Da mich einige von euch per PN gebeten haben, einmal einen Reisbericht einzustellen, mache ich das jetzt. Dies ist ein Bericht über meine Reise im Februar 2007, der als Artikel im neuen Wolf Magazin erscheint. Da ich noch überwiegend analoge Dias mache, habe ich nur wenige Bilder, die ich hier einstellen könnten. Ein paar sind einsehbar unter:
http://picasaweb.google.com/yellowstonewolf/YellowstoneTripFebruary2007(@waterholecanyon - hoffe, das ist ok mit dir. Wir hatten ja unterschiedliche Erlebnisse
Winter und Wölfe in YellowstoneWilde Wölfe in ihrem natürlichen Lebensraum und bei ihrem Sozialverhalten, bei der Jagd und bei der Paarung zu beobachten, das ist in Europa kaum möglich. Anders dagegen in Yellowstone, wo 1995 und 1996 wieder Wölfe angesiedelt wurden. Inzwischen lebt dort eine gesunde Wolfspopulation und Touristen haben die Möglichkeit, diese faszinierenden Tiere täglich zu beobachten.
WolfsreisenSeit der Rückkehr der Wölfe beobachte ich diese Tiere. Als freiwillige Mitarbeiterin verbringe ich mehrere Wochen im Jahr im Park und folge den schönen Vierbeinern. Mit dem Funkgerät melde ich den im Wolfsprojekt arbeitenden Wissenschaftlern die Wolfssichtungen. Ich habe im Laufe dieser letzten 12 Jahre unglaublich viele neue Erkenntnisse über Wölfe erfahren dürfen und bin dankbar für die einmalige Gelegenheit, diese Tiere in der Natur beobachten zu dürfen.
Während ich im Frühjahr überwiegend alleine die Wölfe studiere, nehme ich im Winter einzelne Wolfsinteressierte zu diesen Beobachtungen mit. Maximal je fünf Personen können an den zehntägigen Reisen teilnehmen und mir bei meiner Arbeit helfen. Wie eine solche Reise vor sich geht und was man alles beobachten kann, zeigen meine Tagebuchaufzeichnungen vom letzen Winter.
9. Februar 2007
Schnee in BozemanNach einem langen Flug und Umsteigen in Cincinnati und Salt Lake City bin ich gestern gut in Bozeman angekommen. SCHNEE!!! 15 cm frischer Neuschnee und -18 Grad um 21 Uhr. Kalte, knisternde Bergluft! Aaah, tut das gut!!
Nach nur vier Stunden Schlaf hat mich der Jetlag aus dem Bett geworfen. Jetzt gibt es erst einmal ein leckeres Frühstück vom Buffet des Comfort Inn, und dann werde ich aus meinem Lagerraum meine Ausrüstung holen. Weil ich so viel hier bin, habe ich mir einen kleinen Lagerraum in Bozeman gemietet, in dem ich meine Teleskope, Stative und meine arktische Winterausrüstung abgestellt habe. So erspare ich mir mehrmals jährlich die ständige Schlepperei im Flugzeug. Ich werde meine Funkantenne mit dem Magneten auf dem Dach meines Mietwagens befestigen, das Funkgerät herrichten, dann noch ein paar Dinge einkaufen und voraussichtlich gegen Mittag in den Park fahren.
Die Wölfe warten!!!
Nach dem Einchecken in meinem Hotel in Gardiner fahre ich am frühen Nachmittag in den Park. Noch bin ich alleine, denn meine Gruppe wird erst ein paar Tage später eintreffen.
Wie immer, wenn ich nach längerer Abwesenheit in den Park komme, gibt es ein großes Hallo und viele Umarmungen mit anderen Wolfsbeobachtern, die inzwischen schon gute Freunde geworden ist. Wie die Hirsche im Herbst in die Täler ziehen, so ziehen wir alle im Februar nach Yellowstone. Jetzt ist für uns langjährige Mitarbeiter des Projekts die schönste, weil menschenleere Zeit. Und zudem ist Paarungszeit für die Wölfe. Es gibt also viel zu sehen und zu tun.
Ich lasse mich von meinen Freunden auf den aktuellen Stand bringen und erhalte von Rick McIntyre, dem Biologen des Projektes, meine Funknummer.
„Schön, dass du wieder da bist“, freut er sich und gibt mir auf meinen Wunsch die Nummer einer ehemaligen Alphawölfin, Nummer 40. Mit „unit number 40“ werde ich mich also in den nächsten Wochen am Funkgerät melden. Rick McIntyre ist natürlich „unit number 1“.
Allzu lange bleibe ich nicht mehr im Park. Mein Jetlag meldet sich massiv zurück. Ich fahre zum Hotel und gehe früh ins Bett, damit ich morgen früh rechtzeitig bei den Wölfen bin.
10. Februar 2007
WolfsspieleHeute ist es ziemlich warm in Yellowstone mit Temperaturen nur um den Gefrierpunkt. Laut Wetterbericht soll das auch die nächsten Tage so bleiben.
