Das TrainingObwohl unsere nicht mehr ganz so jungen Körper heuer bereits das zweite Marathontraining aushalten mussten, war es bis auf ein paar "Zipperlein" schmerzfrei und wir sind gut durchgekommen. Aber es ist nicht wegzudiskutieren, dass 3 Monate fast tägliches Training irgendwann die Sehnsucht nach einem Ende hervorrufen. Es sind pro Trainingsperiode dann doch 650 Kilometer, die man inklusive des Rennens auf die Knochen und das Gemüt bekommt. Egal, es soll ja gesund sein und motivieren! Am Ende der Quälerei hat man viel, nein, sehr viel investiert. Das gilt für den zeitlichen, aber auch für den monetären Aufwand. So eine Marathonreise in die USA ist kein Schnäppchen, eigentlich unverschämt und unverhältnismäßig teuer. Aber, wie immer im Leben, das Besondere kostet.
Wir sind nun 4 Tage vor dem Start, der Flug und der Marathon warten, und die letzten Abschlussarbeiten liegen an. Da sitze ich gestern beim Friseur und was passiert? Die nette Dame hustet während sie mir die Haare wäscht. Da sie keine Hand frei hatte hoffte ich, dass Sie sich wenigstens abdreht - tat sie aber nicht. Sie sei aber nur ein bisschen krank! Ich verstehe, wenn ihr jetzt die Nase rümpft oder den Kopf schüttelt, aber eine Infektion so kurz vor dem Rennen würde den kompletten Aufwand zunichte machen und ad absurdum führen. Versteckte Infektionen können dich während des Rennens im wahrsten Sinne des Wortes niederstrecken und zwar so, dass du nie mehr in deinem Leben aufstehst. Leider habe ich einen Todesfall an der Strecke beim Marathon in Frankfurt am Main bereits erlebt. Ich habe freundlich, aber bestimmt die Wasch-Aktion abgebrochen. By the way: Die "Wies'n", also das Oktoberfest, ist natürlich und leider ebenfalls ausgefallen.
Gestern musste vor der Abreise noch der Rasen gemäht werden. Ist ja weiter nicht schlimm, führte jedoch dazu, dass ich mir mein rechtes Knie verdreht habe. Mann, Mann, Mann - es ist zum Kotz.. und passiert immer, wenn man besonders vorsichtig ist! Alter Hypochonder! Eis ist keines mehr im Haus, der Gefrierschank ist bereits ausser Betrieb! Die letzte Trainingseinheit fällt also aus und jetzt hoffe ich, dass die Pause bis zum Start genügt, um das Road Race zu starten und durchzuhalten.
Abschließend halte ich fest, dass ein Training auf einen Herbst-Marathon anstrengender ist, als auf einen Frühjahrsmarathon. Ja, unser Sommer in Deutschland ist nicht unbedingt der Wärmste auf dem Planeten, aber es genügt, die Freude zu haben, 30 Grad bei einem 35-Kilometer-Lauf zu erleben. Wer jetzt demotiviert ist, dem empfehle ich diese Lektüre:
Run 42.195 [Geschichten rund um einen Marathon in New York City].
Die Tage in ChicagoFreitag, 06.10.2017: Man kann es kaum verstehen und an einem Notfall zweifle ich deshalb, da solche Vorkommnisse nicht nur einmal im Leben passieren. Wir sitzen also in unserem Airbus A340-600 und warten auf den Start der Lufthansa. Der Kapitän meldet sich zu Wort und kündigt einen verspäteten Abflug an. Zwei Passagiere haben ihr Gepäck aufgegeben, sind jedoch nicht eingestiegen. Also, Gepäck ausladen! München liegt bereits unter dicken, fetten und dunklen Wolken, es nieselt und das Panorama erweckt den Eindruck, als ob es schon November ist. Also nichts wie weg!
Wir haben gut geschlafen und nach knapp 10 Stunden endlich ab in die USA. Welcome to Chicago O'Hare International! Die Immigration am Kiosk geht fix und die Koffer waren auch gleich da. Wo ist der Shuttle von Hertz?
