Sonntag:Die Nacht war ziemlich unruhig. Immer wieder wurde man wach, wenn sich mal einer auf die andere Seite drehte oder wegen eines dringenden Bedürfnisses aufstand und so schnell konnte man nicht wieder einschlafen, weil irgendjemand von einem Job als Holzfäller zu träumen schien...
Wir standen gegen 6.30 Uhr auf und nahmen ein kleines Frühstück zu uns. Das Wetter war prächtig, daher entschieden wir, daß wir auf Regenjacke etc. verzichten und die Rucksäcke daher in der Hütte stehenlassen konnten. Auf dem Rückweg wollten wir sie dann hier wieder aufnehmen.
Also brachen wir ohne Gepäck auf, um die letzten 900 Höhenmeter in Angriff zu nehmen. Das war ziemlich leitsinnig, wie wir noch merken sollten. Im Gebirge kann das Wetter sehr schnell umschlagen, deshalb sollte man stets gegen alle Eventualitäten gerüstet sein.
Von der Hütte bis zur Talstation der Seilbahn markierten 40 Zeichen den Weg, den wir in etwa zwei Stunden bewältigten. Als wir uns dem Sattel in Höhe des Skiliftes näherten, zog von der anderen Flanke her -für uns noch unsichtbar- auf einmal eine pechschwarze "Wand" auf. Als wir gewahr wurden, was da auf uns zu kam, begann es auch schon, heftiggst zu regnen. Wir flüchteten rasch unter ein Wellblechdach, wo ein Raupenfahrzeug und diverses Schneeräumgerät bis zur nächsten Wintersaison untergestellt waren und warteten hier das Ende des Regens ab; die Regenjacken hatten wir ja in der Hütte zurückgelassen. Der Wind peitschte den Regen weit in unseren Unterschlupf und binnen weniger Minutenhatte es sich dramatisch abgekühlt. Aber wir hatten großes Glück, der Wetterumschwung war nicht von langer Dauer und wir konnten nach etwa 10 Minuten weitergehen.
Die letzten 400 Höhenmeter gingen steil nach oben. Zuerst mußten wir ein steiles Geröllfeld durchqueren, wo man schwer einen guten Tritt fand; irgendwie war es, als würde man versuchen auf einer abwärtsfahrenden Rolltreppe nach oben zu laufen. Als wir dies bewältigt hatten, ging es auf einem schmalen Pfad direkt am Felsen weiter. An einigen schwierigen Stellen waren am Felsen befestigte Drahtseile der einzige Halt.
Kurz bevor wir das Plateau erreichten, ging es noch ein Stück über den Grat, kaum einen Meter breit und zu beiden Seiten ging es einige hundert Meter abwärts. Dafür gab es jedoch bereits eine wundervolle Aussicht.
Oben angekommen beglückwünschten wir uns gegenseitig zum bewältigten Aufstieg und setzten uns erst einmal in die Münchener Hütte, um bei einem Bier zu verschnaufen. Nachdem wir wieder etwas zu Atem gekommen waren, mischten wir uns unter die vielen Touristen, die mit den Seilbahnen hinaufgekommen waren und genossen den herrlichen Rundblick. Im Tal konnte man den Eibsee mit seinem herrlich grün schimmernden Wasser sehen, in der Ferne erblickten wir viele andere, teils schneebedeckte Alpengipfel, wie den Ortler und den Großglockner.
Der Blick ins Höllental belehrte uns, daß dieser Weg, den ein paar von uns als alternative Aufstiegsroute in Betracht gezogen hatten, ganz offensichtlich doch eine Nummer zu hoch für uns gewesen wäre.
Die Entscheidung für das Reintal war also ganz sicher die richtige.
Dann verließen wir die Plattform, um noch zum Gipfelkreuz zu laufen, wo wir natürlich noch entsprechende Fotos machten. Zum Mittagessen setzten wir uns in das Restaurant, um uns für den Abstieg zu stärken. Etwa gegen 12.30 Uhr machten wir uns dann wieder auf den Weg.
Abwärts ging es zwar wesentlich schneller, jedoch war der Abstieg keineswegs weniger Anstrengend als der Aufstieg. Man mußte sehr aufpassen, einen festen Tritt zu finden; meist rutschten einem lose Steine unter den Füßen weg und man mußte auch auf eventuell von oben herabrollende Steine achten.
Immerhin sahen wir, wie sich bei einer anderen Gruppe ein größerer Brocken aus dem Geröll löste und einige, schon weiter unten kletternde Wanderer nur knapp verfehlte. Nach ca. einer halben Stunde kamen wir wieder in Höhe des Skiliftes auf Sonn-Alpin an. Von hier aus brauchten wir noch etwa 1 ½ Stunden bis zur Knorrhütte. Hier setzten wir uns bei einem Radler auf die Terrasse und wollten eigentlich eine längere Rast machen, machte sich doch der Abstieg schon mächtig in den Knien, Waden und Oberschenkeln bemerkbar.
Nach einer Weile kam jedoch die Hüttenwirtin heraus und meinte, daß bei dem Wind, der inzwischen aufgekommen war, das Wetter leicht umschlagen könne.
Und tatsächlich kam über den Bergen eine bedrohlich schwarze "Wand" heran und so beschlossen wir, unsere Rucksäcke wieder aufzunehmen und weiter bis zur Reintalangerhütte zu laufen. Wir wählten eine etwas andere Route als beim Aufstieg; diese war zwar kaum weniger steil, aber es lag nicht so viel loses Geröll herum. Das letzte Stück des Weges entpuppte sich immer wieder als wesentlich länger, als wir es in Erinnerung hatten und so ließen wir uns, als wir bei der Hütte ankamen, einfach auf die Stühle fallen, von denen wir sobald nicht wieder aufstanden. Wir saßen den Rest des Nachmittags auf der Terrasse vor der Hütte und gönnten uns einige Radler und Bier. Irgendwann begannen der Hüttenwirt und seine Tochter mit Zither und Gitarre etwas zu musizieren. Gegen Abend gingen wir dann gestaffelt Duschen und setzten uns zum Abendessen wieder auf die Terrasse.
Als es dann allmählich dunkel wurde, ging einer von uns in den Gastraum, holte die Gitarre und begann ein wenig zu spielen. Es wurde noch ein wundervoller Abend; gegen 22 Uhr war eigentlich wieder Hüttenruhe, wir gingen in die Hütte, wo wir aber immer noch bis fast 23 Uhr saßen, bevor wir uns zur Ruhe begaben. Diese Nacht wurde wesentlich ruhiger als die Vergangene, schließlich waren nicht so viele Leute in der Hütte unterzubringen. So hatten wir diesmal jeder eine Matratze und je Etage schliefen nur drei Personen.