Bei der Einfahrt in den Park blitzen die Sterne und der Mond ist klar zu sehen. Erst langsam wird es hell. Ich halte zum ersten mal an Tower Junction und werde belohnt mit einem Kojotenkonzert. Mehrere Gruppen Kojoten „unterhalten“ sich von den verschiedenen Hügeln aus und ich stehe mitten drin. Man sagt mir nach, dass ich besser Kojotengeheule als Wolfsgeheul imitieren kann. Natürlich darf man in einem Nationalpark nicht heulen (nur weinen…), also heule ich nur in Gedanken mit meinen Caniden-Lieblingen mit.
Warum das Heulen verboten ist? Man soll dadurch nicht das Verhalten der Tiere verändern. Ein menschliches Heulen könnte dazu führen, dass die Wölfe oder Kojoten nachschauen, was denn da los ist und somit ein anderes Verhalten als ihr natürliches zeigen.
Im Lamar Valley ist inzwischen die Sonne aufgegangen. Sechs Hirsche haben sich mit ihren Körpern eine Schneemulde geschaffen und liegen entspannt in den ersten warmen Strahlen. Ebenso etwa 30 Bisons, denen immer wieder die Augen zufallen.
Wir haben herrliches Wetter. Während ich mit Freunden an der Buffalo Ranch ein Schwätzchen halte, sehe ich plötzlich aus den Augenwinkeln einen schwarzen Wolf wenige Meter hinter uns durch den Wüstenbeifuß ziehen. Er hat kein Halsband an und schleppt sich mühsam vorwärts so, als ob ihm alles weh tut. Bei dem Tier handelt es sich um einen der „Schwerenöter“ von denen es in jedem Wolfsrudel einen zu geben scheint. Wir können diesen Wolf hier keinem bestimmten Rudel zuordnen, wissen aber, dass die Wolfsdamen auf ihn stehen. So wurde er gesehen, wie er sich letzte Woche mit zwei Wölfinnen des Sloug Creek Rudels gepaart hat und kurze Zeit später noch mit einer grauen, zweijährigen Wölfin, die vom Agate Rudel zu den Sloughs übergelaufen war. Diese neue Wölfin scheint die Alpharolle übernehmen zu wollen. Das geschieht in der Wildnis (im Gegensatz zu Gehegewölfen) meist völlig unspektakulär. Oft sind es nur geringe Anzeichen in der Körpersprache, meist wird dazu noch gegenseitig über die Markierung des anderen uriniert. Das Leben in der Wildnis ist längst nicht so kompliziert wie in der Gefangenschaft.
Gegen Mittag bin ich die einzige Mitarbeiterin im Tal, die anderen machen Pause. Ich stehe in der Parkbucht von „Dorothys“. Wir freiwilligen Mitarbeiter haben eine Art „Geheimcode“ in Sachen Örtlichkeiten im Park entwickelt. So haben verschiedene markante Punkte und Parkbuchten bestimmte Namen, die wir dann im Funkverkehr benutzen. So können wir dem Biologen ganz genau die Örtlichkeit bekannt geben, wo wir uns befinden, ohne gleich alle die Leute zu informieren, die mit einem „Scanner“ unseren Funkverkehr abhören. Inzwischen sind die meisten Namen aber so bekannt, dass auch oft der Geheimcode nichts mehr nützt.
So stehe ich jetzt also bei „Dorothys“, von wo aus ich einen wunderbaren Blick in den westlichen Teil des Lamar Valleys habe. Und ich habe Glück. Auf der anderen Seite des Flusses sehe ich das Druid Peak Rudel mit neun Wölfen. Sie haben einen Hirschkadaver, an dem sie sich jetzt die Bäuche voll schlagen. Die Jährlinge sind so verspielt wie alle kleinen Kinder. Sie machen mit dem Fell des Hirsches Zerrspiele oder versuchen, sich gegenseitig Knochen abzujagen. Dann beginnt eine wilde Watz. Wie ein angestochener Luftballon schießen sie mit allen Vieren in die Luft, landen aufeinander, purzeln im Schnee herum und benutzen sich gegenseitig als Kauknochen. Ich vergesse die Zeit über den Spielen der „Kinder“.
Plötzlich aber springen alle neun Wölfe auf und rennen los, mit hoch erhobenem Schwanz, so wie sie eigentlich nur rennen, wenn sie hinter einem anderen Wolf her sind. Ich kann nicht sehen, was sie so erregt. Sie verschwinden im Wald hinter einem Hügel.
Über Funk bekomme ich die Meldung, dass das Agate Rudel in „Little America“ gesehen worden ist. Aber ich bleibe hier, denn ich möchte nicht eine mögliche Rückkehr der Druids verpassen. Und so verbringe ich den Rest des Tages. Zwar tauchen die Druids nicht mehr auf, dafür kann ich Kojoten bei der Werbung beobachten. Auch sie haben, ebenso wie die Wölfe, jetzt ihre Paarungszeit. Das Kojotenweibchen tänzelt aufreizend vor dem Kojotenrüden hin und her und scheint ihn schier verrückt zu machen. Wenn er dann Anstalten macht, sie zu bespringen, läuft sie davon. Fast wie im richtigen Leben …
11. Februar 2007
JagdzeitDer 11. Februar ist eigentlich nur ein halber Wolfstag für mich, denn ich hole an diesem Tag meine kleine Gruppe ab, die Abends in Bozeman ankommt.