Wir rumpeln bald der Vermieterstation entgegen und auf der Tafel vor dem Counter steht schon unser Name. Wunderbar! Auf "unserem" Parkplatz thront ein Cadillac Escalade, die Reifen sind perfekt und das Cockpit gleicht eher einem Raumschiff; Displays und endlose Funktionen, von denen man die meisten nicht braucht. Aber ein paar Features sind nicht schlecht. Je nach Aussentemperatur werden die Sitze geheizt oder gekühlt; man gönnt sich ja sonst nichts! Dekadent peinlich!
Die Begeisterung endet jedoch bereits an der Ausfahrt. Obwohl bezahlt, war der 2. Fahrer nicht eingetragen. Und nachdem nur Fahrer versichert sind, die auf dem Rental Agreement stehen, habe ich eine kleine Bitte. Wie immer, Rückruf beim Supervisor oder bei jemandem, der überhaupt etwas weiß. Irgendwann war das erledigt, aber jetzt stehen 288 Dollar erwartete Zusatzgebühren drauf, obwohl ich sozusagen all inclusiv gebucht und bezahlt habe. Egal, das Problem hatten wir letztes Jahr auch schon und haben uns das Geld über den ADAC wieder geholt. Ab in die Nacht!
Für die 16 Meilen zum Congress Plaza Hotel brauchen wir 45 Minuten, denn auf den Straßen ist die Hölle los. Aber um 20 Uhr Ortszeit sind wir endlich da.
Die vier Sterne des Hotels sollten zurück ins Weltall, denn hier in dem Bunker haben sie nichts zu suchen. Abgewohnt steht das Congress Plaza jedoch strategisch günstig, vor allen Dingen ist der Start des Chicago Marathons nur über die Straße. Soweit sind wir jedoch, vermutlich Gott sei Dank, noch nicht. Wir raffen uns zu einem kleinen Spaziergang auf und schlendern die Michigan Avenue entlang. Die Bean spiegelt die exakten Linien der wunderschönen Skyline in gebogenen Lichtern wider.
Nun haben wir die nötige Bettschwere - gute Nacht!
Samstag, 07.10.2017: Bis 5 Uhr hat es gereicht, das ist nicht schlecht! Die Kaffeemaschine gurgelt und nach dem ersten Gebräu und der morgendlichen Körperpflege sitzen wir um 7 Uhr im Cafe "Le Pain Quotidien" an der Michigan Avenue. Amerika beginnt mit den ersten Eiern, der Speck umrahmt das Teller und nachdem der Name des Cafés nicht nur französisch klingt, war auch das Brot kross und vorzüglich.
Wir spazieren zum Chicago River und genießen das Wrigley Building bei tollem Licht. Im Hintergrund überragt der Trump Tower die Szenerie und dort, wo sich der Fluss aus der Stadt schlängelt, liegen die Touristenschiffe noch leblos vor den Wolkenkratzern.
Was für ein Start in den Tag! Die Sonne leuchtet immer intensiver durch die Straßen und gibt den Weg vor. Wir machen uns auf zum Mc Cormick Place Convention Center. Die Startnummern warten.
Man muss schon sagen, das haben sie gut organisiert. In den mächtigen Messehallen spielen Technik und Mensch zusammen, so dass wir zügig an die begehrten Teile kommen. Irgendwie ist das immer der Abschluss des durchaus ausgeprägten Vorgeplänkels und wir sind einigermaßen glücklich, dass nichts mehr dazwischen kommen kann und wir an den Start gehen können. Wir schlendern durch die Marathonmesse und finden Gott sei Dank nichts, was wir noch brauchen könnten.
Am Ufer des Lake Michigan strahlt uns die Sonne in den Rücken und treibt uns bis zum Aquarium. Der Weg hängt inzwischen in den Beinen und wir zwingen uns zu einer Pause auf dem Zimmer. Den Starbucks an der nächsten Ecke haben wir vorher geplündert und so wandert Kaffee und Kuchen in der Hoffnung in den Körper, dass es Kraft für morgen gibt.
Apropos, das Frühstück ist noch wichtig und wir wollten, wie bei jedem Auswärtsmarathon, eine Bestellung auf's Zimmer für 4 Uhr früh in Auftrag geben. Pustekuchen, - wir sollen ab 5.30 Uhr in das Frühstückslokal gehen. Das ist uns aber viel zu spät und wir ziehen nochmal los, um uns ein paar Kekse zu besorgen.
