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Autor Thema: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”  (Gelesen 12199 mal)

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U2LS

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #15 am: 04.07.2018, 09:07 Uhr »
Hätte ich einen Hut auf, würde ich ihn jetzt mal ziehen. Als Frau alleine durch ein afrikanisches Land reisen: höchsten Respekt!!! (Ich weiß schon, es sind alles nur Klischees und Vorurteile, trotzdem) 👏
Gruß
Lothar

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #16 am: 04.07.2018, 10:25 Uhr »
Hi Lothar,
das war auch so ein Thema, mit dem ich mich zuvor befasst hatte… Egal ob als Mann oder als Frau wird man als weißer Mensch eher angestarrt. Ich fand die Menschen aber sehr, sehr respektvoll im Allgemeinen.
Ja ja, alle haben bei Afrika und insbesondere bei Äthiopien Hungersnot, Dürre und Gewalt vor Augen.  Ein Freund von mir meinte mit einer gewissen Arroganz: „Glaube mir als langjährigem Geschäftsreisenden, in Afrika bist du IMMER in Gefahr, die töten für ein Paar Schuhe.“ Das ist die Meinung, zu der man kommt, wenn man mit Angst und ohne Neugier in ein Land reist.
Dass man in Äthiopien eher mal angefasst wird, ist ziemlich normal, aber das hat nichts Anzügliches. Beispielsweise ist mal eine Gruppe Schulmädchen stehengeblieben, die meinen bleichen Arm angefasst haben. Und dass ein Kellner beim Aufnehmen der Bestellung dich leicht an der Schulter anfasst, ist auch normal oder ein Guide dir auf den Arm tippt um deine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es gab insgesamt 2 respektlose Anfassaktionen und den einen Typen in Bahir Dar, der wohl der Meinung war, dass ich leichte Beute bin. Angesichts dessen, dass ich keine 20 mehr bin, ging es letzterem vermutlich dabei nicht um meine Jungfräulichkeit, sondern eher darum mich finanziell zu erleichtern.
Demgegenüber standen soooo viele einfach nur neugierige Menschen, Hilfsbereitschaft und auch Menschen, die aufdringliche Gaffer und Bettler von mir verjagt haben.
Ich kenne so etwas schon aus Indien, fand es aber auch dort keinesfalls so schlimm, wie es manchmal beschrieben wurde.
Ich bin eigentlich eher ein „Lass mich, das kann ich allein“-Typ, aber sowohl in Indien als auch in Äthiopien fand ich es dennoch nicht schlecht, dass jemand dabei war, der vieles oftmals für mich unmerklich geregelt hat. Meine Zeit ist kostbar, die muss ich nicht damit verbringen dort, wo ich die Schrift nicht lesen kann und vieles nicht ausgeschildert ist, mit der Suche nach Ticketschaltern und Menschen mit Schlüssel usw. zu verbringen und erstmal herauszufinden, wer mir weiter helfen kann.
Viele wollen auf Reisen gerade in exotischen Ländern immer gern den Kontakt mit der Bevölkerung. Diese Kontakte können ja auf unterschiedliche Weise zustande kommen. Das kann die Marktfrau sein, die dir per Zeichensprache eine Mango verkauft, der Kellner, der ein paar Worte mit dir wechselt oder eben auch ein Guide mit Hochschulabschluss, der fließend Englisch oder sogar Deutsch mit dir spricht und dir von seinem Leben und über das Land berichtet. Von letzteren habe ich in Sachen „was über Land und Leute erfahren“ am meisten profitiert…

Schneewie

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #17 am: 04.07.2018, 12:50 Uhr »
Hätte ich einen Hut auf, würde ich ihn jetzt mal ziehen. Als Frau alleine durch ein afrikanisches Land reisen: höchsten Respekt!!! (Ich weiß schon, es sind alles nur Klischees und Vorurteile, trotzdem) 👏

Ich bin auch total geflasht, das eine Frau den Mut hat, allein so ein Land zu bereisen.
Daher lese ich auch so gern mit, da ich einfach geplättet bin.
Gruß Gabriele

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #18 am: 05.07.2018, 20:19 Uhr »
26.5. In die Dallol - the adventure begins

Mit einer geringen Verzögerung geht es heute los. Ich stehe mit Rucksack und einem Beutel mit meinen Wanderschuhen, mit voll aufgeladenen Akkus und jeder Menge Angespanntheit bereit.

Das Büro von World Sun Ethiopia Tours, mit denen Muller zusammen arbeitet, ist direkt gegenüber des Axum-Hotels. Ich sehe dort eine kleine Gruppe Leute stehen, sicher meine Gruppe. In unseren Kofferraum wandern dutzende Flaschen Wasser.  Puh, eine Sorge weniger, ich werde wohl nicht verdursten.

Zwei weitere Autos werden beladen mit den anderen Mitreisenden. Ob sie wohl irgendwie zusammen gehören? Keine Ahnung! Bei uns steigt Gere ein, unser Guide: Vor Energie und Lebensfreude strotzend, strahlende Augen, in alle Richtungen abstehende lustige Rastas, eine Mischung aus unumstößlicher Zuversicht, Leichtigkeit und Gelassenheit.

Er lacht gerne, das sieht man. Im Verlaufe der beiden folgenden Tage wird er unzählige Male den einen Handrücken in die Handfläche der anderen Hand hauen, dabei fast zusammenbrechen vor Lachen um dann wieder mit blitzenden Augen unter seinen Rastas aufzutauchen.

In diesem Moment ruft Muller an. Er weiß von mir, dass ich Schiss vor der Tour habe und hat alles dazu getan, dass ich mich wohl fühle. Er hat mir alles erklärt, hat mich nochmals wegen der Sicherheit beruhigt und will mir nun noch viel Spaß an den kommenden beiden Tagen wünschen. Und ich kann ihm nach 2 Minuten Kontakt mit Gere sagen, dass ich mich sehr, sehr freue, dass er hier ist und dass ich mich spätestens jetzt absolut geborgen fühle auf der Tour. Allerdings: Dieses energiegeladene Paket Mensch mit dem Körperbau eines Langstreckenläufers und der Agilität eines Derwischs wird uns und besonders mir ganz sicher davonrennen und vermutlich innerhalb von 1:30 auf dem Vulkan stehen!

Dass Gere nicht nur ein humorvoller Spaßvogel ist, sondern auch geistig was auf dem Kasten hat, finde ich in der ersten viertel Stunde Gespräch heraus. Er erzählt mir schon einmal, wie die beiden Tage ablaufen werden und beschreibt mir die Strecke zum Erta Ale und die zu erwartenden Temperaturen. Er schaut erschrocken auf meine Füße in den Crocs und fragt, ob ich andere Schuhe dabei habe und inspiziert offenbar mit gutem Ergebnis meine Wanderschuhe. Aha, du hast immer alles im Blick, Gere? Das ist gut so! OK, alles in Ordnung, chiger yelem (kein Problem).

