Samstag 29.3.08 / Tag 8 Nachdem die letzte Nacht dank feuriger arabischer Diskobeats doch etwas kürzer ausgefallen war als erwünscht
– soll am Morgen erstmal eine Dusche dafür sorgen, dass sich die Augen weiter öffnen als die 1,5 mm, die im Moment als Schießscharten den Blick auf den kurzen Weg zum Gebäude der Gemeinschaftsdusche freigeben.
Da das Wasser nur kalt kommt verstärkt sich der Hallo-Wach-Effekt um ein Vielfaches – sodass die Augen nach dem Kaltwasserschock nicht nur auf-, sondern vor Schreck weit aufgerissen sind. So richtig kaltes Wasser am morgen ist echt Sch*..* .
Apropos – wenn sich nach dem reichhaltigen Buffet des Vorabends ein bestimmtes Bedürfnis einstellt – auch dafür gibt es ja im
Bait Ali ein extra Gebäude.
Für uns Europäer ungewohnt ist dabei im übrigen der Mülleimer in den Klozellen. Der ist nicht etwa dafür da, daß man die Seiten seiner Memoiren die beim Schreiben auf dem Klo nichts geworden sind gleich wieder entsorgen kann – nein – die sind fürs benutzte Klopapier !!!
Kein Witz!
Würden Touristen im großen Stil diese arabischen Endlager für Produkte aus biologischen Säuberungsaktionen ignorieren – käme das einem groß angelegten terroristischen Anschlag der Christen auf den Islam gleich – fast ganz Jordanien wäre dank fehlender Kanalisation verstopft…
In unserem Chalet machen wir uns fertig für den Trip in die Wüste. Eigentlich ist diese Mission ganz einfach – jeder packt halt ein paar Klamotten und etwas für die Nacht in die Tasche die wir mitnehmen. Ich bin dafür bekannt der schlimmste Kofferschreck aller Zeiten östlich und westlich des Mississippis zu sein – mein Koffer ist also schon nach wenigen Tagen ins absolute Chaos gestürzt – alles durcheinander und ich stehe ratlos davor.
Petra hilft mir die notwendigen Utensilien aus dem Koffer zu angeln – wodurch wir den Wüstentrip dann doch nicht absagen müssen. Uff.
Bevor Effendi Horst und Wüstenblume Petra die Wüste erobern – gehen wir aber erstmal zum Frühstück – denn Eroberungen mit leerem Magen sind keine gute Idee. Keine gute Idee ist auch das Frühstück. So gut das Abendessen gestern war – das Frühstück ist unfassbar mies. Es gibt zwei bis drei undefinierbare Pampen die wir gleich links liegen lassen, da bleibt nur noch steinhartes Brot und Erdbeermarmelade. Ich denke diese Marmelade ist über Umwege aus früheren Biowaffenbeständen Saddam Husseins nach Jordanien gelangt und war dafür gedacht alle Ungläubigen per Brotaufstrich zu vernichten.
Oh my goodness - ist das Zeug schlecht …..
Für 9 Uhr hatten wir mit
Attayak ausgemacht. Ob das wohl klappt?
Auch hier gab es nur E-Mail Kontakt. Allerdings schwer beeindruckenden. Der Junge machte einen derart fixen und cleveren Eindruck und antwortete jedes Mal schnell und in bestem Englisch. Auch – dass wir die 2-Tagestour ins
Wadi Rum nur mit Fahrer und ohne weitere Leute im Auto machen wollten - stieß zunächst nicht auf Begeisterung – war letztendlich aber Verhandlungssache und wir wurden mit
Attayak dem Inhaber von
Wadi Rum Mountains Guides einig.
Obwohl der Tag mit kalter Dusche und unterirdischem Frühstück nicht unbedingt verheißungsvoll begann –
Attayak ist wie alle Jordanier bisher pünktlich und zuverlässig. Klein und schmächtig ist er - aber man spürt sofort – der hat einen messerscharfen Verstand. Wir steigen in seinen Jeep und er braust schwer geschäftstüchtig mit Handy am Ohr Richtung
Wadi Rum und managed per Telefon weitere Touren. Nach nicht einmal 10 Minuten ist die
Wadi Rum Protected Area erreicht.
