Für die, die in SFO noch was Neues suchen ...
lG
Elli
*********************************
Wyatt Earp – ruhe in Frieden
Vom O.K. Corral zu den Hills of Eternity - Earps Legende lebt weiter
Elli H. Radinger
Eigentlich sollte man meinen, dass eine der berühmtesten Figuren des Wilden Westens seine letzte Ruhestätte in einem Teil der Landschaft gefunden hat, die so bedeutend für seine Legende war, wie zum Beispiel Dodge City oder Wichita. Oder er könnte einen einfachen Grabstein neben all den Männern haben, die er selbst schon ins Jenseits befördert hatte, auf dem berühmtesten Friedhof Amerikas - auf Boot Hill in Tombstone, Arizona.
Schwer vorstellen lässt sich jedoch, dass der legendäre Revolverheld seinen Frieden auf einem jüdischen Friedhof in der Nähe von San Francisco gefunden haben soll.
Nach mehreren Telefonaten hatte ich herausgefunden, dass Wyatt Earp auf dem Friedhof "Hills of Eternity" in Colma begraben ist. Colma ist eine Totenstadt im Süden von San Francisco. Seit 1914 werden hier die Toten der Großstadt begraben. Auf dem Weg dorthin sieht man die üblichen Dinge des städtischen Lebens: die Schnellstraße, Geschäftshäuser und das Serramonte Einkaufszentrum. Dann fährt man nach Colma, dessen Einwohner zum Großteil tot sind. Zahlreiche Friedhöfe reihen sich auf beiden Seiten der El Camino Real entlang, viele von ihnen beherbergen ausschließlich Mitglieder einer einzigen Religionsgemeinschaft; es gibt japanische, chinesische, italienische, griechische und jüdische Friedhöfe.
Bei der Einfahrt in den Friedhof, auf dem Wyatt Earp liegen soll, lese ich:
- Hills of Eternity
- Portals of Eternity
- Gardens of Eternity
- Temple Sherith Israel
Ich bin überrascht, dass es sich hier um einen ausschließlich jüdischen Friedhof handelt.
Tausende von Grabsteinen erstrecken sich über die "Hügel der Ewigkeit", und so fahre ich zunächst zum Friedhofsbüro, um den genauen Standort von Earps Grab zu erfahren. Das Büro ist geschlossen, aber an seiner Tür hängt ein Hinweisschild "Wyatt Earp" mit einem Pfeil zu einem Kästchen, in dem mehrere Handzettel mit Wegbeschreibungen zu Earps Grab liegen. Anscheinend kommen doch mehr Leute hierher, als ich erwartet habe. Wyatt Earp ist auch im Tode noch ein berühmter Mann.
Mit meiner Skizze in der Hand gehe ich den Hügel hinauf, vorbei an ausladenden Monumenten und imposanten Grabstätten aus weißem oder grauen Stein und Marmor.
Schließlich finde ich seinen Namen auf einer von drei Metall-Platten, die in eine gemeinsame Marmorplatte eingelegt sind:
Wyatt Earp
1848-1929
Und mit ihm:
Josephine Earp
1864 - 1944
Daneben auf demselben Grabstein:
Max Weiss
1870-1947
Wyatt Earp auf einem jüdischen Friedhof, umgeben von Grabsteinen mit Steintauben, Palmwedeln und Davidsternen! Warum hier? Und wer war Max Weiss?
Ob Wyatt Earp jüdischen Glaubens war, ist bis heute noch nicht genau geklärt. Historiker nehmen an, dass Earp im 1. Weltkrieg zum Judentum übergetreten ist, denn für einen Nichtjuden war es damals völlig unmöglich, auf einem jüdischen Friedhof begraben zu werden.
Wer Max Weiss war, haben Historiker bis zum heutigen Tag nicht herausfinden können.
Auf jeden Fall aber gehörte Earps Frau, Josephine Sarah Marcus Earp, dem jüdischen Glauben an. In ihrem Buch "Ich heiratete Wyatt Earp" erzählt Josephine ("Josie") Earp, wie sie mit 15 Jahren von ihren Eltern fortlief und als Schauspielerin durch Arizona reiste. Sie fand einen Verehrer, Sheriff Johnny Behan - ein Todfeind Wyatt Earps -, der ihr nach San Francisco folgte und sie um ihre Hand bat. Josie ging mit ihrem Verlobten Behan nach Tombstone, wo sie Wyatt Earp traf, der damals Hilfssheriff und Inhaber des Oriental Saloon und mit seiner zweiten Frau Mattie verheiratet war. Josie verliebte sich in Earp und begann eine leidenschaftliche Liebesaffäre mit ihm. Sie trennte sich von Behan, und Earp verließ seine Frau und heiratete das "jüdische Mädchen", wie Josie genannt wurde. Earps Frau Mattie brachte sich daraufhin aus Liebeskummer um. (Im Film "Tombstone" von 1994 konfrontiert Mattie noch einmal Josie und beschimpft sie als "jüdische Hure".) Während der nächsten 30 Jahre hatten die überlebenden Earps daraufhin aus Loyalität gegenüber der toten Mattie keinen Kontakt mehr zu Wyatt.
Die Ehe von Wyatt und Josie Earp hielt 47 Jahre.
Die reiche Familie von Josie schien Wyatt akzeptiert zu haben. Sie halfen ihm bei seinem Sportpromotion-Geschäft und finanzierten seine Bar in Nome, Alaska, während des Goldrausches. Er nannte die Bar den "Dexter Saloon" nach dem Dexter Corral in der Allen Street, gegenüber vom O.K. Corral in Tombstone.
Nach vielen Reisen und einigen aufregenden Unternehmungen ließ sich das Ehepaar Earp in Los Angeles nieder, wo Wyatt hoffte, dass ihm seine Erlebnisse helfen würden, in der Filmindustrie reich zu werden. Aber der Filmerfolg kam erst viele Jahre nach seinem Tod. Wyatt Earp starb am 13. Januar 1929 friedlich in seinem Bett.
Über Wyatts Beerdigung schrieb Josie: "Von Whyatts Familie lebte kaum noch jemand, und wir hatten keine Kinder. Mein einziges Zuhause war dort, wo meine Eltern begraben sind. Darum brachte ich Wyatts Asche nach San Francisco."
Es gibt viele Geschichten und Legenden über Wyatt Earp, sein Leben als Gesetzeshüter und den Kampf am O.K. Corral. Der echte Wyatt Earp liegt ganz in der Nähe eines Einkaufszentrums begraben, an einem Ort weit entfernt vom Wüstenstaub und Heulen der Kojoten. Auf seinem Grabstein stehen weder bedeutende Worte noch ein romantisches Gedicht. Aber über ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod suchen und finden ihn die Besucher. Sie legen eine Münze oder nach alter jüdischer Tradition einen Stein auf sein Grab. Auch im modernen Westen kommen noch Cowboys und stehen an seiner letzten Ruhestätte, den Hut in der Hand. Sie sprechen ein Gebet oder hängen ein paar stillen Gedanken nach, bevor sie den Weg zurückgehen und mit ihren Pick-ups und japanischen Autos in den Sonnenuntergang fahren.