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Autor Thema: Waldbrände außer Kontrolle - Notstand ausgerufen  (Gelesen 4190 mal)

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thorsti

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Re: Waldbrände außer Kontrolle - Notstand ausgerufen
« Antwort #60 am: 27.10.2007, 15:27 Uhr »
Ich habe auch keine Lust mehr über das Thema Versicherung zu diskutieren und ziehe folgende Aussage zurück:

Schlimm, schlimm! Zumal die meisten Menschen in den USA nicht gegen Brände versichert sind!

Dies bedeutet nicht, dass ich die Aussage für falsch oder richtig halte und es bedeutet auch nicht, dass ich das Gegenteil für falsch oder richtig halte!

candygirl07

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Re: Waldbrände außer Kontrolle - Notstand ausgerufen
« Antwort #61 am: 27.10.2007, 16:30 Uhr »
Irgendwie klappt es im Moment bei mir nicht mit der Anmeldung meines Accounts, sodass ich als Gast schreiben muss.

Gestern sind wir aus Orange zurückgekehrt, wo wir unter anderem 2 Wochen bei Günter verbracht haben. Ich möchte mich hier ganz herzlich nochmals für die gute Betreuung auch während der Brände bedanken. Wir haben den Beginn der Brände und die letzten Tage zusammen live erlebt und fühlten uns trotz des nahen Brandes bei Günter pudelwohl und jederzeit in guten Händen.

Hierfür nochmal einen herzlichen Dank.

Negativ empfand ich teilweise die Berichterstattung hier in Deutschland über die Brände, teilweise doch mit sehr unpassenden Kommentaren. In unserer Lokalzeitung musste man leider Kommentare lesen wie: "die Stimmung unter den Evakuiereten war sehr gut, in den Notunterkünften herrschte Ferienstimmung" und dies war nicht der einzige unqualifizierte Kommentar.



playmaker11

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Re: Waldbrände außer Kontrolle - Notstand ausgerufen
« Antwort #62 am: 28.10.2007, 17:40 Uhr »
Kam heut grad bei uns in den Nachrichten... ueber 1Mrd. Dollar an versicherten Schaeden... (ja klar, 50 *betroffene* Promis versichern ihr Anwesen fuer jeweils 20 Mio.)

...im uebrigen frage ich mich, warum hier angesichts der Katastrophe aktuell ueber Versicherungen diskutiert wird... es gibt nunmal Dinge, die kann KEINE Versicherung ersetzten... alles weitere lasse ich wohl jetzt besser aussen vor... :(

Ganz einfach, weil es nicht ausreicht, nur betroffen zu sein. Man muß bereits jetzt über das Warum nachdenken und versuchen möglichst viel zu tun, daß sich sowas nicht wiederholt - soweit man es beeinflussen kann.
Ob das mit den Versicherungen wirklich ganz zielführend ist eine Frage, aber sicherlich ein Aspekt.
No retreat, no surrender !

rraaffuu

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Re: Waldbrände außer Kontrolle - Notstand ausgerufen
« Antwort #63 am: 16.11.2007, 08:41 Uhr »
So, ENDLICH komme ich dazu, von meinen persönlichen Erlebnisse von den Bränden hier in SoCal zu berichten. Ich wohne und arbeite seit knapp zwei Monaten hier in San Diego, direkt nördlich der Miramar Naval Airbase in Scripps Ranch...

Für mich hat das ganze am Sonntag kurz nach Mittag begonnen. Am Morgen hatte ich am TV von dem Feuer in Malibu gehört, machte mir aber nicht weiter Gedanken, weil das ja weit weg von uns liegt. Später legte ich mich dann draussen an den Pool an die Sonne, es war ein herrlicher Tag, blauer Himmel und keine Wolke zu sehen. Auf einmal kamen Rauchschwaden daher - wir dachten zuerst, es seien nur ein paar Wolkenfetzen, merkten aber rasch am Geruch, dass das Rauch sein musste. Ich ging nach drinnen und sah in den Nachrichten, dass tatsächlich zwei grosse Feuer hier in der Nähe ausgebrochen waren; das eine im Südosten an der Grenze zu Mexiko, das zweite (das dann später "Witch Fire" genannt wurde) nordöstlich bei Ramona. Weil das aber immer noch genug weit weg war ging ich wieder nach draussen, und dort veränderte sich die Atmosphäre dann zusehends. Immer mehr Rauch kam auf, bis der Himmel richtig dunkel und die Sonne kaum mehr zu sehen war - das Licht war vergleichbar mit der Stimmung, die sonst bei Sonnenuntergang herrscht, und das am Nachmittag um zwei Uhr!

