vier Jahre später begnadigt wurde.
Zu jener Zeit war Fort Jefferson eine geschäftige Stadt auf dem Meer, Heimat für fast 2.000 Menschen. Das Leben war hart und entbehrungsreich. Krankheit, Insekten und Ungeziefer, Durst, Unterernährung und drangvolle Überfüllung waren an der Tagesordnung. Unions-Soldaten exerzierten auf dem Drill-Platz und füllten die Luft gelegentlich mit schwarzem Rauch von Kanonenfeuer. Häftlinge und Arbeiter schafften Materialien zu den Maurern, deren Arbeit nie endete. Nach mehr als 3 Mio. Dollar Baukosten und fast 30 Jahren Konstruktion wurde Fort Jefferson zwar letztlich nie beendet oder völlig bewaffnet, aber es diente seinem Zweck. Als ein sechseckiges Monument aus 16 Millionen roten Backsteinen bewachte es die lebenswichtigen Schiffahrts-Strassen der Karibik und des Mississippi- Deltas - mit seinen imposanten 15 Metern hohen Mauern und der gewaltigen Feuerkraft seiner Kanonen jede feindliche Seestreitmacht einschüchternd.
Zwanzig, fünf Tonnen schwere Kanonen konnten 432-Pfund-Projektile drei Meilen weit schießen. Kleinere Projektile, rotglühend geschmolzen in einem der größten Heiß-Schuß-Brennöfen die je gebaut wurden, konnten wie flammende Pfeile verschossen werden, sich in den Rumpf eines Schiffes mit tödlichem Ziel eingrabend. Die Kanoniere selbst aber brauchten nicht mit Vergeltung rechnen, geschützt nicht nur von den dicken Fort-Mauern, sondern auch von einer der einfallsreichsten Erfindungen in der Geschichte des Küsten-Festungsbaus, dem sogenannten "Totten-Verschluss". Benannt nach ihrem Erfinder Josef Totten, dem Chef-Ingenieur des US-Army Corps of Engineers, deckten schwere Eisenplatten die Kanonen-Portale wie gewöhnliche Fensterläden ab.
Doch waren sie alles andere als gewöhnlich. Aktiviert durch die beim Abschuß entstehenden Gase flogen die Eisenladen Sekundenbruchteile vor dem Abschuß der Kanonenkugel auf und schlossen genau so schnell wieder - auf diese Weise die Kanoniere vor feindlichem Feuer und umherfliegenden Trümmern schützend.
"Nun sagen Sie mir nicht, das war nicht clever", meinte Ryan der, wie die meisten des Park-Personals, in einem Backstein-Apartment wohnt, daß aus einer der rund 300 Kanonenräume, den Kasematten, umgewandelt wurde. "Das Fort war der Stealth-Bomber seines Jahrhunderts - die anspruchsvollste Waffe seiner Zeit". Aber, zusammen mit technologischen Fortschritten in der Artillerie, wurde dem Fort seine schiere Größe letztlich zum Verhängnis. Nach nur 12 Jahren Bauzeit begann die kolossale Struktur in den weichen Untergrund einzusinken, beschädigte die unterirdischen Zisternen und ruinierte den Lagerraum für 1.5 Million Gallonen kostbaren Regenwassers, das als Trinkwasser benötigt wurde. Das Parkpersonal, das sich auf Generatoren für die Elektrizitäts-Versorgung verläßt, benutzt noch heute eine andere Zisterne.
Während des Bürgerkrieges, als das Fort sich als Unions-Truppen Gefängnis für Fahnenflüchtige und Blockade-Läufer in seiner Belegung verdoppelte, brachte die Armee Dampf-Kondensatoren herein, um Seewasser zu destillieren. Aber das Endprodukt erfrischte kaum. Zur Abkühlung in großen Bottichen auf dem Paradeplatz abgestellt, zog das Wasser Moskitos und andere unerwünschte Organismen an. Ein Soldat jener Zeit schrieb, daß sie von jedem Quart Wasser, welches sie den Bottichen entnahmen, einen Pint abschöpfen mußten - in der Regel Moskito Larven. Und das war lediglich das Zeug, welches sie mit bloßem Auge erkennen konnten.
