Dienstag, 7.5.13Als ich heute morgen aufwache, hat sich zwar die Sintflut ausgetobt, aber es tröpfelt immer noch und die Wolken hängen tief zwischen den Bergen. Eigentlich will ich heute vormittag eine Wanderung im Skaftafell Nationalpark unternehmen, aber die Aussicht, mich vier Stunden lang von sechs Grad kaltem Regen durchnässen zu lassen, treibt mich nicht gerade freudig aus dem Bett. Ich überlege hin und her und beschließe dann, den Skaftafell Nationalpark ausfallen zu lassen und statt dessen gemütlich mit vielen Fotostopps die etwa 350 km zurück nach Reykjavik zu fahren. Das einzige Ziel, das ich heute auf jeden Fall besuchen will, ist der Seljalandsfoss, aber dort will ich sowieso erst nachmittags ankommen, wenn die Sonne nicht mehr hinter dem Foss steht, also habe ich viel Zeit und mache mich schließlich langsam auf den Weg.
Der erste spontane Stopp führt mich zum Svinafelljökull, einem Gletscher ganz in der Nähe. Während ich die kurze Strecke vom Parkplatz zum Gletscher gehe, hört es zum Glück auf zu regnen und die Wolken lichten sich ein wenig. Auf dem Weg zum Gletscher ist eine Gedenktafel für zwei Deutsche angebracht, die hier vor einigen Jahren verschwunden sind. Nachdenklich gehe ich weiter. Hier in Island gibt es selten Verbotsschilder oder Absperrungen, und ab und zu kann man an dem niedergetrampelten Gras sehen, wie weit sich die Leute an ungesicherte Abbruchkanten wagen. Ob das noch lange so bleiben wird? Angeblich stürzen schon jetzt jedes Jahr Menschen auf der Suche nach dem besseren Blick und dem besseren Fotostandort über irgendwelche Klippen in den Tod.
Ich bewege mich also vorsichtig und mit etwas Abstand an der Kante vorbei und schaue hinunter auf den Gletscher, an dem sich ebenfalls eine kleine Lagune gebildet hat. Das Eis ist von Ascheschichten durchzogen, wahrscheinlich hat dazu auch der Eyjafjallajökull einen großen Teil beigetragen.
Auf dem Weg zurück zum Auto fallen mir zum ersten mal die Moose, Flechten und kleinen Blüten auf, die sich auf dem steinigen Untergrund behaupten.
Anschließend fahre ich weiter und biege probehalber doch zum Parkplatz am Skaftafell Nationalpark ab und schaue in meine Unterlagen. Den Weg zum Svartifoss und zurück könnte ich vermutlich in zwei Stunden bewältigen, und ich überlege gerade, ob ich diese Wanderung machen soll, als es wieder anfängt zu regnen. Ich nehme es einfach mal als Wink des Himmels, steige wieder ins Auto und fahre weiter.
Auf der Weiterfahrt wechselt das Wetter fast alle paar Kilometer. Meist ist es bedeckt, ab und zu kommt die Sonne heraus, manchmal gibt es heftige Regenschauer. Ich folge der Ringstraße Richtung Westen, halte ab und zu an und fotografiere Felsen und Wasserfälle. Auch die "normale" Landschaft links und rechts der Straße ist sehenswert, da braucht es eigentlich keinen Svartifoss zum Glücklichsein.
Als ich schließlich wieder Vik erreiche, scheint sich die Sonne durchzusetzen und ich hoffe, dass ich später am Seljalandsfoss Glück haben werde.
Weil es erst Mittag ist, vertreibe ich mir die Weiterfahrt wieder mit kurzen und ausgedehnteren Fotostopps: Erst kommen mir die vierbeinigen wolligen Bewohner Islands vor die Linse.
Wer - wie ich - immer dachte, dass so ein Schaf mit einem einzigen Lamm schon ausreichend ausgelastet ist, der hat die vielen Zwillinge und sogar Drillinge auf dieser Weide nicht gesehen. Die Drillingsmütter wirken allerdings irgendwie gestresst.
Auf der Weiterfahrt habe ich dann den Eindruck, genau auf der Grenze zwischen gutem und schlechtem Wetter unterwegs zu sein.
