Guten Morgen allerseits,
und hier der letzte Tag unserer Reise. Im Verlauf der Woche werde ich noch das Fazit und die Outtakes einstellen.
14.11.2014: Santiago de Chile - MünchenAufgrund der langen Wartezeit an der Grenze und der noch viel längeren Wartezeit im Stau in Santiago haben wir gestern unsere Besichtigung der chilenischen Hauptstadt auf ein Minimum beschränken müssen. Das wollen wir heute natürlich - so weit möglich - nachholen und stehen daher recht früh auf. Im Frühstücksraum unseres Hotels treffen wir zum ersten Mal im Verlauf unserer Reise ein Publikum, welches mehrheitlich englischsprachig ist. Die meisten Leute sind scheinbar Teilnehmer einer Tagung, die momentan hier im Hotel stattfindet. Das Frühstück selber ist recht gut und auch reichlich.
Morgendliche Rush Hour in Santiago Santiago ist groß - auf einer Fläche von 641 Quadratkilometern leben 6 Millionen Menschen, das ist ,ehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung Chiles. Für eine Stadtbesichtigung kann man daher auch problemlos deutlich mehr Zeit verbringen, als wir sie zur Verfügung haben. Also wollen wir unsere Besichtigungstour auf den zentralen Teil der Innenstadt beschränken - und dabei ein paar kurze Abstecher in benachbarte Bezirke unternehmen. Gesagt, getan: Wir marschieren los und überqueren als erstes wieder die große Avenida Libertador Bernardo O'Higgins, um in die Downtown zu gelangen. Nördlich der Bernardo O'Higgins kommen wir in die Fußgängerzone, die gar nicht sehr südamerikanisch wirkt und sich in ähnlicher Form auch in nahezu jeder andern Großstadt der Welt befinden könnte: Links und rechts von uns befinden sich hohe Gebäude voll mit Banken, Geschäften und Supermärkten. Aufgrund der frühen Stunde überwiegt die Anzahl der Müllabfuhren, Lieferanten und Straßenkehrer diejenige der Passanten, aber das wird sich sicherlich recht schnell ändern. Die Innenstadt von Santiago präsentiert sich architektonisch als buntes Gemisch von älteren Gebäuden aus allen möglichen Epochen und hypermodernen Glasfassaden.
Postgebäude in Santiago Als erstes laufen wir zur Plaza de Armas, dem zentralen Platz der Stadt. Hier steht die Kathedrale von Santiago, deren Bau im Jahre 1747 begann und erst 1899 abgeschlossen wurde. Zahlreiche ältere Vorgängergebäude waren durch Erdbeben zerstört worden. Zudem sehen wir das neobarocke Gebäude der Hauptpost sowie das aus dem 18ten Jahrhundert stammende Gebäude der Stadtverwaltung und den Palacio de Real Audiencia, in dem die letzte spanische Kolonialverwaltung untergebracht war. Leider ist der zentrale baumbestandene Bereich der Plaza wegen Bauarbeiten gesperrt, so dass wir diesen recht schönen Platz gar nicht richtig ausnutzen können. Auch ein frontaler Blick auf all die schönen Gebäude ist nahezu unmögich. Von der Plaza de Armas laufen wir zunächst ein kurzes Stück nach Westen, zum Palacio Real Casa Aduana, dem ehemaligen königlichen Hauptzollamt - heute befindet sich hier das Museum für präkolumbianische chilenische Kunst. Noch einen Block weiter kommen wir zum ehemaligen Kongressgebäude und zum neoklassizistischen Block des Palastes des obersten Gerichtshofes.
Casa Colorada Unser nächster Ziel ist der Cerro Santa Lucia, der direkt östlich an die Innenstadt anschließende baumbestandene Hügel, von dem aus sich ein schöner Blick auf die Stadt bietet. Also laufen wir wieder nach Osten, vorbei an der Basilica de la Merced. Diese Kirche wurde ursprünglich in der Mitte des 16ten Jahrhunderts errichtet, die allerneuesten Teile des Bauwerks stammen allerdings aus dem Ende des 19ten Jahrhunderts. Grund ist nicht etwa, dass hier stetig verbessert, erweitert oder verschönert wurde, sondern dass die Basilika im Laufe der Jahre immer wieder während Erdbeben eingestürzt ist und danach neu aufgebaut werden musste. Als wir am Cerro Santa Lucia ankommen, sind noch alle Zugangstore versperrt. Den angeschriebenen Öffnungszeiten zufolge sind wir noch ein wenig zu früh dort. Also laufen wir weiter in Richtung des direkt an die Innenstadt anschließenden Szeneviertels Bellavista, auf der nördlichen Seite des Rio Mapocho gelegen.Unser Besuch in diesem Viertel fällt gezwungenermaßen recht kurz und knapp aus, dennoch finden wir etwas Zeit, um die interessanten Geschäfte, Kneipen sowie die phantasievoll bunt bemalten Gebäude zu bewundern.
