Freitag, 26.2.2016
Da weiterhin graues Wetter mit Schneefall angesagt ist, sparen wir uns für heute den Sonnenaufgang und packen stattdessen alles in Ruhe zusammen. Vom heutigen Tag erwarten wir nicht allzu viel, außer dass wir den Sonnenuntergang am Seljalandsfoss verbringen wollen. Dann soll mit etwas Glück auch der Himmel wieder wolkenfrei sein.
Bis dahin wollen wir nur die 250 Kilometer zurücklegen und starten in dichtem Schneefall unsere Fahrt. Von der ganzen Pracht der Gletscher ist heute nichts zu sehen. Das müssen wir so akzeptieren im isländischen Wetterroulette. Doch je weiter wir in Richtung Westen fahren, desto heller wird es und als wir den Skaftafjell Nationalpark erreichen, hat es aufgehört zu schneien. Das vermeintlich nun gute Wetter wollen wir für einen Abstecher zum Visitor Center nutzen und schauen, ob wir die Gletscherzunge sehen können. Da es um uns herum immer heller wird, laufen wir einfach mal los. Am Wegweiser stehen 1,8 Kilometer… was uns dort erwartet, wissen wir nicht konkret. Zuerst führt der Weg nur entlang eines Bergrückens und von einem Gletscher ist nichts zu sehen. Doch nach einer Ecke liegt er plötzlich vor uns, noch ziemlich weit entfernt.
Die wenigen Wanderer vor uns sehen winzig klein aus vor der Gletscherfront. Wir kommen immer dichter und kommen uns bald vor wie auf einem Spielplatz der Riesen. Der See vor der Gletscherzunge ist solide zugefroren, darin befinden sich große blau glänzende Eisbrocken. Überall sind Spuren von Besuchern vor uns zu sehen, die uns zeigen, dass man sich hier gefahrlos bewegen kann. So erkunden wir die Gletscherzunge immer weiter, finden Löcher in Eisbergen, Rutschen und dann kommt sogar noch die Sonne heraus.
Auch ein paar Spalten im Eis erkunden wir. Dunkelblau erheben sich die glatten Eiswände an beiden Seiten. Nur dort, wo bereits Fußspuren zu sehen sind, erkunden auch wir etwas das Innenleben des Gletschers, so eine Chance bekommt man wohl nicht allzu oft. Allzu weit gehen wir natürlich nicht herein, zu groß ist der Respekt. Doch hier können wir nun wirklich einmal alleine die beeindruckende Kulisse eines Gletschers genießen und im Nachhinein sind wir uns beide einig, dass das hier viel schöner war als der Besuch in der Eishöhle.
Nur wenige andere Besucher nehmen den Weg bis dicht heran zum Gletscher auf sich, viele gehen nur bis zur Ecke, wo man dem Gletscher das erste Mal sieht… sie wissen ja gar nicht, was sie verpassen. Auch wir müssen uns nun von diesem Spielplatz verabschieden, schließlich haben wir von den geplanten 250 Kilometern noch nicht wirklich viele zurückgelegt. Aber wer kann schon ahnen, was so ein Tag alles bringen kann.
Im strahlenden Sonnenschein bringen wir die Kilometer schnell hinter uns und freuen uns immer über die schönen Aus- und Einblicke entlang des Weges. Je weiter wir kommen, desto weniger Schnee liegt und wir erfahren abends, dass es hier wohl in den letzten Tagen ordentlich geregnet hat. Gleich macht alles einen tristen, grau-braunen Eindruck. Doch an unserem Ziel für den heutigen Abend, am Seljalandsfoss hat sich der Winter noch etwas gehalten. Wir meinen sogar, dass die Eiszapfen am Wasserfall größer geworden sind in der vergangenen Woche. Natürlich gibt es wieder sehr viele Touristen, die sich genau wie wir den Wasserfall ansehen wollen. Noch liegt er im Schatten und plötzlich sind wir uns gar nicht mehr so sicher, ob die Sonne denn überhaupt noch soweit wandern wird, um den Wasserfall anzuleuchten bevor sie untergeht. Da hilft wohl nur eins…warten und ausprobieren.
