Dienstag, 02.04.2019: farewell CaliforniaIch hasse diesen "letzten Tag". Fast immer, fast bei jeder Reise. Aber irgendwann kommt er eben, lässt sich kaum vermeiden.
Nach der allgemeinen Relativitätstheorie vergeht die Zeit für einen, der sich sehr schnell bewegt langsamer als für einen, der sich im Verhältnis nicht bewegt. Soweit die Theorie. Nach meinen Erfahrungen vergeht die Zeit für einen, der auf Reisen ist - sich also bewegt - viel schneller als für einen der im Büro hockt, sich also nicht bewegt (gilt aber wohl nur, wenn beide Personen eigentlich die gleiche Person sind
). Herr Einstein, das müssen wir nochmal diskutieren. Irgendwas stimmt da nicht ganz mit ihrer Theorie!
Aber irgendwie muss man ja auch aus dem "letzen Tag" etwas machen.
Also! Kurz nach 7:00 stehe ich auf, packe den restlichen Kram zusammen und wuchte die erstaunlich wenigen Sachen ins Auto: Koffer, Rucksack, Kamera. Mehr isses nicht heute morgen. Keine "Futterkiste", kein Klappstuhl. Schlafsack und Iso-Matte sind längst verpackt, auf dem Klappstuhl sitzt jetzt bestenfalls ein Mountain Lion .... oben am La Panza Campground.
Das Jalapeno-Toast zum Frühstück fällt auch aus: keine Jalapenos mehr, kein Toast mehr. Und der Kocher liegt irgendwo unter Klamotten und allerlei Krempel tief unten im Koffer. Zeit also, ein Experiment zu wagen: Dienstag früh zu
Jack in the Box. Weniger experimentell des Dienstags wegen, sondern weil ich da - wenn überhaupt - vor zig Jahren das letzte Mal gewesen bin. Ohne Erwartungen betrete ich den Laden und bestelle nach dem Studium des Displays ein "Fish Sandwich".
So schlecht ist es gar nicht. Nochmal muss ich das aber auch nicht haben.
Dann gehts weiter auf dem 101 entlang der Küste, immer nach Süden. Kurs L.A.
Es gibt ein paar schöne Abschnitte hier, aber die Bebauung wird immer dichter. Der Verkehr auch. Dummerweise steht die Filmsimulation der Fuji noch auf "Classic Chrome", aber so ein bisschen passt das ja auch.
Gegen 10:30 erreiche ich Malibu. Jetzt ist es nicht mehr weit bis L.A. und ich bin eigentlich viel zu früh dran. Soll ich jetzt schon direkt zum Airport fahren oder mich noch irgendwo am Strand in L.A. herumtreiben? Zu beidem habe ich keine Lust und für beides ist es noch viel zu früh. Irgendwann sehe ich ein Strassenschild, dass in den "Malibu Canyon" weisst. Papierkarte und GPS kennen hier eine reichlich kurvige Strasse, die hinauf in den Berge führt und auf der man - auf Umwegen freilich - auch wieder runter auf den 101 kommt. Da biege ich doch einfach mal links ab....
Anfangs herrscht noch dichter Verkehr, doch je höher ich komme, desto einsamer wird es. Kaum noch Autos unterwegs. Und wenn doch sind es deutsche Nobelkarossen, italienische Sportwagen und englische "Geländewagen"
Hier wohnt das Geld. Während die "normal Reichen" unten am Stand wohnen müssen, wohnen die besser betuchten hier oben in den Bergen. Weit verstreut liegen schicke Anwesen, von wirklich schön bis kitschig protzig. Die meisten kann man aber eh nicht einsehen, sie liegen gut geschützt im Wald.