Bei einer Pause nach einer Stunde Fahrt stellen die Insassen der anderen beiden Autos und ich uns einander vor: Ein deutsches Pärchen, das in Addis für einige Zeit arbeitet, ihre beiden Schwestern, was man auf den ersten Blick sieht. eine Französin und eine Amerikanerin, die die vier Deutschen auch irgendwie kennen, eine junge Frau aus Singapur, die in Addis als Ingenieurin arbeitet und ein US-Amerikaner mit indonesischen Wurzeln, der in Dubai lebt und arbeitet: Alle nett und umgänglich, das wird schon!

Mittagspause unterwegs bei mittlerweile schon 38 Grad, es gibt Reis mit Gemüse. Ein viertes Auto schließt sich an, und es geht weiter bergab in die Salzwüste, in die Dallol. Die Landschaft wird karger. Auf immer noch guter Straße geht es zwischen beigebraunen Bergen hindurch, wir verlassen die Hochebene und sind irgendwann an einer der tiefsten Stellen der Erde, 115 Meter unter dem Meeresspiegel.

Gere springt aus dem Auto und läuft an einer Forschungsstation, einem Camp aus Containern, um die herum Hütten stehen, von Hütte zu Hütte auf der Suche nach den beiden Bewaffneten, die uns ab hier in die Dallol begleiten müssen. Endlich sind sie gefunden.

Es geht nun über eine schwarze Schotterpiste weiter, rechts und links breitet sich die Salzwüste aus. Irgendwann geht es ohne Piste über das trockene Salz.

In der Ferne eine Reihe schwarzer Punkte, sicher irgendwelche Felsen oder so. Aber nein, wir nähern uns den Punkten, und diese bewegen sich. Es handelt sich um eine endlos erscheinende Karawane. Kamele, Esel, Kamelführer ohne Ende. Ich kann es kaum fassen und quietsche völlig aus dem Häuschen auf. Begeistert springen wir aus den Autos, und Eshetu ist der einzige der Fahrer, der hieran ebenfalls Interesse hat und auch aussteigt.

Der heiße Wind, die Geräusche der laufenden Menschen und Tiere, die weite Sicht, die Kamelführer, die teilweise trotz der Hitze springen, scherzen, singen und uns auch manchmal nach Geld fragen, die Rufe, mit denen die Tiere gelenkt werden, wenn sie nicht brav in einer Reihe gehen wollen.









Ich kann die Zeit nicht schätzen, die wir hier stehen und Kamele und Esel aus allen möglichen Perspektiven fotografieren. Gere sagt hinterher, er habe sich erkundigt. Es habe eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben eine Karawane zu treffen, aber es gehöre auch viel Glück dazu. Wir haben Glück gehabt. Egal, wie es heute und morgen weiter geht, alles andere kann doch nur noch Bonusmaterial sein!

Denkste! Bonusmaterial? Das war erst der Vorfilm. Wir heizen in Kolonne wieder über die endlos erscheinende Salzwüste. Plötzlich färbt der Untergrund sich ockergelb. Wir halten.

Gere ist plötzlich recht streng und gibt klare Anweisungen: “Walkingshoes, sunprotection and at least one bottle of water! We walk about 15 minutes, we can stay up to one hour depending on the temperature.” Gere inspiziert sorgfältig alle Schuhe und, wie er mir später verraten wird, hat er genau einen Blick darauf, wer hier wie zurecht kommt um abzuchecken, wer mangels Fitness “Kamelkandidat” für den Aufstieg zum Erta Ale ist.

Einige im eher amerikanischen Stil mit Basecap und einige im Stil “Lawrence von Arabien” mit Tuch über dem Kopf, alle miteinander gehen wir los, ganz leicht aufwärts. Um uns herum die beiden Bewaffneten und Gere. Wir sollen unablässig trinken. Soooo heiß ist es aber heute nicht mit “nur” 47 Grad und heißem Wind wie unter einem Fön.

Im eher dürftigen Schatten eines Felsens erhalten wir noch ein kurzes Intro zu dem, was uns erwartet: Nur auf den trockenen Stellen bleiben, denn die ohnehin schon giftig aussehende Flüssigkeit sei Säure und nicht sehr gesund, alle bleiben zusammen.

Die Jüngste der drei Schwestern schwächelt. Es ist wohl die Hitze, sie hat “Kreislauf”, und sie will wieder zu den klimatisierten Autos. Ihre Schwester nimmt sie an die Hand, Gere will einen der Bewaffneten mitschicken, das wollen die beiden nicht zwingend, ich gebe ihr noch ein Päckchen Elektrolyte mit. Wir machen uns mit Gere auf den Weg zum Mars mit den Pools und den bunten Gesteinsformationen in giftgrün, schwefelgelb und rostbraun.

Auch mich haut es um, zum Glück nicht wegen der Hitze, sondern weil ich so schwer beeindruckt bin von dieser unwirklichen Umgebung, dass ich heute schon das Gefühl habe, es ist gar nicht wahr gewesen, dass ich dort gewesen bin!

Gere lässt es keine Ruhe, er geht nach den beiden Mädels schauen, die beiden Bewaffneten weisen uns währenddessen den Weg zu den etwas abgelegeneren Stellen. Auch Miss Singapore geht zurück, sie hält den berühmt-berüchtigten Geruch nach faulen Eiern nicht aus. Und als später noch Miss France den Rückzug antritt, schließe ich mich an. Die anderen bleiben noch ein paar Minuten.



















Eshetu ist wirklich lieb. Er kommt mir schon mit einer frischen Wasserflasche entgegen. Ich muss inzwischen aussehen, als ob ich gleich explodiere, aber mit meinem wassergetränkten Buff auf dem Kopf kühle ich mich so langsam wieder runter.

Alle sind wieder da. Gere schaut, ob es allen gut geht und weiter geht es. Unsere Jüngste hat sich auch wieder bekrabbelt und berichtet, dass alle sich sehr lieb um sie gekümmert haben.

Wir halten noch an einigen Stellen...





... und fahren dann abschließend noch zu einem Salzsee, während das Licht sich schon nachmittäglich rosa färbt und sich in den Wasserlachen spiegelt. Hier wird Wasser aus dem Roten Meer hochgedrückt.







Es geht auf zu einer längeren Fahrt in einem Dorf, das schon wieder etwas höher gelegen und somit kühler ist. Wir übernachten dort  in einem “Homestay”. Wir freuen uns darüber, dass es nochmals eine richtige Toilette gibt und sogar eine Dusche, yippieh! Die Tour Company hat alles dabei: Matratzen, Decken, Tische und Hocker für uns alle, eine Köchin, Geschirr, sämtliche Lebensmittel, jeden Tropfen Trink- und Nutzwasser.