Am Besucherzentrum zahlen wir je 2 JD Eintritt und fahren mit Attayak noch zu einem kleinen Restaurant wo wir natürlich teetrinkenderweise auf unseren Fahrer und Guide warten.
„Weitläufig, einsam und gottähnlich“. So beschrieb
T.E. Lawrence einst das Wadi Rum in seinem Buch „
die Sieben Säulen der Weisheit“.
Die größte und schönste Wüstenlandschaft Jordaniens ist ein von Menschenhand nahezu unberührter Ort, an dem die Zeit stillzustehen scheint. Ein Labyrinth aus monolithischen Felsformationen, die sich bis zu 1750 Meter aus dem Wüstenboden erheben. Hier schlugen Prinz Faisal und T.E. Lawrence – besser bekannt als „
Lawrence von Arabien“ während des Araberaufstandes gegen die Türken im ersten Weltkrieg ihr Hauptquartier auf. Von hier startete Lawrence auch den für unmöglich gehaltenen Marsch durch die Wüste nach Aqaba dessen Eroberung die Wende im Kampf gegen die Türken und für ein freies Arabien bedeutete.
Einer der besten Filme aller Zeiten „Lawrence von Arabien“ mit Peter O Toole, Sir Alec Guinness und Omar Sharif wurde folgerichtig 1962 hier im Wadi Rum gedreht.
Wir haben unseren Tee gerade getrunken und uns mit Attayak unterhalten – da fährt ein olivgrüner Jeep heran und ein Beduine steigt aus und nähert sich uns. Attayak stellt ihn uns als
Suleyman vor – auch nicht gerade ein Riese, schmächtig, zurückhaltend, etwa Anfang 30 – macht einen sympathischen Eindruck, was nicht ganz unwichtig ist – immerhin verbringen wir die nächsten 2 Tage zusammen mit ihm.
Eindecken für die Fahrt in einem kleinen Tante-Emma Laden im Mini-Ort Rum
Alle einsteigen und ...
…..
On the Wüsten-Road mit Suleyman Erster Stop auf unserer Tour ist auch gleich die nach dem Wüstenhelden Lawrence benannte
Lawrence Spring. Hier gibt es auch 4000 Jahre alte Inscriptions (Felsmalereien). So was haut uns nun beide nicht vom Hocker – auch wenn wir sonst für Kunst (Petra) und Geschichte (meine Wenigkeit) sehr viel übrig haben – diese historischen Zeichen bei denen eben vor vielen Jahren irgendein Ali seiner Geliebten eingekratzt hat, dass er sie gerne in seinem Zelt hätte – sind nicht so unser Ding - sorry.
Als Fotoobjekte entdecken wir dagegen einige Kamele die zum Wasserschlürfen an der
Lawrence Spring einen Tankstop eingelegt haben.
Hier im Wadi Rum werden ja auch Kameltrips teilweise sogar für mehrere Tage angeboten. Auch das wäre nicht unbedingt unser Ding – denn bevor ich Schmerzen an Stellen habe von denen ich gar nicht wusste dass ich sie habe - bin ich lieber für Allrad als Allhuf.
Der nächste Halt ist am
Jebel Khazali.... ... in dem sich der
Khazali Canyon verbirgt,...
..... ein enger fast bläulich wirkender Slotcanyon, der allerdings ohne Kletterausrüstung nicht allzu weit begehbar ist.
Waben im Canyon
…und dann geht es so richtig hinein in die rote Wüste.
Wir steuern die
große Düne an.
Es macht Riesenspaß den großen Sandberg zu erstürmen (wenn’s auch anstrengend ist
) und im Sand herumzuspringen. Das größte ist natürlich im Schweinsgalopp die Düne hinunter zu rasen – in solchen Momenten ist man wieder ein Kind – einfach schön …..
Blick vom Gipfel der Düne
Karawane
Ich nehme wieder den Platz vorne neben Suleyman im alten Toyota ein.
