Wer hat an der Uhr gedreht?
Ich wollte "nur kurz" den nächsten Tagesbericht zu Ende schreiben und jetzt ist es schon wieder Mitternacht. Thematisch passt das aber - wenn auch nicht beabsichtigt - sehr gut heute, denn jetzt ist Geisterstunde.
… Fortsetzung23.8. Drummond - Garnet - Helena - Canyon Ferry LakeDer Morgen war etwas frisch, aber die Sonne schaffte bald Abhilfe. Wir frühstückten, nutzten noch mal ausgiebig die Duschräume und packten dann alles wieder zusammen. Dieses ständige Auf- und Abbauen für nur eine Nacht war manchmal lästig, aber ein festes Standquartier hätte wesentlich mehr Fahrtzeiten verbraucht, und da bauten wir doch lieber 10 Minuten Zelt ab oder auf.
Zeltplatz bei DrummondAnstelle uns zu helfen vergnügten sich die Kinder mit der Jagd auf Heuschrecken. Die gab es hier in solchen Massen, dass der Zeltplatz eigentlich Grasshopper Campground heißen müsste.
Unser heutiges Ziel war Garnet. Von dieser Ghosttown hatte ich das erste Mal durch einen TV Reisebericht gehört und war fasziniert, weil es hier tatsächlich spuken sollte. Nicht nur so ein bisschen und wenig glaubhaft, nein, Garnet kann mit so vielen Geistbegegnungen aufwarten, dass andere Ghost Towns eigentlich neidisch werden müssten.
Den Zettel mit dem Ortsnamen und Notizen über die Reportage habe ich zwar nie wieder gefunden, aber das Tourist Office in West Yellowstone konnte ja glücklicherweise bei der Suche helfen.
Von Drummond führt eine Frontage Road fast parallel zur I-90 nach Westen und dieser Straße folgten wir nun ca. 10 Meilen bis Bearmouth und bogen dann nach Norden ab.
Die Straße war größtenteils “unpaved”, aber ansonsten gut zu fahren.
Weg nach GarnetWir landeten nach weiteren 10 Meilen in den Bergen auf einem Parkplatz und folgten dem Wegweiser zum Fußweg nach Garnet.
Wie ihr seht, ist Garnet nicht sehr groß, allerdings gibt es verstreut noch so einige Hütten und Häuschen, die hier nicht zu sehen sind, insgesamt sind es ca. 30 Gebäude.
Die große Cabin (Ole Dahl Cabin) mit dem grünen Dach unten im Bild kann man in der Wintersaison für ca. 25 $ pro Nacht mieten, mit etwas Glück sogar inklusive Geister Erlebnissen. Allerdings muss man ca. 10 Meilen auf Skiern oder Schneeschuhen zurücklegen, anders ist der Ort im Winter nicht zu erreichen.
Das kleinere Gebäude rechts, mit der Sitzbank neben der Tür und ebenfalls mit grünem Dach, ist ein ehemaliger Saloon, hier ist das Visitor Center untergebracht.
Das hohe Gebäude links neben dem VC ist das ehemalige Wells Hotel, links davor befindet sich der Davey’s Store und daneben (gegenüber der Dahl Cabin) ist Kelly’s Saloon.
Wir gingen zuerst ins Visitor Center, wo eine sehr nette Dame Infos über den Ort bereit hielt. Garnet wird vom BLM (Bureau of Land Management) und der von interessierten Bürgern gegründeten Garnet Preservation Association unterhalten. Auch hier hält man sich an das bewährte Prinzip des „arrested decay“, also des Konservierens des Zerfalls.
Garnet wurde 1895 gegründet. Minen für Gold, Silber und u.a. Granat (nach dem übrigens Garnet benannt wurde) gab es zwar in der Gegend schon vorher, aber erst die Entdeckung größerer Goldvorkommen in der Nancy Hanks Mine brachte den Durchbruch für eine größere Siedlung.
1898 lebten ca. 1000 Einwohner in Garnet. Es gab eine Schule, vier Läden, vier Hotels, drei Mietställe, zwei Barber Shops, einen Fleischer, einen Doktor und - wie sollte es auch anders sein - 13 Saloons. Für einen mehr oder weniger reibungslosen Arbeitsalltag sorgte die Miner’s Union, welche die Mining Companies und Minenarbeiter fest am Bändel hatte.
Obwohl die Anzahl der Saloons die Vermutung nahelegen, gehörte der Ort nie zu den wilden Vertretern seiner Zunft. Die schlimmsten Wildwest Zeiten waren wohl sowieso schon vorbei und zudem sorgte ein geregeltes Gemeinschaftsleben mit Angeboten auch für die vielen Familien für ein einigermaßen friedliches Klima.
Time Line Um 1905 waren die Vorkommen ausgebeutet und Garnets Bevölkerung schrumpfte auf ca. 150 unverzagte Seelen. 1912 zerstörte ein Feuer einen Großteil des “Businessviertels”, aber ein Wiederaufbau lohnte sich nicht. Der 1. Weltkrieg zog weitere Arbeitskräfte ab und dann kam die Große Depression. Eigentlich keine guten Voraussetzung für eine Wiederbelebung des Ortes. Trotzdem gab es ein kurzfristiges Comeback der Stadt, als 1934 der Goldpreis um das Doppelte angehoben wurde. Minen wurde wieder geöffnet und leerstehende Cabins füllten sich wieder mit Leben.
