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Autor Thema: 4 Wochen Los Angeles (inklusive einem kleinen Southwest-Ausflug) im Januar 2008  (Gelesen 35657 mal)

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NickMUC

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@ Susan: Pardon, pardon... nein, nix Fasching. Aber manchmal verdirbt einem die Arbeit den halben Tag ;-)
Aber weiter geht's:

Dienstag, 8. Januar 2008



Soll ja auch mal gezeigt werden: der kleine Mustang auf seiner Weide beim Motel

Auch wenn es dramaturgisch etwas mau ist: der Dienstag startet wieder einmal mit einem Frühstück. Da man nicht jeden Tag Oat Meal mit Rosinen essen kann, gibt es diesmal Oat Meal mit Rosinen und Nüssen, sehr fein kredenzt im eigentlich klassischen, aber doch deutlich alternativ eingefärbten, Brite Spot Diner (1918 Sunset Blvd) im Bezirk Echo Park. Ganz nahe an Downtown und doch ganz anders: nach dem Frühstück cruise ich ein wenig durch das Viertel, in dem sich übrigens auch das Dodger’s Stadium findet. Vor allem aber finden sich schmale, gewundene Sträßchen, die in steilen Kehren bergauf und bergab führen und an denen hübsche kleine Häuser liegen, die von Bäumen, Sträuchern, Blumen und Kakteen wild eingewachsen sind. Das erinnert ganz stark an das Hinterland der Cote d’Azur und hat ungemein viel Charme. Schönes Viertel, in dem auch eine entspannte Nachbarschaft zuhause scheint: eine bunte Mischung, viele junge, etwas „alternativ“ (gibt’s das überhaupt noch?) angehauchte Leute, nette Läden und Cafés. Prima!

Eigentlich will ich im Dodger-Stadion ein paar Bilder machen, aber ich bin wieder mal zu früh unterwegs, der Zugang ist erst ab 10.00 Uhr möglich. Also noch das Stückchen bis Downtown, um das schöne Licht zu nutzen. In einer schmalen, von Maschendrahtzäunen umgebenen Sackgasse, von der aus sich ein guter Schuss auf die Skyline ergibt, komme ich mit einem Mann ins Gespräch, der mir samt seiner Begleiterin schon aufgefallen war, und erzähle ihm von meinem fotografischen Projekt „Downtown LA“. Er ist eigentlich aus East LA, arbeitet aber jetzt Downtown und erwähnt, dass er hier noch vor 10 Jahren nicht freiwillig aus dem Bus gestiegen wäre (too dangerous, too much crime, just scary...) und wie sehr sich das Viertel gewandelt habe. Im Guten (weil man sich jetzt frei bewegen kann) wie im schlechten (weil alles immer teurer wird). In dem Zusammenhang erzählt er auch von der Frau, die ihn begleitet und die einen Einkaufswagen mit Plastikflaschen vor sich her schiebt. „She’s a wonderful person. And she is homeless since a couple of years.“  Er sei mit ihr befreundet und helfe ihr von Zeit zu Zeit beim Flaschen sammeln. Das Gespräch, zu dem sich inzwischen auch die Frau gesellt hat, ist völlig selbstverständlich und irgendwas bremst meinen ersten Impuls, einen Zehner aus der Tasche zu ziehen und ihr zuzustecken. Vermutlich hätte sie ihn gut brauchen können, aber ich hätte mich dabei blöde und gönnerhaft gefühlt. Ich bin sicher, ich werden beide noch mal treffen – vielleicht ergibt sich dann die Gelegenheit, sie auf einen Lunch einzuladen.



Ein leider vertrautes Bild: Obdachloser mit seiner Habe

Nun... ähhh: Noon! Zeit, die entwickelten Filme aus dem Labor zu holen. Termingerecht fertig sind sie, ich lasse gleich die nächsten sechs Rollen da, löhne 180 Dollar und hocke mich mit den Kontaktbögen, einem Zigarillo und einem Espresso in mein Melrose-Café, um die Bilder zu sichten. Alle einen Tacken zu hell (aber das ist nicht schlimm), alle soweit OK... ob das Material wirklich was taugt, weiss ich erst, wenn ich es gescannt, bearbeitet und geprintet habe. Das geht mir leider immer so. Jedenfalls habe ich das Gefühl, ich muss noch fleissig weiter fotografieren, um das Thema wenigstens bruchstückhaft abgehandelt zu haben.