Um die Zeit zu nutzen, fahre ich schon um 5 Uhr morgens los. Ich bin die erste im Park. In der Nacht hat es 15 cm geschneit und ich ziehe mit meinem verlässlichen Allrad eine jungfräuliche Spur in den Schnee. Ich habe heute Morgen tatsächlich „Iwan den Schrecklichen“ geschlagen, den gefürchteten Schneepflugfahrer, der gerne die Autos der Touristen, die zu dicht an der Straße stehen, mit Schnee zuschiebt.
In Little America entdecke ich im Scheinwerferlicht eine Wolfsspur. Der Wolf ist die Straße entlang gelaufen, was die Tiere gerne machen, da ihnen so das Laufen im tiefen Schnee erspart bleibt. Der Wolf und ich haben denselben Weg. Als die Spur in das Slough Creek Gebiet abbiegt, weiß ich, dass heute hier ein guter Platz zum Beobachten ist. Ich kletterte auf den kleinen Hügel, den wir „Daves Hill“ getauft haben, um einen besseren Überblick über das Slough-Tal zu haben. Als es langsam hell wird sehe ich sie: Neun Wölfe, fünf schwarze und vier graue Tiere. Es ist das Agate-Rudel. Die Tiere ziehen in Richtung Westen. Ich melde meine Beobachtung über Funk dem Biologen, der mich bittet, die Wölfe so lange weiter zu beobachten bis er eintrifft. Auf ihrem Weg nach Westen treffen die Agates auf eine Bisonherde. Sie umkreisen sie kurz und machen ein paar halbherzige Angriffe, die jedoch an den gesenkten Köpfen der Bisons gleich wieder verpuffen.
Ich halte Ausschau nach Wolf 113M, dem ehemaligen Alphawolf der Agates. Er wurde vor ein paar Wochen bei einem Kampf mit einem anderen Wolf aus einem fremden Rudel schwer verletzt; ihm wurden ihm die Hoden zerfetzt. Wolfsrüden, die miteinander kämpfen gehen oft direkt an die Geschlechtsteile des Gegners. Von dieser Verletzung hat sich der 10 Jahre alte Wolf noch nicht erholt. Dann sehe ich ihn. Grau, fast weiß und immer noch wunderschön. Blut ist an seinen Hinterbeinen und er läuft sehr steif. Aber dennoch ist er mit beim Rudel. Oft gehen die anderen Rudelmitglieder zu ihm hin und lecken ihm unterwürfig die Schnauze – obwohl er kein Leitwolf mehr ist. Er wiederum leckt dem neuen Leitwolf die Schnauze. Beide scheinen Respekt voreinander zu haben. Es ist ein sehr schönes Bild. Die Ablösung als Leittier ging leise und vollständig ohne Kampf vor sich. Die beiden Tiere urinierten mehrmals über die Urinmarkierung des anderen. Und schließlich begann 113M sein jüngeres Rudelmitglied unterwürfig zu begrüßen. Das war’s! Kein Kampf, kein Töten des Konkurrenten oder Fortjagen aus dem Rudel, keine „Omega-Position“ wie es so oft noch in den Lehrbüchern steht. Im Agate Rudel herrscht eine liebevolle Toleranz. Und 113M erhält als absoluter Wolfssenior von Yellowstone immer noch den Respekt, den er verdient.
Ich beobachte, wie die Agates hinter einem Bergkamm verschwinden, melde dies dem Biologen und verlasse dann meinen Posten und fahre mit dem Auto zurück nach Little America. Dieses Gebiet wird so genannt, weil einer der kleinen Seen, die dort einst lagen, die Umrisse der Vereinigten Staaten von Amerika hatte. Nach fast achtjähriger Trockenheit sind die meisten Seen im Sommer inzwischen trocken. Von Littel America aus finde ich die Agates wieder. Sie gehen auf die Jagd. Aus einer kleinen Wapitiherde sondern sie eine Hirschkuh aus und treiben sie hinter einen Hügel. Ich kann gerade noch sehen, wie sie ihre unglückliche Beute nieder reißen, dann blockierte ein Berg meinen Blick auf das Schlusskapitel des Dramas. So faszinierend es für mich ist, die Jagdtaktik der Wölfe zu beobachten, so schwer fällt es mir, beim tatsächlichen Akt der Tötung zuzuschauen. Dies ist selten ein schöner Anblick. Hier in der Natur gibt es halt keinen nachsichtigen Regisseur, der den Film im letzten Moment ausblendet. So hoffe ich, dass der Hirsch möglichst schnell im großen Wapitihimmel eintrifft und folge der nächsten Funkmeldung.
Keiner wird gewinnen„Unit 40. Komm ins Lamar Valley. Hier ist was los,“ tönt es aus dem Funkgerät. Ich mache mich auf den Weg, immer darauf bedacht, die Höchstgeschwindigkeit von 45 mph nicht zu überschreiten. Die Kontrollen im Park sind streng – zu Recht, denn immer noch werden viel zu viele Tiere überfahren.
