Hallo liebe Wohnmobiltouristen!
Den kompletten Sommer 2005 arbeitete ich bei Cruise Canada in Vancouver und wickelte die Fahrzeuguebernahme fuer alle deutschsprachigen Mieter ab. Ich denke diese vier Monate intensive Wohnmobilerfahrung machen mich einigermassen zum Experten in Sachen Wohnmobil und so will ich euch an meinen Erfahrungen teilhaben lassen, auf dass ich den einen oder anderen desolaten Urlaub verhindern kann.
Zunaechst muss ich gestehen, dass dieser Job mein Bild von der deutschen Mentalitaet und insbesondere von Wohnmobiltouristen doch recht stark gepraegt hat, zumindest so stark, dass ich Probleme hatte mich als Deutscher zu identifizieren und ich nun um Wohnmobile und dessen Bewohner einen weiten Bogen mache. Nur der Zeitabstand laesst mich hier nicht beleidigend werden, das Verhalten einiger Kunden war einfach katastrophal, korrespondierend zu deren Intellekt. Nun ja, die RTL-Serie "Die Camper" untermauert den Umstand der besonderen Mentalitaet dieses Menschenschlages ja hinlaenglich. Schade finde ich nur, dass ich diese Menschen wahrscheinlich nicht hier im Forum antreffe, da ich ernsthaft bezweifele, dass jemand der eine Erklaerung zur Bedienung der Schluessel fuer das Fahrzeug benoetigt einen PC bedienen kann. Doch genug zu den Kunden, zumindest vorlaeufig.
Zu den Anbietern: Mit einem Reisebuero werde ich nie wieder verreisen, da sich erstens diese Leistungen sehr leicht komplett selber organisieren lassen und zweitens Reiseveranstalter gerne etwas versprechen, was sie nicht halten koennen, wenn es beispielsweise um die Ausstattung der Wohnmobile geht. Da verspricht das Reisebuero im Chemnitz dann natuerlich, dass alles inklusive sei, um an das Geld des Kunden zu kommen, denn wenn dieser dann in Kanada steht, laesst sich daran schwer etwas aendern. Und wenn der Kunde dann zurueck in Deutschland ist und versucht sein Geld wieder zu bekommen ist natuerlich CC im weit entfernten Kanada an allem Schuld, so dass der Kunde sein Geld im Endeffekt nicht wiedersieht. Alles gaengige Praxis im Tourismus.
Zum Standort Vancouver: Einer der groessten Standorte von CA/CC mit ca. 400 Fahrzeugen. Liegt unterhalb Vancouvers in Delta. Ueblicherweise steigen die Kunden in airportnahen Hotels wie dem Accent Inn oder aehnlichem ab und werden dann nach vorheriger telefonischer Anmeldung per Taxiunternehmen abgehohlt. Dieser Vorgang ist nicht mit im Reisepreis enthalten und kostet von einem Hotel vom Flughafen aus 28 $CDN bis zu 40 $CDN fuer eine Abholung aus einem Hotel in Downtown (35 $CDN vom Flughafen). 4 Personen gehen logischerweise in ein Taxi, bei viel Gepaeck muss ein Van bestellt werden, was erheblich laenger dauern kann, aber nicht aufpreispflichtig ist.
Abholungszeit ist von 14:00 bis 16:00 Uhr. Nur an weniger frequentierten Tagen gibt es Ausnahmen! Herrlich wie sich Menschen aufregen koennen, wenn sie trotz besseren Wissens frueher das Wohnmobil in empfang nehmen moechten und dann mehrere Stunden bis 14:00 Uhr warten muessen!
Early Birds: Dieser Zusatz ermoeglicht eine fruehe Uebernahme des Wohnmobils von 8:30 bis 11:00 Uhr, natuerlich ist eine Uebernahme des Wohnmobils um 8:30 nicht garantiert auch wenn es sich der preussische Geist meist wuenscht. Ausserdem ist die Abholung mit im Reisepreis enthalten.
