Freitag 12.11.2010Wer auf der Matte schläft kann nicht tief fallen – Chinesisches Sprichwort
Man schläft eigentlich ganz gut auf diesen Matten, aber nicht sehr lange denn um 6:30 beginnt die Morgenzeremonie der Mönche im Sekisho-in auf dem Berg Koyasan. Daran darf man gerne teilnehmen, machen wir doch glatt.
Viel los ist jetzt nicht gerade, ein älteres japanisches Ehepaar und zwei Frauen wollen auch teilnehmen, alle wissen wohl nicht so recht wo man sich in dem großen Tempelzeremonialraum denn nun hinsetzen sollte. Wir halten uns am besten mal im Hintergrund und setzen uns neben die anderen. Die Japaner sitzen vorbildlich auf den Knien, und wenn man sie so sitzen sieht sind sie die personifizierte Bescheidenheit. Aber so auf den Knien zu sitzen erfordert wohl jahrelanges Training, ich halte das keine 5 min durch deshalb lieber im Schneidersitz, sieht natürlich nicht so anmutig aus.
Ein paar Mönche singen, der Obermönch spricht zu den Anwesenden, alle dürfen mal noch vorne kommen und vor dem Altar beten. Wir werden auch nach vorne gebeten und knien uns kurz davor. Die anderen haben alle in so ein kleines Gefäß mit schwelender Asche gegriffen, das lassen wir aber lieber mal bleiben.
Das Ehepaar bekommt noch ein paar extra Zettel mit schönen Schriftzeichen und dann ist es auch schon vorbei. Frühstück gibt es auch noch, wieder sehr schön aussehend, aber morgens jetzt nicht unbedingt mein Fall. Zum Abschied gibt es vom Obermönch noch ein Freundschaftsarmband angelegt, mit dem Hinweis happiness – dann kann ja wohl nichts mehr schiefgehen auf der Reise.
Jetzt fahren wir die selbe Strecke wieder mit Bus und Bahn zurück nach Osaka, dort führt uns eine nette alte Dame durch das labyrinthartige Untergrundsystem um die Osaka Station (sie hat gerade Zeit und eine Tochter in San Francisco) und so kommen wir problemlos zum Bahnhof. Das Ticket kostet 540 Yen (5 Euro) und dann hoch zu den Gleisen, da stehen jetzt 2 Züge nach Kyoto, ein Mann rät uns zum linken Zug, der sei schneller und mit dem JR Special Rapid der Kyoto Line geht es in 25 min in die alte Kaiserstadt Kyoto.
Kyoto, 794 als Heian-kyo gegründet, heute der Inbegriff des alten Japan, der Kultur und der Tradition, der Schönheit und der Anmut. Allein schon der Klang des Namens der Stadt, beide Schriftzeichen werden „miyako“ - Hauptstadt gesprochen, löst bei Japanern die Vorstellung von Schönheit und Eleganz aus.
Trotzdem hab ich bei der Vorbereitung der Reise von sehr vielen gelesen, ihr erster Eindruck von Kyoto sei ziemlich enttäuschend gewesen. Das liegt vermutlich daran, das man beim Verlassen des Bahnhofes jetzt eine Art japanisches Freilichtmuseum erwartet hat und keine Millionenstadt, die Kyoto zweifellos ist. Kyotos Reiz erschließt sich nicht auf den ersten Blick, die Stadt will entdeckt werden. Im Lonely Planet Reiseführer wird sie als Stadt der Geheimnisse bezeichnet und als die schönste Stadt Asiens. Wir wollen sehen ob das stimmt.
Das erste was man von Kyoto zu sehen bekommt, sofern man mit dem Zug anreist ist der Bahnhof. Und der ist einfach gigantisch. Eine supermoderne, architektonisch interessante Konstruktion aus Stahl und Glas.
Kritiker bemängeln den fehlenden historischen Bezug zu Kyoto, aber der wurde schnell gefunden: Der Bahnhof sei wie ein japanisches Haus, kühl und luftig im Sommer und kalt und zugig im Winter. Stimmt, es zieht. Außerdem scheinen sich doch noch waschechte Samurai unter seinen Besuchern zu befinden:
Der Bahnhof ist eine Stadt für sich, hier gibt es nichts was es nicht gibt. Man könnte alleine einen halben Tag hier zubringen, es locken mehrere Einkaufspassagen, Kaufhäuser, zig Restaurants, diverse Visitor Center, Aussichtsplattformen, ein Skywalk und Züge fahren hier auch. Einen solchen Bahnhof hab ich noch nirgends zuvor gesehen, der ist fantastisch.
Verlässt man den Bahnhof steht man in einer modernen, japanischen Stadt. Kaufhäuser, Hotels, der Kyototower, das sieht doch alles ganz manierlich aus, enttäuschend ist anders. An den Ampeln erfreut man sich an munterem Vogelgesang wenn grün ist, nicht so ein ordinäres Tröten oder Klacken wie in Deutschland.
Erstmal geht’s zu unserem Ryokan, eine Art japanisches Hotel. Es liegt ein paar Gehminuten Richtung Norden, hier verändert sich auch schon die Gegend, die Kaufhäuser machen kleinen, traditionellen japanischen Geschäften Platz und der erste Tempel taucht linker Hand auf.
