Dienstag, 24.04.2007Durango – Cortez – Monticello – Blanding – Natural BridgesDer 24. April im Überblick: von Colorado nach UtahDie Nacht endet früh. Gegen 4:40 werde ich wach und kann nicht mehr richtig schlafen. Ich nutze das kostenlose WLAN um Mails zu checken und einen Blick ins Forum zu werfen. Danach tue ich mir den entmutigenden Weather Channel an. Gegen 6:00 stehe ich auf, dusche, esse, packe und starte gegen 7:30. Durango ist noch verschlafen, was wohl auch am ehr grauen Himmel liegt. Ich versuche, den örtlichen WalMart zu finden, um etwas Verpflegung zu finden. Trotz Lageplan von walmart.com und GPS gelingt es mir nicht, Onkel Sams Warenhaus zu finden. Nach 45 Minuten unfreiwilliger Stadtrundfahrt gebe ich auf und fahre zu Albertsons. Dort kaufe ich ich – wie immer - „Brot“ und Käse. Die Verkäuferin erklärt mir, dass ein zweiter Pepper Jack Käse kostenlos ist, wenn ich einen kaufe. Ich erkläre ihr, dass ich nur einen brauche. Sie nickt verwundert: so was kommt wohl nur selten vor. Danach gehts auf die US160, Richtung Cortez. Da ich heute „nur“ bis Hite/UT kommen möchte und die Karte nicht viel sehenswertes verspricht, habe ich Zeit. Ich überlege also einen Abstecher in den Mesa Verde National Park. Das Wetter wird allerdings so schlecht, dass sich dieser Plan schnell erledigt hat.
Weniger schön: Schnee auf dem Weg nach Cortez.Es ist grau und trübe, dazu fällt etwas Schnee. In Cortez schlage ich etwas Zeit im Walmart SuperCenter tot, kaufe USA-Fahnen, Colorado-Sticker und sonstigen Kitsch. Die billigen Jeans locken mich (noch) nicht.
Optimal zum Zeit-Totschlagen: WalMart Super Center in Cortez.Von Cortez gehts über Dove Creek nach Monticello, dem ersten echten Ort in Utah. Der Weg dorthin ist ehr langweilig, die Strasse wird gesäumt von Farmen und riesigen Fläschen voller Autoschrott.
Besser mal aufheben: (Schrott)platz ohne Ende Monticello ist recht trostlos, was aber auch am Wetter liegen kann. Die Wolken hängen tief, es regnet etwas. Aber schon am Ortsausgang reissen die Wolken auf, die Sonne kommt durch und es wird warm. Ganz plötzlich. Die Stimmung steigt, das Fahren macht wieder Spass und – völlig übermütig – gönne ich dem Chevy eine Wäsche. Immerhin gibt’s hier Autos, die noch dreckiger sind als meins.
Let´s get a little mud on the tires: hier sind nicht nur die Reifen dreckig Von Monticello geht die Reise weiter gen Süden, zunächst nach Blanding. Mit jedem Meter wird das Wetter besser, schon bald herrscht das typische Südwest-Wetter: warm, sonnig und ein paar Schönwetterwolken. An einem Stausee mache ich Rast und hole das Frühstück nach. Das perfekte Wetter verleidet zu dutzenden Fotos.
Irgendwo auf dem Weg nach Blanding: Utah-Wetter vom feinsten. Sympathische Kleinstadt in Utah: Blanding. Ich bin gut in der Zeit und habe fast etwas Sorge, viel zu früh am Hite Campground anzukommen, meinem heutigen Tagesziel. Bald schon biege ich auf die US95 ein und sehe Hite in einer guten Stunde erreicht. Nach wenigen Meilen finde ich eine Abfahrt in den Cottonwood Wash. Die gerade gekaufte Karte zeigt eine teilweise befestigte Piste in Richtung Dark Canyon Wilderness und das GPS kennt die Piste auch. Ich habe Zeit, also biege ich ab. Die Piste ist zunächst befestigt, geht aber nach einigen Meilen durch schöne Landschaft in eine gut befahrbare gravel road über.
Zunächst harmlos: auf dem Weg zur Dark Canyon Wilderness.Das GPS kennt hier diverse Strecken, und das es sich um die Garmin MetroGuide Karten handelt und eben nicht um topografische Karten, nehme ich an, dass alle davon irgendwie so was wie Strassen sind. Ich folge der aktuellen Strecke zunächst planlos etwas, ich habe ja Zeit. Die Piste wird etwas schlechter, aber nie wirklich bedenklich. Nachdem ein harmloser Wash durchquert ist, steigt die Strecke an, es fängt trotz sonnigem Himmel etwas zu nieseln an. Ein zweiter Wash ist ebenfalls einfach zu durchfahren, das Wasser ist flach, der Untergrund ist Kies.