Street Art in Bellavista Dann laufen wir zurück Richtung Süden, vorbei am Gebäude des Museums der schönen Künste, und wieder zum Cerro Santa Lucia. Dieser müsste inzwischen geöffnet sein. Allerdings steht am von uns angesteuerten Eingang eine große Limousine sowie mehrere Menschen in schwarzen Anzügen. Diese Herrschaften sehen verdächtig nach Bodyguards aus. Als wir vorbei und in den Park laufen wollen, wird uns beschieden, dass dieser heute gesperrt sei, da dortein Treffen der chilenischen Präsidentin Bachelet mit Kabinettskollegen stattfinden würde. Das ist natürlich schade, dann auf den Ausblick hatten wir uns besonders gefreut. Aber was sollen wir machen?
Museum der schönen Künste Auf unserem Weg zurück Richtung Hotel laufen wir am städtischen Theater und am aus dem 17ten Jahrhundert stammenden Templo San Agustin vorbei zur Plaza de la Constitucion - dem Platz der Verfassung. Hier steht der chilenische Präsidentenpalast, der von 1788 bis 1805 errichtete Palacio de la Moneda. Wohl fast jeder, der zeitgeschichtlich interessiert ist, hat die Filmaufnahmen und Bilder im Kopf, wie dieses Gebäude am 11. September 1973 von den Panzern und Flugzeugen Augusto Pinochets zusammengeschossen wurde, während sich Salvador Allende in dem Gebäude verschanzte. Allende hat im Palacio de la Moneda Selbstmord begangen und wenig später begann die Schreckensherrschaft von Augusto Pinochet. Die Aufnahmen vom Sturm auf den Präsidentenpalast entstanden von einem damaligen Luxushotel aus - in diesem Gebäude befindet sich heute das chilenische Außenministerium. Wir schauen uns ausführlich auf der sehr schön gestalteten Plaza de la Constitucion um und finden dabei unter anderem eine Statue für Salvador Allende. Als wir schon fast wieder aufbrechen wollen, hören wir aus der Entfernung Marschmusik. Kurze Zeit später marschiert ein Trupp Polizisten mit Musikkorps auf und veranstaltet auf dem Platz vor dem Präsidentenpalast eine waschechte Wachablösung. So etwas kannten wir bisher nur von Ländern mit einer Monarchie wie Großbritannien oder den skandinavischen Königreichen, nicht aber von einer reinen parlamentarischen Demokratie.
Wachablösung vor dem Palacio de la Moneda Palacio de la Moneda Direkt südlich des Palacio de la Moneda befindet sich ein weiterer großer Platz, die modern gestaltete Plaza de la Ciudadania. Hier befindet sich - wieder südlich der großen Avenida Libertador Bernardo O'Higgins - eine unterirdische Krypta, in der sich die sterblichen Überreste des Nationalhelden O'Higgins befinden sollen. Wir verwenden die Formulierung "befinden sollen" deswegen, da es zwar eine große Glasplatte gibt, durch die man die Krypta sehen kann, aber entweder steht die Sonne falsch oder wir sind zu dumm - jedenfalls können wir dort unten nicht wirklich viel erkennen.
Straßenschlucht Zum Abschluss unseres Stadtrundgangs besuchen wir noch einmal kurz das direkt hinter dem Hotel gelegene Barrio Paris-Londres. Hier schauen wir uns noch einmal die schönen Gebäude an, bei besseren Lichtverhältnissen als gestern abend. Wir kommen auch an einem Gebäude vorbei, welches zu Zeiten der Pinochet-Diktatur als Gefängnis und Folterstätte verwendet wurde. Heute erinnern Plaketten an die Namen der Opfer, zudem sind Plakate aufgestellt, auf welchen die dunkle Geschichte dieses Orts thematisiert wird.
Im Barrio Paris-Londres Jugendstil-Gebäude Wir checken aus dem Hotel aus und fahren los. Zunächst einmal sind wir - der Hotelausfahrt folgend - Richtung Osten unterwegs. Das ist natürlich die falsche Richtung, um zum nordwestlich der Stadt gelegenen Flughafen zu gelangen, aber wir haben uns eine Route zum Flughafen vorbereitet, entlang derer wir auch an einer Tankstelle vorbei kommen würden. Denn das Auto will ja vollgetankt zurückgegeben werden. Dieser Plan wird allerdings recht schnell zunichte gemacht, denn an der zu nehmenden Linksabbiegung steht ein Schild, auf welchem im extrem langatmigen Spanisch erklärt wird, wann man hier abbiegen darf und wann nicht. Bevor wir diesen Text verstanden haben, sind wir schon im dichten Stadtverkehr daran vorbeigeschwommen. Blöd. Also weiter, zur Plaza Baquedano, einem großen Kreisverkehr, an dem wir automatisch die Fahrtrichtung ändern können. Hier fällt uns zum ersten Mal der heutige extrem starke Verkehr auf, welcher uns ungefähr für die kommende Strunde begleiten wird: Wie wir später erfahren werden, ist heute das U-Bahn-System von Santiago zusammengebochen, so dass jede Menge Leute als Ersatz ins Auto gestiegen sind. Dementsprechend geht über weite Strecken gar nichts mehr. Das ist für unsere nach dem gestrigen Verkehrschaos immer noch leicht angespannten Nerven natürlich ganz toll.