Mittlerweile hat es sich leider wieder zugezogen, kein gutes Licht mehr zum knipsen. Also realisiere ich meinen Plan vom Sonntag und düse die Fairfax hoch zum Farmer’s Market (Fairfax, Ecke 3rd St). Der Rummel rings um den eigentlichen Markt erinnert mittlerweile an die Fußgängerzone einer beliebigen deutschen Großstadt: nur Filialen von irgendwelchen Modefuzzis (GAP, A&F, Banana Rep., Tommy Bahama etc, etc.) und dazu die passenden „Edel-Junk“-Buden à la Starbucks. Eigentlich ziemlich doof, aber ich komme mit einem neuen Sweatshirt von Abercrombie aus dem Laden (einem Hörsturz entgehe ich nur knapp; die drehen vielleicht die Mucke auf!). Außerdem kaufe ich meinen 2008er-Kalender beim ebenfalls dort angesiedelten Barnes & Noble – die Tradition, jeweils auf der Jahresanfangsreise den Terminplaner für’s neue Jahr zu kaufen, halte ich jetzt schon ein Weilchen durch. Noch eine CD zum im Auto vergessen findet sich ebenfalls bei B&N. Auf dem „richtigen“ Farmer’s Market, dessen buntes Treiben ich sehr mag, bummele ich durch die Gänge, bis mir der verführerische Duft von mit Käse überbackenen Nachos in die Nase steigt: Hunger siegt über Disziplin. Gott sei Dank ordere ich auf Nachfrage „small“... ich möchte nicht darüber nachdenken, wie die große Portion aussieht. Ich kaue noch, als mich eine SMS meiner ernährungsberatenden Geliebten erreicht... Mist, erwischt. Ich rufe trotzdem an und beichte...



Noch ein paar Wochen Nachos essen, dann sehe ich etwa so aus...



Das musste ich natürlich knipsen: vielleicht ja eine Idee für den Verdienst des
Lebensunterhalts bei einer Übersiedlung. Kaffeee kochen kann ich...


Ein Stünderl cruise ich noch ziellos durch den District, dann lande ich wieder mal auf der Melrose, trinke einen Kaffee, rauche eine von den faden Ami-Zigarren, gucke dem Verkehr zu, wundere mich über die vielen Toyota Prius und schaffe es dann punktgenau, mich zum Beginn der Rush Hour auf den Heimweg zu machen. Da ich ja prinzipiell die Freeways meide, ist das allerdings halb so wild. Und wenn man mal steht, hat man wenigstens was zu gucken. Unterwegs sehe ich z.B. einen riesigen und gut sortierten Goodwill Store, in dem ein wunderbares Karohemd von Abercrombie&Fitch auf mich wartet. Für 4,94 $ will ich es nicht länger warten lassen.

In Anbetracht der Nachos lasse ich das Dinner wieder mal sausen und beschäftige mich im Motel mit meinen Fotos, mit den Tagesnotizen, mit dem Plan für morgen...

Die Frage des Tages: wer ist eigentlich für den Entwurf des Prius verantwortlich? Hat man denjenigen dafür schon zur Rechenschaft gezogen? Und was wollte er eigentlich entwerfen? Einen Unterlegkeil?
Grüße,
Nick
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lippifax

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Ich oute mich jetzt auch mal als stiller Mitfahrer, der anhand des Berichtes vermutlich in LA das ein oder andere Diner bei unserer diesjährigen Reise ansteuern wird.

