Ich werde kurz vor 8 Uhr munter, lange und gut geschlafen. Nein, ich hatte nicht geplant den Sonnenaufgang am Rim zu sehen, sondern wollte ausschlafen. Heute möchte ganz gemütlich via Cameron und Flagstaff wieder nach Phoenix zurückfahren.
Der Himmel zeigt die ersten Wolken, und es ist heute um ein paar Grad kühler. Nochmals wird der Weather Channel angeschaut - na so schlecht schaut es im Norden Arizonas im Moment nicht aus. Hm, was sehe ich da? In den Rocky Mountains könnte es schneien und in den höheren Lagen des südlichen Utah soll es nicht viel wärmer als 10° C werden - Tageshöchsttemperatur wohlgemerkt, da friert es dann sicher in der Nacht.
Zuerst wird am Frühstücksbuffet im 1. Stock des Hotels geschlemmt, dann meine Sachen gepackt, alles im Auto verstaut und ausgecheckt. Ich fahre wieder in den National Park hinein und bleibe kurz beim Geschäft am Market Plaza stehen, um ein paar kalte Dosen Cola mitzunehmen.
Nun geht es Richtung Osten. Einen Stop am Yavapai Point, wo sich auch die Observation Station befindet, möchte ich noch machen. Hier befindet sich auch die Live-Webcam des Grand Canyons, die allen Internetbesuchern einen herrlichen Blick nach Westen bietet. Das wirklich Besondere hier, zumindest in meinen Augen, ist der Ausblick. Nur ein paar Meter westlich des Steinhauses kann man hier vom Rim einige Hauptpunkte der Trails zum Colorado River sehen. Links unten sieht man den Bright Angel Trail und den Indian Garden, dann den Weg zum Plateau Point, der an einer tief unten liegenden Kante liegt. Ein klein wenig weiter rechts sieht man wieder den Bright Angel Trail, genau genommen den Punkt, der zu den Serpentinen des Devil's Corkscrew führt und dann noch sein unteres Ende zum Colorado. Halb rechts kann man einen Abschnitt des unteren South Kaibab Trails sehen. Man erkennt das Tip Off und kann sogar das kleine Häuschen mit dem Notruftelefon dort erkennen. Etwas weiter unten sieht man wieder den Colorado, genau die Stelle, an der die Brücke des South Kaibabs darüber führt und einen kleinen Teil des Phantom Ranch Beach. Dort liegt gerade ein Raftingboot am Ufer. Dort unten habe ich schon mal meine Füße ins kalte Colorado-Wasser gehängt. Das war damals eine tolle, wenn auch anstrengende Wanderung, bei der ich am Bright Angel Campground übernachtet hatte. Sogar die Bäume um die Phantom Ranch kann man von hier sehen und das Seitental, durch das der North Kaibab Trail in Richtung Nord Rim führt.
Bei dieser Wanderung hatte mir der Grand Canyon gezeigt, wie tief er wirklich ist, wie gewaltig seine Dimensionen. Und er hat mir meine Grenzen gezeigt - physisch und psychisch. Nein, ich kann nicht sagen, daß ich damas den Grand Canyon bezwungen hatte. Er hat mich vielmehr ertragen, geduldet und mir die Chance gegeben ein wenig Stolz zu sein - nicht überheblich, aber erfüllend.
Ja, der Yavapai Point ist ein schöner Platz. Genau richtig für mich, um noch etwas zu verweilen und den Blick über eines der größten Naturwunder dieser Erde gleiten zu lassen. Es ist Zeit Good-bye zu sagen...
Wieder im Auto setze ich meine Fahrt nach Osten fort. Es geht vorbei am Mother Point und der Zufahrt zum Yaki Point, von wo die Wanderer des South Kaibab Trails absteigen. Vorbei an weiteren Aussichtspunkten, ich will nicht mehr anhalten, und dem Desert View, wo sich der bekannte, von Marie Jane Colter entworfene Steinturm befindet. Ich weiß, auch hier hat man einen tollen Ausblick, den ich oft genossen hatte, vor allem auf eine längere Strecke des Colorados. Ohne anzuhalten erreiche ich die Osteinfahrt und setzte meinen Weg auf der 64 fort. Auf dem Weg nach Cameron bleibe ich nahe der Little Colorado Gorge kurz bei einem Navajo-Stand stehen. Vor Jahren hatte ich hier mal einen Dreamcatcher gekauft. Ich schaute mich ein wenig um und fand eine günstige und doch recht schöne Gürtelschnalle mit kleinen Türkissteineinlagen - eine kleines Erinnerungsstück für mich.