Suleyman ist alles andere als ein Schwätzer. Unaufgeregt meistert er auch schwierigste Passagen mit seiner in die Jahre gekommenen Kiste und so langsam taut er auch auf und spricht über sich, seine Familie und sein Leben hier im Wadi Rum.
Er wohnt in einem selbstgebauten Haus in Wadi Rum Village und hat 4 Kinder und Nummer 5 ist gerade unterwegs (Merke: weniger Fernsehkanäle = mehr Kinder
). Suleyman gehört zum Stamm der Howeitat-Beduinen. Den Howeitat, die ihre Herkunft auf die Nabatäer zurückführen gehört sozusagen das Wadi Rum. Es gibt noch 12 Beduinenfamilien die hier in der Wüste von der Aufzucht von Ziegen und Schafen leben – eine davon ist die Familie von Suleyman. Bräuche, Sitten und Gastfreundschaft sind auch in modernen Zeiten wichtige Bestandteile ihres Lebens.
Suleyman
Wir verbringen die Mittagspause im Zelt von Suleymans Onkel.
Obligatorisch gibt es erst mal Tee und wir sitzen wieder auf den für uns ungewohnten Matten auf dem Wüstensand im angenehm kühlen Zelt und versuchen unsere langen Beine irgendwo unterzubringen. Bei dem Schneidersitz den die Beduinen praktizieren müsste man mich wahrscheinlich mit der großen Stichsäge entknoten.
Der kleine Beduinenzeltknigge sieht übrigens folgendes vor:
Man zieht im Zelt seine Schuhe aus, ißt möglichst mit der rechten Hand (die linke gilt als unrein – wer Phantasie hat kann sich vorstellen wozu man nun wiederum die linke Hand benutzt
) und der Gastgeber wartet mit dem eigenen Essen meist bis seine Gäste fertig sind. Ausländern gegenüber ist man aber in ganz Jordanien nachsichtig – freut sich aber über respektvolles Benehmen. Auf dem Speiseplan stehen Tomaten, Gurken, Thunfisch aus der Dose, Corned Beef, Hummus und Brot.
Freunde Suleymans die auch im Wadi Rum als Guides unterwegs sind gesellen sich dazu und die Männer unterhalten sich angeregt.
Wir haben noch Zeit bis zur Weiterfahrt und erkunden die Umgebung des Lagers.
Der Blick schweift über die fantastische Landschaft aus zerfurchten, zerfressenen Felsen, eingebettet in rote und gelbe Sanddünen.
Menschen verlieren sich wie kleine Punkte in der Wüste ....
Auch wenn die Sicht nicht sonderlich klar ist – bezaubert uns das Wadi Rum schon in diesen ersten Stunden.
Am Nachmittag stehen einige Arches auf dem Programm. Während wir auf die große
Burdah Bridge nur einen entfernten Blick werfen können (dafür ist ein mehrstündiger Aufstieg mit Klettereinlagen nötig) ....
... erleben wir die große
Um Fruth Bridge aus nächster Nähe.
Gelegentlich sieht man mal einen Jeep oder ein paar Kamele – aber meistens sind wir dort wo uns Suleyman hinfährt völlig allein.
Teilweise sind einige ganz schön abenteuerliche Streckenabschnitte dabei – es holpert und wir werden gut durchgeschüttelt – aber unser Guide kennt die Gegend wie seine Westentasche und beherrscht das Fahren über Steine und tiefen Sand. Als wir uns fragen was er in einem engen an sich unspektakulärem Seitental bei Um Hasaden will, sehen wir vor uns einen kleinen Arch, der laut Suleyman in keiner Karte eingezeichnet ist.
Wir setzen uns in den Arch und unterhalten uns.
Suleyman spricht ordentlich englisch – wenn auch nicht so perfekt wie sein Chef Attayak – aber wieder erfahren wir einige Dinge über die Menschen hier in der Wüste und erzählen ihm auch von uns.
