Montag, der 28. Januar 2013Unsäglich langsam nur vermochte das menschliche Auge die Nebel des
Eismeeres zu durchdringen; hinter der Nebelwand lag das Land des Mythos.
Aus: 'In Nacht und Eis' (1898)
Fridtjof NansenUm 3 Uhr klingelt der Wecker. Auf der Außenkamera ist ein heller Streifen vor dunklem Himmel zu sehen und Sandra will es nun wissen. Oben an Deck angekommen, erweist sich die Kamera als sehr lichtempfindlich, denn eigentlich ist es draußen fast dunkel mit einem leicht helleren Horizont und es gießt in Strömen. Also schnell wieder ins Bett und beim zweiten Versuch um 6 Uhr ist es zwar heller aber sonst nicht viel besser. Wieder ein Tag ohne Anlandungen? Verzweiflung macht sich breit. Bereits um 7 Uhr wollen wir vor Half Moon Island liegen und die dortige Kolonie der Zügelpinguine besuchen, doch draußen ist es nass und grau.
Die Wolken reichen fast hinunter bis zur Wasseroberfläche, die jedoch sehr glatt ist. Als tatsächlich der Startschuss für die Anlandung gegeben wird, machen wir uns auf eine Regenschlacht gefasst. Zum Glück sind wir erst als dritte Gruppe an der Reihe und haben so die Gelegenheit, uns alles genau anzusehen. Der Nebel wird immer dichter, es ist grau und ungemütlich. Wir packen alles wie geplant und dann geht es los. Im Grand Salon werden noch einmal unsere Jacken abgesaugt und dann steigen wir ins Zodiac. Das war einfach. Auch die Fahrt und die Anlandung sind sehr sanft. An Land werden wir bereits vom Expeditionsteam und den ersten Zügel-Pinguinen begrüßt.
Uns wird gesagt, wo wir hindürfen und wohin nicht und dass wir ca. eine Stunde Zeit haben. Nach einigen Minuten wird es trockener von oben und wir können uns die Pinguine, ihre Jungen, Robben und einen Seebären in der Entfernung in aller Ruhe ansehen. Der Nebel lichtet sich etwas und wir können einige rote Hütten in der Entfernung erkennen. Ansonsten konzentrieren wir uns vollkommen auf die kleinen Gesellen, die mutig zwischen uns hindurch laufen. Ihre Jungen sind schon recht groß, werden jedoch immer noch gefüttert.
Die Stunde vergeht wie im Fluge und zurück an der Anlandestelle müssen auch hier noch ein paar Pinguine geknipst werden. Zwischen all den Zügel-Pinguinen steht ein einzelner Esels-Pinguin. Ob er ein Identitätsproblem hat???
Nach der Rückkehr zum Schiff und der damit verbundenen Reinigungsprozedur der Gummistiefel können wir beobachten, wie sich die Szenerie vollkommen verändert hat. Der Nebel hat sich gehoben und vor uns liegt nun eine grandiose Kulisse aus Gletschern und Bergen. Davor recht klein Half Moon Bay, wo immer noch die Passagiere umher spazieren. Die Gletscher reichen, soweit das Auge sehen kann, heute Morgen war uns dieser Anblick verwehrt.
Als alle vier Landegruppen durch sind, gibt es für uns ein Mittag und die MS Delphin nimmt Kurs auf unser nächstes Ziel. Dabei macht sie Platz für die Sea Adventurer, die wohl heute Nachmittag in Half Moon Bay landen möchte.
Unser nächstes Ziel heißt Deception Island und liegt nur 40 Seemeilen weiter südlich. Draußen ist es nun wieder sehr windig geworden, regnerisch und kalt. Wir wollen in der Kabine noch etwas packen, für den Fall, dass wir wirklich in die Caldera von Deception Island einfahren, die durch die Spitze eines aktiven Vulkans gebildet wird. Der bislang letzte Ausbruch fand im Jahre 1970 statt. Bei dem Wind glauben wir noch nicht so richtig daran. Dabei werden wir so müde, dass ein kurzer Mittagsschlaf eingelegt wird.
Gegen 14.30 Uhr ertönt dann die Durchsage, das die Insel vor uns liegt und der Kapitän nun versuchen werde, durch die enge Öffnung in die mit Wasser gefüllte Caldera des Vulkans einzufahren. Draußen ist es immer noch sehr windig aber der Kapitän scheint sich hier auszukennen. Sicher steuert er die Delphin durch eine im Südosten der Insel gelegene, weniger als 400 m breite Meerenge, auch Neptuns Blasebalg genannt. Hier können Schiffe in den vom Meer überfluteten Kratersee gelangen. Gleich danach wird es ruhiger. In der Caldera befindet sich eine alte verlassene Walfangstation, Whalers Bay genannt und hier wollen wir heute Nachmittag anlanden. Geschützt von den Winden außerhalb der Caldera scheint dies möglich zu sein. Wir sind heute die zweite Gruppe und genehmigen uns noch einen Glühwein beim Warten. Das Wetter wird immer besser und sogar die Sonne kommt zeitweise zum Vorschein.
16.30 Uhr sind wir an der Reihe und gleich mit dem ersten Zodiac dürfen wir hinüber. Die Überfahrt ist wieder sehr ruhig und beim Aussteigen behalten wir trockene Füße in den nassen Gummistiefeln. Die erste Aktivität bei Sandra heißt dann auch Füße baden. Die Insel ist vulkanischen Ursprungs und der dunkle Sandstrand kann stellenweise Temperaturen von bis zu 70 Grad aufweisen. Schnell sind die Gummistiefel ausgezogen und wirklich, das Wasser ist badewannenwarm. Viel wärmer als die Fußbäder im Lago Sarmiento und im Beagle Kanal. Nach ein paar Bemerkungen vom Expeditionsteam sind die Socken und Stiefel dann wieder angezogen und wir besichtigen die Überreste der alten Siedlung. Es gibt Tanks, alte Häuser, Gräber und einen Hangar zu sehen. Alles ist sehr verfallen und inmitten dieser lebensfeindlichen Umwelt ist es wirklich das Ende der Welt. Aber die Sonne scheint und wir haben wieder einmal eine Stunde Zeit, diesen Ort aus einer längst vergangenen Zeit zu erkunden.
Zurück an Bord lassen wir bei einem Rotwein den Tag Revue passieren und warten dann hungrig auf das Abendessen, welches heute erst 19.45 Uhr serviert wird. Danach gibt es noch einen Recap, bei dem Fragen zu heute und morgen beantwortet werden.