In der Nähe der alten Picknick Area im Talg sehe ich das Druid-Rudel. Was für ein Anblick! 10 Wölfe. Auch der verloren gegangene Jährling ist wieder da. Er war ein paar Tage lang allein durchs Tal geirrt und hatte ständig heulend nach seiner Familie gerufen. Jetzt sind sie vereint und haben eine junge Hirschkuh auf eine Klippe hoch über der Straße getrieben. Hirsch und Wölfe sind in einer schwierigen Situation, aus der für niemanden einen Ausweg gibt. Die Hirschkuh steht am Rande des Abgrundes, vor ihr die Wölfe. Die Wölfe scheinen sich ihrer Position ebenfalls sehr genau bewusst zu sein. In ihrem Verhalten kann man sehen, wie sie nachdenken und das Risiko kalkulieren. Sie machen einen Schritt auf die Hirschkuh zu, die ihrerseits auf die Wölfe zugeht und dann wieder einen Schritt zurück. Hier kann niemand gewinnen. Greifen die Wölfe den Hirsch an, stürzen sie alle zusammen in den Abgrund. Versucht die Hirschkuh, auszubrechen, geht der einzige Weg mitten durch die Wölfe. Jetzt lautet die Devise: Wer kann am längsten aushalten.
Auf der Klippe beginnt der Tanz von Leben und Tod, und wir sind nur wenige Meter entfernt, unten an der Straße, das Publikum der Vorführung. Ein paar Schritte vor und wieder zurück. Ein Seitensprung, ein Treten mit scharfen Hufen. Beide Tierarten fixieren sich mit Blicken.
Wir werden erlöst, als die Wölfe beschließen, dass das Warten nicht die Sache wert ist, und sich zurückziehen. Sie bleiben auf dem Bergkamm, ziehen aber ein Stück weiter nach Osten. Jetzt beschenken sie uns Wolfsbeobachter und Fotografen mit einer einzigartigen Showeinlage. Während die beiden erwachsenen Wölfe im Schnee liegen, reagieren die „Kinder“ den Frust der misslungenen Jagd ab. Sie toben, spielen Nachlauf und machen mit einem Fellstück Tauziehen.. Einer der Kleinen trägt mit erhobenem Kopf ein Hirschgeweih davon, das ihm kurze Zeit später wieder von anderen abgejagt wird.
Für mich ist es Zeit, für heute Abschied zu nehmen. Ich muss nach Bozeman fahren, um meine Gruppe abzuholen. Man soll sowieso immer gehen, wenn es am schönsten ist.
Ein toller Morgen. In nur drei Stunden habe ich gesehen:
• 19 Wölfe
• 11 Kojoten
• 2 Weißkopfadler
• 1 Steinadler
12. Februar 2007
West YellowstoneIch bin mit meiner Gruppe in West Yellowstone und nutze die Mittagspause, um ein paar Zeilen am Computer des Visitor Centers zu schreiben.
Seit gestern Abend schneit es unaufhörlich. Es ist eine traumhafte Winteratmosphäre, wie es sie nur in Montana gibt. Wir sind durch die Berge gefahren, um hier im Grizzly & Wolf Discovery Center noch einmal Nahaufnahmen von den Wölfen zu machen. Ohne störenden Zaun kann man sie hier so nah fotografieren, wie wir das in Yellowstone nicht können. Dort wiegt der Respekt vor den Tieren mehr als der Wille, ein gutes Foto zu bekommen. Jeder meiner Leute ist auf seine (Foto)Kosten gekommen. Gleich werden wir auf Nebenstraßen durch die Prärie von Montana wieder nach Bozeman fahren. Ich hoffe, dass der Schnee nicht allzu tief ist, vertraue aber auf meinen großen Chevy Suburban, der bisher noch jede Schneewehe geschafft hat.
Die Stimmung in der Gruppe ist großartig. Alle sind trotz Jetlag guter Dinge und freuen sich auf die „echten“ Wölfe, die wir morgen sehen.
13. Februar 2007
Schnee, Schnee, Schnee Es schneit immer noch. Wir haben jetzt etwa. 30 cm Neuschnee, und unser Auto ist ein einziger riesiger Eiszapfen. Ich habe mir im WalMart neben dem Hotel noch einen kleinen Hammer gekauft, um wenigstens die Radkästen vom Eis zu befreien. Aber lange hält der eisfreie Zustand nicht vor.
Wir machen uns auf den Weg in den Park. In Livingston kaufen wir noch ein paar Vorräte ein und checken dann schnell in Gardiner ein. Alle sind ungeduldig und wollen „Wölfe sehen“.
Und wir haben Glück. Bald nach der Einfahrt in den Park sehen wir ganz in der Ferne das Leopold-Rudel. Von den 18 Wölfen können wir 12 beobachten.
Über Funk höre ich, dass das Oxbow Rudel genau in diesem Augenblick an einer anderen Stelle zu sehen ist, und zwei von ihnen paaren sich! Ein anderer Freiwilliger des Projekts meldet, dass die Agates dabei sind, einen Hirsch zu jagen. So ist das eben in Yellowstone. Man kann nicht zur selben Zeit überall sein.