Als wir ankommen und alle vier Autos im abgeschlossenen Hof geparkt sind, erwarten uns schon ein hergerichteter großer Raum für uns 9 Touristen mit Matratzen und das Abendessen mit Suppe, Injera mit vegetarischen Soßen und Obst zum Nachtisch. Und das erste Mal seit der Uni übernachte ich mit Fremden in einem Raum, aber zwischen uns ist die Stimmung gut und freundschaftlich. Jeder quatscht noch ein bisschen mit jedem, vorwiegend auf Englisch.

Ich mache es mir nach einer Dusche gemütlich mit meinem Schlafsack und dem Kopfkissen, mit Ohropax und meinem Haarband als Schlafmaske und bin sehr, sehr schnell eingeschlafen, während einer nach dem anderen duschen geht, Miss Singapore noch eine Feuchtigkeitsmaske auflegt und Miss America ihre frisch gewaschenen Haare entwirrt. Einer nach dem anderen kommt zur Ruhe. Wir sind alle voll von Erlebnissen und wissen, dass es morgen anstrengend wird, sodass wir alle uns auf nochmals eine recht komfortable Nacht freuen.

Schneewie

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #19 am: 06.07.2018, 08:32 Uhr »
Wow, was für eine Landschaft!

Die Bilder der Karawane - einfach genial.
Gruß Gabriele

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #20 am: 06.07.2018, 12:04 Uhr »
Wow, was für eine Landschaft!

Die Bilder der Karawane - einfach genial.

Diese beiden Tage waren so ziemlich das beeindruckendste Reiseerlebnis meines Lebens, besonders am folgenden Tag der Vulkan mit dem glühenden Lavasee, den  man aber, zumindest in dem Zustand, in dem ich ihn erlebt habe, nicht wirklich gut fotografieren konnte:

Weit ab von jeder Zivilisation, die nächste käufliche Wasserflasche mehrere Stunden Fahrt entfernt, die Hitze, der warme Wind, die surrealen Bilder - heute noch treten mir die Tränen in die Augen, wenn ich von den beiden Tagen berichte!

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #21 am: 06.07.2018, 12:04 Uhr »
27.5. Zum Erta Ale - the adventure continues

Miss Singapore und ich sind als erste schon gegen 6 Uhr wach und setzen uns nach draußen und quatschen. Vielmehr: Sie hat ein großes Mitteilungsbedürfnis. Aber wie sie in Addis Abeba gelandet ist und wie das Leben dort ist, ist ja auch interessant. Alle anderen schlafen noch, die fünf Jungs (Gere und die Fahrer) liegen in Schlafsäcken unter freiem Himmel und fanden es dort kalt. Miss Singapore und ich sind uns einig, dass es da sicher sehr angenehm war im Vergleich zu dem etwas warmen Zimmer, in dem wir geschlafen haben. Erst gegen 8 Uhr stehen die anderen auf, die scheinen allesamt einen gesegneten Schlaf zu haben!

Ach ja, und die Köchin ist auch schon eine Weile aktiv, sodass es kurz nach 8 Uhr Frühstück gibt mit leckeren Pfannkuchen mit süßen Aufstrichen, Rührei und Obst.





Es dauert noch eine Weile, bis es losgeht. Die Autos müssen erst mit der ganzen Ausrüstung beladen werden. Währenddessen stehen wir im Hof herum und lassen uns von den Kindern des Dorfes bewundern und bewundern unsererseits wiederum diese. Besonders ein Mädchen hat es mir angetan, die sich mit ihren anmutigen Zügen und grazilen Bewegungen zu einer wahren Schönheit entwickeln wird. Der King ist aber unser amerikanischer Mitreisender, der einen kleinen Fotodrucker dabei hat und jedem Kind ein aktuell geschossenes Foto überreicht.







Wir lernen noch ein bisschen Dorfleben kennen und gehen zu Fuß zu einem Café im Ort. Sinn davon ist zwei weitere Mitreisende zu treffen, die heute erst in Mekele eingetroffen sind. Die beiden sitzen schon da, dummerweise Dummschwätzer, besonders einer der beiden, beginnt jeden Satz mit “Hey, maaaaaan…” und hat so ein dämliches Dauergrinsen im Gesicht wie aus einem satirischen US-Comic. Der andere ist eine Mischung aus Naturbursche und Partylöwe und scheint immerhin etwas mehr Einfühlungsvermögen zu haben.

An der Stelle spaltet sich die Gruppe innerhalb von Minuten. Während die amerikanischen Mitreisenden das ertragen oder vielleicht auch gerne mitmachen, Miss France sich denen anschließt und sogar ein Krausnäschen zieht und flirtet, wende ich mich meinen Landsleuten zu, die ebenfalls auf dem Rückzug sind, Miss Singapore pendelt so ein wenig zwischen beiden Polen hin und her, schließlich sitzt sie mit allen anderen, die nicht deutsch sind, in einem Auto.

Nun ja, zunächst geht es noch sicher 2 Stunden über die geteerte Straße und ich habe mein Auto mit Gere für mich. Gere kennt kurz vor dem Abzweig auf die Piste genau die beiden Bäume, die bei den hier schon mehr als 40 Grad Schatten spenden für die Mittagspause. Die Köchin hat schon Nudeln und Gemüse vorbereitet, und direkt nach dem Essen geht es weiter.





Miss France meint auf dem Dach sitzend weiter reisen zu müssen. Gere wird sehr streng und fordert den Fahrer des Autos mehrfach per Walkie Talkie auf sie sofort ins Auto zu holen. Nach 5 Minuten gehorcht er endlich und Gere ist wieder ruhig.

Zunächst geht es über recht ordentliche Pisten durch Sand und zwischen kilometerweiten Lavafeldern hindurch. Nach einer Stunde sind wir bei einem Militärcamp aus Containern angekommen, in dem wieder die Suche nach dem lokalen Guide beginnt und wieder zwei Bewaffnete der Afar Police zusteigen. Es ist inzwischen brütend heiß, wieder um 45 Grad, und ich habe etwas Sorge, ob ich die knapp 10 Kilometer Wanderung zum Krater bei der Hitze schaffe.