OpenTable reserviert uns im "Exchequer" in der Wabash Avenue für das Abendessen. Die beste Nahrung am Abend vor dem Start soll ja eine Pizza, ohne alles versteht sich, sein. Monika macht's richtig, ich bestelle mir Nudeln Alfredo. Der Alfredo kommt natürlich mit einer fetten Käse-/Sahnesoße daher und ich Depp esse das auch noch. Nicht ganz, aber trotzdem ein fataler Fehler. Einer von mehreren, aber dazu mehr, wenn wir uns morgen früh um 4 Uhr wiedersehen.
Road Race 42.195 km - 26.2 MilesSonntag, 08.10.2017: Endlich geht's los! Welcome to the Chicago Marathon! Es ist 4 Uhr früh, die "Windy City" liegt noch zugedeckt unter dem Mantel der Nacht.
Jetzt heißt es, die Zeit bis zum Start überbrücken. Aber wir haben ja Kaffee und unsere Kekse, - traumhaft! Akribisch nageln wir die Startnummern an die Shirts. Wir hätten zwar einen Startnummerngürtel, aber der ist verboten. Der Weather Channel sagt perfektes Laufwetter voraus, erst bis 12 Uhr soll es 20 Grad Celsius bekommen. Aber dann sind wir schon im Ziel, - hoffentlich und so Gott und die Füße das wollen.
Die Nikotinzufuhr vor dem Start kann ich in Grenzen halten, aber ab und zu muss ich runter auf die Straße. Die letzten Arbeiten an der riesigen Start-Area werden abgeschlossen. Sicherheitsstufe rot, - an allen Ecken und Enden stehen die Polizei und die schwarzen und grauen Suburban des Geheimdienstes oder Heimatschutzes. Leider ist es in der heutigen Zeit nicht anders zu machen - Schweinerei!
Als die ersten Strahlen des Planeten die Fenster des Willis Tower, eigentlich kennt man ihn nur als Sears Tower, erreichen, bewegen wir uns zum Start. Die Spannung steigt! Die Sicherheitsvorkehrungen sind extrem, jeder Läufer wird abgescannt, bevor er sich zu seiner "Start-Scheune", dem Corral, bewegen darf. Nachdem wir in verschiedenen Blöcken starten, heißt es für einige Stunden Abschied nehmen. Jeder kämpft für sich und ein Kampf wird es werden, ein Kampf ist es immer wieder.
Alle sind gut drauf oder so nervös, dass sie voller Konzentration durch die Absperrungen schleichen. Wir erreichen unsere Startblöcke rund 15 Minuten vor dem Schuss, aber nicht bevor die Startnummer noch einmal mit einer Liste abgeglichen wird. Jeder akzeptiert diese Prozeduren gerne, gleichwohl wäre es auf der Strecke sowieso unmöglich, diese "Vollpfosten" aufzuhalten. Aber das Leben an sich ist ja ein Risiko.
So, jetzt heißt es mit einer letzten Anstrengung drei Monate Vorbereitung zum Erfolg zu führen. Die Kulisse ist gigantisch! Die Chicago Skyline rahmt uns ein. Der rappelvolle Millenium Park bebt, die Anspannung ist förmlich zu spüren. Man sieht nur Köpfe, die von den Luftballons der sogenannten Pacemaker überragt werden. Musik und der CNN Live-Reporter sind "on air". Rund 40.000 Läufer stehen parat.
Peng! Um 7.30 Uhr startet die Wave 1 zum 40th Anniversary Bank of America Chicago Marathon. Keep running, keep racing - auf geht's!
Monika schreibt:Endlich ist es soweit, nach den harten und entbehrungsreichen Trainingswochen bin ich froh, dass es endlich losgeht. Unser Hotel liegt direkt gegenüber dem Start und Ziel, so können wir uns Zeit lassen, es ist nämlich noch sehr frisch draußen. Wir beobachten vom Fenster aus die Läufer, die sich im Dunkeln ihren Weg zu den Startblöcken suchen.
