Fehlt mir richtig: der immer gleiche, aber doch bei jedem Wetter und jeder Tages-
und Nachtzeit wieder andere Blick aus dem Fenster des Stillwell-HotelsAuch das bunte und etwas anarchische Treiben auf dem Broadway vermisse ich.
München ist immer so furchtbar aufgeräumt.Dienstag, 29. Januar 2008: wieder zuhause. Ein kleines Fazit Back home... komisch, komisch. Mal abgesehen davon, dass ich mich angesichts des kalten Münchner Schmuddelwetters nach dem „schlechten“ Wetter in LA zurücksehne, fühle ich mich hier erstmal richtig fremd. Ein Blick in die Tiefkühltruhe beruhigt mich insofern, als ich heute nicht das Haus verlassen muss. Ich packe lustlos die Koffer aus, lege einen Berg Wäsche für den überfälligen Gang in den Waschsalon zurecht, öffne gaaaanz vorsichtig meine Bankauszüge, lösche 98% der (tatsächlich!) 1864 Mails, von denen die meisten Reichtum und ungeahnte Potenz versprechen, melde mich bei ein paar Freunden zurück, schaue über die Kontaktbögen mit den rund 750 Bildern und denke über LA nach.
Dass ich diese Stadt sehr mag, steht außer Frage. Dass sie zu den wenigen Städten gehört, in denen für eine Weile oder gar für immer zu leben, ich mir gut vorstellen könnte, ist auch klar. Aber was sage ich Menschen, die mich fragen, ob LA eine Reise wert ist?
LA ist keine bequeme Geliebte. Wäre ja auch langweilig.
LA ist widerspenstig und ein bisschen spröde.
LA ist nicht hübsch, wohl aber an vielen Stellen wunderschön.
LA ist ungemein lebendig, kann aber auch ganz schön hektisch sein.
LA scheint mir (anders als z.B. San Francisco) wirklich amerikanisch.
LA ist einerseits unglaublich groß, andererseits ist aber jedes seiner Teilstücke fast kleinstädtisch.
Denn LA ist eigentlich gar keine Stadt, sondern ein Nebeneinander vieler Städte, von denen ich im Grunde nur Hollywood, Beverly Hills und vielleicht noch Santa Monica und Venice ein bisschen zu kennen glaube. Wirklich gut kennen gelernt habe ich Downtown. Und das ist auch der Teil, der mich von dem LA, das ich kenne, am meisten fasziniert.
Würde mich jemand frage, was man sich in Downtown an einem Besuchstag ansehen soll, so wäre ich im Grunde schon überfragt, denn nichts von dem, was gemeinhin als Sehenswürdigkeit gilt, macht den wirklichen Reiz der Stadt aus. Was erzählen das alte Adobe-Haus, Angel’s Flight, die Walt Disney Music Hall oder das LA Museum of Contemporary Arts über die Stadt? Nichts.
Downtown (und vermutlich ganz LA) will erkundet, erobert werden, will, dass sich der Besucher Zeit nimmt.
Ein Tipp für einen Tag in Downtown LA könnte so aussehen: Komm im April oder Mai, wenn LA warm, aber noch nicht heiß und von Touristen überlaufen ist. Miete Dich in einem der 100 Jahre alten Hotels in Downtown ein, dann kannst Du Deinen Wagen den ganzen Tag auf einem der vielen Parkplätze stehen lassen und LA zu Fuß erkunden, wenn Du halbwegs gerne läufst. Im Biltmore oder im Standard beispielsweise (was eigentlich schon wieder fast zu schick ist) oder auch in „meinem“ Stillwell, wenn Du nicht viel ausgeben willst.
Laufe früh morgens den Broadway hoch, alles ist noch geschlossen. Achte auf die vielen, alten, wunderschönen Fassaden und auf die Reste der alten Kinopaläste aus der großen Zeit des Kinos. Guck immer wieder nach oben! Gehe bis zum alten Herz der Stadt, vorbei an der Union Station, der alten Mission, der City Hall und frühstücke in aller Ruhe bei Phillipe, trinke zwei, drei Tassen von dem 9-Cent-Kaffee. Bummele dann im Zickzack zurück ins Zentrum, langsam erwacht dort jetzt das geschäftige Treiben.
Mache einen Abstecher in den Fashion District, in die Santee Alley und in den Jewellery District. Lass Dir Zeit! Gegen Mittag geh zum Grand Central Market, lauf durch die Halle, kauf Dir an einem der Stände einen Lunch, den Du in dem kleinen Gärtchen auf der Rückseite des Marktes in der Sonne isst. Hier hast Du auch einen Blick auf Angel’s Flight vor der imposanten Kulisse der modernen, gläsernen Hochhäuser. Wenn Du Glück hast, spielt eine mexikanische Kapelle prima schräge und laute Mariachi-Musik.
Geh in die Central Library, vielleicht läuft da gerade eine gute Ausstellung, sonst schau Dir den schönen Bau an, danach kannst Du noch die Grand Ave hochlaufen und einen Blick auf die Walt Disney Concert Hall werfen. Lass Dich einfach durch die Straßen treiben, trink vielleicht einen Coffee Latte in „meinem“ LA Cafe. Gegen Abend laufe die First bis zur Central, dann bist Du in Little Tokyo. Such Dir auf der Japanese Village Plaza oder den umgebenden Straßen ein nettes Restaurant. Danach läufst Du zurück zum Broadway und trinkst einen guten Cocktail in der wunderbaren Broadway Bar, dann vielleicht noch einen zweiten in der Rooftop-Bar des Standard Hotels. Oder im Seven Grand. Oder im Golden Gopher.
Wieder im Hotel werden Dir die Füße brennen, Du wirst erschöpft sein und ein bisschen aufgedreht. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder Du weißt überhaupt nicht, was ich an Downtown LA so toll finde. Oder Du bist „hooked“ und willst länger bleiben.
Dann komm wieder.
Ich werde es tun. Die Frage des Tages ist nur: wann?