Hallo Flicka,
also wir sind von Hanoi aus die ganze Küste runter gefahren bis Saigon und wir sind auch abends überall allein rumgelaufen (da hatte der Guide nämlich längst Feierabend) und wir haben uns niemals unsicher gefühlt. Da in Vietanam das lateinische Alphabet benutzt wird kann man alle Strassenschilder lesen (es gab auch immer welche!) und wir haben auch an allen möglichen Straßenständen gegessen und hatten keinerlei Probleme. Man trifft immer jemanden der Englisch kann. Vietnam ist meiner Meinung nach absolut unproblematisch!
Das deckt sich mit meinen Erfahrungen in Nordvietnam - bis auf den Unterschied, dass ich genau in den Momenten, in denen ich in der Altstadt von Hanoi die Orientierung verloren hatte, kein Straßenschild entdecken konnte.
Aber in die Altstadt kommen wir am heutigen Reisetag noch nicht:
Mittwoch, 2. NovemberAus dem erhofften Schlaf ist leider nichts geworden. Ich kann das nicht auf Platz 54D schieben, denn der fing erst beim Frühstück wieder mit Singen an, und ich weiß auch nicht, ob ich geschlafen hätte, wenn die beiden Kinder vor mir nicht die ganze Nacht geschrien hätten. Als zwei Stunden vor Ankunft im Flieger die Beleuchtung wieder angeht und nach und nach das Frühstück serviert wird, ist aber jedenfalls die Mutter der Kinder schon derart mit den Nerven fertig, dass sie lauter herumschreit als ihre Kinder zusammen.
Das Frühstück: Ich bin mutig und wähle die asiatische Alternative, nämlich Nudeln mit Krabben. Die Krabben schiebe ich dann aber letztlich doch beiseite. Mein Magen ist um fünf Uhr morgens auf Krabben nicht eingerichtet. Außerdem mache ich mir Sorgen, weil im Reiseführer steht, man müsse bei der Ankunft auch eine Arrival-Card ausfüllen und bei der Einreise vorlegen, aber im Flugzeug macht niemand Anstalten, die entsprechenden Dokumente auszuhändigen. Als ich schließlich eine Stewardess frage, heißt es aber "No need".
Eine Stunde später landen wir dann endlich in Hanoi, wo die Schlangen an der Passkontrolle und die unbewegten Mienen der Beamten einer Immigration-Prozedur in den USA in nichts nachstehen. Immerhin muss man keine Fragen beantworten und keine Fingerabdrücke hinterlassen. Und eine Arrival-Card braucht man auch nicht. Dafür hatte ich vorab ja auch schon ca. 80 Euro für mein Visum bezahlt. Der Koffer lässt dann auch noch ewig auf sich warten, und so ist es doch schon fast halb acht, bis ich durch den Zoll marschiere und in der Ankunftshalle zum Glück auch sofort ein Schild mit meinem Namen erspähe. Das ist der Fahrer des Hotels in Hanoi, in dem ich in den nächsten 10 Tagen insgesamt 7 Nächte verbringen werde. Erleichtert folge ich ihm und klettere ins Auto. Geschafft. Ich bin in Vietnam.
Und sofort mache ich erste Erfahrungen mit dem vietnamesischen Autoverkehr. Als ich mich anschnallen will, finde ich keine Schnalle für den Gurt, aber auf meine vorsichtige Frage nach dem Seat Belt antwortet der Fahrer nur mit dem mir schon bekannten „No need“.
Na ja, angesichts der Tatsache, dass wir gerade auf einer vierspurigen Schnellstraße unterwegs sind, auf der aber auch gleichzeitig eine Baustelle ist, Frauen mit Bambushüten die Fahrbahn kehren, wir ständig rechts überholt werden, unsererseits ständig die Mopeds vor uns mit lautem Hupen von der Straße scheuchen, ab und zu auf wendende Autos treffen und die Schnellstraße erstaunlicherweise auch ein paar Bushaltestellen beherbergt, hätte ich durchaus eine gewisse Form von „Need“ für einen Sicherheitsgurt gesehen. Trotzdem komme ich eine gute 50 Minuten später unverletzt im Hotel Golden Sun Legend in der Näher der Hanoier Altstadt an und bin froh, dass ich dort sofort mein Zimmer beziehen kann.
Das Hotel ist übrigens typisch für den Hanoier "Townhouse"-Baustil. Schmale Front, 8 Etagen, aber nur zwei Zimmer pro Etage.
Zwei Stunden später fühle ich mich immerhin so fit, dass ich losziehe, um ein wenig die Stadt zu erkunden. Zuerst fühle ich mich mit der Kameratasche quer über der Schulter noch nicht so wohl. Spätestens an der übernächsten Ecke, als ich zur St. Josephs-Kathedrale komme, stelle ich dann aber fest, dass ich definitiv nicht der einzige westliche Touri bin, der hier mit Rucksack und Kamera durch die Straßen rennt. Die Kathedrale ist – wie vieles hier in Hanoi – ein Erbe der Franzosen. Laut Reiseführer ist sie bei den täglichen Gottesdiensten meist überfüllt – ich habe nicht vor, das zu überprüfen.