Vor uns liegt eine abenteuerliche Fahrt zum “Basecamp”, quer über Lavafelder, teilweise steil und stufig wie Treppen. Hier hat das Fotografieren aus dem fahrenden Auto so gar keinen Sinn. Ich frage mich unterwegs, warum ich Eshetu nicht engagiere um mich in Erfurt in meinen vierten Stock zu fahren. Manchmal halte ich mir aus Spaß die Hände vor die Augen. Aber Eshetu, der selbst noch nie hier war, fährt wie der Teufel. Und Gere hat irgendwo ein paar Zweige Khat aufgetrieben und gibt mir ein paar Blätter zum Probieren, was ich aber zur Belustigung aller nach 2 Minuten angeekelt ausspucke.

Es steigen aber zunächst im Militärcamp der Afar-Mann mit warmen, wachen und neugierigen Augen bei uns ein, ein schweigsamer “local Guide” (Gere: "Don’t expect him to speak english. Of course we know the way, but we have to accept him, because they need the business”) und zu meiner Verwunderung ein Kind, meiner Schätzung nach vielleicht 3 Jahre alt, aber angeblich schon fast 5 Jahre alt. Das ist das Alter, in dem Kinder in Äthiopien üblicherweise zu arbeiten beginnen. Und es ist offenbar das Alter, in dem Kinder sich allein auf Reisen machen.

Niemand weiß, wie der kleine Mann vom Basecamp, in das wir nun fast 2 Stunden offroad fahren werden, hierher gekommen ist. Er sitzt erst wach, dann schlafend zwischen Gere und dem local Guide und reagiert nicht, sagt kein Wort, zeigt weder Angst noch Neugier, egal ob Gere versucht ihn ein bisschen zu provozieren, zu necken oder lieb mit ihm zu reden. Auch auf meine Handvoll für alle nach hinten gereichten Bonbons reagiert er nicht, nicht einmal, als Gere fragt, ob er nicht zu mir Ferenji “amasegenallu” (danke) sagen will. Kurz vor der Ankunft sagt Gere noch zu ihm, das sei gefährlich, was er gemacht habe, er solle es bitte nicht wieder tun. Und dann spricht der Kleine den einzigen Satz der Fahrt: “Ich werde es wieder machen” und wackelt davon. Ich habe ihn nicht wieder gesehen und auch nicht die Mutter, die angeblich hier im Basecamp lebt.

Das Basecamp besteht aus einer Reihe einfacher Hütten, bei denen Steine zu Mauern aufgeschichtet wurden und eine Plane als Dach darüber gebreitet wurde. Toiletten? Lauf einfach 90 Sekunden dort hinten hin hinter die Bäume. Wir setzen uns in den Schatten. Die Köchin stellt uns Melone hin, die beiden amerikanischen Dummschwätzer schwatzen dumm, wir warten auf das Abendessen und alle packen ihre Sachen zusammen, die sie für die Nacht am Krater brauchen. Die Kamele werden beladen mit Matratzen, Decken und Wasser.



Nach dem Abendessen (Suppe, Nudeln mit würziger Soße und Gemüse, Obst) geht es kurz vor Sonnenuntergang los. Jeder soll 2 bis 3 Liter Wasser mitnehmen und ein Tuch um die Ausdünstungen des Vulkans nicht direkt einzuatmen. Eshetu geht als einziger der Fahrer mit. Ich habe ihn gefragt bzw. fast darum gebeten. Er kennt den Vulkan noch nicht. Und während ich Ferenji in meinen knöchelhohen Wanderschuhen wieder 3 Flaschen Wasser, meine Stirnlampe und jede Menge unnützen Kleinkram mit mir herumtrage, steht das Naturkind kraftstrotzend in seinen stylischen Sneakern und mit einer angebrochenen Wasserflasche in der Hand und dem Handy in der Hosentasche schon da und will los. Taschenlampe? Ach wo, der Mond scheint doch! Gere tauscht Eshetus angebrochene Flasche gegen eine volle aus, und Eshetu geht mit Gere vorweg und erkennt den Weg, wo ich nur Felsen erkenne, die einer wie der andere aussehen.

Der Weg ist knapp 10 Kilometer lang. Die Temperaturen sind übrigens wirklich gut auszuhalten. Es ist warm, aber nicht heiß, angeblich zwischen 25 und 30 Grad, es geht Wind, sodass niemand übermäßig ins Schwitzen kommt. Die ersten etwa 20 Minuten geht es etwas anstrengend durch Sand, dann geht es mehr oder weniger flach oder nur unmerklich ansteigend über felsigen Untergrund, erst die letzte vielleicht dreiviertel Stunde geht es merklich bergauf zum Kraterrand, insgesamt sind es wohl 600 Höhenmeter. Eigentlich braucht man 3 bis 3,5 Stunden. Aber da ich derzeit leider mal wieder Lebendhöchstgewicht aufweise und nicht sehr fit bin aufgrund von etlichen Infekten innerhalb des letzten halben Jahres darf ich das Tempo vorgeben. Wir brauchen länger und sind nach knapp 4 Stunden oben mit 4 oder 5 Pausen zwischendurch. Dass man irgendwann auf etwa halber Strecke einen feuerroten Lichtschein am nächtlichen Himmel sieht, motiviert jedoch ohne Ende, auch wenn es so aussieht, als ob es noch mindestens 20 Kilometer weit sei.

Der Partylöwe-Dummschwätzer schwächelt mehr als ich. Offensichtlich hat er gestern Abend durchgesoffen und ist dann gleich ins Flugzeug gestiegen. Unsere Jüngste muss gekümmert werden. Sie ist gestürzt und hat eine kleine Schürfwunde an der Hand. Und ich bin irgendwie die Mama der Nation und darf Traubenzucker, Elektrolyte und Pflaster verteilen.

Endlich sind wir oben in einem “Militärlager”. Dieses besteht aus vielen etwa 30 cm hoch mit aufgeschichteten Steinen abgeteilten Parzellen und einer Art erhöhtem Ausguck. Die Toiletten? Da hinten, geh einfach irgendwie in diese Richtung dort...

Vor uns liegen nur noch ein paar Minuten, in denen wir erst abwärts in den Krater gehen und dann über erkaltete Lava bis zum Höllenschlund. Jede Müdigkeit ist in diesem Moment wie weggeblasen, es liegt eine angespannte und erwartungsvolle Stille über uns allen. Vor uns liegt roter Nebel, der aus dem Krater aufsteigt. Gere gibt sehr, sehr klare Anweisungen und zählt offenbar unablässig durch, ob noch alle da sind.

Außer unserer Gruppe ist nur noch ein japanisches Paar unterwegs, das jedoch offenbar schon schläft. Die sind auch etwa 1 Stunde vor uns im Basecamp gestartet.

Der Vulkan ist ein intensives Erlebnis für alle Sinne. Wir nähern uns vorsichtig der Kante und stehen direkt vor dem Tor zur Hölle. Die Lava ist rot-orange, beißende saure Dämpfe steigen auf und nehmen uns buchstäblich die Luft zum Atmen. Der Vulkan kann sich in verschiedenen Zuständen präsentieren, heute schauen wir in kochende Lava, nur leider liegt meistens Rauch darüber.