1874, verjagt durch einen erneuten Ausbruch von gelbem Fieber und einem Orkan, der die Kasernen zerstörte, räumte die Armee Fort Jefferson. Zwar plante die Garnison zurückzukommen, aber der Plan wurde nie mehr Realität. Neue Technologie machte das unfertige Fort veraltet und obsolet. Schüsse aus neuen Kanonen mit geriffeltem Lauf konnten selbst die dicksten Mauern durchdringen und machten so die Totten Kanonen-Verschlussläden sinnlos.
Heute feiern die "Totten-Läden" - nachdem sie 130 Jahre dem harschen Seewetter ausgesetzt waren - ihr letztes Hurra. Sie sind im Begriff, noch einmal eine, wenngleich auch ungleich kleinere Garnison von Kämpfern zu den Dry Tortugas zu locken, benannt nach den Schildkröten (auf spanisch Tortugas), die Ponce de León 1513 in den azurblauen Wassern dieser winzigen Kette von Inseln sichtete. Dieses Kontingent aber kämpft mit den Läden selbst. Sie sind lange Fort Jeffersons schlimmster Feind gewesen. In den Mauern eingebettet, haben sich die gepanzerten Rahmen, die die Läden ankern, mit fortschreitendem Alter ausgedehnt und das Mauerwerk um die Kanonen-Portale gesprengt und in den umgebenden Wassergraben fallen lassen. Wird diese zerstörerische Macht des Metalls nicht gestoppt, wird dieses Meisterwerk historischer Festungs-Baukunst weiter ins Meer abbröckeln.
"Eisen ist heute überall ein Problem, wo es benutzt wurde" meint Glenn Simpson, ein Konservierungs-Spezialist vom Büro des Park-Dienstes in Santa Fe, New Mexico. "Über einen Zeitraum von 150 Jahren kann es sich auf das Doppelte oder Dreifache seiner originalen Größe ausdehnen".
Kurz nachdem Fort Jefferson 1992 zum National Park bestimmt wurde, fingen Experten wie Simpson an, periodische Besuche zu unternehmen und verbrachten einen Monat Zeit mit der Renovierung des Heiß-Schuß-Brennofens oder dem Heraushämmern der "Totten Läden" und der Reparatur des Mauerwerks.
Aber mit weniger als 50 Kanonen-Schießscharten, die stabilisiert wurden und 90 anderen, deren Zustand sich mit einer beschleunigten Rate verschlechtert, verlor der Park-Dienst die Schlacht und einen nationalen Schatz. Deshalb wird es bis zum nächsten Monat ein Angebot an Bau-Unternehmer geben, die bereit sind ihr Zeltlager auf einer entfernten tropischen Insel aufzuschlagen und fähig, in einem schnelleren Tempo zu arbeiten. Auf 18 Leute begrenzt wird die siegreiche Mannschaft die derzeitige Bevölkerung der Insel mehr als verdoppeln.
Der Park-Dienst konnte nicht sagen, wieviel der neuen Mannschaft gezahlt werden wird. Aber es gibt keinen Zweifel daran, dass deren Salär die zwei Dollar pro Tag, die den ursprünglichen Handwerkern gezahlt wurden, bei weitem übertreffen wird. Ryan weiß, daß die Arbeit nichts für jedermann ist, aber er ist überzeugt, daß es entsprechende Übernehmer geben wird.
Als er und seine Frau vor vier Jahren nach Fort Jefferson umzogen, war geplant, das sie in Key West leben würde, während er für das gelegentliche Wochenende zum Festland pendeln würde. Aber nach einem Monat auf der Insel änderte das Ehepaar seine Meinung. Die Schönheit der Natur und die Majestät der Geschichte überzeugte sie zu bleiben.
Weitere Informationen, Bilder und Verbindungen zu diesem tollen Ausflugsziel in den Florida Keys finden Sie hier: http://www.fortjefferson.com/
gelesen bei: http://www.e-florida.de
Titel: Re: Rettung von Fort Jefferson
Beitrag von: BigDADDY am 10.05.2004, 12:48 Uhr