Mittwoch, 1. Mai 2019
Mal wieder habe ich schlecht geschlafen. Um viertel vor fünf stehe ich auf, und als ich zehn Minuten vor Abfahrt meinen Koffer an die Rezeption wuchte, läuft schon der Motor des Kleinbusses. Da freut sich die Nachbarschaft bestimmt unheimlich.
Mit mir zusammen scheinen alle anderen Gäste auch zum Flughafen zu fahren, der Kleinbus wird jedenfalls richtig voll. Ich sage noch schnell Esteban auf wiedersehen, dann geht die Fahrt fast pünktlich um 5.35 Uhr los. Für ecuadorianische Verhältnisse ist das vermutlich überpünktlich. Kurz vor sechs erreichen wir den Flughafen, und ich sehe zum Glück auch sofort die Schilder für Galapagos-Reisende. Dort muss man sich erst einmal die Einreisekarte für die Inseln besorgen und das Gepäck überprüfen lassen. Bei meinen Recherchen hatte ich mehrfach gelesen, dass es nur wenige Schalter gibt, dass man dort teilweise über eine Stunde anstehen muss und dass man deshalb sicherheitshalber drei Stunden vor dem Abflug am Flughafen sein solle.
Es gibt tatsächlich nur zwei Schalter, aber da stehen im Moment auch nur drei Reisende, so dass ich nach ein paar Minuten Wartezeit schon an der Reihe bin. Der Mitarbeiter schaut sich das an, was ich mir so unter meinem Reiseplan vorstelle, einen solchen soll man nämlich am Schalter vorlegen, damit kontrolliert werden kann, ob man denn tatsächlich Unterkünfte für den gesamten Aufenthalt auf den Inseln und einen Rückflug gebucht hat. Die Buchungsbestätigungen lege ich auch vor, aber die bleiben ungeprüft. Ich muss 20 Dollar zahlen und bekomme meine Galapagos-Einreisekarte, in die ich später noch meine E-mail-Adresse eintragen und unterschreiben soll. Das wäre schon mal geschafft.
Direkt vom Schalter aus geht man weiter zur Gepäckkontrolle. Ich werde nach Essen, Pflanzen und dergleichen gefragt, was ich verneinen kann, das Gepäck wird durchleuchtet und der Koffer mit einem Kabelbinder versehen. Dann bin ich in Gnaden entlassen und darf mich mit meinem Koffer auf den Weg zum Check-In-Schalter von Avianca machen. Dort steht im Moment überhaupt niemand an, also bin ich sofort dran, bekomme meine Boardkarte und gehe schon mal zur Sicherheitskontrolle, wo ich quasi durchrausche. Es ist 6.15 Uhr. Innerhalb einer Viertelstunde habe ich den gesamten Prozess durchlaufen und darf jetzt noch fast 3 Stunden bis zum Abflug warten.
Die Zeit nutze ich für ein ausgedehntes Frühstück. Dann vertrödele ich die Zeit am relativ kleinen Terminal mit Whats-App-Nachrichten in die Heimat und schreibe ein wenig am Reisebericht weiter. Hier in Quito gibt es im Wartebereich an vielen Plätzen Stromanschluss, so darf sich das Handy auch noch einen Energieschub gönnen. Irgendwann wird dann auf der Anzeigetafel auch endlich das Abfluggate angezeigt, und das ist netterweise genau dort, wo ich mich häuslich niedergelassen habe.
Der Flug startet überpünktlich, voll besetzt ist der Flieger nicht. Nach dem Abheben durchfliegen wir eine eindrucksvolle Berglandschaft, fast hat man das Gefühl, dass das Flugzeug gar nicht so schnell steigen kann wie die Berge um Quito höher werden.