Überaus interessant geschriebener Bericht, der die andere Seite von LA beleuchtet.

lg Manuel

Susan26

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@ Susan: Pardon, pardon... nein, nix Fasching. Aber manchmal verdirbt einem die Arbeit den halben Tag ;-)

 :lol: Ich kenn das ... genau darum warte ich ja immer so auf die neuen Reiseberichte (man braucht ja auch mal ne Abwechslung  :wink: )
Hach, mir gehts schon wieder viel besser ... jetzt, wo ich lesen konnte  :D

Susan
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NickMUC

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@ Manuel: Thanx! Hoffe, der eine oder andere Tipp springt dabei raus.
@ Susan: welcome back, morgen versuche ich pünktlich zu liefern ;-)

@ Mods: können wir nicht mal langsam die Grinsrüben von ihren Weihnachtsmützchen befreien? :-)
Grüße,
Nick
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Susan26

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@ Mods: können wir nicht mal langsam die Grinsrüben von ihren Weihnachtsmützchen befreien? :-)

 :lol: Ich glaube das Ewig-Weihnachten-Smilie-Zeugs liegt an deinem PC ... lösch mal die Cookies, dann müssten die Mützchen weg sein (okay, bin mir nicht sicher, ob es die Cookies sind, aber irgendwas muss gelöscht werden, damits wieder "normal" wird  :wink:)
Bei mir haben deine Smilies keine Mützen mehr  :lol:

Susan
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NickMUC

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wow... danke Dir.
Hat funktioniert.
Mit nachweihnachtlichen Grüßen...
Grüße,
Nick
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NickMUC

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Mittwoch, 9. Januar 2008

Das obligatorische Oat Meal samt Kaffee nehme ich heute in einer der authentischsten alten LA-Locations: Phillipe The Original (1001 N Alameda St), einem Diner, der 1908 eröffnet und seitdem wohl nur sehr vorsichtig modernisiert wurde. Ganz und gar ungewöhnlich für Amerika ist die Tatsache, dass es bei Phillipe keine Nischen oder kleine Tische gibt, sondern überwiegend schmale, sehr lange Tafeln, an denen jeweils rund 20 Leute gleichzeitig Platz nehmen können, eine Anordnung, die fast zwangsläufig zur Kommunikation mit Fremden führt. Der Boden ist (man kennt das aus Spanien) fingerdick mit Sägespänen bestreut, das Essen holt man sich an einer langen Alu-Theke, z.B. Oatmeal &  Kaffe für: 1,85 !! Ein netter Start in den relativ sonnigen, aber ziemlich kühlen Tag.



Phillipe The Original: back to the 30ies

Dass Rauchen nicht gesund ist, merke ich heute leider deutlich: durch das permanente Rumlungern zu Rauchzwecken in Straßencafés (ohne Straßencafé-taugliche Temperaturen) hat mir einen flotten Schnuppen beschert. Passt mir gar nicht. Leise vor mich hin fiebernd latsche ich trotzdem wieder durch Downtown, nachdem ich den Mustang auf der Spring St. einem 5-Dollar-Flatrate-Parking anvertraut habe. So langsam habe ich das Gefühl, mich hier halbwegs auszukennen. Außerdem habe ich ein Gedicht geschrieben: Blumen der Hoffnung / Große Oliven auf dem Hügel / Der Broadway im Frühling / Mein Los Angeles. OK, unter literarischem Aspekt vielleicht suboptimal, aber es hilft mir, mir die Reihenfolge der wichtigsten Straßen zu merken: Flower (Blumen) / Hope (Hoffnung) / Grand (Groß) / Olive (Oliven) / Hill (Hügel) / Broadway / Spring (Frühling) / Main (mein) / Los Angeles. Die Reihenfolge der Querstraßen, 1st bis 9nth, kriege ich ganz ohne Eselsbrücken hin.



Falls mal das Gedächtnis versagt, helfen die großzügig über die Stadt verstreuten kleinen Pläne weiter

Da es am frühen Nachmittag leider wieder zuzieht, beschließe ich – nach einem schnellen Kaffee samt Zigarillo im LA Cafe –, der örtlichen Library einen Besuch abzustatten. Nicht nur, weil sie architektonisch sehr sehenswert sein soll, sondern auch, um mal rasch per Internet eine Buchung für das 29 Palms Inn für die kommende Woche zu tätigen. Wird dann aber leider nix, da rund um die Bücherei ein Wochenmarkt stattfindet, der sämtliche umliegenden Parkplätze mit Beschlag belegt.

