Montag, 7. NovemberLeider wache ich heute morgen doch schon um sechs Uhr auf, aber ich verbringe einfach noch zweieinhalb Stunden im Bett mit Reiseführerlesen, Deutsche Welle im Fernsehen schauen und Internetsurfen. Leider meldet Wetter.com für heute und morgen Regenwetter. Hm, mal sehen. Gestern auf der Rückfahrt hat es auch ab und zu heftig geregnet, aber ein paar Kilometer weiter war es schon wieder trocken. Ich hoffe also einfach das beste.
Nach einem Frühstück mit Mango-Bananen-Saft, Toast und einem Früchteteller steige ich dann mal wieder in ein Taxi und fahre für 30.000 Dong zum Ho-Chi-Minh-Mausoleum. Laut Reiseführer wollte „Onkel Ho“, der ein „bescheidener Mensch war, der den Verlockungen und Privilegien der Macht gegenüber unempfindlich war“ eigentlich keinen Personenkult und verfügte in seinem Testament, er solle verbrannt und seine Asche in allen Teilen Vietnams verstreut werden. Irgendwie wurde das vom Politbüro nach seinem Tod aber falsch verstanden – um anderen Interpretationen vorzubeugen, wurde die Passage auch gleich aus seinem Testament gestrichen – und stattdessen ein Mausoleum gebaut, in dem Onkel Ho seit 1975 ähnlich wie Lenin einbalsamiert in einem gekühlten Raum liegt und täglich von andächtigen Landeskindern besucht wird.
Auf meinen Besuch muss Onkel Ho allerdings verzichten. Zwar ist seine alljährliche Generalüberholung inzwischen abgeschlossen, aber anscheinend hat er montags frei, denn da ist das Mausoleum geschlossen, und weil heute Montag ist, spaziere ich weiter, um wenigstens Onkel Hos Haus zu besuchen. Einer meiner Reiseführer behauptet, das Haus sei täglich geöffnet, der andere behauptet, es sei montags geschlossen. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte, denn das Haus ist montags geöffnet, aber nur am Vormittag. Für 25.000 Dong Eintritt darf man zuerst einen Blick auf den Präsidentenpalast werfen, der noch von den Franzosen errichtet worden war, der Onkel Ho aber zu protzig war.
Dann geht man weiter zu einem kleinen Anwesen im Park des Präsidentenpalastes, in dem Ho von 1954 – 1958 wohnte.
Mir hätte es dort ja gut gefallen, aber für Onkel Ho war es offenbar immer noch eine Spur zu dekadent. Also wohnte er ab 1958 in diesem Stelzenhaus.
Am Ende des Rundgangs kann man dann noch ein paar Ho-Chi-Minh-Devotionalien erwerben. Doch vor der Tür lauern schon die Verlockungen des Kapitalismus
Als nächstes schaue ich mir die Chua Mot Cot, die Ein-Säulen-Pagode, an. Auf dem Weg dorthin laufen mir noch ein paar Soldaten über den Weg.
Aber zurück zur Ein-Säulen-Pagode: Sie wurde ursprünglich bereits 1049 gebaut, nachdem der damalige Kaiser, kinderlos und darüber offenbar nicht sehr erfreut, angeblich nachts im Schlaf von der Göttin Quan Am, die auf einer Lotosblüte saß, eine göttliche Eingebung erhielt, sich eine neue, natürliche jüngere Frau nahm und nach der Geburt des ersehnten Sohnes die Pagode bauen ließ, die an eine Lotosblüte erinnern soll. Die Pagode ist seitdem mehrfach zerstört und wieder aufgebaut worden, zuletzt nach 1954, als sie von den Franzosen zerstört wurde. Die Göttin Quan Am wird dort heute noch angebetet.
