Freitag, 4. NovemberHeute morgen stehe ich um viertel nach sechs auf, komme dann aber so langsam in den Tritt, dass das Frühstück ausfallen muss. Um zwanzig vor acht schleppe ich mich samt Rucksack, Tasche und Koffer an die Rezeption, wo mein Koffer einen Aufkleber bekommt und sich schon mal darauf einstellen muss, die nächsten zwei Nächte ohne mich zu verbringen, bevor er irgendwo im Lager des Hotels verschwindet. Kurz Zeit später holt mich schon „Lucky“ von der Paloma Cruise an der Rezeption ab. Lucky heißt eigentlich nicht Lucky, sondern Cuong (oder so ähnlich), erklärt aber im Bus, sein Name werde von Ausländern immer so ausgesprochen, dass er „Crazy“ heiße, und da wolle er doch gleich lieber Lucky genannt werden.
Wir fahren noch ein paar andere Hotels an, dann machen sich Lucky, unser Fahrer, der Minibus, fünfzehn andere Passagiere und ich auf den Weg in die Halongbucht. Wir überqueren den Red River, dann geht es ca. 150 km durch Städte, Felder und mit einem Zwischenstopp an einem riesigen Souvenirgeschäft Richtung Küste. Im Souvenirshop kaufe ich auch gleich Postkarten samt Briefmarken, ziehe dann beim Preis von 250.000 Dong erstmal Luft und atme dann wieder ruhig aus, als mir klar wird, dass ca. 9 Euro für 14 Postkarten samt Briefmarken durchaus ein verträglicher Preis ist. Außerdem stelle ich fest, dass mein Reiseführer von 2010 offenbar schon hoffnungslos veraltet ist. Dort wurde behauptet, vietnamesische Briefmarken würden nicht kleben, weshalb in jedem Postamt ein Topf mit Leim bereitstehe. Dieses Problem haben die Vietnamesen aber zwischenzeitlich offenbar gelöst.
Auf der weiteren Fahrt mache ich dann ein paar Bilder vom Bus aus. Hm, irgendwie ist es doch schön, zur Abwechslung mal wieder herumkutschiert zu werden und sich nicht darum kümmern zu müssen, wie der Tag weitergeht.
Schon unterwegs wird mir klar, dass die Tour sogar nach deutschen Maßstäben perfekt organisiert ist. Von der Abholzeit im Hotel über den Zwischenstopp bis zur Ankunftszeit in Halong-City verläuft alles wie im Programmverlauf angegeben. Wir kommen pünktlich an und können einen ersten Blick auf die Bucht werfen.
Dann fahren wir mit einem kleinen Boot hinüber zum Schiff, der Paloma, erhalten die Zimmerschlüssel und beziehen die Kabinen. Ich bin unten in Kabine 100 einquartiert ist, die zwar nicht gerade geräumig ist, die aber vom eigenen Bad, der Klimaanlage über den Safe bis zum Fön alles bietet, was man also verwöhnter Touri so braucht.
Dann finden wir uns pünktlich um 13.15 Uhr im Speisesaal ein. Unterwegs habe ich festgestellt, dass zwei andere Deutsche mit an Bord sind, und wir kommen schnell ins Gespräch. Sie sind seit Sonntag in Vietnam und finden es wie ich schön, sich mal wieder auf deutsch zu unterhalten. Während wir dann essen, fahren wir weiter in die Halongbucht und gehen schließlich hinauf auf Deck. Ich finde den Unterschied zu dem lärmenden Hanoi unglaublich. Hier ist es einfach friedlich, und dass ich gerade das zweite Hanoi-Bier des Tages trinke, macht mich noch friedlicher.
Um zehn vor drei (zehn Minuten früher als im Plan vorgesehen, das ist natürlich bedenklich
) kommen wir dann an einem schwimmenden Dorf an, wo wir wahlweise in Kajaks oder Ruderboote steigen. Kajak fahren würde mich zwar auch reizen, aber ich bin ja morgen noch einen Tag in der Bucht, und aus dem Boot kann man einfach besser fotografieren.
Der Ausflug hinterlässt bei mir ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits ist es ja fast wie auf Safari: Man lässt sich eine Stunde lang zwischen schwimmenden Häusern, Booten und Felsen hindurchrudern und fotografiert alles, was vor der Linse auftaucht. Andererseits leben die Leute hier tatsächlich so, machen einen unbefangenen Eindruck und es handelt sich weder um eine Touristenkulisse noch um ein Elendsviertel. Lucky erzählt uns, dass Dorf habe sogar eine Schule. Und ich hoffe, dass die Leute hier wenigstens davon profitieren, dass sie von den Tourveranstaltern als Sehenswürdigkeiten „genutzt“ werden und das Geld nicht nur bei den Veranstaltern hängen bleibt.
Wir kehren dann wieder zur Paloma zurück, relaxen auf dem Sonnendeck und sehen zu, wie die Sonne langsam hinter den Felsen verschwindet. Einige gehen dann noch schwimmen, aber ich bleibe lieber oben an Deck, lasse die Landschaft auf mich wirken und frage mich, ob ich wirklich vor 24 Stunden noch durch Hanoi gelaufen bin. Die Stadt ist plötzlich weit weg.
Vor dem Abendessen kann man dann noch an einem Kochkurs teilnehmen, aber der besteht letztlich nur daraus, eine vorbereitete Gemüse-Fleisch-Füllung auf Reispapier zu geben und zu Frühlingsrollen zu formen. Beim und nach dem Abendessen unterhalten das deutsche Paar und ich uns noch lange über unsere Urlaubspläne und Urlaubserfahrungen. Sie waren auch schon mehrfach in den USA und wollten jetzt einfach mal was neues sehen. Die Paloma ist zwischenzeitlich in der Halongbucht vor Anker gegangen, und vom Sonnendeck aus können wir in der Dunkelheit die anderen Schiffe sehen, die in der Nähe vor Anker liegen.
Gegen 10 Uhr verabschiede ich mich dann, schreibe in der Kabine noch meinen Reisebericht und ziehe schon mal die Badesachen aus meiner Tasche. Morgen haben wir uns um viertel nach sieben zum Frühstück verabredet, also stelle ich den Wecker mal wieder auf viertel nach sechs.
Gute Nacht!