Schließlich erreichen wir den Pazifik, der unter einer Wolkendecke leider unsichtbar bleibt. Ich stelle schon mal die Uhr eine Stunde zurück, denn Galapagos hat eine andere Zeitzone als das Festland. Das Personal teilt Zollformulare für die Galapagosinseln aus, ach herrje, jetzt muss man also doch etwas ausfüllen. Blöderweise ist mir inzwischen eingefallen, dass ich in meiner Tasche noch drei und im Koffer noch fünf Schokokekse habe, also mache ich bei der Frage nach Lebensmitteln ein Kreuzchen bei Yes, auch wenn ausgeschlossen ist, dass davon irgendeine Gefahr für die hiesige Fauna und Flora ausgeht. Und unter der Rubrik Campingartikel werden auch Wanderschuhe aufgeführt, also nochmals Yes. Die Schuhe habe ich zwar daheim sorgfältig sauber gemacht, aber leider gibt’s kein Ausschlusskästchen für sorgfältig sauber gemachte Campingartikel. Dann fällt mir ein, dass die Schuhe in einer Plastiktüte sind, und Einwegplastik darf man angeblich nicht auf die Galapagosinseln mitbringen. Meine Tüte wurde zwar schon mehrfach benutzt, fällt also streng genommen nicht unter Einweg, aber ich mache mir kaum Illusionen, dem Personal erklären zu können, dass man in Deutschland seine Tüten auch durchaus mehrfach nutzt. Ich sehe schon kommen, dass ich den halben Tag damit verbringen werde, meinen Koffer bei der Kontrolle auszupacken und anschließend alles wieder irgendwie hineinzustopfen.
Zwischendurch gibt es ein Getränk und Chips, und kurz vor dem Landeanflug wird etwas in die Handgepäckfächer gesprüht, vermutlich Insektengift. Pünktlich zum Anflug reißt die Wolkendecke dann doch auf und gibt die ersten Blicke auf Santa Cruz und den Kanal zwischen Santa Cruz und Baltra, der „Flughafeninsel“ frei. Beim Landeanflug wird mir dann beim Blick auf die karge Landschaft kurz etwas anders: Hier will ich wirklich zwei Wochen verbringen? Na, für solche Überlegungen ist es jetzt zu spät. Das Flugzeug kommt zum Stehen, eine Treppe wird herangefahren, und dann bin ich endlich angekommen. Zumindest auf Baltra.
Im Flughafen folgt erst die Kontrolle der Einreisekarte, dann darf man 100 Dollar Eintritt bezahlen und bekommt sogar einen Stempel in den Pass, was ich zwar schön, aber irgendwie auch merkwürdig finde, denn nach Ecuador war ich ja schon eingereist. An der nächsten Station händige ich einem Mitarbeiter meine Zollkarte mit dem Doppel-Yes aus. Der nimmt sie und packt sie zu dem Stapel mit zwanzig anderen Zollkarten, die er in der Hand hat. Ich habe nicht den Eindruck, dass er vorher einen Blick darauf geworfen hat. Mein Handgepäck wird genauso durchleuchtet wie das der anderen Reisenden auch, und im Gegensatz zu manch anderem darf ich es anschließend ungeprüft wieder an mich nehmen. Mein Koffer liegt schon mit ein paar anderen Koffern auf einem Metallrost und hat offenbar zwischenzeitlich den Schnüffeltest durch den immer noch anwesenden Hund bestanden. Trotz Schokokeksen. Der Hund kennt sich halt aus. Wie er den Putzzustand meiner Wanderschuhe geprüft hat, weiß ich aber auch nicht.
So, jetzt muss man einen Bus zum Fähranleger nehmen, denn zwischen Baltra und Santa Cruz liegt ja ein bisschen Wasser. Eigentlich sollte das ganz einfach sein, der Bus kostet nichts (denke ich), die Fähre einen Dollar, also stelle ich mich in eine Schlange für den Bus. Ein paar Minuten später werden ich und ein paar andere Reisende von einer energischen Lady in eine andere Schlange beordert. Okay, dann warte ich halt hier. Ich stehe so rum und warte und warte, und dann werde ich irgendwie misstrauisch. Der Typ, der hier mit uns wartet, weist uns an, unsere Koffer dicht zusammenzustellen, dann gräbt er zwei Mädels an, die mit mir hier warten und erzählt ihnen irgendwas von irgendeiner Tour. Ich frage also vorsichtig, ob es von hier aus nach Puerto Ayora geht und bekomme die Antwort, dass wir erst morgen nach Puerto Ayora fahren. Moment, ich will heute nach Puerto Ayora! Das hier ist also gar keine Busschlange für den Fähranleger! Stattdessen stehe ich fröhlich bei einer Gruppe herum, die auf eins der Kreuzfahrtschiffe will, und keiner hats gemerkt. Wahrscheinlich hätten die mich noch mit an Bord genommen. Keine Ahnung, warum die energische Lady gemeint hat, dass ich hierher gehöre.