Gere schießt los und sucht eine rauchfreie Stelle, an der man die vulkanische Aktivität sehen kann und findet eine. Er warnt vor den beißenden Dämpfen, die schwallweise aufsteigen und die Luft abschneiden. Er sagt Bescheid, wenn eine solche Wolke kommt. Dann sollen wir uns abwenden und nahe an den Boden kauern, dass die Dämpfe über uns hinwegziehen und ein Tuch vor Mund und Nase nehmen. Nicht rennen, den Gasen kann man ohnehin nicht entgehen und die Unfallgefahr ist auf der brüchigen, porösen, löchrigen Lava mit den scharfen Kanten groß.

Mir bleibt aber vor allem von dem Anblick der Atem weg. Gelbe Linien schießen durch die Lava. Leider kann man es kaum fotografieren, selbst mit einer ordentlichen Kamera nicht. Ohnehin bin ich in diesem Moment so intensiv dabei, so fasziniert und aufgeregt, dass das Fotografieren sowieso keine Option ist für mich. Ich habe das Aufregendste erlebt, was die Erde zu bieten hat, ich kann aufhören zu reisen.

Eshetu scheint es ähnlich zu gehen. Wir stehen ergriffen gemeinsam am Krater nur etwa einen Meter vor der Abbruchkante und starren in die unheimliche Tiefe und beobachten das krasse Schauspiel, das sich uns bietet. Er passt gut auf mich auf, fasst mich an der Hand, “careful, careful!” Mein Gott, in Deutschland würde man nie, nie, nie im Leben so nah herangehen dürfen!

Ich wurde hinterher gefragt, ob es nicht unerträglich heiß dort war. Ich erinnere mich nicht, zu viel Input! Aber ich glaube, es war nicht heiß. Ich frage im Nachhinein zur Sicherheit Gere, warum es nicht heiß gewesen ist: Der Krater ist zu tief, die Hitze verflüchtigt sich, bis sie oben ist.







Wir verlassen gemeinsam den Krater und gehen zurück zum Lager, wo inzwischen Matratzen und Decken ausgebreitet sind. Wir hauen uns hin, so wie wir sind, es wird mehr ein Nickerchen unter freiem Himmel als ein richtiger Nachtschlaf. Die Decke braucht man hier oben schon, denn bei etwa 20 Grad geht auch Wind, zu frisch, wenn man nur da liegt.

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« Antwort #22 am: 06.07.2018, 14:04 Uhr »
Ich bin geflasht, was ein Abenteuer und was für geile Fotos!!! Ich habe gar nicht so viele Daumen, wie ich gerne hoch machen würde! Vor allem die Bilder aus der Salzwüste mit der Karawane sind granatenstark!
Gruß
Lothar

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Flicka

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #23 am: 06.07.2018, 17:55 Uhr »
Na, da bin ich ja passend zum absoluten Höhepunkt der Tour aus dem Urlaub zurückgekehrt und mit der Karawane zu eurer Reisegruppe gestoßen.  :D

Von unterwegs aus hatte ich schon ein bisschen mitgelesen, aber jetzt bin ich doch froh, die Fotos auch auf dem größeren Bildschirm zu Hause sehen zu können.

Was soll man sagen: Ein Bericht, der an Intensität kaum zu übertreffen ist, und aus den letzten beiden Tagen  hätte man problemlos eine Prime-Time-Reisereportage machen können. Ganz großes Kino!  :groove:

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #24 am: 07.07.2018, 09:36 Uhr »
Danke schön für die tollen Rückmeldungen!

Und, liebe Flicka, herzlich willkommen! Ich hoffe, dein Urlaub war auch sensationell schön und aufregend!

Ihr wisst ja, dass ich früher sehr regelmäßig Reiseberichte geschrieben habe. In Bezug auf Äthiopien war es mir wieder mal ein wirklich großes Bedürfnis. Das Land ist soooo toll und in der richtigen Form super zu bereisen, sodass ich einfach zeigen muss, was das Land zu bieten hat, wobei ich auch die anstrengenden und schwierigen Seiten nicht verbergen will. Vielleicht findet sich ja der eine oder die andere um meinem Beispiel zu folgen und das Land als Reiseland etwas bekannter zu machen und vor allem Stereotype abzubauen.

Ist eigentlich wie mit den USA auch: Diejenigen, die noch nicht dort waren, wissen GANZ genau, dass man da nicht hin kann: Trump, Umweltsauerei, keine Kultur, schlechtes Essen, die Oberflächlichkeit und dergleichen mehr oder andererseits Angst vor Überfällen und Kriminalität... Und die meisten, die einmal dort waren, verlieben sich in das Land und wissen, dass man dort entspannt reisen kann, dass viele sich gegen Trump aussprechen, dass man herrlich essen kann, dass es tolles zu sehen gibt und dass man mit herzlichen und interessierten Menschen ins Gespräch kommt.

Die Äthiopienreise ist leider schon mehr als halb vorbei, aber es geht heute noch weiter mit ein bisschen mehr Vulkan und der Rückreise nach Mekele.





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« Antwort #25 am: 07.07.2018, 09:57 Uhr »
28.5. Mehr Erta Ale und zurück nach Mekele

Wecken ist um 4.30 Uhr. Wir gehen noch einmal zum Krater in der Hoffnung auf eine bessere Sicht hinein. Die drei Schwestern bleiben gleich liegen, der Party-Dummschwätzer und Miss Singapore drehen schon am Kraterrand um, worauf Gere ein wenig verzweifelt reagiert, kehrt macht und sich davon überzeugt, dass sie wieder angekommen sind, da verlässt er sich nicht auf die Info der anderen in der Gruppe. Das kapiere ich nicht: Da stolpert man nachts 10 Kilometer hier hoch, zahlt eine Menge Geld dafür, ist bei 45 Grad Hitze länger als 24 Stunden ungeduscht, um dann lieber noch eine halbe Stunde zu schlafen, obwohl man nur noch 5 Minuten Weg hat?

Heute geht es mit dem Wind und dem Gestank. Man kann besser in die Lava schauen und auch die Ausdünstungen aus dem Höllenschlund halten sich in Grenzen. Wieder stehen Eshetu und ich gebannt Hand in Hand am Kraterrand. Toll ist auch zu beobachten, wie es langsam hell wird.







