MO, 25.05.: Kirchenburgen und Dörfer auf dem Weg nach SighisoaraIch beginne den Tag ein bisschen ratlos und unstrukturiert. Irgendwie habe ich noch so gar keinen Überblick, denn diese Reise ist im Gegensatz zu den meisten anderen gar nicht gut geplant. Zu viele Burgen, Kirchen und Klöster, die im Reiseführer erwähnt sind. Und so stelle ich erst beim Frühstück fest, dass das Draculaschloss Bran heute erst am Mittag öffnet. Das aber würde mir zu lange dauern, wenn ich heute noch in Sighisoara ankommen will.
Und so plane ich mal fix den Rest der Route: Nach dem Besuch in Sibiu komme ich am Ende der Reise einfach nochmals her, dann kann ich der Stadt noch ein bisschen Zeit widmen und die Landschaft auf der Strecke bewundern, die mir sonst entgehen würde. Und ich kann gleich mal checken, ob die als atemberaubend beschriebene Passstraße Transfagarasan eventuell doch schon vor dem 1.7. geöffnet ist.
Aber es gibt ja noch genügend anderes. So fahre ich erst einmal Richtung Süden nach Cristian (Neustadt). Hier hat die Kirchenburg geschlossen, und ich weiß nicht, wo man denn nun klingeln muss um sie sich öffnen zu lassen, wie es im Reiseführer steht.
Süden ist für heute grundsätzlich die falsche Richtung, also fahre ich wieder an Brasov vorbei und halte mich nördlich.
Die Kirchenburg in Prejmer solle man sich nicht entgehen lassen, hier sei “die Päpstin” gedreht worden, und außerdem sei es die sehenswerteste Kirchenburg. Im Prejmer hat alles noch seine Ordnung. Selbst die Störche hausen wie es sich gehört auf Schornsteinen und nicht auf Strommasten. Und wieder einmal frage ich mich, was Störche gemacht haben, als die Menschen ihnen noch keine Schornsteine und Strommasten zum Nisten hingestellt hatten...
Ich bin echt erstaunt, dass hier außer einem kostenfreien leeren Parkplatz und der Burg nichts auf mich wartet: Kein Tourirummel, keine Andenkenshops, keine Verkehrsleitsysteme. Und so schleiche ich einer Familie hinterher, setze mich in die Sonne auf die Wiese in der Burganlage und gehe wieder, als nach ein paar Minuten die nächsten Touristen kommen. Wahnsinn - Sowas in Deutschland? Da wäre aber mehr los! Um die Kirche herum sind in die dicke Burgmauer die Wohnungen eingelassen. Alles ist hübsch restauriert. Fast erleichtert bemerke ich beim Gehen eine Kindergartengruppe, die die Burg besichtigen will.
Ich habe inzwischen einen Plan: Drei Orte will ich auf dem Weg nach Sighisoara noch anfahren: Viscri (Deutsch-Weißkirch), Crit (Deutsch-Kreuz) und Saschiz (Kreisd). Und vor lauter Begeisterung über diesen Plan fahre ich kurz nach dem Start zunächst aus Versehen an Harmon (Honigberg) vorbei, dessen Kirchenburg im Reiseführer ausgiebig beschrieben wird. Die Kirche hier ist abgeschlossen. In den Gebäuden der Anlage befindet sich eine Art Heimatmuseum. Prejmer gefällt mir besser.
Unterwegs:
Viscri ist über eine auf den letzten Kilometern nicht asphaltierte Straße zu erreichen. Wieder mal ist es still bis auf das Geräusch des Windes und fernes Donnergrollen, das heute über dem Land liegt, mich jedoch nicht durch Regen aus dem Konzept bringt, sondern sich anderswo austobt.
Viscri ist ein Ort, in dem Prinz Charles ein blaues Haus besitzt, in dem man auch ein Zimmer nehmen kann, sofern er nicht da ist. Ist echt wahr!
Hier ist die Zeit stehengeblieben und zwar ein paar Jahre nachdem Georg Wagner 1863 und Richard Teutsch 1849 und einige andere (wie auch immer sie alle hießen) ihre pastellfarben gestrichenen Häuser hier erbauten und mit Inschriften über Erbauer und Datum versehen ließen. Die Straße ist nicht asphaltiert, in der Kirchenburg zwitschern die Vögel, es gibt einige wenige Cafés und ein paar Dorffrauen, die strickend an der Straße sitzen und Filzpantoffeln verkaufen. Hier begegnen einem Siebenbürger Sachsen, Rumänen und Roma zu Fuß oder im Pferdewagen, und die Strommasten und die wenigen Autos am Straßenrand wirken deplatziert. Fast meint man leise auftreten zu müssen um die Ruhe nicht zu stören.
Hier habe ich wieder mal einen Kinderbucheffekt, aber irgendwie ist klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ein geschäftstüchtiger Bauer seine Weide zum Parkplatz macht, die Filzschuhverkäuferinnen in umgebauten Häusern mit Schaufenstern Shops errichten und man sich nur noch in einem 3D-Kino in diese Filmkulisse hier versetzen lassen kann. Also auf nach Viscri, ganz schnell, denn beim Verlassen des Dorfes begegnet mir schon ein Touristenbus, lange wird es also nicht mehr dauern!
Und schon verlasse ich dieses Dorf wieder, in dem ich gerne einige Monate bleiben würde, sollte ich mal meine Memoiren oder einen Thriller schreiben wollen.
Crit ist noch kleiner und hat auch eine Kirchenburg. Und weil es nun gerade mal ausgeschildert ist, mache ich noch einen Abstecher nach Meschendorf, das auch eine Kirchenburg hat. Man darf überall rein, und wenn zu ist, ruft man den Bewahrer des Schlüssels an, und der schließt einem auf. Das mache ich zwar nicht, aber ich bin schwer beeindruckt, beeindruckt von der Niedlichkeit, der Beschaulichkeit, den altmodischen Szenen, dem kulturellen Erbe, das in Deutschland kaum jemand kennt. LIebes Rumänien, bewahre dir diese Atmosphäre solange es geht, sie ist dein Kapital!
Saschiz ist schon wieder etwas pompöser und hat auch eine Kirchenburg, und nach dem Aha-Effekt in Viscri bin ich nun auch schon etwas übersättigt.
Mein planloser Tag geht dem Ende zu, als ich Sighisoara (Schässburg) erreiche und mein Zimmer in der "Villa Franca" beziehe. Ich erklimme aber noch die Burg und mache “Notfotos”, denn wer weiß, wie morgen das Wetter ist. Die bekommt ihr aber erst morgen zu sehen...
Irgendwie war es dann doch viel heute, sodass ich etwas erschöpft ins erstbeste Lokal in der Unterstadt einfalle. So langsam schwant mir, dass Essen in Rumänien nicht immer bedeutet, dass man es mit phantasievoller Küche zu tun hat, aber ich habe Kohldampf. Und da das Lokal WIFI hat, ist später bei der Ankunft im Hotel auch der Plan für morgen schon fertig.
Lohnenswerte Sehenswürdigkeiten: Kirchenburg von Prejmer und das Dorf Viscri