Also zurück in die richtige Schlange. Als ich schließlich den richtigen Bus erreiche (und lieber dreimal nachfrage, ob es denn hier nach Puerto Ayora geht), erfahre ich, dass ich ein Ticket brauche. Hm, seit wann denn das? Zum Glück ist der Ticketschalter gleich zwei Meter weiter, und dort werde ich Zeuge, wie ein Mann vor mir Tickets im Wert von 20 Dollar mir nix dir nix mit einem 100-Dollar-Schein bezahlt. Von wegen, in Ecuador kriegt man Scheine über 20 Dollar nicht los. Zumindest hier klappt das anscheinend doch ganz gut.
Das Ticket kostet 5 Dollar pro Person, was ich schon wieder irgendwie merkwürdig finde, denn zu Fuß kann man ja schlecht zum Fähranleger gehen. Anscheinend wurde das irgendwann zuletzt neu eingeführt, im Internet hatte ich dazu nichts gelesen. Falls es dazu im Flugzeug Informationen gab, habe ich sie nicht verstanden. Nun gut, es hat ja letztlich doch geklappt. Nach einer Fahrt von höchstens 10 Minuten kommt der Bus am Fähranleger an und bleibt noch eine Weile mit laufendem Motor stehen. Um mich herum sitzt eine Jugendgruppe aus den USA, und die haben aus dem Bus in etwa 100 Metern Entfernung eine kleine Echse erspäht. Handys werden gezückt und Fotos gemacht, und dann läuft die Echse zur allgemeinen Begeisterung auch noch über die Straße. Um mich herum drohen mehrere Menschen, sich vor Aufregung zu entleiben.
Als wir dann aussteigen dürfen, beschließt der ältliche Anführer der Jugendgruppe, dass sich die ganze Gruppe jetzt einen Seelöwen ansehen muss, der am Fähranleger liegt und sein süßes Nichtstun genießt. Ich habe jetzt anderes im Kopf, nämlich meinen Koffer. Das Gepäck wird auf dem Dach der Fähren transportiert, und immerhin hat meine Fähre im Gegensatz zu der, die eben abgelegt hat, um das Dach noch eine Zierumrandung, die zumindest verhindert, dass die Koffer ohne Gegenwehr ins Meer gleiten können.
Da hier niemand Tickets für die Fähre verkauft, gehe ich davon aus, dass die Fahrt im Busticket eingeschlossen ist, aber wieder falsch gedacht. Während der Fahrt muss jeder noch einen Dollar löhnen. Bei der Ankunft auf Santa Cruz darf ich dann erleichtert meinen Koffer wieder in Empfang nehmen, und beschließe, dass ich erst mal genug von anderen Menschen habe. Also nehme ich von hier aus nicht den Bus, sondern gönne ich mir ein Taxi nach Puerto Ayora und freue mich auf der etwa vierzigminütigen Fahrt an der Landschaft und dem Gefühl, den Menschenmassen im allgemeinen und der amerikanischen Jugendgruppe im besonderen erst einmal entkommen zu sein. Zwischendurch prasselt Regen auf uns herunter, ein paar Minuten später scheint aber wieder die Sonne und das gute Wetter folgt uns bis Puerto Ayora.
Der Fahrer bringt mich zu meiner Unterkunft, dem „Verde Azul“ und ich löhne die vereinbarten 25 Dollar, was zwar etwas mehr ist, als ich gedacht hatte, aber ich hatte ja auch von dem Busticket nichts gewusst. Ohnehin werden 5 Dollar mehr oder weniger nicht über das Gelingen dieses Urlaubs entscheiden. Ich checke ein, beziehe mein Zimmer und lasse mich erst mal aufs Bett fallen. Ich bin erschöpft und völlig verschwitzt und froh, dass ich jetzt endlich wirklich auf den Galapagos-Inseln angekommen bin.