OK, dann halt den Wilshire wieder runter, da habe ich irgendwo ein Internet-Café gesehen. Und richtig: für 2 Bucks kann ich ein bisserl surfen – nur das 29 Palms Inn zu buchen, gelingt mir nicht, weil die die Buchung nur per Mail bestätigen können. Abär isch abe doch gar keine Mailzugang.... Mist, das. Ein paar Meter weiter ist ein US-Post Office, wo ich endlich das aus Deutschland mitgebrachte Buch los werde, das ich einem Freund in El Paso schicken will (der Wahnsinnige sammelt Wohnwagen und ich habe ein Buch über deutsche Wohnwagen der 50er und 60er Jahre für ihn entdeckt). Es bildet sich eine veritable Schlange hinter mir, weil ich partout nicht einsehen will, dass das Shipping über 20 Dollar kosten soll. Irgendwann richtet dann die Postlady ihren Blick auf die Adresse, stellt fest, dass das Paket ja gar nicht nach Germany gehen soll (was ich auch nie gesagt habe), reduziert den Preis mal rasch auf 2,89 (Media Shipment) und alle sind glücklich – vor allem die Wartenden.

Den Nachmittag schlage ich mit Cruising tot, stoppe zwischendurch an einem dieser gigantischen Drogen-Supermärkte und kaufe mir das Schnupfenmittel mit der längsten Liste an Warnhinweisen. Wenn das nicht hilft...? Vorsichtshalber nehme ich auch noch eine Box Kleenex mit.



Manchmal kann Downtown LA richtig nach einer kleinen Westernstadt aussehen

Wieder im Motel haue ich mich 20 Minuten auf’s Ohr (aua) und starte dann noch mal nach Little Tokyo, wo es nach einem kurzen Bummel ein feines Abendessen gibt, bestehend aus einer Miso-Suppe, einem Salat, und einer Combo aus rohem Lachs und Thunfisch-Tatar, dazu Reis und einen fetten Klops Wasabi, den ich mir in die Sojasauße rühre. Und (stelle ich überrascht fest) den ersten Alkohol dieser Reise in Form eines eiskalten Kirin vom Fass. Was mich dazu bewegt, ausgerechnet in Verbindung mit der chemischen Schnupfen-Keule zum Alkohol zu greifen, weiss ich auch nicht recht. Ist aber wurscht, schmeckt gut! Adresse: Ebasu, 356 E, 2nd St. (Little Tokyo). Und der Schnupfen ist auch noch nicht sooo schlimm, dass ich auf die After-Dinner-Cigar verzichte.

Vorm Einschlafen werde ich noch das Flascherl Tylenol Cold austrinken....

Die Frage des Tages lautet: wie krank kann ein Volk sein, dass sich Ketten wie Walgreens, Rite Aid, Longs und noch ein Dutzend andere, alle paar Meilen Filialen leisten können, in der alleine das Anti-Schnupfen-Regal 8 Meter lang ist? Unfassbar....
Grüße,
Nick
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Crimson Tide

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Die Frage des Tages lautet: wie krank kann ein Volk sein, dass sich Ketten wie Walgreens, Rite Aid, Longs und noch ein Dutzend andere, alle paar Meilen Filialen leisten können, in der alleine das Anti-Schnupfen-Regal 8 Meter lang ist? Unfassbar....


... :| Das Volk ist nicht nur krank, sondern auch ziemlich "unversichert", (45 Mio. Leute!) und dann ist die preiswerte Medizin aus dem Supermarkt wahrscheinlich das Einzige, was sie haben.

Konkurrenzprodukte machen dann den Preis erträglich, denke ich! :zuck:

Ich habe mal ein Paket mit Füllmasse im Supermarkt gesehen, mit kleinem Spiegel inclusive, zum Selbstfüllen eines Zahnloches!  :zuberge:

L.G. Monika

NickMUC

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... :| Das Volk ist nicht nur krank, sondern auch ziemlich "unversichert", (45 Mio. Leute!) und dann ist die preiswerte Medizin aus dem Supermarkt wahrscheinlich das Einzige, was sie haben.