An der Pagode verbringe ich ein wenig Zeit. Zuerst, um abzuwarten, dass die große Reisegruppe, die gerade aus einem Bus gespuckt wurde, die Treppe zur Pagode wieder räumt. Und dann, weil es inzwischen schon kurz nach zwölf ist und ich an der Pagode einen Stand mit frischen Kokosnüssen erspäht habe. Ich mache also eine kurze Rast an der Pagode und trinke dabei eine Kokosnuss leer, dann spaziere ich die Dien-Bien-Phu-Allee entlang, am Lenin-Denkmal und an der Zitadelle vorbei. (Davon gibts mal ausnahmsweise keine Bilder, der Tag heute ist mit Bildern sowieso schon über die Grenze des "Erlaubten" befüllt
)
Schließlich komme ich an der Chua Quan Su, der Botschafter-Pagode an, die laut Reiseführer das offizielle Zentrum des Buddhismus in Hanoi ist. Die Nonnen und Mönche, die der Reiseführer mir versprochen hat, erspähe ich allerdings nicht. Aber vielleicht sitzen sie ja gerade beim Mittagessen.
Ich bin inzwischen ziemlich erledigt. Der vorhergesagte Regen ist zwar bisher ausgeblieben, aber es ist drückend schwül. Also muss ich mal wieder etwas für meinen Flüssigkeits-Haushalt tun und lande im nächsten Restaurant, wo zwar die Speisekarte teilweise auf englisch verfasst ist, ich das Straußenfleisch mit Zitronengras aber quasi mit Händen und Füßen bestellen muss. Tiger Beer versteht der Kellner allerdings sofort.
Danach schleppe ich mich ins Hotel zurück und halte erst einmal eine eineinhalbstündige Mittagspause, die aber leider dadurch gestört wird, dass das Zimmermädchen gerade im Nachbarzimmer werkelt.
So bin ich immer noch ziemlich müde, als ich gegen halb vier Richtung Altstadt marschiere. Auf dem Weg dorthin schaue ich ein wenig nach Tischläufern und bekomme den gleichen, den ich gestern auf dem Markt gekauft habe, sofort für 20.000 Dong weniger angeboten als ich gestern bezahlt habe. Dabei hatte ich mir doch eingebildet, die Verkäuferin so gut heruntergehandelt zu haben. Wahrscheinlich bin ich der Traum aller vietnamesischer Souvenirverkäufer. Die Verkäuferin, die mir wenig später im Dong Xuan Markt für 60.000 Dong eine Holzfigur verkauft, macht jedenfalls auch einen sehr fröhlichen Eindruck. Ich schaue mich noch ein wenig in der Markthalle um, die von oben bis unten mit Waren, vor allem Textilien vollgestopft ist.
Dann erforsche ich noch ein wenig die Altstadt. Die Straßen dort tragen Namen, die zumindest früher die Ware angaben, die in der jeweiligen Straße verkauft wurde. Beim Durchfahren mit dem Taxi habe ich schon Straßen mit Bambusleitern, mit Farbeimern und mit Särgen gesehen. Heute sehe ich unter anderem Papier-Opfergaben, Teppiche und Süßigkeiten. Und natürlich ist auch in der Altstadt Essen und Trinken ein Thema.
Am Bach-Ma-Tempel angekommen, in dem ein Weißes Pferd angebetet wird, stelle ich fest, dass sich ausnahmsweise beide Reiseführer irren. Der Tempel ist nicht täglich geöffnet, sondern montags geschlossen. Stattdessen schaue ich eine Straße weiter in eine kleine Pagode, in der die Mopeds im Vorraum vor einem Altar geparkt sind. Sozusagen eine Drive-In-Pagode.
Langsam wird es dunkel, und in den Garküchen auf den Straßen wird das Feuer fürs Abendessen geschürt.
Ich spaziere nach einem Abstecher zum Supermarkt zurück ins Hotel und bin kaum im Zimmer, als der vorhergesagte Regen plötzlich losbricht. Es ist zwar nur ein kurzer Schauer, aber später fängt es mehrfach nochmals zu regnen an. So mache ich das, was ich am besten kann: Picknick im Bett. Wetter.com meldet auch für morgen Regenwetter. Schade, denn morgen früh breche ich zu einer Zweitagestour auf, bei der auch Fahrradfahren und Wandern auf dem Programm steht. Ich packe also das Regencape in meine kleine Tasche und hoffe für die nächstes zwei Tage einfach darauf, dass sich meine 50.000-Dong-Spende in der Botschafter-Pagode bezahlt machen wird.
Gute Nacht!