Gerry, ein anderer Freiwilliger aus Schottland, erzählt mir, dass gestern ein Puma gesehen wurde. Die Jährlinge des Agate-Rudels hatten das Tier auf einen Baum getrieben. Die Jungwölfe versuchten, durch Springen den Berglöwen zu erreichen, was aber nicht gelang. „Wie kleine Flummys“ hätten sie ausgesehen, erzählt Gerry. Der Puma habe nur gefaucht. Dann zogen die Wölfe davon, und etwa eine halbe Stunde später sprang auch der Puma vom Baum herunter. Wow, da bin ich richtig neidisch auf diese Beobachtung. Einen Puma hab ich in den 30 Jahren, die ich jetzt nach Yellowstone fahre, noch nicht gesehen. Ich war immer nur kurz davor oder er war gerade weg. Dieses scheue Tier zu beobachten, ist ein großer Glückstreffer, bei dem man zur rechten Zeit am rechten Ort sein muss.
Aber auch heute ist sehr viel los, und die Wolfsrudel sind überall. Rick McIntyre hat seine liebe Mühe, uns alle einzuteilen und das Tal abzufahren.
Meine Gruppe kann nach dem ersten Tag ihr Glück kaum fassen. Sonne satt und Wölfe! Schon jetzt hat sich ihre Reise gelohnt.
14. Februar 2007
Geduld wird belohntIn der Nacht hat es schon wieder geschneit. Bei der Einfahrt in den Park bekomme ich die Funkmeldung, dass die Druids im Soda Butte Valley sind. Die legendären Druids sind immer noch die berühmtesten Wölfe im Park, auch wenn ihre ehemaligen Alphawölfe 21M und 42F jetzt in den ewigen Jagdgründen sind. Die Druids kennt jeder und jeder möchte sie sehen.
Aber als wir ins Tal kommen, sieht es so aus, als wir Pech haben. Der Schnee nimmt uns die Sicht. Die anderen Wolfsbeobachter fahren wieder fort. Aber ich kennen das Wetter und „meine“ Druids und beschließe, zu warten. Und prompt wird unsere Geduld belohnt. Der Schnee hört auf, der Nebel lichtet sich und wir können sieben Wölfe der Druids beobachten. Sie ziehen in einer Linie nach Osten bevor sie wieder im Wald verschwinden. die gegenüber des Soda Butte Cones in Richtung Osten zogen, um dann später im Wald wieder zu verschwinden. Wir warten noch ein Weilchen, folgen dann aber unseren knurrenden Mägen und fahren nach Cooke City zum Frühstück.
Auch der Nachmittag beschert uns noch aufregende Stunden. Wir sind mal wieder zur rechten Zeit am rechten Ort. In Little America waren die Agates gesehen worden, aber als wir hin kommen, sind sie schon wieder verschwunden. Es ist schon spät und das Licht wird schlechter, die meisten Wolfsbeobachter fahren nach Hause. Aber meine Erfahrung hat gezeigt, dass es sich manchmal lohnt, noch ein wenig zu warten. Und tatsächlich. Wenige Zeit später wird unsere Geduld belohnt. Erich und Sabine finden die Agates. Zehn Wölfe gehen auf die Jagd! Ganz typisch für Wölfe kreisen sie eine Gruppe Hirsche ein und bringen sie in Bewegung. Dann teilen sie die große Gruppe in immer kleinere Gruppen, bis am Ende nur noch ein oder zwei Tiere übrig sind. Schon während die Hirsche in Bewegung sind, können die Wölfe Schwachstellen erkennen. Kleinste Verletzungen hier, ein leichtes Humpeln dort, Dinge, die wir überhaupt nicht wahrnehmen, die die Wölfe aber, die auf Körpersprache „getrimmt“ sind, sofort erkennen. Diesmal haben sie aber kein Glück. Die beiden Hirsche wehren sich. Sie schlagen mit ihren kräftigen und scharfkantigen Hufen nach den Wölfen und senken ihr prachtvolles Geweih zur Angriffsposition.
Getreu dem Motto „Der Klügere gibt nach“, geben die Wölfe auf und legen sich hin. „Energie sparen“ heißt während der kalten Winter von Montana die Devise.
Die Wölfe liegen etwa 500 Meter entfernt gegenüber von uns auf einem Hügel und schauen uns direkt an. Durch das Teleskop sehen wir sie ganz nah. Sie sind wunderschön. Der Alphawölfin, 472F, sieht man deutlich die Verwandtschaft mit ihrem Vater 21M an. Ihre Mutter war die von uns allen geliebt 255F. Sie hat denselben dunklen Streifen auf der Nase wie der Papa. Eine Wölfin ist ganz hellgrau, fast weiß. Wir beobachteten die Tiere andächtig bis zur Dunkelheit.
15. Februar 2007
Oh Julia hör mein Flehen …Heute Morgen schneit es zuerst wieder, aber später scheint die Sonne von tief blauem Himmel. Wie so oft funktioniert auch diesmal mein „Wolfsinstinkt“. Diesem Gefühl folgend führe ich meine kleine Gruppe zu „Bobs Knoll“ am Slough Creek. Wir haben den Hügel nach Bob Landis benannt, dem Filmemacher von National Geographic, der in Gardiner lebt und im Park seine faszinierenden Filme dreht. Der kleine Hügel abseits der Straße ist einer seiner Lieblingsstandpunkte, um auf die Wölfe zu warten. Oft sieht man den kleinen Bob mit seiner riesigen Profikamera dick vermummt und bei jedem Wetter auf „seinem“ Hügel warten. Wer einmal diesen Mann bei der Arbeit beobachtet hat, weiß, wie lange es dauert und wie viel Mühe es macht, bis ein Natur- und Tierfilm entstanden ist.