Dann spaziere ich zum Hoan-Kiem-See. Leider hält sich beharrlich der Dunst über der Stadt, und so gibt es keinen strahlend blauen Himmel, aber auf asiatischen Bildern gibt’s ja immer viel Nebel und Dunst. Im See steht auf einer kleinen Insel der Schildkrötenturm. Er erinnert daran, dass der Sage nach eine Schildkröte aus dem See im 15. Jahrhundert dem späteren Kaiser Le Loi ein magisches Schwert überreichte, mit dem er die Feinde besiegen konnte. Später forderte die Schildkröte das Schwert zurück. Der Hoan-Kiem-See ist übersetzt der See des zurückgegebenen Schwertes.
Ich gehe weiter zur Oper, überquere unter Einsatz meines Lebens einige Straßen und stelle fest, dass Ampelschaltungen hier allenfalls als Richtlinien betrachtet werden, keinesfalls aber als feste Regeln. Am besten kommt man von einer Seite zur anderen, indem man einfach losmarschiert, als wäre man alleine auf der Welt. Wenn man wartet, bis keiner kommt, kann man lange warten. Auf diese Weise werde ich zwar mehrfach fast überfahren, aber eben nur fast, und komme unversehrt an der Oper an.
Dort sind drei Brautpaare gleichzeitig damit beschäftigt, Hochzeitsfotos zu machen, die Bräute alle im weißen Brautkleid. Laut Reiseführer hat das übrigens nichts mit christlichem Glauben zu tun, sondern nur mit dem Bestreben, in moderner westlicher Mode zu heiraten.
Von der Oper aus ist es nicht mehr weit bis zum Büro des Tourveranstalters, bei dem ich für den übernächsten Tag schon von zu Hause aus eine dreitägige Schiffstour in die Halong-Bucht gebucht habe. Nachdem ich mich ein wenig durchgefragt habe, finde ich schließlich das Büro und zahle den restlichen Betrag. Als Dank bekomme ich eine schöne Broschüre über die Fahrt und das Schiff und einen etwas weniger schönen Erinnerungsteller. Hm, mein Koffer wiegt ja schon 25 kg. Ich bin nicht sicher, ob dieses Stück es mit zu mir nach Hause schaffen wird. Die Angestellte spricht übrigens etwas deutsch und erzählt mir, dass sie ein Studienprogramm in Hamburg absolviert hat.
Nach alldem habe ich mir eine Pause verdient, und so setze ich mich ins Café am Historischen Museum und trinke erst mal ein gepflegtes Bier. Bei dem feucht-warmen Wetter braucht man ja viel Flüssigkeit, und wie gesagt, es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich das Trinken abzugewöhnen. Frisch gestärkt besuche ich danach das Historische Museum.
Schließlich kehre ich an den Hoan-Kiem-See zurück, um dort noch dem Jadebergtempel einen Besuch abzustatten. Der Tempel steht auf einer Insel, die über eine pittoresken Brücke mit dem Ufer verbunden ist.
Im Tempel selbst staune ich nicht schlecht über die Opfergaben: Offenbar haben die Geister der Erde, der Heilkunst und der Literatur, denen der Tempel geweiht ist, eine Vorliebe für imperialistische Süßwaren, oder warum sollten sonst die Oreo-Kekse dort gelandet sein?
Ich bin inzwischen leider weit weg davon, mir darüber noch ernstliche Gedanken zu machen, denn so langsam schlägt der Schlafmangel zu. In einem Café am Hoan-Kiem-See esse ich ein paar Nems (natürlich mit Bier) und überlege stundenlang, ob 70.000 Dong, der Preis für die Nems, viel oder wenig ist. Andererseits: Ich habe vorhin im Hotel 150 Euro in 4,3 Millionen Dong getauscht, da können 70.000 Dong eigentlich nicht so viel sein.
Danach schaffe ich nur noch einen Kurzbesuch im Supermarkt, wo ich zunächst wieder zurückgepfiffen werde und meinen Rucksack in einem Schließfach einsperren muss. Ein bisschen Wasser, ein bisschen Cola – man kann ja nicht nur von Bier leben -, dazu eine Packung Kekse, und dann stolpere ich ziemlich müde zum Hotel, wo ich mich für die nächsten zwei Stunden nicht mehr großartig vom Bett wegbewege. Eigentlich hatte ich vorher überlegt, ob ich heute zur Feier des ersten Urlaubstages teuer französisch essen gehe, aber ich bin nur noch in der Lage, mich kurz nach sechs zwei Straßen weiter in ein vom Reiseführer empfohlenes kleines Restaurant zu schaffen und dort Rindfleisch mit Gemüse zu essen. Und ja, ich gebs zu, auch dazu habe ich wieder ein Bier getrunken.
Den Rest des Abends verbringe ich mit Umpacken, Reisetagebuch schreiben und Geld zählen. Dabei komme ich zu der beruhigenden Einsicht, dass 70.000 Dong nicht mal drei Euro sind. Dann wird noch schnell der Wecker auf 7.00 Uhr gestellt, denn morgen muss ich früh raus. Und wahrscheinlich wird es dort, wo ich hingehe, wieder Bier geben.
Gute Nacht!