Im Verlauf des Nachmittags wurde die Luftqualität immer schlechter, was ich zuerst vor allem in den Augen, später dann aber auch beim Atmen merkte. Ich blieb deshalb drinnen, schloss die Fenster und verfolgte das Ausbreiten der Feuer am Fernsehen. Als ich dann gegen sechs wieder nach draussen ging war die Luft richtig dick, ich begann zu husten, und überall flog Asche herum. Mein Roommate und ich fuhren zum nächsten Supermarkt und versuchten, Atemschutzmasken zu kaufen. Leider waren diese schon ausverkauft. Gegen Mitternacht hatten wir dann auf dem Campus, auf dem ich hier arbeite, eine Notfallsitzung, während der wir eine mögliche Evakuation des Campus planten. Gegen zwei Uhr ging ich dann schlafen, aber vorher packte ich in einem Rucksack noch mein Laptop, meine Kamera und ein paar wichtige Dokumente zusammen - wir wussten ja nicht, ob und wie rasch wir den Campus räumen mussten, vielleicht sogar mitten in der Nacht...

Am Morgen, als ich aufstand, herrschte dann Klarheit: Wir erhielten den Auftrag, den Campus für die Evakuation vorzubereiten, und so begann eine etwas hektische Zeit, in der wir unseren Schülern erklären mussten, was sie mitnehmen sollten, und ich war vor allem damit beschäftigt, Apotheken und Spitäler anzurufen, um Schutzmasken für unsere Schüler zu besorgen - leider ohne Erfolg. Dann, um etwa 11 Uhr, erreichte uns dann der automatische "Reverse-911-Call" - der Befehl von den Behörden zur zwangsmässigen Räumung des Campus. Zum Glück waren wir gut organisiert und hatten genügend Autos und Vans zur Verfügung, um alle Schüler vom Schulgelände wegzubringen. Ich dachte noch während der Abfahrt, dass ich doch wenigstens ein paar Kleider hätte einpacken sollen - ich war in der ganzen Aufregung gar nicht dazu gekommen, für mich selbst etwas mitzunehmen. Aber als ich daran dachte war es schon zu spät, und ich war froh, endlich vom Campus wegzukommen. Zum Glück hatte der Wind ein wenig gedreht, so dass wir nicht mehr den ganzen Rauch in unsere Richtung geblasen erhielten - die Luft war wieder etwas sauberer als am Abend, dafür war alles mit Asche bedeckt.

Wir fuhren vom Schulgelände weg auf dem I-15 nach Süden und fuhren schliesslich zum Qualcomm Stadium, dem Footballstadion der San Diego Chargers. Als wir dort eintrafen waren schon viele Leute im Stadion, und noch vielmehr Helfer waren dort um uns in Empfang zu nehmen. Sofort wurden wir mit Essen und Getränken versorgt, danach zogen wir uns alle auf die Nordtribüne des Stadions zurück, wo wir alles Weitere abwarteten. Ich war froh, dass all unsere Schüler sicher und ohne in Panik zu geraten im Stadion angekommen waren, und zum Glück gab es dort freien Wirelesszugang, sodass alle ihre Freunde und Verwandten informieren konnten, dass wir in Sicherheit waren. Zudem kamen ständig freiwillige Helfer zu uns um uns zu fragen, ob wir etwas brauchten - und sie verteilten Eis und Spielkarten, um uns die Zeit zu vertreiben. Gleichzeitig liefen rundherum die Fernseher, und so konnten wir mitverfolgen, wie das Feuer immer näher zu unserem Campus herankam - immer mehr Leute erhielten die Aufforderung zur "mandatory evacuation", und in den Berichten wurde gesagt, dass die Feuerwehr machtlos war den Feuern gegenüber, weil die starken Santa Ana Winds diese so schnell vorantrieben.

Inzwischen brachten hunderte (oder wohl sogar tausende) Leute Kleider, Decken, Luftmatratzen, Zelte, Spielzeuge und alles erdenkliche zum Stadion, um uns zu helfen. Ich war gerührt ob dieser unglaublichen Solidarität und Hilfsbereitschaft - ich hatte sowas noch nie erlebt und kam mir, obwohl wir in einem richtigen Flüchtlingslager waren, etwas weniger verloren vor. Als es dann Abend wurde brachten wir die Studenten vom Stadion weg ins Kino, damit sie etwas Abwechslung hatten und nicht ungeduldig wurden. Ich blieb unterdessen im Stadion und begann mit anderen Leuten von unserem Staff, die Nachtlager vorzubereiten. Wir schleppten hunderte Decken und Kissen heran und legten sie auf dem Betonboden in den Gängen des Stadions aus, um so angenehm wie mögliche "Betten" herzustellen. Ich war müde und erschöpft, wurde aber etwas aufgemuntert durch den Besuch von Governor Schwarzenegger, der sich sogar Zeit nahm, sich mit ein paar unserer Schüler fotografieren zu lassen und mit uns zu reden.