ChicagoIrgendwann wird uns langweilig und wir machen uns auch auf den Weg, - und es ist immer noch sehr kühl. Vor den Eingängen zu den Startblöcken ist schon Stau, also verabschieden wir uns und jeder stellt sich in die Reihe zu seinem Block. Zuerst hab ich mich gewundert, was denn da so lange dauert, bis ich gesehen hab, dass jeder Läufer abgescannt und die Startnummer kontrolliert wird.
Ich stehe im Startblock und blicke direkt auf den Sears Tower, mit dem Mond daneben und den anderen Wolkenkratzern, ein wunderschönes Bild. Die Stimmung ist etwas lahm, die Musik zu leise, da war in anderen Städten mehr los. Ich freue mich auf den Lauf in dieser schönen Stadt, das Wetter scheint auch perfekt zu werden, also los geht's.
Der Kurs führt durch die Häuserschluchten, über den Chicago River, diese Skyline ist einfach super. Ich genieße diese Bilder und es geht mir gut, ich kann mein Tempo wunderbar halten. Die aufmunternde Stimmung am Straßenrand tut gut, so merkt man kaum, dass auch dieser Kurs durch die Brücken etwas hügelig ist. Am Ende wird es doch noch ziemlich warm und die Strecke geht bergauf kurz vor dem Ziel, aber das macht jetzt auch nix mehr, nur noch den Zieleinlauf genießen. Ich freue mich total, dass ich wieder schneller war, als beim letzten Marathon. Jetzt kann der Urlaub beginnen.
Fritz schreibt:Ich sehe direkt auf das Startbanner. Endlich rührt sich vorne etwas und die Spitzenläufer eilen davon. Die große Masse dahinter marschiert schubweise "dem Elend" entgegen und rund 100 Meter vor dem Start wird aus dem Spaziergang ein Trab und als ich meine Laufuhr auf der Startlinie drücke geht es voran.
Meine theoretische Renneinteilung ist klar. Irgendwo zwischen 5:45 und 6 Minuten muss meine Pace für die ersten 21,1 Kilometer liegen und dann soll der 2. Halbmarathon endlich eine (Alters-) Endzeit von unter 4 Stunden garantieren. Mein Körper drängt nach vorne, ich bin gut trainiert. Der Columbos Drive führt am AON Center gleich mal in einen Tunnel. Nicht schön, lass' dich nicht deprimieren, - einfach weiter!
Zwischen den Wolkenkratzern ist eine Orientierung an der Uhr kaum möglich, denn das GPS-Signal setzt immer wieder aus und die Anzeige der Pace liegt teilweise bei mehr als 7 Minuten. Ok, konzentriere dich auf deinen Rhythmus, bleib konstant unter deinen Möglichkeiten. Alles andere wird spätestens über 30 Kilometer zum Shutdown führen. Ich bin aber kaum in der Lage, meine Geschwindigkeit zu bändigen. Mir geht es gut, heute wird mein Tag!
Als ich bei Kilometer 15 immer noch voller Energie nach vorne dränge, kommen mir die ersten Bedenken, ob ich nicht zu schnell bin. Und als bald darauf der Pacemaker für 3 Stunden 40 Minuten erscheint, wird mir Angst und Bange. Das wären fast 20 Minuten zu schnell, das kann nicht gut gehen. Ich nehme mich zurück, aber es war zu spät. Kurz vor Kilometer 20 bekomme ich Magenprobleme, - ein eindeutiges Zeichen der Überlastung. "Alfredo" gibt mir möglicherweise den Rest, denn es wird leider schnell schlimmer und keine Geschwindigkeitsreduzierung der Welt hilft mir jetzt. Mist, am eigenen Ehrgeiz gescheitert. Als ich durch das Pfeifen der Halbmarathonzeitnahme aus meinen "Lauf-Depressionen" gerissen werde ist klar, dass es vorbei ist. Ich gebe auf!
Ich schleiche Richtung Hotel und der Gedanke an nun 5 Wochen USA Urlaub ist ein schwacher Trost. Ich ärgere mich, am meisten über mich selbst. Nächster Halt: Paris 2018!
Weitere MarathonbilderReisebericht: Keep Hiking [2017] - Illinois to Nevada, Texas and Missouri (in Arbeit)