Die Japaner haben offenbar einen weniger versierten Guide und Gere geht extra los um sie zu der Stelle zu holen, wo man viel sieht. Der Mann kommt in unsere Nähe, Eshetu greift zur Vorsicht auch nach seiner Hand. Wir erwarten, dass er ebenso verzückt und fasziniert wie wir in die Lava schaut. Er sagt “yes”, wirft einen kurzen Blick in den Krater und wendet sich nach einer Sekunde mit einem “Thank you” und einem höflichen Lächeln ab. Eshetu und ich können uns nur erstaunt und kopfschüttelnd ansehen.

Leider ist die Zeit viel zu schnell vorbei. Gere drängt zum Aufbruch, damit wir wieder unten sind, bevor die große Hitze kommt. Er macht ziemlich Action mit dem Aufräumen und Zusammenräumen. Er nimmt gewissenhaft alle unsere leeren Wasserflaschen mit und auch alle anderen, die hier noch herumliegen und in den Müllsack passen. Es gibt für jeden noch einen halben Liter Mangosaft und ein Päckchen Kekse - Kohlenhydrate für den Abstieg - und eine Flasche Wasser für unterwegs. Und wir gehen um 6 Uhr runter, ich vorneweg mit Eshetu, der wieder einen Weg sieht, wo ich nur Steine vor Augen habe.





Auch Eshetu bannt mich auf ein Selfie:



Im Laufe des Weges werde ich langsamer. Erstens geht es nicht mehr so schön bergab, dann wird es wärmer, die letzten 20 Minuten durch den anstrengenden Sand in der schon ziemlichen Hitze werfen mich zurück, bis alle dann kurz nach 8 Uhr im Basecamp angekommen sind. Nach Kaffee, Pfannkuchen, Rührei und Obst ist wieder Action angesagt, alles wird verpackt, auch die Touristen, und wir fahren zurück zum Containerdorf und geben unsere Afar-Begleitung ab.

Unterwegs neben der Piste ein LKW, der hat eine Panne. Sich hier in dieser lebensfeindlichen Umgebung zu helfen, ist eine Selbstverständlichkeit. Weil aber nicht immer Hilfe da ist, es keinen Handyempfang gibt, fährt man hierher normalerweise nicht allein, sondern immer im Konvoi. Die Jungs beraten sich, zwei von ihnen legen sich unter den LKW und zurren etwas fest. Da hat sich beim Fahren der Tank oder die Ölwanne locker gerüttelt und muss befestigt werden.

Wir sind wieder auf Asphalt und fahren noch ein  kurzes Stück in die “falsche” Richtung. Unser Ziel ist ein großer See mit einem Salzgehalt fast wie das Tote Meer. Vorher wird aber im Nachbardorf die Köchin abgeladen, die das MIttagessen vorbereitet.

Am Salzsee sind wir alle erst einmal unentschlossen. Badesachen hat eigentlich niemand dabei. Auch steht ein Einheimischer da, der mit dem Handy fotobereit sehr, sehr interessiert wirkt an den Ferenji, die halbnackt ins Wasser steigen. Aber nach und nach macht jeder sich auf in das “kühle” Nass, das fast Badewannentemperatur hat. Ich lasse Leggings und Shirt an, alles andere wäre Peep-Show, und ähnlich machen es die meisten. Ich habe ja noch eine Garnitur frischer Sachen dabei.

Um das Salz loszuwerden kann man in eine heiße Quelle direkt daneben gehen. Hier kann ich - wenn auch ohne Shampoo - Salz und Staub aus meinen Haaren waschen und hoffe, auch diese Vulkanausdünstungen, die sich offenbar in meinem Körper angesammelt haben, ebenfalls loszuwerden, aber natürlich verschwindet dieser sehr spezifische sauer-scharfe Vulkangeschmack nicht von meiner Zunge…

In Holzverschlägen am See kann man sich umziehen. Und los geht es ein paar Minuten Fahrt ins nahe Dorf zum Essen. Nach 2 Tagen nur mit teewasserwarmem Wasser gibt es superluxuriös eine richtig kalte Coke, das zischt! Um mich herum nur glückliche Gesichter. Und superschnell trennen sich nach dem Essen unsere Wege. Einige von uns müssen heute noch von Mekele aus abfliegen, nur die beiden Dummschwätzer und ich bleiben in Mekele.





Aber Gere bleibt uns noch bis Mekele erhalten. Er erklärt mir nochmals die Besonderheiten der äthiopischen Zeitrechnung: “You guys call it 7, we call it 1, you guys call it 12, we call it 6, and we are on the 2010, but you guys are 2018, so we are 8 years back. And we celebrate Ethiopian new year on the 11th or 12th September. It is too complicated, right?” Aber nach fast 2 Wochen in Äthiopien habe ich mich schon längst an die “falsch gehenden” Uhren gewöhnt und finde es auch cool, dass ich hier 8 Jahre jünger bin.

Der Abschied ist herzlich, und im Hotel schicke ich ihm sofort das Selfie von ihm, Eshetu und mir.



Und dann kommt der zweitbeste Luxus des heutigen Tages nach der Coke zum Mittag: Eine echte Dusche im Hotel mit gut duftendem Shampoo und Seife und eine Stunde auf dem komfortablen Bett!

Die beiden vergangenen Tage haben aus Eshetu und mir Freunde gemacht, und so verabreden wir uns für abends zum Bier. Wir können zwar nicht viel miteinander reden, aber wir sehen gemeinsam unsere Fotos an.

Ich bin völlig happy, es gibt nichts, was ich mir heute noch wünschen könnte! Lieber Gere, du hast einen riesengroßen Fan in mir gewonnen. Großen Respekt vor allem, was du bist und vor allem, was du machst!

Marthe

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #26 am: 07.07.2018, 23:35 Uhr »
Beeindruckende Bilder und ein toller, eindrucksvoller Bericht ! Äthiopien wird zwar nicht mein Reiseland werden  aber es macht mir sehr viel Freude, weiter mitzufahren.

LG
Marthe

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #27 am: 08.07.2018, 09:53 Uhr »
29.5. Nach Lalibela

Beim Frühstück genieße ich noch einmal das Internet, das ich nun 2 Tage lang nicht hatte. Nicht zu fassen, wie sehr ich mich in den letzten Jahren davon abhängig gemacht habe. Umso besser, dass es hier einfach nicht immer verfügbar ist. An so ziemlich allen Orten gibt es gute und schlechte Zeiten und Tageszeiten, zu denen im Hotel WLAN zur Verfügung steht. Und mein GlocalMe funktioniert hier auch nicht. Gut, dass es noch so geht ohne jede Minute online zu sein...