Zur Organisation von CC: Das Unternehmen befindet sich in amerikanischer Hand, sprich es ist alles auf Profit ausgelegt. Zwei kanadische Studentinnen und Ich sollten zu Spitzenzeiten bis zu 60 Abholern das Wohnmobil naeherbringen, wobei ich als einziger Deutschsprechender natuerlich die Mehrheit bewaeltigen musste, da der Teutone meist zu einer voelligen Verweigerung jeglicher Kommunikation neigt, sollte man im Ausland nicht seine Sprache sprechen, selbst wenn er sich in einem Alter befindet, in welchem man eigentlich noch gute Fremdsprachenkenntnisse aus der Schule haben koennte. Es herrscht also voellige personelle Unterbesetzung, im Empfang sowie im Servicebereich. Alle Angestellten verdienen den Mindestlohn, was in Kombination mit einer voelligen Ueberlastung an Touristen im Sommer nicht gerade zu einem vorzeigbaren Ergebnis der Arbeitsleistung, sprich der Sauberkeit und Wartung eines Wohnmobils fuehrt. Soviel dazu.
Die Servicehotline: Natuerlich gibt es jemanden der dort Deutsch spricht allerdings nicht 24 Stunden und 7 Tage die Woche. Auch diese Mitarbeiter sind voellig unterbesetzt und so kann es einige Zeit dauern bis Hilfestellung gebotet wird. Allerdings sitzt diese Abteilung aus Kostengruenden irgendwo in den USA und so wuerde ich nicht von wirklicher Hilfe sprechen. Nur bei Standartpannen wie beispielsweise einem Reifenplatzer klappt diese Hilfe meistens recht gut.
(Stand Oct. 2005)
Hier meine Tipps fuer eine erfolgreiche Uebernahme:
- Die Monate Juli, Juni, August, Oktober sind Haptsaison, in welcher wirklich ALLES vermietet wird, selbst die schlechtesten Wohnmobile. Kanada ist auch in den anderen Monaten des Jahres schoen!
- Natuerlich will jeder das Wohnmobil entweder zum Wochenende oder Wochenanfang uebernehmen, also sinkt die Qualitaet im Empfang (weniger Zeit pro Kunde) und im Service an diesen Tagen. Man sollte moeglichst Mittwochs oder Donnerstags uebernehmen
- Das penible Eintragen jeden Kratzers im Lack ist zumindest in einem groesserem Standort wie Vancouver voelliger Schwachsinn, dort wird absolut nicht auf kleinere Gebrauchsspuren geachtet. Eine Rueckgabe dauerte normalerweise nur wenige Minuten
- Die Windschutzscheibe: Eine absolute Geldmaschine fuer CC/CA. Generell sind Einschlaege auf der Scheibe in Kanada normal, das laesst sich bei der Qualitaet der Strassen hier nicht vermeiden. Deshalb kann es durchaus vorkommen, dass sich bereits bei der Uebergabe Einschlaege auf der Windschutzscheibe befinden! Sollte allerings ein Einschlag hinzukommen wird immer ein Austausch derer berechnet, auch wenn der oft nicht stattgefunden hat! Es wird allgemein eine Kaution von 450 $CDN bei der Uebergabe verlangt und zufaelligerweise betraegt die Rechnung fuer eine neue Windschutzscheibe um die 480 $CDN. Es ist fast unmoeglich einem Einschlag auf der Windschutzscheibe zu vermeiden. Ich wuerde sagen das dies 40 % Prozent der Kunden so ergangen ist. Diskussionen sind da ebenfalls unmoeglich, also die Kaution mit in den Reisepreis einrechnen
- Reperaturen allgemein: Natuerlich sind haeufige Beschaedigungen sehr teuer! Hintere Stossstangen beispielsweise, also wirklich aufpassen wo man hinfaehrt, auch wenn sich die Deutschen als Koenige des Automobilbaus gerne auf solche Spielereien wie Parksensoren verlassen. Es handelt sich aber bei CC/CA um Fordtechnik und das Ansehen der Marke und die Qualitaet der Technik ist hier ungefaehr mit Opel oder Mazda in ihren schlechteren Jahren zu vergleichen.
