Hallo Angie, das ist ja nett, dass du mir jetzt schon Absolution erteilst. Und willkommen an Bord! Ich fürchte allerdings, auf dem Hinflug musst du es dir in der Gepäckablage gemütlich machen, das Flugzeug war nämlich vollbesetzt.
Und schon geht es los:
Dienstag, 1. November 2011Es ist erst kurz vor fünf, als ich heute morgen aufwache. Noch eine Stunde bis der Wecker klingelt und noch fast 3 Stunden, bis ich meinen 25-kilo-Koffer aus der Wohnung wuchten muss.
Aber in Hanoi ist es jetzt schon kurz vor elf am Vormittag, ich bin zu aufgeregt, um wieder einzuschlafen, und so schwinge ich mich aus dem Bett. Es kann ja nicht schaden, wenn man sich schon mal am Abreisetag auf die Zeitzone des Urlaubslandes umstellt.
Heute geht es also nach Vietnam. Zum ersten mal seit mehreren Jahren verbringe ich meinen Haupturlaub nicht westlich meines Heimatortes, sondern östlich. Wenn ich es recht überlege, waren meine Berlin-Besuche - von einem Wochenende in Riga mal abgesehen - so ziemlich das östlichste, wohin es mich in den letzten Jahren verschlagen hatte. Aber nachdem ich seit Jahren gerne wieder nach Asien wollte, und ich vor einigen Monaten kurzentschlossen Flüge nach Hanoi und Siem Reap (Angkor Wat) gebucht hatte, ist es heute soweit: Diesmal fliege ich nicht in die USA. Ich fliege nach Vietnam.
In den letzten Tagen haben mich Freunde und Kollegen mit liebgemeinten Ratschlägen beglückt, und jeder Ratschlag für sich genommen hätte mich nicht weiter beunruhigt. Aber nachdem sich Hinweise wie „Lass dir bloß keine Drogen ins Gepäck schmuggeln“, „Am besten speicherst du die Nummer der deutschen Botschaft ins Handy ein, man weiß ja nie“, „Ist es in Vietnam eigentlich auch so überschwemmt wie in Thailand“ und „Hast du dich gegen Malaria impfen lassen?“ gehäuft haben, konnte man gestern abend meinen psychischen Zustand nicht mehr als „leicht beunruhigt“ bezeichnen. Das ging eher Richtung „leicht panisch“. Dieser leicht panikartige Zustand hat dazu geführt, dass ich mir die Homepages der deutschen und der kambodschanischen Botschaft als Lesezeichen ins Laptop programmiert habe, Schlösser für sämtliche Fächer meines Koffers gekauft habe, im Internet Nachrichtenseiten von Vietnam und Thailand zur Hochwasserlage konsultiert und zum zehnten mal kontrolliert habe, ob denn die Stand-By-Malaria-Medikamente tatsächlich in meiner umfangreichen Reiseapotheke gelandet sind.
Nach einer zweieinhalbstündigen Bahnfahrt komme ich sechs Stunden später am Frankfurter Flughafen an, es ist elf Uhr und bis zum Abflug habe ich noch knapp 3 Stunden Zeit. Ich finde mich also beim Check-In-Schalter von Vietnam Airlines im Terminal 2 ein und will gerade um einen Fensterplatz bitten, als mich die freundliche Mitarbeiterin schon darüber informiert, dass es keine Fensterplätze mehr gibt. Okay, dann also ein Gangplatz. Immer noch besser als einen der Mittelplätze zu erwischen, die angesichts der 3-3-3er-Bestuhlung überreichlich vorhanden sind. Danach folge ich der Urlaubstradition und kehre bei McDonalds an der Besucherterrasse ein, versuche noch ein wenig Geld in vietnamesische Dong zu tauschen, was leider daran scheitert, dass diese Währung anscheinend nirgends vorrätig ist und finde mich schließlich um kurz vor 13 Uhr am Gate D4 ein.
In den letzten Tagen hatte ich mich ja doch mehrfach gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, einfach eine fertige Rundreise zu buchen und mich in die Obhut von vietnamerfahrenen Reiseleitern zu begeben. Als ich am Gate ankomme, bin ich von dieser Idee schnell geheilt. Als erstes treffe ich auf eine Reiseleiterin, die gerade mit einem Paar darum streitet, wo und wann man sich laut Reiseunterlagen am Flughafen treffen sollte (anscheinend kam das Paar sogar zwei Minuten „zu früh“ zum Treffpunkt, aber da war die Reiseleiterin mit dem Rest der Truppe schon abgezogen). Als nächstes bekomme ich mit, dass eine Reiseteilnehmerin die anderen in der Reisegruppe darüber belehrt, sie dürften sich nicht dorthin setzen, wo sie gerade sitzen, denn die Reiseleiterin habe angeordnet, man solle zusammenbleiben, und die anderen säßen schließlich schon da drüben. Zwischendurch läuft ein hypermotiviert wirkender, dem Haar-Reif-Alter entwachsener Mann mit Haarreif und einer Studiosus-Mappe durch die Reihen, und die Flughafenmitarbeiterin, die die Boardkarten kontrolliert, schickt ein älteres Paar wieder vor die Absperrung, weil irgendetwas nicht auf ihren Boardingkarten steht und sie erst die ITS-Liste kontrollieren muss, bevor sie die Passagiere in den Wartebereich lassen kann. Danke, da bewege ich mich doch lieber alleine nach Hanoi.
Kurz vor dem Boarding entsteht dann das einzige Fotos des Tages:
Im Flugzeug und an Platz 54C angekommen stelle ich fest, dass ich mit Platz 54A und 54B nette Nachbarn erwischt habe. Mein „Nachbar“ über den Gang auf Platz 54D und die Fluggäste auf den Plätzen 53A und 53B erwecken allerdings mein Misstrauen. 53A ist eine junge Frau mit einem Baby, das sie auf dem Schoß schaukelt und einem etwa Dreijährigen neben sich, der schon kurz nach dem Start zu schreien beginnt. Und 54D singt ständig mit sonorer Stimme vor sich hin und unterhält sich zwischendurch mit sich selbst – oder einer unsichtbaren Person - auf Englisch. Mit seiner Frau, die zwei Plätze weiter sitzt, spricht er allerdings deutsch.
Ich beschließe jedenfalls, dass das nicht der richtige Moment ist, um mit dem Trinken aufzuhören und genehmige mir vor und zum Essen jeweils ein Glas Weißwein. Das Essen ist übrigens richtig gut. Ich nehme Schweinefleisch mit Maronen, Reis und Gemüse, als Vorspeise gibt es einen Kartoffel-Zuchini-Salat mit Lachs und als Nachspeise russischen Zupfkuchen. Als die Tabletts schließlich abgeräumt werden, ist es 16.30 Uhr deutsche Zeit, 22.30 Uhr Vietnam-Zeit, und wir haben gerade Kiew passiert. Noch 8 Stunden Flugzeit, und dann werden wir voraussichtlich um 6.25 Uhr morgens in Hanoi landen. Ob ich bis dahin ein wenig Schlaf finden werde?
So oder so, morgen früh werde ich jedenfalls in Hanoi aus dem Flugzeug steigen.
Gute Nacht!