Vom Hügel aus sehe ich einen Hirschkadaver. Wie ich in dieser weiten Landschaft einen Kadaver entdecken kann, werde ich gefragt. Meist folge ich den Raben und Elstern. Sie zeigen mir am ehesten, wo Fleisch liegt. Außerdem kenne ich inzwischen fast jeden Grashalm hier und bemerke daher beim Überblick über ein Gebiet, wenn etwas „anders“ ist als normal.
Am Kadaver fressen zwei Kojoten und ein Rotfuchs. Nur wenig später sehen wir einen einsamen Wolf auf dem Berg über dem Kadaver. Es ist der schwarze Wolf, der der Alphawölfin der Sloughs, 526F, folgt. Er gehört nicht zum Rudel und hält auch stets einen Sicherheitsabstand zu diesen Wölfen. Dennoch hat er schon mehrmals versucht, sich mit dem Subjekt seiner Begierde, der Alphawölfin, zu paaren, und es sieht so aus, als sollte er auch bald seine Chance bekommen. Der Alpharüde der Sloughs ist der einzige „Mann“ im Rudel und kann seine Augen nicht überall haben. Der schwarze Wolf heult gelegentlich einsam seiner Angebeteten nach, und das Rudel antwortete ihm.
Dies ist das erste Mal, dass meine Leute Wölfe in der Wildnis heulen hören, und es gibt nicht einen von ihnen, der keine feuchten Augen hat. Dies ist ein Phänomen, das ich immer wieder beobachten kann. Das Heulen von Wölfen scheint tief in uns etwas zu berühren, etwas ursprüngliches, heiles.
Wir entdecken die Sloughs kurze Zeit später vom Lamar Canyon aus. Und kurz bevor wir zur Mittagspause nach Mammoth Hot Springs fahren, sehen wir noch einmal das Hellroaring Wolfsrudel mit fünf Wölfen.
Endlich PumasWährend unserer Mittagspause in Mammoth Hot Springs leihe ich Schneeschuhe für die Gruppe aus und wir machen eine Schneeschuhwanderung auf dem Trail der Upper Hot Springs, wo im Sommer ein Auto-Rundweg zu allen Sehenswürdigkeiten führt. Heute ziehen statt Autos sechs plattfüßige Deutsche ihre Spur durch den Schnee, vorbei an farbigen Kalksteinhügeln und dampfenden heißen Quellen. Wir bekommen alle rote Wangen von der ungewohnten Bewegung an frischer Luft und haben mächtigen Spaß, wenn wir uns breitbeinig bemühen, uns nicht selbst auf die Schneeschuhe zu treten. Die Stille hier oben ist betörend und der Schwefelgeruch macht die Nase frei.
Im kleinen Laden wärmen wir uns wieder mit einem Cappuccino auf, bevor wir am Nachmittag noch einmal in den Park zurück fahren, um Wölfe zu sehen.
Aber statt Wölfe steht uns ein noch viel überraschender Anblick bevor: Pumas!
Als wir uns mit dem Auto dem Hellroaring Overlook nähern, sehe ich die Wagen von meinen Wolfskollegen dort stehen. Ich ahne, dass etwas besonderes los ist und fahre in eine der letzten Parkbuchten. Aufgeregt winkt mir Gerry, der Schotte. Ich greife schnell mein Fernglas und baue das Teleskop auf. Und da sind sie. Endlich. Ich sehe zum ersten Mal in meinem Leben wilde Pumas. Wie selten eine solche Sichtung ist, zeigen mir die bewundernden Blicke von befreundeten Rangern, denen ich am nächsten Tag davon erzähle. „Wow! Ich bin seit 40 Jahren im Park und habe noch nie einen gesehen“, sagt Ray, der im Winter als Ranger und im Sommer als Campground Host hier arbeitet.
Vier Pumas – eine Mutter und ihre drei Jungen – sind in etwa zwei Kilometer Luftlinie zu sehen. Mit dem Teleskop kann ich sie nah heran holen. Die Puma-Mutter liegt träge in der Sonne. Ihr hellbraunes Fell glänzt und der lange Schwanz schlägt gelegentlich hoch, was die Kleinen fasziniert und dazu animiert, nach Mamas Schwanz zu beißen. Die „Kleinen“ sind im letzten Jahr im Juni geboren worden und sind nun etwa acht Monate alt. Sie sind schon fast so groß wie ihre Mutter. Ihr Fell ist aber noch dunkler und hat noch leichte Flecken. Eine der kleinen Katzen klettert auf den Baum und versucht dann, vorwärts wieder herunter zu kommen. Das klappt nicht ganz. Also Kommando zurück und die andere Richtung probiert. Rückwärts klappt es gleich viel besser.
Wir beobachten die Berglöwenfamilie bis zur Dämmerung. Sie haben dort einen Kadaver, zu dem sie immer wieder hin gehen und sich etwas zu fressen holen. Ein faszinierender Anblick.