- junge Fahrzeuge: Diese bekommt man entweder am Anfang oder am Ende der Saison (da die CA ausgeglichene kilometerstaende haben moechte, im Vergleich zu den aelteren Modellen), ansonsten ist ein gutes Fahrzeug mehr oder weniger Glueck. Je mehr Kilometer allerdings gebucht werden, desto juenger wird das zugeteilte Fahrzeug. Auch wenn Gruppen buchen wird versucht der gesamten Gruppe den gleichen juengeren Fahrzeugtyp zu vermitteln, um die Ausfallwahrscheinlichkeit so gering wie moeglich zu halten.
- die Kits: Es gibt jeweils ein Fahrzeugkit (Kitchen Provisoning Kit / KPK) wobei es sich ausschliesslich um die Kuechenausstattung handelt, auch wenn das oefters falsch uebersetzt wird und ein Personal Kit (PPK) welches Bettzeug und einen Schlafsack enthaelt. Allgemein ist diese Ausstattung auch fuer den selben Preis in Supermaerkten zu erhalten!
Ausserdem handelt es sich um billigste Ware, welche so lange wie irgendwie moeglich vermietet wird. So lange bis sich jemand beschwert!
Also auf gar keinen Fall mieten!
Auch gibt es keine Inventarlisten, sprich sollte ein Kunde nicht merken, dass etwas fehlt hat die Firma wieder Profit gemacht. Auf Extrawuensche wurde allerdings in Vancouver immer reagiert, die Ausstattung ist in ihrer Grundvariation aber auch sehr duerftig!
- Zur Technik/Verarbeitung: Billigste Produktion bzw. amerikanische Produktion. Begriffe wie Langlebigkeit oder Spaltmass existieren nicht! Das bedeutet, dass die Sensoren fuer die Abwassertanks niemals funktionieren und die Vorhaenge bei jedem Modell nach einmaliger Nutzung ausreissen...
Die Kombination aus den beruehmt beruechtiget inkompetenten deutschen Urlaubern und amerikanischer Profitgier gepaart mit Inkompentenz auch auf Seiten der Vermieter macht eine Wohnmobilvermietung zu einem haarigen Unterfangen, welchem ich mich zumindest nicht wieder aussetzen werde. Ich hoffe ich konnte einige Tips fuer einen erfolgreichen Urlaub beisteuern zu koennen und selbst wenn ich jetzt sicherlich die Wut unter einigen Kunden schuere, muss ich sagen, dass es sich mit Sicherheit nicht nur um Abzockerei handelt. Beispielsweise sind hoehere Kilomterstaende in Kanada normal, 100.000 Kilometer stehen hier noch fuer einen sehr guten Gebrauchten wohingegen in Deutschland ein solcher Kilomterstand sicherlich den Preis ins Unendliche fallen liesse. Die Distanzen sind hier eben auch ein wenig anders.
Im Endeffekt sind die Mieter den Vermietern voellig ausgeliefert und bei jedem Anbieter gibt es schlechte Fahrzeuge. Ein gutes Fahrzeug im Sommer ist wirklich kompletter Zufall wobei man auch ein wenig wie beschrieben nachhelfen kann. Es ist also voelliger Unsinn, einen Anbieter zu bevorzugen, da ein Anbieter mit einer kleineren Flotte zwar moeglicherweise diese besser warten kann (was ich bezweifele), dafuer aber weniger Standorte und ein noch schlechteres Servicenetzwerk hat.
Allgemein zu Wohnmobilen bleibt zu sagen, dass es sich um recht empfindliche Geraetschafften handelt, bei welchen alles wie bei einem Auto ausfallen kann, natuerlich aber auch wie bei einem Haus.
Das soll es gewesen sein.