Die nächsten Vierbeine, für die ich anhalte, vertreiben sich die Zeit fressend und dösend auf einer großen Weide. Ja, ich weiß, eigentlich sollte man nicht einfach so auf fremden Weiden herumlaufen, aber wenn in die Weide hinein eine Straße führt und diese Straße nur mit einem Viehrost "gesichert" ist, dann ist es ja quasi öffentlicher Verkehrsraum.
Ich spaziere also auf die Weide - und bin im Pferdeparadies. Islandpferde in allen Farben!
Viele liegen entspannt im Gras und schlafen - wenn auch manchmal mit einer ordentlichen Ladung Pferdeäpfeln direkt vor den Nüstern.
Mein Lieblingsbild ist allerdings dieses hier:
Ich kann mich kaum von den hübschen Isis trennen, aber ich kann mich ja auch nicht den Rest des Tages auf dieser Weide herumdrücken. Also geht die Fahrt weiter. Als ich schließlich den Seljalandsfoss erreiche, ist die Sonne gerade um den Wasserfall „herumgekommen“. Netterweise kämpft sie sich ab und zu zwischen dicken Wolken hindurch, während ich den Wasserfall umrunde. Man kann nämlich hinter dem Seljalandsfoss vorbeigehen, allerdings wird die Regen- und Fotoausrüstung dabei auf eine harte Probe gestellt:
Während ich am Foss bin, stoppen Massen von kleinen und großen Tourbussen, spucken Menschen aus, saugen sie wieder auf und fahren weiter. So ein Betrieb, dabei hat die Urlaubssaison in Island eigentlich noch gar nicht richtig angefangen. Ich bin nicht zum ersten mal froh, dass ich mit dem Mietauto unterwegs bin und mir einfach die Zeit nehmen kann, die ich will, statt überall nur für eine Viertelstunde aus dem Bus zu hüpfen. Als ich nochmal ein Stück um den Foss herumgehe, sehe ich plötzlich einen Regenbogen in der Gischt:
Spätestens jetzt steht fest, dass der Seljalandsfoss mein Lieblings-Foss ist, auch wenn die Haare nass sind und die Kamera erst mühsam wieder mit dem Handtuch getrocknet werden muss. Ein weiterer Foss, der in einer Felsspalte versteckt liegt, wartet dagegen vergeblich auf meinen Besuch, denn kaum habe ich meine Kamera halbwegs trocken, fängt es wieder an zu regnen. Ich fahre also weiter, und weil ich so langsam wieder einen Riesenhunger bekomme, springe ich trotz eines Gewitterschauers bei Hella aus dem Auto und bekomme hier endlich einen Cheeseburger mit Pommes Frites serviert.
Von hier aus sind es keine eineinhalb Stunden mehr bis Reykjavik, und ich halte unterwegs noch in Hveragerdi an, um eine mögliche Wanderung für morgen auszukundschaften, denn ich habe zwar vorgestern für morgen einen Ausflug gebucht, weiß aber noch nicht, ob er stattfinden wird. Am frühen Abend erreiche ich schließlich wieder Reykjavik, wo ich einer ziemlich irritierten Hotelangestellten erkläre, dass ich zwar mit Koffer anreise, aber nicht einchecke, weil ich schon ein Zimmer habe. Im Zimmer wartet im Kühlschrank dankenswerterweise auch noch die Flasche Bier, die ich am Samstagabend kaltgestellt habe. Endlich dürfen die dreckigen Wanderklamotten im Koffer verschwinden, und ich hüpfe unter die Dusche und begutachte anschließend meine Wunden. Die Knie sind schorfig und blau verfärbt, außerdem habe ich einen riesigen Bluterguss am rechten Oberarm, wo ich bei der Traktorfahrt an einer rumpligen Stelle gegen eine Kante geknallt bin. Trotzdem bin ich mit meinem Ausflug sehr zufrieden, und den Skaftafell Nationalpark kann ich ja bei der nächsten Islandreise nachholen.
Als ich mich meine E-mails abrufe, stellt sich heraus, dass meine Tourbuchung für morgen bestätigt wurde. Also geht es zum Abschluss nochmal nach Thingvellir, aber diesmal will ich mir das ganze aus einer etwas anderen Perspektive anschauen.
Gute Nacht!