Nach einer erfrischen Dusche, die mich netterweise auch mit heißem Wasser erfreut, mache ich mich gegen ein Uhr auf den ersten Erkundungsgang. Vorher habe ich mir noch von der Mitarbeiterin der Unterkunft versichern lassen, dass man hier völlig sicher herumlaufen kann. Das passt auch zu den Häusern in der Umgebung. Zwar gibt es fast überall Mauern und Zäune, aber der Touch von Gefängnismauer, wie ich ihn auf dem Festland erlebt habe, fehlt. Ich folge der Avenida Seymour und stoße nach vier Blocks auf die Avenida Charles Darwin. Von hier aus kann man nach Osten Richtung Schildkrötenstation gehen und nach Westen Richtung Hafen. Ich schlage erst mal den Weg nach Westen ein und komme gleich am kleinen Fischmarkt vorbei, der heute aber fast verlassen liegt. Nur fast verlassen, denn ein paar Seelöwen dösen hier vor sich hin und warten anscheinend auf die nächste Lieferung. Das türkisfarbene Meer mutet karibisch an, die farbigen Häuser und Boote leuchten in der Sonne, wow! Das sieht ja viel lieblicher aus, als ich gedacht hatte.
Ich gehe bis nach vorne zum Fährableger und mache immer wieder Fotos. Überall gibt es kleine Restaurants und Geschäfte, zumeist von Blumen umrankt, auf dem Meer schaukeln die Schiffe, auf dem Fährableger warten die nächsten Seelöwen, die hier völlig selbstverständlich eine Bank belegen.
Natürlich sind auch andere Touristen unterwegs, aber ich habe nicht da Gefühl, dass Puerto Ayora überlaufen wäre. In einem kleinen Supermarkt kaufe ich Wasser, und nachdem ich im Schokoregal eine Packung Ferrero Rocher gesehen habe, stehen hinter mir in der Kassenschlange zwei Deutsche. Da fliegt man um die halbe Welt und wird doch wieder von der Heimat eingeholt.
Als ich wieder an der Avenida Seymour ankomme gehe ich weiter Richtung Charles Darwin Station. Der Weg zieht sich länger als gedacht, ich bin schon wieder nassgeschwitzt, und so langsam habe ich das Gefühl, dass ich schon zu lange in der Sonne herumlaufe. Aber jetzt bin ich ja auf dem Weg dorthin, also schaue ich es mir auch an.
Ich weiß nicht, ob es an meinem akuten Erschöpfungszustand liegt oder ob die Schildkrötenstation wirklich nicht so dolle ist, jedenfalls schaffe ich es nicht, Begeisterung für den ausgestopften Lonesome George oder die in kleinen Gehegen mehr oder weniger stumpf herumliegenden Schildkröten aufzubringen. Da hätte ich auch in einen Zoo fahren können.
Ziemlich dehydriert und mit dem Gefühl, jetzt endlich aus der Sonne rauszumüssen, kehre ich gegen viertel nach vier auf dem Rückweg zur Unterkunft bei einem Restaurant namens Islagrill ein, genehmige mir erst eine durstlöschende Cola, dann ein Bier und entscheide mich der Einfachheit halber für einen Cheseeburger. Während ich esse und trinke fühle ich mich langsam wieder besser.
Gegen fünf Uhr bin ich wieder in der Unterkunft, hüpfe wieder unter die Dusche, wasche ein paar Sachen aus und erhole mich mit einem ausgedehnten Bed-In. Um kurz vor sieben kommt dann Byron von Galapagos a la carte zum Hotel und gibt mir noch ein paar Informationen zu den drei Touren, die ich über die Agentur gebucht habe. Der Treffpunkt für die Tour übermorgen hat sich geändert, und er erklärt mir den Treffpunkt und beantwortet noch ein paar Fragen, auch dazu, wo ich am besten meine Fährtickets für die Fahrten nach Isabela und San Cristobal kaufen sollte. Danach schreibe ich im Zimmer noch ein wenig am Reisebericht weiter, aber um viertel vor neun fallen mir schon die Augen zu.
Für morgen habe ich keine Tour gebucht, sondern will mich wieder auf eigenes Faust auf den Weg machen.
Gute Nacht!