Immer noch harmlos: der zweite Wash.Die Landschaft ist grossartig, man hat Einblick in einen kleinen Canyon, dessen rote Felswände in der Nachmittagssonne strahlen. Die Gegend ist sicher in keinem Reiseführer verzeichnet, aber dennoch wunderbar. Schilder weissen darauf hin, dass man sich nun im Land der Ute-Indianer befindet.
Abseits aller Touristen-Routen: irgendwo in der Dark Canyon Wilderness.Kurz vor der Höllenpiste: eine Warnung?Nach einigen Meilen wir die Piste sandig und die Spur ist recht tief ausgefahren. Das GPS weißt die Strecke immer noch als recht „breit“ aus. Ein Schild erklärt mir, dass ich nun auf dem „Whiskers Draw“ bin. Der TrailBlazer meistert die ausgefahrene Spur ohne Probleme. Dann kommt eine Art Wendeplatz und danach ein ziemlich heikler Wash. Der Wash ist felsig und steil, das Wasser steht nicht hoch, aber nach der Durchfahrt geht es über einige Felsstufen bergauf. Ich laufe voraus um die Streck zu sichten. Sie ist schwierig, aber nicht unpassierbar. Zudem zeigt das GPS immer noch eine „fette“ rote Piste. Ich schalte auf 4WD und in den ersten Gang und wage die Druchfahrt. Sie gelingt ohne Probleme.
Geschafft: der kritische Wash ist durchquert. Was danach kommt ist nicht mehr lustig.Der Weg danach wird kurzzeitig besser. Und dann ist auf ein Mal Schluss mit lustig! Die Piste verschlechtert sich schlagartig. Zunächst sind es nur tief ausgefahrene Spuren, dann Sand, Steigungen, Äste und tiefe Löcher in der Strasse. Der Wendeplatz vor dem Wash hätte mir eine Warnung sein sollen. Doch nun ist es zu spät. Die Piste ist so schmal, das an Umkehren nicht zu denken ist. Links und rechts kratzen die Büsche am TrailBlazer, während ich versuche, den Wagen mit dem einen Rad auf der Mitte des Weges und mit dem anderen Rad auf dem Rand zu halten. Die Spur ist hier so tief ausgefahren, dass anders nichts voran zu kommen ist. Dazu wird die Strecke immer sandiger, die Spuren immer tiefer und die Löcher immer böser. In meinem Körper hat ein Wettstreit der Adrenalindrüsen mit den Schweissdrüsen begonnen. Die Landschaft um mich herum nehme ich kaum noch wahr, die Piste erfordert volle Konzentration. An Fotos ist nicht zu denken, was mich später natürlich sehr ärgern wird. Ich reche damit, jeden Moment stecken zu blieben oder aufzusetzen. Ich überschlage meinen Wasservorrat und komme zu dem Schluss, im Notfall zehn Tage hier festsitzen zu können. Freilich keine schöne Aussicht. Dank GPS würde ich immerhin zur Zivilisation zurück finden, auch wenn der Fussmarsch dahin sicher mehr als einen Tag dauern würde. Ich fahre weiter, bloss nicht anhalten, irgendwann muss die Piste ja mal zu Ende sein. „Keep the weehls spinning“ ist wohl eine alte Weisheit der offroad-Fahrer.
Fast wie ein Highway: eines der angenehmsten Stücke des Whiskers Draw.Wie ich später feststelle, fehlen deshalb auch Bilder der übelsten Passagen. Der Chevy pflügt sich tapfer durch den Sand und ich blicke immer wieder erwartungsvoll ins GPS. Das blöde Ding zeigt noch immer eine dicke rote „Strasse“. Ich schwitze, ich schwimme in Adrenalin und mein Herz klopft so laut, dass es der Alamo-Mann in Denver hören muss. Was, wenn ich die Kiste hier festfahre? Noch knapp 900m, weiss das GPS, dann kommt so was wie eine Strasse, die SR282. Da war ich heute schon mal. Die ist zwar nicht befestigt, aber gut ausgebaut und problemlos zu fahren. Die letzten Meter ziehen sich, die Piste wird kurvig, sandig und steil, der Chevy schwimmt mehr als dass er fährt. Aber er kommt voran. Und dann passiert es: völlig unerwartet mündet der üble Weg auf die SR282. Eine breite und bestens ausgebaute Schotterpiste! Und laut GPS sind es nur knapp 3 Meilen bis zu einem Punkt, an dem ich heute schon mal war. Wo das sein soll, ist mir bis dahin nicht klar. Aber schlimmer kann es nicht werden. Ich fahre auf die 282, halte an und steige aus. Mir zittern die Knie, ich bin ziemlich fertig.