Konkurrenzprodukte machen dann den Preis erträglich, denke ich! :zuck:

Ich habe mal ein Paket mit Füllmasse im Supermarkt gesehen, mit kleinem Spiegel inclusive, zum Selbstfüllen eines Zahnloches!  :zuberge:

Da hast Du vermutlich nicht unrecht, Monika. Mir sind auch die diversen Krücken und Gehhilfen aufgefallen, die es in diesen Märkten gibt.
Und auf den Flohmärkten finden sich neben Rollstühlen auch Prothesen uns ähnliches. Und viele Leute probieren alte Brillen, um zu sehen, ob die Stärke passt.
Grüße,
Nick
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mannimanta

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  • USA Reisevirus - nicht heilbar....
Bei deinem Schreibstil hat man das Gefühl, selbst mittendrin zu sein.
Gefällt mir gut, sehr kurzweilig... :daumen:

Gruss,
Manni

NickMUC

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Freut mich, Mannii, Danke!
Um so mehr als das ja eine relativ unspektakuläre Tour war.
Grüße,
Nick
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Charles-Henry

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Wieso bei Barnes & Noble, kauf doch gleich hier im Club von Bertelsmann, wenn ich mich nicht irre, gehört denen der Laden.
Und Medizin oder Asperin und Vitamine, dass müßte man Schiffsladungsweise hier rüber bringen, um den hiesigen Pharmafirmen mal richtig auf die Schnauze zu hauen. schuldigung, aber das sind Schmarotzer der übelsten Sorte.
Nehmen wir nur mal als simmples Beispiel Asperin - hier 8-9€ für ne 10er Packung - dort bekomme ich für das Geld nach derzeitigem Umtausch Kurs nicht 100, auch keine 500, sage und schreibe 1500 Asperin.
Ja ist das denn noch normal, was auf unsere Kosten hier getrieben wird?
Aber warum in die Ferne schweifen, selbst im europäischen Umland sind wir weit und breit die Melkkühe für diese Ganoven. Sorry, aber das mußte jetzt raus.
Aber dein Bericht ist wieder mal gut zu lesen, auch um 00:50 als Bettlektüre. Danke

NickMUC

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Donnerstag, 10. Januar 2008

Den Donnerstag beginne ich – ungewohnt spät gegen 9.00 Uhr (dieses Tylenol-Zeugs hat irgendwie die Wirkung von KO-Tropfen) – in einem Diner, das dem gestrigen in Sachen Authentizität und Alter ernsthafte Konkurrenz macht: Das Original Pantry Cafe (877 S Figueroa St). Hier gibt es zwar die klassische Aufteilung mit einzeln stehenden Tischen, aber ansonsten ist auch dieser Laden irgendwann vor 60 oder mehr Jahren stehen geblieben. Das Servicepersonal besteht ausnahmslos aus älteren Herren, die mit ihren schwarzen Hosen, den weissen Hemden mit Fliege, den schwarzen Schürzen und ihren grauen Haaren aussehen, als seien sie für den nächsten Coppoloa-Mafia-Film gecastet worden. Oat Meal und Kaffee sind OK, bezahlt wird an einem vergitterten Kassenhäuschen am Ausgang, in dem vermutlich die Chefin persönlich über die Finanzen wacht. Sehr nett das Ganze!



Hier leider im Nieselregen, aber trotzdem toll: das Pantry Cafe

Nach dem Frühstück cruise ich ein wenig durch Downtown, parke kurz den Wagen an einer Parkuhr nahe einem der Hochhäuser, um von dort einen Stadtüberblick zu fotografieren und komme da oben mit einem Anwalt ins Gespräch, der mich darauf hinweist, dass auf dem rechten T des AT&T-Zeichens in luftiger Höhe ein Falke nistet. Tatsächlich hockt da ein Vogel, der für eine der allgegenwärtigen Stadttauben entschieden zu groß ist. Uns tatsächlich trauen sich alle anderen Vögel, wie der Mann erzählt, auch dann nicht aus den Bäumen, als er seine Frühstückssemmel großzügig zerbröselt und über den Platz verteilt. Kluge Vögel! Außerdem bekomme ich den Tipp, mal wirklich früh (gegen 6.00) hier oben zu sein, weil da erstens ein wunderschönes Morgenlicht sei und man zweitens die vielen Asiaten, die in dem Gebäude arbeiten, bei ihren Tai Chi-Übungen beobachten könne. Das Gespräch kostet mich zwanzig Minuten, 5 Minuten mehr, als meine Parkuhr zugelassen hätte und somit weitere 40 Bucks... kruzifix... die Parküberwachung klappt aber wirklich wie am Schnürchen in LA.