Weiter ging es am View Point des Colorado Rivers vorbei nach Cameron, wo ich kurz nach Nordosten blickte, in Richtung des mir so vertrauten Monument Valleys, das von hier über 100 Meilen entfernt liegt. Doch es geht weiter auf der 89 in Richtung Flagstaff. Kurz vor Flagstaff passiere ich die Zufahrten zum Wupatki National Monument, einer alten und sehenswerten Puebloruine, und zum Sunset Crater Volcano National Monument. Beides hatte ich in den vergangenen Jahren ein paar Mal besucht. In Flagstaff werde ich nochmals anhalten. Ich muß tanken und mein Magen knurrt. Ich erreiche den Ort aus Nordosten, fahre am Büro des National Forests vorbei, das links zwischen ein paar Tankstellen liegt. Ach ja, tanken - schnell an die Zapfsäule. Die Tankuhr zeigt schon sehr wenig Sprit an. Vorbei geht es an der Flagstaff Mall bevor die Straße zur Route 66 wird, entlang den Gleisen, die links der Straße entlang führen, vorbei an den unzähligen, hier eher alten Motels und dem beliebten, urigen Saloon, der sich rechts der Straße in einem alten Blockhaus befindet. Im Zentrum geht es rechts ab in den alten Bereich der Stadt, und da ist auch schon ein Parkplatz. Gleich ums Eck liegt der Heritage Square, der Hauptplatz von Flagstaff, wo es ein kleines Lokal gibt mit gutem Wein und herrlichen Salaten. Auf dem Platz herrscht ungewohnte Aktivität. Kleine Stände sind aufgebaut, Musik spielt und einige Junge tanzen. Fröhliche Gesichter lachen mir entgegen. Ich genieße nun das Treiben auf dem Platz und auch den wirklich guten Salat, bin entspannt.
Noch scheint ein wenig die Sonne durch die nach Norden ziehenden Wolken und eine leichte Brise erinnert wie so oft daran, daß Flagstaff relativ hoch liegt.
Langsam schlendere ich zum Auto, schaue dabei noch in die Auslagen. Brauche ich etwas? Nein. Möchte ich etwas? Hm, nein. Ich fühle mich gut, zufrieden. Der Ausflug zum Grand Canyon hat mir gut getan, auch wenn er doch einige Male Emotionen auslöste. Aber das hat dieser sowieso so an sich - diesmal eben ein wenig mehr.
Ich lenke das Auto wieder zur Hauptstraße zurück, unter der Eisenbahn durch und zur I-17 Auffahrt nach Phoenix. Die Landschaft fliegt an mir vorbei und im Rückspiegel sehe ich nochmals die San Francisco Peaks. Weiter nach Süden, wieder an vielen mir so vertrauten Plätzen vorbei. Ach ja, hier bei der Sedona-Abfahrt geht es nach Osten zur nahen V-Bar-V Ranch, wo sich wunderschöne Felszeichnungen befinden und zum Beaver Creek Campground, der für seine nächtlich streunenden Skunks bekannt ist. Ich muß lachen, auch ich hatte sie dort gesehen, aber zum Glück mit denen keine unliebsame Bekannschaft gemacht.
Die Fahrt geht gut voran, hinunter und vorbei an Camp Verde und ein kurzer Blick nach Westen hinauf zum Ort Jerome, der alten Minenstadt, die heute mehr den Künstlern gehört. Bei der Ausfahrt Cook Trail steigt der Highway wieder an, schlängelt sich über den Paß. Aja, die ersten, dicken Regentropfen prasseln auf die Windschutzscheibe, aber nur für wenige Minuten. Kann ich irgendwo einen Regenbogen erspähen? Leider nein - macht nichts.
Wieder fahre ich am Aqua Fria National Monument vorbei, dann an der Raststätte Sunset Point. Bei Black Canyon City überlege ich mir für einen Moment, ob ich nicht doch dort im Cafe einen der hervorragenden Pies mitnehmen sollte. Aber es geht so schön dahin, daß ich die Fahrt nicht unterbrechen will. Weiter geht es vorbei am Outlet-Center bei Anthem. Anthem ist nun ein Ort mit hunderten, neuen Häusern. Vor Jahren gab es dort nur ein paar Ranches, Büsche und Kakteen, wo ich schöne Reitausflüge machen konnte.
Vor mir wird der Himmel immer dunkler. Über Phoenix hängen fast schwarze Wolken, und als ich näher komme, erkenne ich die aufragende Wand eines kleinen Sandsturms, der sich über den Nordteil der Stadt wälzt. Runter vom Gaspedal und langsamer nähern. Es ist gar nicht so schlimm, wie leichter Nebel, aber eben fliegender Sand. Lange kann es nicht mehr dauern bis daß der Regen kommt. Und kaum bin ich zu Hause angelangt, prasselt es auch schon richtig los.
So, das war mein kleiner Trip zum Grand Canyon - mein Good-bye. Ich hoffe, daß Euch die Geschichte nicht zu lange ist, aber es schrieb sich eben so...
Vielen Dank, daß Ihr mich bei meiner Fahrt begleitet habt, und ich hoffe, daß auch Ihr den Grand Canyon so sehen könnt, wie ich ihn erleben durfte - nicht nur mit den Augen, sondern mit ganzem Herzen.
Winke aus AZ