Der schönste Streckenabschnitt folgt. Tiefrote Sanddünen und atemberaubende Blicke auf die Berge der Umgebung begeistern uns.
Stop an der "
geflügelten Kuh"
Wir sind im Gebiet von Um Sabatah, wo wir am frühen Abend auch das Camp erreichen, ein mit Seilen und Matten an einen Fels befestigtes kleines Zelt-Lager.
Aus dem großen Hauptzelt organisieren wir uns erst mal zwei Matratzen für die Nacht (die allerdings nur Japanerlänge haben) .....
.... und ziehen noch einmal zu Fuß los um die Golden Hour und den Sonnenuntergang für einige schöne Aufnahmen zu nutzen.
Wieder zurück im Lager haben sich inzwischen noch weitere „Kunden“ Attayaks für die Übernachtung in der Wüste eingefunden. 2 Pärchen aus England die wohl schon um die 70 sind, ein junges Paar ebenfalls von der Insel, ein deutsches Geschwisterpaar das per Kamel durchs Wadi tourt, eine Familie mit 3 kleinen (sehr braven) Kindern aus Belgien - und eben wir. Suleyman übernimmt das Kochen. Attayak ist überraschend ebenso zur Stelle und kümmert sich um das Lagerfeuer und die Unterhaltung seiner Gäste in einem nur mit Seitenwänden abgegrenzten und mit Matten ausgelegten kleinen „Aufenthaltsraum“. Der Kerl ist nicht nur clever und organisiert bestens – er hat es auch faustdick hinter den Ohren und seine Anekdoten und vor allem sein trockener Humor sorgen für gute Stimmung – die sich durch Suleymans Kochkünste (so ein Tag in der Wüste macht tierisch hungrig) noch einmal steigert – denn sein Gemüseeintopf mit Hähnchen ist richtig gut.
Bier oder Alkohol gibt es bei den abstinenten Arabern ja nicht – und so macht der landesübliche Tee die Runde. Reiseerlebnisse in Jordanien werden ausgetauscht und der schier unendlich große Sternenhimmel über uns gibt dem ganzen einen so eindrucksvollen Rahmen – dass auch dieser Abend seinen ganz besonderen Platz in unserer Erinnerung erhalten wird. Irgendwann ruft auch für uns das jordanische Sandmännchen und da wir schon mal in der Wüste sind – wollen wir auch im Freien und unter dem Sternenhimmel schlafen. In unserer Tasche haben wir 2 Schlafsäcke dabei – die allerdings bestenfalls Tischdeckendicke haben und mehr als Unterlage dabei sind.
Es ist immer noch sehr warm – also kein Problem – per Stirnlampe noch nach den Schlafsachen gesucht und noch ein Pullöverchen bereitgelegt – die Nacht kann kommen.
Ich blicke noch lange hinauf zu den Sternen und genieße es hier zu sein. Ich mag Wüsten sehr und diese ganz besonders – Petra geht es da in beiden Punkten genauso. Ich will gerade meine Augen schließen – da ertönt von einigen Metern entfernt ein Sägewerk – einer der englischen Rentner ist schwer am schuften. Na ja – mit der nächtlichen Stille ist das in dieser Reise ja so eine Sache ……. Trotzdem nicke ich irgendwann ein – wache aber schon bald wieder auf – es ist inzwischen so was von ar…..kalt – innerhalb von nicht mal zwei Stunden hat es fast 20 Grad abgekühlt und ich schlottere vor mich hin. Zum Glück ist im Zelt noch eine dicke Decke. Petra mummelt sich in einen dicken Schlafsack den wir noch im Camp gefunden hatten und so lässt sich die kurze Rest-Nacht, dann doch noch ohne Eiszapfen an den Gliedern überstehen.
Ein Tag – von dem viele Einzelheiten im Gedächtnis bleiben werden – wieder ein toller Tag in Jordanien.
Morgen soll nicht nur gefahren sondern auch gewandert werden – aber was das wichtigste ist - auf jeden Fall haben wir morgen noch mal einen Tag in dieser wundervollen Landschaft.
Ma’a Salame ...............