Gar manches fesche Maß-Leibchen ließe sich downtown für kleines Geld schneidern,
aber ich bin ja mehr der Jeans- und Chino-Träger


Zähneknirschend beschließe ich, beide Tickets gleich zu zahlen, die zuständige Stelle ist in der Nähe (in der 2nd St). Direkt davor parke ich an einer Parkuhr, die ich besonders großzügig füttere. Originellerweise akzeptiert die Behörde nur Cash, und das in einem Land, in dem man jeden Kaugummi mit der Credit Card bezahlen kann. Adieu, ihr 80 Dollar!

Mittags düse ich wieder auf den Wilshire zu meinem Labor. Dort herrscht leise Panik, man kann meine Filme nicht finden. Gestern waren sie doch noch..., wo können sie denn... Gott, wie peinlich! Der Einzige, der entspannt ist, bin ich. Ich schlage vor, dass ich jetzt einen kleinen Lunch nehme und danach wieder komme. Erleichterung beim Personal, das nette Mädel am Counter lächelt und fragt „You’re from Europe, right?“ Scheint, als würde ein amerikanischer Fotograf solchen Pannen weniger gelassen nehmen.

Lunch gibt es bei Johnny Rocket’s (7507 Melrose Ave), einem auf Route 66 gestylten Diner, der halt leider – wie die meisten Look-Alike-Ketten – nicht wirklich viel taugt. Ein paar dröge Hühnchenstücke mit einem Plastikschälchen Ranch Dressing für 7 Bucks... mau. Zurück im Labor treffe ich auf glückliche Gesichter: die Filme sind wieder da, sind entwickelt, sind kontaktet... sie waren unter einem Stapel anderer Filme verschwunden.
Mohsen, der Boss, weist mich noch darauf hin, dass das Labor umzieht und dass ich es nächstes Jahr in der La Brea Ave. finden werde. War’s da nicht schon mal? Richtig, erklärt Mohsen, das sei die alte Location, die seit Jahren in Renovierung sei. Nun, da sein Vermieter die Miete von 12.000 auf 16.000 Dollar im Monat erhöhen wolle, müsse er mit dem Umbau Gas geben. 16.000 Bucks für rund 350 qm... happig! Ich trage 94 Dollar bei, die ich für meine sechs Filme zahle.



Johnny Rocket's auf der Melrose Ave: nett anzusehen, aber leider nicht wirklich gut

Um mir mal die gewaltige Ausdehnung von LA plastisch vor Augen zu führen, beschließe ich einen Ausflug nach South Central, erstens überhaupt und zweitens, um mir die Watts Towers anzusehen. South Central war noch vor einigen Jahren ein Brennpunkt, den zu durchfahren einem Weißbrot wie mir nicht wirklich zu empfehlen war. Die Chancen, die verirrte Kugel eines Drive-By-Shootings abzukriegen, war zumindest größer als die auf einen Sechser im Lotto... vermutlich sogar größer als die auf einen Vierer. Das ist mittlerweile Geschichte. Zwar würde ich hier auch heute noch nichts nachts mit der Leica in der Hand spazieren gehen, aber tagsüber ist die Ecke absolut harmlos. Auch die Bevölkerungsstruktur hat sich insofern gewandelt, als sie heute zum größeren Teil nicht mehr schwarz, sondern hispanisch ist.

Zurück zum Thema Ausdehnung: von Hollywood aus fahre ich die La Brea Ave etwa 15 km nach Süden, um dann weitere 10 km auf dem Century Blvd östlich zu fahren. Das kostet mich eine Stunde zügigen Fahrens, und doch habe ich damit nur einen Bruchteil von LA durchquert. Die Watts Towers, eine schräge architektonische Mischung, die aussieht wie eine Gemeinschaftsproduktion von Antonio Gaudi und Friedrich Hundertwasser, wurden von einem italienischen Immigranten in den zwanziger Jahren begonnen und in den 50er Jahren vollendet – 17 skurille Türme aus Stahl, Zement, Fliesen- und Spiegelscherben, der höchste rund 30 Meter hoch (und vermutlich die größte Baustruktur, die jemals von einem einzelnen Menschen geschaffen wurde). Danach verließ er die Gegend und kehrte nie mehr zurück, Land und Türme verschenkte er. Ursprünglich sollten die Türme in den 60ern abgerissen werden, aber eine Initiative von benachbarten Bürgern verhinderte das. Die Türme liegen recht versteckt in einem Wohngebiet, mit einem guten Stadtplan sind sie zu finden (107th St & Graham). Sehenswert!