Die Fahrt ist lang. Wir werden nahezu den ganzen Tag unterwegs sein. Auf der Fahrt werde ich ganz still und bin so froh, dass ich so unsagbar Schönes erleben darf, dass ich aus einem Land komme, in dem ich mir das Reisen leisten kann, dass mein Pass einer der mächtigsten Pässe der Welt ist und mir das Reisen in so viele Länder problemlos ermöglicht. Eine tiefe Dankbarkeit breitet sich in mir aus. Eshetu, so still er auch oft ist, scheint das zu spüren und dreht die Musik zwischendurch nicht ganz so laut auf. Dass mir zwischendurch immer noch von Ergriffenheit über die Erlebnisse der letzten Tage die Tränen laufen, bekommt er jedoch nicht mit...

Zwischendurch eine Kaffeepause in einem kleineren Ort. Hier gibt es den Kaffee, wie es sich gehört mit Weihrauch dazu und mit Gras auf dem Boden.

Das Kaffeetrinken ist ohnehin hier im Land von großer sozialer Bedeutung. Man besucht sich gegenseitig, der Kaffee wird nach bestimmten Regeln zubereitet und nach bestimmten Regeln getrunken. Ausreichend Zeit, Grashalme, Weihrauch und die typische Kanne gehören immer dazu, oft wird Popcorn dazu gereicht. Übrigens gehört der Weihrauch selbst im Café im Terminal eines Provinzflughafens dazu.

Und so besucht man sich in seiner festen Kaffeerunde in den Dörfern reihum und trinkt überall Kaffee, bespricht die großen und kleinen Probleme des Alltags. Und so wird das Kaffeetrinken quasi zum Therapieersatz und zur Selbsthilfegruppe.





Die Landschaft wird grüner, doch leider ist es ziemlich diesig. Wir fahren durch sehr ländliche Gegend, besonders auf der letzten Stunde fahren wir durch Dörfer. Kinder laufen neben dem Auto her. Mein Gott, wie die rennen können! Der eine oder andere wird dann vielleicht der nächste berühmte Langstreckenläufer. Ich kann meine Amharisch-Kenntnisse aufpeppen: “Caramella” (Bonbon) und “Scribito” (Kugelschreiber) werden verlangt und natürlich “money”, aber ich bleibe hart.

Auch Kinder der Dritten Welt sollen zur Schule gehen und nicht so früh schon lernen, dass man anders ein bequemes Leben haben kann. Und so finde ich es wichtiger vertrauenswürdige Organisationen vor Ort zu unterstützen, die dafür sorgen, dass die Spende dort landet, wo sie hilfreich ist. Übrigens führt auch Muller einen gewissen Prozentsatz seines Gewinns an ein Dorf in den Simien Mountains ab um die dortige Schule zu unterstützen. Das finde ich großartig und unterstützenswert. Leider habe ich bisher keine Möglichkeit gefunden mich dort dranzuhängen, außer mit sehr teuren Überweisungen aus dem Ausland ist da leider derzeit nichts möglich.











Und da wir gerade bei schwierigen Themen sind: Nicht, dass bei meinen schwärmerischen Beschreibungen der Eindruck entsteht, dass Äthiopien das bisher unentdeckte Paradies ist. Natürlich hat das Land Probleme.

In so manchem Dorf liegen bergeweise Plastikflaschen, die mit Sicherheit nicht fachkundig entsorgt werden. Am Erta Ale warf einer der Einheimischen vor unser aller Augen seine leere Flasche in hohem Bogen in die Landschaft, und auch Eshetu ließ das eine oder andere Mal sein Bonbonpapier aus dem Fenster flattern.

Laut Statista konnte 2015 etwa die Hälfte der Erwachsenen Äthiopier nicht lesen und schreiben, während mir andererseits so strebsame und gebildete Menschen begegnet sind, und eine gute Arbeitsstelle nach deren Auskunft auch für Gebildete nicht selbstverständlich ist.

Das Land hat ein riesengroßes Trinkwasserproblem. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, und der Tourist (auch ich) mosert, wenn mal kein ausreichender Wasserdruck auf der Leitung liegt.

Dürre, Wasserknappheit, Armut, Bettelei, Hunger, Krankheiten sind keine Themen, mit denen man sich gerne konfrontiert sieht, aber dennoch sind sie hier Realität und können und dürfen nicht ignoriert werden und dürfen gerne auch hier ihren Platz haben. Dennoch sind sie nicht das ganze Land, auch wenn diese Themen das Bild vieler von diesem Land prägen.

Das Land braucht - wie so viele Entwicklungsländer - das Geld, das unter anderem auch Touristen ins Land bringen, und die Menschen vor Ort brauchen auch Geld. Daher ist mir schon klar, dass ich für den einen oder anderen ein ATM auf zwei Beinen bin, dass ich mit Sicherheit nahezu durchgehend Preise genannt bekomme, die um ein Vielfaches höher sind als ein Einheimischer sie zahlt. Und natürlich ist das anstrengend sich immer wieder Gedanken machen zu müssen, ob ich hier oder da genügend oder unangemessen viel Trinkgeld gegeben oder für etwas zu viel bezahlt habe. Aber immerhin kann ich mir durch meinen Reisestil und meine Reiseorganisation ein “hasslefreies” Reisen ermöglichen und mich somit voll auf das Land einlassen, es in mich aufsaugen und aus vollem Herzen ein gutes Wort für das Land einlegen um andere zu ermutigen es ebenfalls zu besuchen, sodass dem Land auch dadurch wieder etwas Gutes getan wird.

Meine persönliche Meinung: Unterstütze ich lokale Unternehmer statt großer deutscher Reiseveranstalter, gebe ich im Land mein Geld aus, zudem deutlich weniger als wenn ich die großen deutschen Agenturen beauftrage. Lasse ich mich einerseits nicht übers Ohr hauen und setze mein Geld so ein, dass es mir das bestmögliche Reiseerlebnis gibt und möglichst viel von dem Geld, das es mich kostet, ins Land bringt, entsteht eine Win-Win-Situation. Danach handele ich seit Jahren, egal, ob es um Asien, die Karibik oder jetzt auch Äthiopien geht. Und wieder mal bin ich gut damit gefahren! Voraussetzung ist natürlich eine vernünftige Recherche, damit ich auch Qualität bekomme und nicht vor Ort im Stich gelassen werde.

Und mit diesen Überlegungen komme ich in Lalibela an. Das Hotel Tukul Village liegt an einer Straße, wo es ein paar wenige Restaurants und sogar eine nette Kneipe gibt, etliche Souvenirshops. Ich gehe ein wenig durch den Ort und kaufe weiße Webschals als Souvenirs.

Bei meiner Rückkehr zum Hotel sitzt Eshetu dort und bei ihm der Guide Masresha, der mir morgen Lalibela zeigen wird. Das Restaurant des Hotels ist laut Masresha gut. Ich bestelle mir etwas zu essen und lade ihn und Eshetu zu einem Bier ein, aber Masresha will kein Bier und geht nach Hause. Eshetu und ich sitzen einträchtig einander gegenüber. Das Essen hier ist wirklich super, das Internet gut. Was will ich mehr?