Gegen elf Uhr waren dann alle zurück im Stadion, und wir begannen uns für die Nacht vorzubereiten. Mittlerweile waren viele mehr Leute ins Stadion gekommen. Trotzdem war die Stimmung erstaunlich gut, ich fühlte mich wie auf einem grossen Volksfest mit Essen und Trinken; sogar Bands kamen uns spielten für uns. So konnten wir zwischendurch vergessen, dass die Feuer immer näher an unseren Campus herankamen - noch bevor ich zu "Bett" ging hörte ich am TV, dass sie inzwischen in Poway angekommen, zehn Minuten vom Campus entfernt. In der Nacht schlief niemand von uns wirklich gut, es war kalt und unbequem, und auch sehr unruhig, weil die ganze Nacht über neue Leute ankamen und die Fernseher ununterbrochen liefen.

Am Morgen erfuhren wir dann, zu unserer Erleichterung, dass die Feuer sich nicht mehr so rasch voranarbeiteten und unser Campus immer noch stand. Doch für eine Entwarnung war es noch viel zu früh. Nach dem Frühstück transportierten wir unsere Schüler dann in die umlegenden Fitnesszentren, damit sie dort duschen konnten. Indessen versuchten wir wie wild, Bekannte und Freunde anzurufen und so Unterkünfte zu organisieren, damit wir nicht noch eine zweite Nacht im Stadion verbringen mussten. Nach ein paar hektischen Stunden hatten wir das dann auch endlich geschafft, und so begannen wir die Schüler wegzutransportieren. Eine Nacht im Stadion war ja noch witzig und ein tolles Erlebnis (schliesslich haben wir jetzt alle etwas, das wir noch unseren Urenkeln werden erzählen können), aber eine zweite Nacht hätte wohl niemand mehr so toll gefunden...

Im späteren Nachmittag erhielten wir dann, Gott sei Dank, endlich die Nachricht, dass der Wind sich weggedreht hatte und unser Campus von den Flammen verschont geblieben sei. Als gegen Abend dann die Zwangsevakuierung für unser Quartier aufgehoben wurde fuhr ich zum Campus zurück, um mich auch selbst davon versichern zu können, dass tatsächlich alles noch stand. Ich war ja so erleichtert und glücklich, als ich wieder in meinem Zimmer stand und alles noch da war! Doch gleichzeitig musste ich auch an die vielen Leute denken, die weniger Glück gehabt hatten und deren Haus mit allem drum und dran verbrannt war... Ich verbrachte die Nacht dann auf dem leeren Campus (der war für die Schüler immer noch gesperrt - ich hatte aber eine Spezialgenehmigung erhalten, weil ich ja in der Schule arbeite), und am Morgen konnten wir dann die Schüler wieder zurückholen. Nur zwei Tage, nachdem wir den Campus hatten räumen müssen, kamen alle wieder hierhin zurück - aber was in dieser kurzen Zeit passiert war, werden wir alle bestimmt nicht mehr vergessen.

Ab Donnerstag war für uns dann definitiv wieder der Alltag eingekehrt, doch die Feuer wüteten noch lange weiter, und ich dachte jeden Abend an die tausenden Leute, die noch immer im Qualcomm Stadium waren und dort schlafen mussten - und die vielleicht kein Zuhause mehr hatten, zu dem sie zurückkehren konnten...

Ja, ich habe riesiges Glück gehabt, und obwohl ich mich nie in Lebensgefahr befunden hatte, so ist mir das Ganze doch ziemlich nahe gegangen. Plötzlich konnte ich mich mit den Tausenden identifizieren, die ich vor zwei Jahren am TV im Stadion in New Orleans gesehen hatte... Ich hoffe, euch hat mein "Insiderbericht" auch etwas Spass gemacht - und bitte entschuldigt, falls ich hier oder dort ein paar merkwürdige Formulierungen verwendet haben sollte, aber ich habe seit zwei Monaten nicht mehr Deutsch gesprochen...  :wink:

So long, Raphael (aus San Diego, wo wir gestern einen Rekord aufgestellt haben mit 32°C  :D)