Inzwischen hat die Puma-Meldung über Funk im Park die Runde gemacht und die Autos treffen ein. Eigentlich ist auf dieser Plattform nur Platz für maximal fünf Autos. Diesmal sind mindestens 15 Wagen in Dreierreihen geparkt und ebenso viele entlang der Straße. Der Parkservice ist hoch erfreut über diese zusätzliche Einnahmequelle, denn Parken entlang der Straßen und außerhalb von Parkbuchten ist verboten. Ausnahmsweise sind die Ranger einmal blitzschnell zur Stelle und schreiben Strafzettel: $ 125 für jedes am Straßenrand geparkte Auto. Eigentlich könnten wir jetzt unseren Platz in der Parkbucht meistbietend versteigern. Aber wir sind kollegial und machen den Platz frei für andere Wolfskollegen. Andächtig fahren wir ins Hotel zurück.
16. Februar 2007
Kojoten-FreizeitHeute habe ich frei! Vier meiner Leute haben eine Snowcoach Tour zum Old Faithful gebucht. Dies ist die einzige Möglichkeit, im Winter zu diesem berühmten Geysir zu kommen. Dies ist ein ganztägiger geführter Ausflug mit einer Art Kettenfahrzeug-Van. Nur unser jüngstes Reisemitglied Kathy (genannt „Schnöselchen“) ist bei mir geblieben. Sie möchte lieber Wölfe sehen als Geysire.
Die Pumas erfreuen uns auch heute noch einmal mit ihrer Anwesenheit. Durch das Teleskop kann ich die Großkatzen sehr nah sehen. Sie sind so kraftvoll und geschmeidig. Bei ihrem Anblick – und auch beim Anblick der anderen Wildtiere im Park – muss ich an ihre gefangenen Brüder und Schwestern denken. Seit ich Wölfe, Bären und jetzt auch Pumas in der Freiheit gesehen habe, ertrage ich es nicht mehr, sie in Gefangenschaft zu erleben, egal wie groß und „artgerecht“ auch ihr Gehege ist. Es gibt keine „artgerechte“ Unterbringung in Gefangenschaft. Jeder, der diesen Anblick erlebt hat, wird mir zustimmen. Wir beobachten die Berglöwen noch eine ganze Weile, bis uns der Trubel mit den Touristen zu bunt wird und wir weiter nach Osten zum Lamar Valley fahren.
Hier haben wir plötzlich eine extreme Wettersituation. In rasantem Tempo wechseln sich heftige Blizzards mit blauem Himmel und Sonnenschein ab. Die Naturgewalten hinterlassen ein ehrfürchtiges Staunen bei uns.
Am östlichen Ende des Parks bei Round Prairie treffe ich alte Wolfsfreunde von mir und wir machen ein Parkbucht-Picknick bei -15° C. Heißer Tee und deutsche Schokolade werden geteilt und wir erfahren den neuesten Klatsch und Tratsch über die Zwei- und Vierbeiner.
Den Nachmittag verbringen Schnöselchen und ich mit der Beobachtung meiner Lieblingscaniden, der Kojoten. Seit die Wölfe zurück sind, werden diese kleinen Kerle fast nicht beachtet, was eine Schande ist, denn diese Vierbeiner sind wahre Überlebenskünstler im Territorium ihrer großen Verwandten. Wir beobachten das Liebeswerben der Kojoten und den Mäusesprung, bei dem der Kojoten wie ein Flitzebogen in die Luft schnellt und mit Vorderpfoten und Nase gleichzeitig zuerst im Schnee landet, während die Hinterbeine noch in der Luft sind. Selten springt er daneben. Meist taucht er mit irgendeinem Nager in der Schnauze wieder aus der Schneewehe auf.
Ein andere Kojote kämpft gegen einen Schneesturm an. Mit waagerecht seitlich gewehtem Schwanz und angelegten Ohren versucht er, vorwärts zu kommen. Gelegentlich sackt er bis zum Bauch in weicheren Schnee ein. Schließlich verschwindet er in einer Bachsenke.
Auf dem Rückweg nach Mammoth Hot Springs, wo wir den Rest der Gruppe wieder einsammeln, halten wir nochmal in der „Pumabucht“. Die Katzen sind immer noch da. Diesmal allerdings schlafen sie, drei von ihnen fest eingerollt auf der Erde und ein vierter im Baum, mit entspannt herunter baumelnden Beinen.
Bei der Rückfahrt zum Hotel tauschen wir alle unsere Erlebnisse aus. Die Snowcoach Tour war besonders für die nicht ganz so verrückten Wolfsfanatiker und vor allem für die Fotografen eine gelungene Abwechslung vom Wolfsalltag.