In einer kleinen Seitenstraße finden wir auch schnell das Matsubaya Ryokan. Das Hotel ist ein echter Glücksgriff, es ist in jeder Hinsicht ein Volltreffer. Sauber, 2008 (neu)gebaut aber mit langer Tradition, super freundliches, englisch sprechendes Inhaberehepaar inklusive Sohn, die Lage ist perfekt, ein paar Gehminuten zu diversen Bahnhöfen und nachts absolut ruhig. Hier hatte ich schon im März das Zimmer für November per Email reserviert. Kann man für Kyoto im Herbst nicht früh genug machen.
Wir können unsere Koffer abgeben, mittlerweile ist es schon fast 12, ein paar Sehenswürdigkeiten wollen wir uns aber heute schon noch anschauen. Und zwar, die, die sonst nirgendwo richtig von der Lage dazu passen. Zuerst laufen ein paar Schritte zu dem nicht weit vom Hotel entfernten Shosei-en Garten. Früher mal eine Tempelresidenz des Higashi Hongani-ji, heute öffentlich zugänglich. Ein kleiner japanischer Garten, für den Anfang ganz nett.
Die Mauer zeigt eine Frühform des Risai-kling, kein alter Stein der hier nicht reinpasst hätte.
Nun geht es mit der Ubahn zur Imperial Household Agency, die befindet sich auf dem Gelände des Kyoto Imperial Parks und verteilt die Permits für den Besuch der kaiserlichen Anwesen. Eines haben wir schon in der Online Lotterie gewonnen, aber für den Besuch der Shugakuin Villa brauchen wir jetzt ein walk in Permit für nächsten Freitag um 11:00, wenn möglich. Ist möglich und mit dem Permit in der Tasche laufen wir entlang des Imperial Palace zum nächsten Ziel.
Ist augenscheinlich eine gewaltige Anlage, aber den Imperial Palace selber wollen wir uns am nächsten Freitag vor dem Besuch der Villa ansehen. Jetzt geht es zu Kyotos Burg, dem Nijo-jo.
1603 vom Shogun Tokugawa Ieyasu gegründet ist die gesamte Anlage Ausdruck der neuen Macht des Shoguns, gleichzeitig einhergehend mit dem Niedergang der kaiserlichen Macht. Durch das chinesische Karamon Tor betritt man den inneren Bereich und steht vor dem Ninomaru Palace, dem Wohnsitz des Shoguns.
Die Gebäude sind im prächtigen Edostil errichtet, ganz im Gegensatz zum bisherigen schlichten Kamigatastil der Katsura Villa.
Ein Rundgang durchs Palastinnere lohnt sich unbedingt, auch wenn es brechend voll ist und man nicht fotografieren darf. Man bekommt die Wohn- und Repräsentationsräume des Shoguns zu sehen mit ihren bemalten Schiebetüren, den Weidenraum, den Raum der jungen Kiefern und so weiter. Lebensgroße Puppen verdeutlichen das Palastleben der damaligen Zeit, beeindruckend der Empfangsraum des Shogun mit seinen Geheimverstecken für Bodygards. Aber das Highlight des Palastes sind seine knarrenden Dielen. Um vor nächtlichen Überraschungsangriffen geschützt zu sein kam man auf die Idee, die Dielen knarren zu lassen. Weil das aber auch geknarrt hätte wenn normale Bedienstete tagsüber darüber laufen und wir hier in Japan sind hatte man eine bessere Idee. Die Dielen knarren nicht, die geben zwitschernde Laute wie Nachtigallen von sich wenn man drauftritt. Wenn also nachts die Nachtigall erklang griff man besser gleich zum Schwert. Heute zwitschern die Dielen immer noch lustig vor sich hin wenn hunderte Leute sich durch den Palast bewegen.
Einen Überblick über die ganze Anlage hat man von einem kleinen Aussichtspunkt, das einzige was man bei der Anlage vermisst ist der Hauptturm, der wurde 1750 vom Blitz getroffen und nicht wieder aufgebaut.
Anschließend kann man noch die großen Gartenanlagen durchwandern mit unzähligen geschnittenen Formgehölzen – was das für eine Arbeit sein muss die ständig so akkurat zu halten.
Dazu ein paar Teehäuser mit Teichanlagen, alles sehr schön.
Mit der Ubahn geht es wieder zum Hotel zurück, wir schauen aber vorher noch beim Higashi Hongan-ji und beim Nishi Hongan-ji vorbei, zwei großen Tempelanlagen in der Nähe des Bahnhofes. Beide sind relativ ähnlich vom Aufbau, der Nishi Hongan-ji ist aber frisch renoviert, also stammen die Bilder von ihm.
Hauptelemente des Tempels sind die riesige Gründerhalle und die etwas kleinere Amidahalle dahinter von 1591.
Die schöne Drachenquelle stammt aber von Higashi Hongan-ji. Hier reinigt man sich, bevor man den Tempel betritt und zwar indem man sich erst die Hände wäscht, anschließend den Mund ausspült und danach dann noch die Bambuskelle wieder säubert.
Abends leuchtet der Kyototower unübersehbar in den Nachthimmel, der erste Tag in Kyoto geht dem Ende entgegen.
Noch ein Hinweis zum Matsubaya Ryokan
http://www.matsubayainn.com/Wir hatten in den ersten beiden Nächten das Western Style Bamboo Appartement, das war natürlich klasse, sehr groß, Küche, Balkon mit Blick über Kyoto – aber auch nicht so günstig, ich glaube so 120 Euro fürs Doppelzimmer. Für die restliche Zeit hatten wir dann ein kleineres japanisches Zimmer, dazu dann später mehr.