Zudem lernen wir schnell eine Besonderheit der Verkehrsführung in Santiago kennen: Der rechte Teil der Straße ist exklusiv Bussen und Taxis vorbehalten und auch mit kleinen Pollern baulich von der links davon gelegenen Spur für die normalen Fahrzeuge getrennt. Alle paar hundert Meter gibt es eine kleine Lücke in der Kette von Pollern. Bis wir auf die Idee kommen, dass man sich zum rechts abbiegen rechtzeitig - das heißt ein paar hundert Meter vorher - vor einer Kreuzung durch eine dieser Lücken auf die Busspur einordnen muss, sind wir durch grob geschätzt drei bis vier Kreuzungen geradeaus durchgerauscht. Letztendlich schaffen wir es, nach Norden abzubiegen, müssen noch im Stau durch einige winzigeSträßchen - glücklicherweise auch vorbei an der nötigen Tankstelle, ehe wir wieder auf größere Straßen kommen.
Sobald wir es geschafft haben, den zentralen Bereich der Stadt zu verlasen und uns auf der Constanera Norte - der zum Flughafen führenden Autobahn - befinden, ist auch der Verkehr wieder erträglich. Wir kommen gut voran und erreichen mit immer noch einigem zeitlichen Puffer den Flughafen. Wir nutzen diese Zeit, das Auto am vereinbarten Treffpunkt abzustellen, unser Gepäck in das Terminalgebäude zu tragen und dort schon einzuchecken und das Gepäck abzugeben. Dann schlagen wir etwas Zeit tot und laufen dann zurück, um das Auto abzugeben.
Am Treffpunkt trifft bald ein Mitarbeiter der Mietwagenfirma ein. Nach einem kurzem Check des Fahrzeugs erhalten wir das Blankoformular mit unseren Kreditkarteninformationen zurück und der Mensch steigt in den Wagen und fährt los. Nur um nach ein paar Metern wieder anzuhalten und uns zu sich zu rufen. Wir sind leicht gespannt, welchen Schaden oder Mangel er denn gefunden hat, letztendlich will er aber nur wissen, wie man das Radio einschaltet. Das haben wir im Verlauf der vergangenen vier Wochen zwar kein einziges Mal benutzt - dennoch können wir helfen und kurz darauf biegt der Pick-Up um eine Ecke und verschwindet damit endgültig aus unserem Gesichtsfeld. Es ist komisch - dies war unsere insgesamt sechste große Mietwagenrundfahrt - aber Dirk als Fahrer hat noch nie mit so viel Wehmut einem zurückgegebenen Auto hinterhergeschaut. Dies war nahezu der einzige Mietwagen mit dem wir keine einzige Reifenpanne oder ein anderes technisches Problem hatten. Und das, obwohl wir über viele hundert Kilometer teilweise schwierige Schotterpisten gefahren sind. Zudem war die Kiste vergleichweise sparsam: Was hatten wir im Vorfeld der Reise recherchiert, um wie viel Prozent mehr Treibstoff auf über 4000 Metern Höhe gebraucht werden wird und wieviele Reservekanister wir in der Folge benötigen werden. Alles unnötig: Es waren sowohl auf Meereshöhe also auch auf dem Altiplano um die neun Liter Diesel auf hundert Kilometer - ein für das hohe Gewicht des Wagens recht guter Wert.
Wir laufen zurück in das Flughafengebäude. Dort gönnen wir uns kurz vor dem Abflug noch einen letzen chilenischen Imbiss. Dirk überlegt sich, ob wir als Erinnerung an die Reise eine Flasche original chilenischen Pisco mitnehmen sollen - entscheidet sich aber dagegen. Die erste Stunde des Fluges führt uns zunächst über die Anden und dann - auf deren argentinischer Seite - über Gegenden, durch die wir im Verlauf des letzten Abschnitts unserer Reise gekommen sind: Wir sehen von oben den Parque Provincial Ischigualasto mit seiner imposanten kilometerlangen Felswand und wenig später den roten Canyon des Parque Nacional Talampaya. Ein imposanter Anblick. Vorbei geht es über Chilecito mit seiner Seilbahn und weiter in die zentraleren Gebiete von Argentinien.
Auf Wiedersehen, Santiago! Ischigualasto von oben Der weitere Flug über den südamerikanischen Kontinent und den großen Teich nach Paris verläuft ereignislos. In Paris sehen wir, wie an der Security einem Pärchen eine Flasche Pisco - haargenau so eine Flasche wie wir sie auch kaufen wollten - weggenommen und in den Müll geschmissen wird. Das ist naürlich bitter. Der Flug nach München ist nur noch eine kurze Formsache und auch die Heimfahrt - dieses Mal mit dem im Parkhaus auf uns wartenden Auto - verläuft problemlos.
Gefahrene Strecke: 63 km
Schöne Grüße,
Dirk