Endlich bessere Strassen: Chevy und ich auf der 282. Die Höllenpiste ist bezwungen!Ich mag offroad-Pisten und eine gewisse Herausforderung. Aber das war zu viel. Vor allem zu viel Leichtsinn. Ich danke dem offroad-Gott, ich danke Chevrolet für den tollen TrailBlazer, der mich so sicher durch die Hölle getragen hat und ich danke dem Wetter. Wenn jetzt noch einer der angekündigten T-Storms gewütet hätte, wäre das das Aus gewesen. Aber so stehe ich auf der relativ guten 282, die mich zurück zur US95 bringen wird. Ich bin froh, erleichtert und auch etwas stolz. Diese Mist-Piste mit einem TrailBlazer…. Nicht übel! Vernünftiger wäre es aber wohl gewesen, dass gar nicht erst zu versuchen. Wem ich nicht danke? Den Jungs von Garmin! Schön, wenn auch kleinste Strassen verzeichnet sind. Aber blöd und vor allem gefährlich, wenn schlimmste Pisten so markiert sind, als wären es harmlose Waldwege. Egal. Ich hätte vorsichtiger sein müssen. Nach wenigen Meilen bin ich zurück auf der 95 und heilfroh, endlich wieder Asphalt unter den Rädern zu haben. Der tapfere Chevy sicher auch. Mein Tagesziel – Hite – scheint heute kaum noch zu schaffen, ich setze mir deshalb den Campground im Natural Bridges N.M. als Ziel. Der Weg dahin ist ein Genuss. Die US95 kann man wohl tausend mal gefahren sein, es gibt immer wieder was zu entdecken. Für mich ist das eine der schönsten Strecken im Westen der USA, wenn nicht sogar die schönste überhaupt. Kurz vor der Abfahrt zum Natural Bridges entdecke ich rechts der Strasse eine Felsformation, die mich zum anhalten zwingt. So etwas kannte ich bisher nur von Bildern aus den Coyote Buttes…und hier steht das einfach so am Strassenrand. Eine Kletterpartie später sind dutzende Bilder mehr auf der Speicherkarte. Im Nachmittagslicht sieht die Gegend fantastisch aus.
Hier kann man stundenlang herumklettern: Felsformation an der US95.Irgendwo an der US95: tolle Fotomotive, der Abschied fällt schwer. Ich kann mich kaum losreisen, doch die wenigen Meilen bis zum Natural Bridges müssen noch bewältigt werden. Endlich dort angekommen, erwische ich die Rangerin gerade auf dem Weg in den Feierabend. Der Campground ist belegt, erklärt sie mir, aber ich könnte auf der Deer Flat Road frei campen, wenn mich das nicht stört. Es gibt dort keine Einrichtungen, aber es kostet auch nichts. Ich drehe noch eine Runde durch den Park und stelle schnell fest, dass morgen früh wohl das bessere Foto-Licht sein wird.
Beeindruckende Steinbrücken: im Natural Bridges National Park. Also gehts erstmal zu besagter Deer Flat Road. Eine offroad-Piste, die mir heute keinen Schrecken mehr einjagen kann. Flach und breit und eben. Nach ca. zwei Meilen finde ich einen guten Platz zum campen. Feuerholz ist schnell gesammelt und ich erkunde noch etwas die Gegend. Kurz hinter meinem Stellplatz geht es in einen Canyon herunter. Ich beschliesse, vor dem Abendessen noch hinab zu stiegen. Nach wenigen Minuten bin ich unten, den Weg habe ich mit Steintürmchen und gekratzten Pfeilen markiert, denn das GPS liegt noch im Auto. Im Canyon nutze ich das tolle Abendlicht für ein paar Fotos, dann mache ich mich wieder an den Aufstieg, die Markierungen erweisen sich jetzt als nützlich.
No Name Canyon: nur wenige Meter hinter meinem Lagerplatz lockt beeindruckende Landschaft. Kurz darauf bin ich wieder am Auto. Das Feuer will nicht so recht brennen, Holz ist zwar reichlich vorhanden, aber es ist nass und ein kräftiger Wind tut sein übriges. Dennoch gelingt es, ein Chilli zu kochen und danach das Feuer am Leben zu halten. Ich sitze am Feuer und fühle mich unendlich frei. Das ging ja schnell…nach nur drei Tagen hier. Was interessiert mich mein bürokratischer Chef, was interessieren mich schwachsinnige Projekte, was mein zerkratzter Parkettboden? Alles so unwichtig. Ich sitze hier, inmitten grossartiger Natur, habe heute wahnsinnige Dinge erlebt und kann tun und lassen was ich will. Das ist wohl dieses amerikanische Freiheitsgefühl, dass man nicht verstehen kann, wenn man es nicht selber erlebt hat.
Weit weg von Alltag und Enge: Camping an der Deer Flat Road.Und das ist einer der Momente, wo ich mein ganzes deutsches Einheitsleben für einen 4WD-Camper und ein lebenslanges US-Visum aufgeben möchte. Das nötige Kleingeld vorausgesetzt
So geht aber „nur“ ein weiterer toller Urlaubstag zu Ende und ich bin gespannt, was morgen kommt.
Gefahrene Strecke: 224 Meilen
Übernachtung: Natural Bridges overflow camp, Deer Flat Road (kostenlos)