Mit dem zweiten Weltkrieg änderten sich die Voraussetzung jedoch wieder und der Abbau lohnte endgültig nicht mehr. Zudem war Dynamit für den nichtmilitärischen Bereich knapp, was die Minentätigkeit logischerweise stark beeinträchtigte.
Wir begannen unseren Rundgang in Kelly’s Saloon, einem vor 1898 gebauten False Front Building, wie es vor der Jahrhundertwende üblich war. Hier ging es früher recht zivilisiert zu, wenn auch die Unterhaltung sicher nicht auf Familien ausgerichtet war.
Heute ist der Saloon zusammen mit dem Wells Hotel das meistgenannte Gebäude, wenn es um Geister geht. Unabhängig voneinander berichten verschiedene Caretaker, die im Winter in Garnet wohnen, dass manchmal Klavierspiel und Gläserklirren aus dem Saloon zu hören ist.
Auch eine Mieterin der Dahl Cabin hatte ein einschneidendes Erlebnis mit Geistern. Sie war unterwegs zum (außen gelegenen) Toilettenhäuschen, als sie auf der Straße ein Pärchen sah. Sie wunderte sich und sprach sie an, aber niemand antwortete. Sie folgte ihnen bis zum Wells Hotel, hörte auch verschiedene Geräusche wie Gläserklingen und Musik, rannte dann aber lieber schnell zurück zur Cabin. Ehrlich gesagt, ich hätte die Geister nicht verfolgt sondern wäre froh gewesen, wenn sie mich nicht beachten.
Die Dame aus dem Visitor Center erzählte von einem der Caretaker, dass er mit seinem Hund zum Saloon ging, weil er seltsame Geräusch gehört hatte, aber dass diese abrupt stoppten, als der Hund seine Nase von außen an die Fensterscheibe stupste.
Kelly’s SaloonDiese Story steht allerdings in krassem Widerspruch zu einer anderen, aber es war ja auch nicht der gleiche Hund. Ein Kurator der Preservation Association berichtete, dass sein Hund auf einmal geradezu hysterisch bellend vom Wells Hotel weglief. Es war Fußtrappeln vom oberen Stockwerk zu hören, obwohl niemand dort war. Der Hund war danach auch nie mehr dazu zu bringen das Hotel zu betreten.
Auf alle Fälle trafen wir im Wells Hotel nur ein paar wenige weitere Touristen an, die uns aber nicht seltsam erschienen.
Hier gibt es (allerdings auf englisch) noch ein paar Stories.
Wells HotelSpeisesaalHotelkücheHotelzimmerWem ein Hotelzimmer zu teuer war, konnte im obersten Stockwerk auf dem Fußboden schlafen. Hier waren auf dem Boden mit Strichen Plätze markiert. Dort konnte man dann seine bedroll auslegen.
Davey’s StoreDer Ladenbesitzer F.A. Davey war einer der Langzeitbewohner des Ortes. Er betrieb seinen Laden, bis er 1947 starb. Das meiste Inventar wurde danach versteigert.
Store RückseiteDahl Saloon und Visitor CenterDer ehemalige Saloon wurde 1938 vom Ehepaar Dahl gebaut und betrieben. Marion Dahl lebte bis in die späten 60er Jahre in der Dahl Cabin.
Nach unserem Rundgang unterhielten wir uns noch eine Weile mit der Dame im Visitor Center und gingen dann zum Parkplatz zurück. Auf der anderen Seite des Platzes ist auch noch ein sogenannter Interpretive Trail über Minen, aber das war wenig interessant, da man kaum noch was sah.
Garnet hat uns sehr gut gefallen und obwohl ich nicht wirklich an Geister glaube, möchte ich niemals dort im Winter alleine als Caretaker leben. Diesen Job würde ich glatt ablehnen.
Wir verließen Garnet auf der anderen Zufahrtsstraße in nördlicher Richtung und fuhren über die Hw. 200 und 141 nach Helena, der Hauptstadt von Montana. Zurück in der Zivilisation frischten wir unsere Vorräte bei Safeway auf und kauften unter anderem lecker aussehendes mariniertes Steak für das zu erwartende abendliche Grillvergnügen.
Die Frage war nur, wo das stattfinden sollte. Nach ausgiebigem Studium der diversen Reiseführer, Broschüren und Campbooks entschieden wir uns, die fast letzten Tage an einem See zu verbringen, genauer gesagt dem Canyon Ferry Lake.
Dieser ist ein riesiges Wasserreservoir, das vom Missouri River aufgestaut wurde.
Hier fanden wir einen großen Campingplatz an einer Marina samt mini kleinem Strand. Aber als Abwechslung zu der Einsamkeit der letzten Tage war es ganz okay. Da Wochenende war, gab es nur noch einen Zeltplatz abseits vom Wasser, aber man sicherte uns zu, dass wir am nächsten Tag umziehen könnten.
Den Abend verbrachten wir mit Grillen und dem sicheren Wissen, dass es total warm war und erst mal auch bleiben würde. Aus den Bergen raus war es nämlich auf einmal wieder richtig Sommer.
Fortsetzung folgt …