Ihr wollt eh nur knipsen, wieso muss es dann eine DSLR sein? Wenn ich immer nur auf Automatikmodus bin, hab ich nichts davon.
Dieser (recht verbreiteten) Meinung muss ich doch mal stark widersprechen. Zum einen ist das mehr oder minder unehrlich, denn genau genommen fotografieren wahrscheinlich alle nahezu ausnahmslos in irgendeinem Automatikmodus, Automatik bedeutet ja nicht ausschließlich "Vollautomatik", sondern auch Zeitautomatik, Blendenautomatik, ISO-Automatik, Programmautomatik, automatischer Weißabgleich und Autofokus.
Nur der echte manuelle Modus verzichtet auf Automatiken, wobei aber auch dort die allermeisten den in der Kamera eingebauten Belichtungsmesser verwenden, um die richtige Belichtung zu berechnen. Mit "Kamera links, Belichtungsmesser rechts" wird wohl kaum noch jemand heute herumlaufen.
Soviel also erst einmal zum vermeintlich "nicht genutzten Automatikmodus".
Dann gilt es in erster Linie einmal darum festzustellen, was denn eigentlich der systemische Unterschied und ggf. nicht-systemische, aber typischer Unterschied von DSLRs zur Kompaktkameras und Bridgekameras ist. Der ganz große systemische Unterschied besteht bei "echten" Spiegelreflexkameras (ich benutze plakativ den deutschen Begriff) eben im Spiegel, der die Aufgabe hat, das in das Objektiv einfallende Licht umzuleiten auf einen Schirm (meist mit Hilfe eines Prismas), um dem Anwender einen echten optischen Sucher in die Hand zu geben, mit dem er das Motiv original durch das Objektiv sehen kann. Und alleine dieser geniale optische Sucher rechtfertigt die Anschaffung einer DSLR.
Typisches weiteres Kennzeichen ist die Möglichkeit, das Objektiv zu wechseln, aber da besteht oft der Wunsch (auch in diesem Forum!), ein möglichst umfangreiches Zoomobjektiv zu verwenden (mindestens im Urlaub), welches zu Recht als "Immerdrauf" betitelt wird. Ein nächster (zwar nicht systemischer, aber dennoch typischer) Unterschied ist der verwendete Sensor, DSLRs haben in aller Regel erheblich größere Sensoren eingebaut, als es Kompaktkameras oder Bridgekameras haben. Erheblich größer heißt, fünf- bis zehnfache Fläche, je nach Apparat und Sensor! Teilweise sogar mehr, wenn man sog. "Vollformat DSLRs" (mit Sensoren im Kleinbildformat 24x36mm) vergleicht mit gängigen Modellen a la Panasonic TZ10, deren Sensor mit 1/2.3" angegeben wird (was auf Basis eines veralteten Berechnungsverfahrens zu einer Gesamtfläche von ca. 5,5x4m Millimeter führt). Hier kann man u.a. Sensorgrößen im direkten Vergleich sehen, das typische Format für DSLR Kameras nennt sich "APS-C" (resp. bei Nikon "DX"):
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Sensorformate.svgDa DSLRs und Kompaktkameras trotz der sehr unterschiedlich großen Sensoren annähernd gleich viele (Mega)-Pixel besitzen, bedeutet das natürlich, dass bei DSLRs für jeden einzelnen Pixel viel mehr Platz auf dem Sensor ist -> der Pixel kann mehr Licht einfangen -> der Sensor ist lichtempfindlicher. Das führt dazu, dass man mit DSLRs bei noch erheblich schlechterem Licht (ohne Einsatz von Blitzgeräten) Fotos machen kann, ohne dass sie allzu schnell im Bildrauschen ersaufen. Das ist also ein weiterer Vorteil einer DSLR (neben dem überlegenen optischen Sucher), zu dessen Nutzung eine Automatik nicht im Wege steht. Zu diesem Themenbereich "ISO" habe ich hier vor ein paar Wochen mal einen Beitrag geschrieben, vielleicht findet jemand dazu den Link, denn es passt an diese Stelle.
Bedingt durch den großen Sensor gibt es bei DSLRs zusätzlich die Gestaltungsmöglichkeit, Motive vor unscharfem Hintergrund "freizustellen", die Gesamtthematik nennt sich "Schärfentiefe", um das aber kontrolliert einsetzen zu können, muss man in der Tat die optischen Zusammenhänge verstanden haben und gezielt zumindest auf Teile von Vollautomatiken verzichten. Das bedeutet aber im Umkehrschluss zumindest für mich nicht, dass es sinnlos ist, eine DSLR zu erwerben, wenn man (zumindest vorläufig) nicht gezielt von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen möchte. Alleine schon der optische Sucher, der einem Monitor von 7cm Durchmesser als Einstellhilfe um Lichtjahre überlegen ist, rechtfertigt aus meiner Sicht die Anschaffung einer DSLR.