Irgendwo hier oben - dachte ich zumindest - wohnt auch Thomas Gottschalk. Oder besser: wohnte. Sein Anwesen ist ja vor nicht all zu langer Zeit abgebrannt, wie auch viele andere. Von verbranntem Wald allerdings keine Spur. Muss wohl doch wo anders sein. Eigentlich interessiert mich sowas auch nicht, aber Thommy war mein "ständiger" Begleiter im Radio in den 1980ern... als ich noch jung war und als es in deutschen Landen noch Radio gab, das man hören konnte ohne Gefahr zu laufen, Ohrenkrebs zu bekommen
high above Malibu:
Ich schlängele mich wieder herunter, durch tausend Kurven.... Richtung Pazifik. Der Verkehr wird wieder dichter. Hier unten ersetzen die Fords und Chevys die deutschen Karossen . Autotechnisch mag ich das lieber. Aber landschaftlich wars da oben schon schön. Die "Stars" wissen schon, warum sie da wohnen
Früher als erwartet und mit weniger Verkehr als befürchtet komme ich dann wirklich in L.A. an. Ich irre etwas durch Venice, verwerfe den Plan, irgendwo am Strand zu parken dann aber doch schnell wieder. Alles rammelvoll. Autos, Menschen, Trubel. Nicht das, wonach mir gerade ist. Es soll ein leiser Abschied werden (hui, klingt das melancholisch
)
Dockweiler Beach. Hat bisher immer funktioniert, bevor ich L.A. verlassen habe. Ok, so oft war das nun auch wieder nicht, "normalerweise" verlasse ich Denver oder Las Vegas, vielleicht noch San Francisco oder Phoenix. Aber an allen diesen Orten habe ich so meinen Platz zum "Abschied nehmen". Oder nennen wir es mal etwas weniger traurig: zum "Zeit vor dem Abflug totschlagen"
Am Dockweiler hänge ich dann fast zwei Stunden rum. Packe noch etwas Sachen hin und her, schlendere barfuss am Strand entlang, beobachte Wasservögel und Flugzeuge. Der Dockweiler Beach liegt direkt vor dem Flughafen.
Irgendwann - eigentlich immer noch zu früh - beschliesse ich dann doch, wieder Richtung Flughafen zu fahren. Eventuell auf dem Weg dorthin noch etwas zu essen. Bei Denny´s war ich ja noch gar nicht auf dieser Reise
Als ich gerade aufbrechen will mischt sich ungewohnter Lärm in das mittlerweile vertraute Geräusch der startenden Boeings und Airbus. Und dann kommen sie. Von Norwesten, halb übers Meer fliegen drei Boeing Osprey ziemlich tief auf den LAX zu. Wow! Ich hab schon ne Menge Fluggerät gesehen, aber noch nie eine Osprey in der Luft. Und hier gleich drei. Schade, dass das Tele schon im Rucksack verpackt ist.
Bell-Boeing V-22 Osprey:
Und kurz dahinter zwei dicke Sikorsky Hubschrauber. Sieht man auch nicht alle Tage. Sitzt da womöglich das Trumpeltier drin? Der ist ja - glaube ich - gelegentlich auch mit so einem Ding unterwegs. 2010 habe ich die Air Force One mit Obama an Board am LAX landen gesehen, das Ding ist genau über mir eingeflogen. War mir irgendwie sympathischer...
Donald, bis du´s ?
Keine 20 Minuten später fliegt die selbe Formation wieder ab, die Ospreys voran. Und über dem Ozean kippen sie ihre Rotoren dann nach vorne und beschleunigen wie "richtige" Flugzeuge. Beeindruckende Maschinen... irgendwie.
Zeit, den Dockweiler Beach zu verlassen Am Ausgang dann noch ein Fotomotiv, dass die Reise irgendwie auch zusammenfasst, inclusive blauem Himmel:
Jetzt aber Denny´s. Zum Abschluss nochmal so richtig ungesund! Zuhause gibts sowas nicht. Ist auch besser so. Aber hier geht das, hier schmeckt das und hier und heute muss das genau jetzt sein!
Ich habe immer noch Zeit. Will noch nicht zum Flughafen fahren, muss aber doch irgendwie. Es soll Leute geben, die sich auf den Weg nach Hause freuen, die das "Heimkommen" als schönsten Teil der Reise sehen. Warum verreisen die eigentlich... WTF ???