Gehört zwar inhaltlich hier gar nicht her, dann aber irgendwie doch, weil es der erste Scan ist, den ich gestern
von meinen Filmen gemacht habe. 6x6 hochaufgelöst zu scannen, dauert: 20 Scans habe ich gestern bis Mitternacht im Kasten gehabt.


Über die Alameda St cruise ich zurück Richtung Stadtmitte, biege auf den Beverly Blvd und beschließe den Abend im El Coyote, einem Mexikaner, den ich in guter Erinnerung hatte. Aus, vorbei: selten habe ich so lausig gegessen. Weder die Nachos noch das Chili hatten auch nur einen Hauch von Eigengeschmack, rotzfade, lauwarme Pampe beides. Das Chili erinnerte mich stark an die Schweinefleischkonserven aus Bundeswehrbeständen, die man bei uns früher manchmal billig kaufen konnte. Die Chilis mussten wohl alle für die Deko des Lokals herhalten... Und die Margarita war pappsüss. Bähhh, richtig schlecht. Ich habe mehr als die Hälfte stehen lassen. Dafür dann 30 Dollar (inkl. Tipp und Valet Parking) war deutlich zu viel. Das hatte nicht mal mehr Imbissbuden-Niveau. (El Coyote, 7312 Beverly Blvd).

Wieder im Hotel fällt mir ein, dass ich den heutigen Gallery-Walk, zu dem mich die nette Galeristin von Art&Cigar eingeladen hatte, vergessen habe. 100 Punkte für Blödheit, Herr Hermanns! Da lege ich mich doch besser hin. Den Schnuppen auskurieren. Nacht!

Ach ja, die Frage des Tages, weil ich heute zwei Mal dran vorbeigefahren bin: man mag ja der Meinung sein, es sei ein Zeichen von Toleranz, wenn die Scientology in den USA nicht weiter unter kritischer Beobachtung steht, aber muss man denn gleich eine Straße nach deren Obergauner Ron L. Hubbard benennen? Hallo? Der Mann ist der Begründer einer der schlimmsten Psycho-Sekten der Welt.
Grüße,
Nick
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Susan26

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Hallo Nick.

ich kann mir nicht helfen, aber dein RB macht so richtig Lust auf LA - eigentlich fand ich die Stadt auch nicht so prickelnd, aber mal längere Zeit an einem Ort zu sehen, bedeutet eben auch einen ganz anderen Blick zu bekommen - Klasse!
So, und jetzt muss ich doch mal nach den Watts Towers googeln .... die ganzen Türme will ich doch mal sehen  :wink:

Susan
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Hallo Nick.

ich kann mir nicht helfen, aber dein RB macht so richtig Lust auf LA - eigentlich fand ich die Stadt auch nicht so prickelnd, aber mal längere Zeit an einem Ort zu sehen, bedeutet eben auch einen ganz anderen Blick zu bekommen - Klasse!
So, und jetzt muss ich doch mal nach den Watts Towers googeln .... die ganzen Türme will ich doch mal sehen  :wink:

Susan

Das war auch für mich eine neue Erfahrung: in einer Stadt so lange zu sein, führt dazu, dass man ganz ohne Zeitdruck seine Tage sozusagen fast wie ein "local" verbringt. Und dass man nette Kontakte bekommt, die einem beim schnellen Durchfahren natürlich entgehen.

Nachträglich ärgere ich mich ein bisschen, dass ich so wenig neben meinem eigentlichen Thema fotografiert habe, was das Bebildern meines Berichts erschwert. Und ich hätte Dir das Googeln ersparen können ;-) Aber die Towers lohnen sich.
Grüße,
Nick
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