Der Weg, auf dem man normalerweise hinter dem Wasserfall entlang gehen kann ist dick vereist. Erst denken wir, er ist gesperrt, da wir niemanden dort gehen sehen aber dann wagen es doch ein paar Mutige. Besonders die bis zur Unkenntlichkeit vereiste Treppe bereitet ihnen Probleme. Hoch kommen sie ja alle noch aber das Herunter bereitet dann umso größere Schwierigkeiten, zumal einige sogar ohne Spikes unterwegs sind. Das sieht alles nicht so einfach aus und doch hat sich Sandra für den Sonnenuntergang einen Platz ausgesucht, zu dem auch so eine dick vereiste Treppe bezwungen werden muss. Als dann 50 Minuten vor Sonnenuntergang die Sonne tatsächlich ihr Licht auf den Wasserfall wirft, geht sie los. Hinauf ist es dank der Spikes auch gar nicht so schlimm. Nun steht sie oben auf einem komplett vereisten Hügel mit einem schönen Blick auf den Wasserfall und den Sonnenuntergang. Der Holzsteg und das Geländer sind ebenfalls bizarr vereist. Zum Glück ist die Gischt vom Wasserfall hier gar nicht so stark wie erwartet, so dass man ganz gut fotografieren kann, ohne ständig die Linse putzen zu müssen.
Als dann die Sonne hinter Wolken am Horizont verschwindet, nutzt Sandra die Zeit zum Abstieg aus ihrer eisigen Höhe, während Sigrid von unten alles dokumentiert. Nein, die Treppe ist auch mit Spikes nicht begehbar stellt Sandra fest, während sie seitlich zwischen zwei Geländerpfosten hängt und nur noch durch ein verkeiltes Schienbein vor dem Abrutschen bewahrt wird. Nachdem sie alle Gliedmaßen wieder entwirrt hat, werden die restlichen Treppeneisbuckel auf den vier Buchstaben zurückgelegt und selbst das ist eine schwierige Aufgabe. Glücklich und lebend unten angekommen, wirft die Sonne noch die letzten roten Strahlen auf die Felswand und den Wasserfall und wir schauen, dass wir zu unserer Unterkunft kommen. Dafür fahren wir zurück in Richtung Vik, wo wir uns für diese Nacht noch einmal in der Farmhouse Lodge eingemietet haben. Hier werden wir begrüßt wie alte Bekannte und bekommen sogar „unser“ Zimmer wieder.
Doch noch ist dieser wunderbare Tag nicht zu Ende, vielleicht schaffen wir es ja doch noch einmal, Polarlicht zu sehen? Leider sind sich die beiden besten Wetterportale seit einigen Tagen sehr uneinig, was Bewölkung und Niederschlag angeht. Mal hat der eine Recht, dann wieder der andere. Wir wollen es zumindest probieren. Wieder stellen wir uns an der Straße zum Kap in eine Ausbuchtung und starren den dunklen Himmel an. Da der Mond nun von Tag zu Tag später aufgeht, ist es stockdunkel draußen. Aus den Probeaufnahmen der Kamera werden wir auch nicht klug, bis Sandra plötzlich merkt, dass die helle Wolke da am Horizont eigentlich das einzige Loch in einer durchgehenden Bewölkung ist und dadurch grünes Licht fällt. Also stehen wir hier grundverkehrt und warten vergeblich. Am Himmel im Osten sieht man jedoch die Sterne funkeln. Schnell wechseln wir nun unseren Standort, doch leider ist es gar nicht so einfach, einen Platz abseits der Straße zu finden, da alle Ausbuchtungen und Nebenstraßen bereits mit Polarlichtsüchtigen belegt sind.
So fahren wir bis weit hinter Vik, wo wir endlich einen Parkplatz unter dem sternenklaren Himmel finden. Nun muss ja „nur noch“ das Polarlicht kommen. Das zeigt sich heute Abend jedoch mal wieder von seiner trägen Seite. In nördlicher Richtung ist zwar ein schwacher grüner Bogen zu sehen aber weiter passiert nichts. Stattdessen bewundern wir den Sternenhimmel und die Geschwindigkeit, mit der sich die Wolken von Westen her nähern. Nach nur einer Stunde stehen wir wieder im Dunklen, doch wir haben es zumindest versucht. Mit diesem guten Gefühl fahren wir nun zurück zu unserer Lodge und freuen uns über die Erlebnisse des Tages.