Bisschen früh fürs Abendessen... wurscht!
Von den Champs Élysées sind es nur wenige Schritte zum Hotel Balzac.
Die TellerorgiePierre Gagnaire, Vorreiter der Fusion Cuisine, ist einer der berühmtesten Köche Frankreichs. Sein Name steht heute für ein Restaurant-Imperium, 14 Restaurants verstreut in der ganzen Welt, u.a. in London, Tokio, Dubai, Hongkong, Las Vegas, Moskau. Aber nur in seinem Pariser Stammrestaurant im Hotel Balzac kocht der Chef noch selbst. Sein Restaurant Les Solistes im Waldorf-Astoria, Berlin, hat er Ende 2016 wieder geschlossen. Seine aufwändige Pariser Küche haben die Berliner wohl nicht verstanden.
Die Küche von
Pierre Gagnaire ist schwer einzuordnen – sie ist außergewöhnlich experimentell, komplex und sehr kreativ. Wie kein anderer Küchenchef polarisiert Pierre Gagnaire mit seinem Konzept der vielen Teller. Bevor Pierre Gagnaire die Kochlöffel niederlegt, immerhin ist er bereits 67 Jahre alt, muss ich mir selbst ein Urteil bilden.
Das Procedere einer Tischreservierung ist umständlich. Man reserviert online und erhält per e-mail die Bestätigung. Einen Tag später bekommt man eine weitere e-mail, wo man seine Kreditkartennummer und Unterschrift hinterlegen muss. Schickt man das Dokument nicht zurück, verfällt die Reservierung. Wenn schon eine Kreditkarte hinterlegt werden muss, warum kann man das nicht im Reservierungssystem hinterlegen? Unpraktisch und eines 3-Sterne-Restaurant unwürdig.
Ich sehe mir die Speisekarte an. Es gibt ein 7-Gänge-Menü, sowie à-la-carte vier Vorspeisen, sechs Hauptgänge und vier Desserts. 310 Euro ist ein stolzer Preis für ein Menü, aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Im Restaurant Guy Savoy kostet das Menü fast 400 Euro und in seinem Restaurant im Caesars Palace (Las Vegas) ist es sogar noch teurer, wenn man die 20% Service hinzurechnet. Das Wort Vernunft sollte man diesen Summen ad acta legen. Jemand, der nur essen geht um satt zu werden, wird unwissend den Kopf schütteln. Wenn man die Kochkunst von Pierre Gagnaire nicht zu schätzen weiß, ist man hier völlig fehl am Platz.
Bei Pierre Gagnaire besteht ein Thema aus mehreren Tellern. Hinter diesem Konzept steht, dass der Gast alle Teller vermischen kann, wie er möchte. Diese individuelle Tellerorgie mag manchen Gast überfordern, ich finde es außerordentlich spannend. Ich entscheide mich für die Vorspeise Automne (146 €), Hauptgang Langoustine (188 €), eine halbe Portion Käse (30 €) und das Grand Dessert Pierre Gagnaire (75 €). Nach einem Glas Champagner gibt es im Haus gebackene Brotauswahl: Baguette, Brioche, Vollkorn- und Früchte-Nussbrot. Dazu gibt es gesalzene Butter aus La Pellerie, sowie hausgemachte Braune Butter und Zitronenbutter.
Die Speisekarte ist sehr ausführlich aufgeschlüsselt.
Amuse Bouche
Cocktail de poche
Farm mussels and small onions flavoured with Sanbaizu vinegar, sea fennel
Infusion Tiné: lacquered sardine, salted mackerel, a hint of rhubarb and enoki mushrooms
Small perched from the Geneva lake, watercress and oreille de judas mushrooms
Automne
Soufflleed biscuit parmesan cheese | rocket salad, daïkon turnip – sweet green pepper ice cream served with Cremona mustard, carrot juice flavoured with Grappa
Fresh walnuts transparent pannequet, water of sunchoke artichoke perfumed with yellow wine from the Jura region
Nettle Royale and blue poppy seeds, cucumber mousse
Herbs oreiller from the Geneva lake, home-smoked char fish; bouillon Zezette
Kohlrabi | coppa sausage, pumpkin gnocchi flavoured with coffee, vegetable Violine sauce
Langoustine
Crunchy large langoustine 1982 – seasoning Dundee-Peeky
Souffleed potatoes with sumac powder
Small ones seared in a spicy butter, flamed with aged rum; farm cider jelly on a buckwheat crêpe
Crème prise, miltomate berries
Raviola with herbs, diced langoustine spiced with green curry
Raw | frosted lighlty smoked, turnip Buren; honey from the corsican maquis and Iranian black lemon
Cheese
Trays of six cheeses by Bernard Antony
Christine Ferber’s jam
Caramel spiced with cumin
A glass of Madère Bual (10 years old), domaine Henriques-Henriques
Le Grand Dessert
Crumble of end of the summer fruits, red sweet pepper bavaroise flavoured with peppermint
Unctuous citrus fruits infusion, fresh dates soaked in Kirsch; Patron tequila granita
Frozen croquant flavoured with verbena from Le Velay, lemon paste
Biscuit flavoured with ginger, nougatine spiced with cumin. Passion fruits syrup
Warm Muscat wine from Corsica, fresh grapes and blond raisins flavoured with Macvin; cube parfait praliné parfait coated with semi-salted caramel
Fig shortbread, frangipane cream made with bitter almond; red Port juice
Preserved pink grapefruit | thai grapefruit, Amarelli licorice ice cream; gavotte with muscovado sugar
Whipped cream flavoured with poppy, coconut milk, ewe milk yogurt; wiliams pear, aloe-vera
Cocoa water perfumed with coffee: Melissa chocolate mousse, slice of Caraïbes chocolate ganache, leaf of Cuba chocolateAm Nebentisch sitzt ein wohl vermögender älterer Amerikaner. In seiner Begleitung zwei hübsche Escort-Damen. Für amerikanische Bedürfnisse entsprechend mit Silikon ausgepolstert. Die Damen schauen entgeistert als die Vorspeisen serviert werden und tun mir jetzt schon leid um ihre schlanke Figur.
Als erstes Amuse Bouche gibt es Knabbereien (Feuilletés), dass meine kulinarischen Sinne noch nicht erweckt (8/10). Das zweite Amuse Bouche ist da schon viel besser (9,5/10). Besonders die Sardinen und Muscheln begeistern.
Die aus zehn Tellern (!) bestehende Vorspeise setzt ein kulinarisches Ausrufezeichen. Intensive Kontraste und eine ungewöhnlich hohe Aroma-Intensität. Eine Weltklasse-Kreation (10/10).
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