Umwege werden eingebaut, einfach etwas durch Los Angeles gondeln. Nichts spektakuläres kreuzt meinen Weg, ich fahre einfach rum, bin einfach in Amerika... geniesse es. Ein paar Meilen vor dem Flughafen halte ich auf einem Parkplatz in einer ruhigen, ganz normalen "neighbourhood" an und verpacke den letzten Kleinkram, der so im Ford herumliegt im Koffer. Diese Abschiedsrituale: irgendwie schrecklich, aber auch ein bisschen schön. Ist ja nicht für immer. Dann setze ich mich einfach unter die offene Heckklappe und lasse die Reise Revue passieren. War das toll! Fast schon unheimlich! Absolut perfekt gelaufen. Super Wetter. Soooo viel gesehen, sooo viel erlebt. Noch vor ein paar Jahren habe ich gedacht, ich wäre fertig mit Amerika. Aber nein, da geht noch was. Da geht noch viel, schätze ich!
Der Rest geht dann schnell: Auto abgeben: problemlos. Zum Terminal fahren: problemlos. Gepäck abgeben: problemlos (eingecheckt habe ich gestern abend schon online). Sicherheitskontrolle: problemlos. Star Alliance Lounge: Problem
Darf ich nicht. Naja... damit kann ich nun wirklich leben. Gehe ich eben in eins der vielen Restaurants im Terminal. Japanisch! Kitsune Udon! Mag ich ja extrem gerne. Ist auch lecker, wenn auch nicht so wie in Japan. Dafür drei mal so teuer wie dort
Dann boarding. Ich habe 50B, die vorletzte Reihe - aussen und am Gang - in der Eco der Swiss 777-330ER (Business wollten mir die Eidgenossen kein zweites Mal spendieren
). Die 50 kenne ich aus der 777. Die vorletzte Reihe, nicht unbedingt beliebt, bei
seatguru auch ehr negativ beschrieben. Ich reserviere die immer, wenn ich 777 Eco fliege und nichts deutlich besseres zu bekommen ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachbarsitz lehr bleibt ist nicht gering, wenn die Kabine nicht völlig gebucht ist. Zudem hat man nur einen Sitznachbarn, irgendwie angenehmer als in einer Dreier- oder Vierer-Reihe.
Die Boeing füllt sich langsam, aber es bleiben Sitze frei. Ich frage die Stewardess "are we fully booked?". "No, not really, there´s a pretty good chance that you will have these two seats for your own". Klingt gut!
Und bleibt auch gut. "Boarding completed". Zwei Sitze für mich. Wahlweise Gang oder Fenster. Und drei Bildschirme vor mir. Ok, weit entfernt vom Hinflug-Erlebnis, aber viel besser als erwartet. Das Grinsen ist nicht ganz so breit wie in der Business, aber es ist da. Nach dieser tollen Reise nun auch noch einen - für Eco-Verhältnisse- tollen Sitzplatz. Was ist denn nur los? Will mich dieses Amerika mit aller Gewalt wieder anfixen? Nachdem ich ihm in den letzten Jahren so oft untreu geworden bin mit Japan und Norwegen, China und Spanien, Taiwan und Oman, Korea, Schweden, Schottland, etc, etc ... Scheint so
Swiss 777-300ER. 50A+B:
Letzter Blick aufs Flugfeld:
Die Boeing startet im letzten Tageslicht raus über den Pazifik, schwenkt dann in einer weiten Kurve nach Nordosten und geht auf Kurs Europa.
Wie im Fernsehen: Beverly Hills, Hollywood. Noch 9545km bis Zürich:
Leaving California...
Wir überfliegen Las Vegas. Krass, wie abrupt die Lichter der Stadt plötzlich enden und drumherum nur noch alles schwarz ist. Hell-Dunkel-Linien wie mit dem Lineal gezogen. Fotos gelingen leider nicht, zu dunkel schon. Egal aber, ich schaue runter und erinnere mich an tolle Tage in Las Vegas.... zuletzt in 2013.
Tja, Amerika. Du wirst mich wohl doch nicht los. Sieht so aus, als müsste ich wiederkommen...
Jetzt gehts aber erstmal zurück. Durch die Nacht. Nach Zürich.
Und von dort gibts dann auch noch ein wenig zu berichten.....
Lurvig