Schneewie

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #28 am: 09.07.2018, 09:16 Uhr »
Einfach nur WOW!!!!

Super interessant, vor allem so nah an einem Vulkan zu stehen.
Gruß Gabriele

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Antw:Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #29 am: 11.07.2018, 22:37 Uhr »
30.5. Lalibela

In Lalibela wurden vor fast 1000 Jahren, veranlasst durch König Lalibela, 11 Kirchen in den Fels gehauen. Und das haben nicht nur Menschen getan, auch Engel haben geholfen und nachts heimlich weiter gearbeitet. Lalibela wollte ein afrikanisches Jerusalem nachbauen, und so ist das gesamte Ensemble voll von Symbolik. Es gibt eine Grabeskirche, den Jordan und einen Ölberg. Ich bin wahnsinnig gespannt, denn so ziemlich das erste, was man zu sehen bekommt, wenn man sich über Reiseziele in Äthiopien informieren will, sind Bilder der Georgskirche in Lalibela.

Masresha hat gesagt, es geht um 8.30 Uhr los. Also stehe ich um 8.30 Uhr parat, und wir fahren ein paar Minuten zur westlichen Kirchengruppe. Das ist auch die Gruppe, die älter ist. Wir folgen also der Historie.

Die Kirchen wurden von oben nach unten aus dem Fels herausgearbeitet, erst das Äußere, dann auch das Innere, wobei kunstvolle Gewölbe aus dem Stein herausgearbeitet wurden.

Ich bewundere die unterschiedlichen Kreuzformen und wundere mich, dass man ein Kreuz auf unzählige Arten und Weisen darstellen kann.

Die Kirchen hier haben wie alle Kirchen in Äthiopien drei Bereiche: Einen Bereich für alle zum Chanten, einen, in dem die heilige Kommunion ausgegeben wird und einen inneren Bereich, der nur den Priestern, Mönchen und Diakonen vorbehalten ist. Auch gibt es drei Türen: Eine Tür für Männer, eine Tür für Frauen und eine für die Priester.

Wir halten uns lange in der ersten Kirche auf, der Bete Medhane Alem, und Masresha lässt mich nach seinen Erklärungen ausgiebig alleine in der Kirche schauen und zieht sich zurück, Ich will die Atmosphäre des Ortes auf mich wirken lassen. So halten wir es übrigens auch bei den anderen Kirchen. Ich brauche Zeit für mich und will nicht jede Sekunde unter Beobachtung stehen. Und da ich nicht in einer Gruppe reise, kann ich das so für mich entscheiden.













Es ist aber auch absolut sinnvoll einen Ortskundigen dabei zu haben. Natürlich kann ich auch alles im Reiseführer nachlesen, aber der Reiseführer beantwortet mir keine Fragen. Und vor allem kann ein Guide, und das erlebe ich hier nicht zum ersten Mal, den Weg ebnen für das, was allein vielleicht an Sprachbarrieren gescheitert wäre:

Ich höre von Ferne Chanten und unterbreche Masresha in seinen Ausführungen und will wissen, woher das kommt. Masresha fragt einen Mönch oder Priester, der ihm erklärt, wo das Chanten gerade stattfindet. Es handelt sich um eine Kirche, die für Touristen eigentlich nicht zugänglich ist. Und schon geht es auf und ab über Felsen, Treppen, durch schmale in den Felsen gehauenene Gänge und unter Baugerüsten hindurch direkt zu der Kirche, wo es stattfindet. Ich bekomme eine kurze Instruktion, wohin ich mich stellen kann und dass ich auch Fotos machen darf, und ich fühle mich wie unsichtbar. In diesem Moment hat Masresha bei mir gewonnen. Das wäre ohne ihn allein oder auch in einer größeren Gruppe nicht möglich gewesen.









Wir lassen uns ausreichend Zeit in diesem Komplex. Außer uns ist noch eine deutsche Gruppe unterwegs in cremefarbenen Westen und praktischen khakifarbenen Hosen und mit Hüten auf dem Kopf. Die lasse ich gerne vorgehen, während ich irgendwo sitze und Leute ansehe: So viele Gläubige sitzend oder stehend mit der Bibel in der Hand!











Vor dem Mittag kommt die bekannteste der Kirchen, die Bete Kiddus Georgiys, die einzige der Kirchen in Kreuzform, ebenfalls ohne moderne Hilfsmittel aus dem Fels herausgeschnitten und ausgehöhlt. Diese symbolisiert die Arche Noah, und steht man unten vor der Kirche, sieht man oben einen Olivenbaum, der den Ölzweig symbolisiert, den die Taube vom Berg Ararat brachte, nachdem die Sintflut beendet war.

In Nischen im Fels rund um die Kirche liegen völlig ungeschützt menschliche Skelette, Nonnen und Mönche, die als Pilger kamen und hier starben.





Es ist Mittag und Masresha parkt mich für 2,5 Stunden in einem Restaurant hoch über den umgebenden Hügeln mit einem super Rundum-Blick. Leider ist es wieder diesig, aber ich kann Raubvögel beobachten, die auf meiner Höhe über der Landschaft kreisen.

Warum soll ich hier 2,5 Stunden sitzen? Dass die Kirchen mittags schließen, hätte ich ganz gern vorher gewusst. Aber in diesem Lokal gibt es nicht nur den Ausblick, sondern auch WLAN, insofern ist alles OK.

Gestärkt und erholt geht es zur östlichen Kirchengruppe. Bevor wir diese betreten, erklärt Masresha mir den symbolischen Ölberg und den symbolischen Jordan, die das Stadtbild von Lalibela prägen. Und auf geht es durch noch viel mehr Gänge und Schluchten um die hiesigen Kirchen anzusehen.























Am Nachmittag nutze ich nochmals die Gelegenheit durch die Shops zu streifen. Ich treffe nochmals Eshetu, mit dem ich Bier trinken gehe in eine ordentlich aussehende Kneipe. Für die 5 Bier zu je 0,33 Litern zahlt er keine 100 Birr, also keine 3 Euro.

Eshetu erhält sein hoffentlich angemessenes Trinkgeld, und ich schenke ihm den Anschluss mit den 2 USB für den Stromanschluss im Auto. Dann kann er immer gleichzeitig von seinem Stick Musik hören, das eigene Handy laden und auch ein Gast kann sein Handy ebenfalls laden. Irgendwie ist er mir ja doch ans Herz gewachsen, damit hätte ich zu Beginn der Tour nicht unbedingt gerechnet. Wer weiß, vielleicht sehen wir uns bei einer weiteren Reise wieder.