Natürlich haben DSLRs auch Nachteile, an erster Stelle der Preis, wobei man eingestehen muss, dass es inzwischen ebenso enorm günstige Einsteigermodelle gibt, andererseits sauteure Kompaktkameras, so dass sich die Preise dort inzwischen überschneiden, und an zweiter Stelle natürlich Größe und Gewicht. Erst die Abwägung aller Eigenschaften und der Abgleich mit den eigenen Bedürfnissen sollte zu einer Kaufentscheidung führen, und nicht die pauschale (und übertriebene Feststellung), dass eine DSLRs im Automatikmodus eine wenig sinnvolle Anschaffung wäre. Bridgekameras sehen oft genauso aus wie DSLRs, sind oft ähnlich groß, haben aber meistens einen sehr kleinen Sensor (Nachteil Nummer eins) und haben keinen optischen Sucher (zumindest keinen Spiegelreflexsucher). Dafür besitzen sie oft ein sehr weitreichendes und auf die Kamera optimiertes Zoomobjektiv, welches man für DSLRs so nicht bekommen wird, das ist technisch nur mit so kleinen Sensoren realisierbar (hat optische Gründe).
Inzwischen gibt es auch eine ganze Reihe von neuen Lösungen für Digitalkameras, das ist die Klasse der sog. "Systemkameras" und "EVILs" (hat aber mit Böse nichts zu tun, das ist eine Abkürzung). Diese Kameras haben viele Eigenschaften von DSLRs (Wechselobjektive, großer Sensor), verzichten aber auf den mechanischen Klappspiegel. Bei echten "EVILs" wird stattdessen ein Sucher mit elektronischem Bild angeboten, ohne diesen Sucher sind es nur "Systemkameras". Typische Vertreter sind Sony NEX Kameras, von Samsung die NX Serie, von Panasonic die G1, G2, G3 usw., von Olympus die E-P1, E-PL2, E-P2 usw.. Der Nachteil dieser Kameras (der fehlende Spiegel) ist ihr Vorteil, denn der fehlende Spiegel erlaubt eine kleinere Ausführung des Kamerabodys. Aber: die Größe von Objektiven hängt u.a. stark von der Größe des Sensors ab, d.h. diese Kameras sind zwar handlich, können aber, je nach aufgeschraubtem Objektiv, zu ganz schönen Brummern mutieren. Am auffälligsten finde ich das persönlich bei der Sonys NEX Serie, das sieht teilweise schon skurril aus.
So, jetzt ist die Verwirrung wahrscheinlich noch größer als vorher, aber ich kann das nicht einfach so Raum stehen lassen, dass eine DSLR quasi nur Profis im manuellen Modus vorbehalten ist. Das ist einfach nicht richtig und zu analogen Zeiten war es u.a. ein ehrgeiziges Ziel der Kamerahersteller, so viel Automatik wie möglich anbieten zu können. Ich habe hier u.a. eine Nikon F-401X, das ist quasi eine "Vollautomatik-Spiegelreflexkamera" inkl. Autofokus (damals eine Sensation - heute eine Selbstverständlichkeit), so eine Kamera hätte ja nach den hier getätigten Aussagen überhaupt keinen Sinn - nichtsdestotrotz war sie ein Verkaufsschlager (schätzungsweise in den späten 1980ern). Ich habe auch noch eine Nikon FG hier, das war eine der ersten Kameras mit Programmautomatik (= Zeit und Blende), aber Autofokus konnte sie noch nicht. Die Kameras funktionieren übrigens beide noch einwandfrei (die FG ist von 1978), und wenn man durch deren Sucher schaut, dann wird man wehmütig... (oder man muss viel Geld auf den Tisch legen und eine Vollformat-DSLR erstehen). Gegen dieses Sucherbild sind heutige APS-C DSLRs größenteils "Tunnelkameras" (mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise hat die EOS 7D von Canon auch ein recht großes Sucherbild, zwar nicht ganz so groß, aber deutlich größer als die Einsteigermodelle - aber die 7D kostet auch ein paar Euronen mehr).
P.S.: Aus aktuellem Anlass will ich es nicht versäumen, noch auf das neueste Produkt von Canon hinzuweisen, das ist die Powershot G1 X. Dabei handelt es sich um eine (relativ große) Kompaktkamera (vergleichbar mit der Serie G10, G11, G12), aber im Inneren werkelt ein neuer Sensor mit sechsfacher Größe der Vorgängermodelle. Dieser Sensor ist nicht ganz so groß wie ein APS-C Sensor, aber etwas größer als die sog. FourThird Modelle (diese Produktlinie wird von Panasonic und Olympus vertrieben). Die Kamera hat einen vierfach Zoom von umgerechnet 28-112mm, ist mit Einstiegsblende f2.8 "mediocre" lichtstark - und sie ist (wahrscheinlich) sauteuer. Man munkelt etwas von 700€. Eine Preview gibt es schon:
http://www.dpreview.com/previews/canong1x/