17. Februar 2007
Wolf 302M – Ferrari gegen VanMit -18° Celsius ist es ein sehr kalter Morgen, als wir los fahren. Aber sobald die Sonne da ist, wird es gleich wärmer. Die Pumas sind verschwunden. Der Katzen-Zauber ist vorbei. Dafür finden wir im Lamar Valley wieder die Druids und vor allem Wolf 302M, einer meiner Druid-Lieblinge. Ich erschrecke mich, denn er sieht sehr schlecht aus. Er hinkt stark und kann sein linkes Hinterbein nicht belasten. Das Bein ist blutig und es sieht so aus, als ob ein Stück helles Fleisch heraus hängt. Auch sein Schwanz ist ganz zerzaust. Wir wissen nicht, was passiert ist. Vielleicht hat ihn ein Hirsch mit seinen scharfen Hufen verletzt. Oder er ist in Streit mit anderen Wölfen geraten. 302M ist der Casanova der Druids. Wann immer er Gelegenheit hat, andere Wege zu gehen – besonders, wenn die ihn zu anderen Wolfsdamen führen – tut er es. Casanova verteilt seine Gene gleichmäßig unter die Wolfsrudel des nördlichen Yellowstone. Rick vergleicht ihn gerne mit einem Ferrari und den zuverlässigen Alphawolf der Druids mit einem Van. Ich denke, so sehen das auch die Wolfsdamen. Dass er bei seiner Brautschau aber nicht immer gern gesehen ist, machen ihm dann deren Wölfe klar. Das ist der Preis, den er für seinen Liebeshunger zahlt. Diesmal sieht er aber arg gebeutelt aus. Er schleppt sich über die Hügel des Soda Butte Valley und macht mehrmals Ansätze, die Straße zu überqueren, um zu seinem Rudel zu kommen. Aber wann immer er sich der Fahrbahn nähert, kommen Autos und halten an, um ihn zu fotografieren. 302 ist eigentlich erfahren im Umgang mit Autos. Oft habe ich ihn zwischen Fahrzeugen die Straße überqueren sehen. Aber diesmal ist er schwer verletzt und braucht mehr Zeit, die ihm die Menschen nicht geben.
So tut er schließlich das einzig richtige: Er legt sich auf den Hügel hin und ruht sich aus. Es ist eine kuriose Situation. Die Fotografen, die den Wolf haben laufen sehen, und ihm gefolgt sind, stehen an der Straße dicht am Berg, auf dem der Wolf liegt – direkt über ihnen. Im Gegensatz zu uns, die wir weiter entfernt stehen, können sie ihn nicht sehen, obwohl er nur wenige Meter von ihnen entfernt ist. Ratlose Gesichter bei den Fotografen und aufgeregtes hin und her Gerenne bei den Filmern, als 302 zu heulen anfängt, lang, laut und traurig. Wir müssen schmunzeln, denn gerade weil wir Abstand gehalten haben, können wir nun alles sehen. Die Fotografen geben auf.
Nach einer langen Zeit schafft es der verletzte Wolf, die Straße ungehindert zu überqueren. Sein Bein belastet er nicht, was sehr mühsam ist, da er öfter im Schnee bis zum Bauch einsinkt. Er schleppt sich in ein kleines Wäldchen und legt sich dort hin. Nun ist er in der Nähe seines Rudels und kann genesen. Wir wünschen ihm in Gedanken eine gute Besserung und machen uns auf den Rückweg.
Am Phantom Lake bekomme ich über Funk die Meldung, dass das Oxbow Rudel gesichtet wurde. Wir parken und müssen zunächst einen Berg hoch steigen und ein Stück laufen. Von dort aus haben wir einen herrlichen Blick über den Park und auf die Wölfe, die auf einem Plateau schlafend im Schnee in der Sonne liegen. „Wie mein Hund“, klingt es aus der Gruppe. Zusammengerollt, ausgestreckt, oder auf dem Rücken mit hoch gereckten Beinen strampelnd, so liegen sie da, die acht Oxbow Wölfe in der ganzen Pracht ihres dicken Winterfells. Nachdem wir eine Weile den schlafenden Wölfen zugeschaut haben, machen wir uns wieder auf den Rückweg. Wir nutzen die frühe Heimkehr und machen noch ein paar Einkäufe in den Souvenirläden von Gardiner.
18. Februar 2007
Freundliche KojotenWir haben heute den Tag fast für uns alleine und können die Stille genießen, für die Yellowstone so berühmt ist. Bisons, Wapitis, Dickhornschafe, sie alle habe ich kaum erwähnt, und doch sind sie so ein wichtiger Teil des Parks und allgegenwärtig.
Und meine Kojoten – die Ranger erzählen mir, dass sie „zu freundlich“ werden: In der Nähe des Slough Creek Parkplatzes hält sich ein Kojotenpaar auf, das angefangen hat, zu betteln. Ein Fotograf, der dabei war, einen Wolf zu fotografieren und die Kojoten nicht bemerkte, wurde von diesen in die Waden gebissen. Jetzt müssen die Ranger „aversive Maßnahmen“ ergreifen. Das bedeutet, dass diese Kojoten mit Feuerwerkskörpern und Gummikugeln beschossen werden und man ihnen so beibringen will, die Menschen zu meiden. Und wenn das nicht funktioniert, werden die Kojoten erschossen – und das alles, weil Menschen meinen, Wildtiere füttern zu müssen.
Unsere Reise geht zu Ende. Morgen fahre ich die Gruppe zurück nach Bozeman, wo sie übermorgen früh wieder nach Deutschland zurück fliegen.
Einige von ihnen werden wieder kommen. Sie haben sich mit dem Yellowstone-Virus infiziert, wie so viele von uns.
Hier noch einmal eine Zusammenfassung der Beutegreifer, die wir in dieser Zeit gesehen haben.
• 92 Wölfe
• 82 Kojoten
• 1 Fuchs
• 1 Bobcat
• 4 Pumas
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