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Nordamerika => Reiseberichte USA & Kanada => Thema gestartet von: GreyWolf am 02.06.2011, 20:15 Uhr

Titel: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 02.06.2011, 20:15 Uhr
Ein freundliches "Hello, how are you today?" an alle Leser(innen),

der ein oder andere wird mich noch kennen, weil ich vor einigen Jahren recht aktiv in diesem Forum war. Da ich nun zwei kleine Kinder habe, war es mit USA-Reisen in den letzten Jahren nicht mehr viel bei mir. Genau genommen war ich 2004 zum letzten Mal drüben.
 
Zufällig hatte ich damals ein altes Fotoalbum über eine Reise zweier Deutscher im Jahr 1924 in die USA in die Hände bekommen. Und daraus einen Reisebericht gemacht, den ich dann bei einem Forums-Treffen vorgestellt habe. Inzwischen habe ich auf meiner Homepage (http://www.alte-reiseberichte.de) fünf Berichte, bei denen ich anhand alter Reise-Fotoalben Reisen "anno dazumal" nachvollziehe. Bei drei davon hatte ich sogar das Glück, dass diese alten Fotoalben, die ich aufarbeite, eigene Reiseberichte enthielten - ich also "Originalton" bieten kann.

Ich werde nun hier die Reise eines deutschen Ehepaars - Heinz und Daniela - im Jahr 1933 in die USA nachvollziehen. Ist der Bericht hier vollständig eingestellt, nehme ich ihn dann auch auf meine Homepage.

Die Grundlage dafür bietet ein umfangreiches Fotoalbum mit vielen Fotos und interessanten Bildunterschriften. Leider enthält das Fotoalbum keinen Reisebericht. Aber mit etwas Glück habe ich zwei gedruckte Reiseberichte in die Hände bekommen, die sich in vielen Bereichen fast 1:1 neben die Fotos stellen lassen.

Der Reisebericht ist noch nicht ganz fertig, aber ich fange schon mal an, ihn einzustellen. Das setzt mich nämlich unter Druck, auch mal den Rest fertigzumachen.

Also: zurück ins Jahr 1933......

Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: captsamson am 02.06.2011, 20:49 Uhr
Das könnte interessant werden!

Wahrscheinlich steig ich dann aber erst nach unserem Urlaub Ende Juni ein, also von mir bekommst Du keinen Druck ;-)
Freu mich aber jetzt schon.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Anti am 02.06.2011, 20:58 Uhr
Von mir gibt es Druck, wenn du vor meiner Reise fertig werden willst: Abfahrt in 2 einhalb Wochen. Bin aber so oder so dabei.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kar98 am 02.06.2011, 21:27 Uhr
Hier ein aktuelles Bild des im Bericht "USA 1924" erwähnten "Hopi-Hauses":

Damals:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1924-75.jpg)

Heute:

(http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/10/Hopihouse.jpg/800px-Hopihouse.jpg)

Es wurde übrigens 1906 erbaut ;)
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: SusanW am 02.06.2011, 23:24 Uhr
Das verspricht mal wieder interessant zu werden    :D  Bin auch  dabei
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Tinerfeño am 03.06.2011, 01:33 Uhr
Habe vorhin mit Staunen den Bericht von 1924 gelesen - freue mich also auch auf mehr!!!
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kauschthaus am 03.06.2011, 08:23 Uhr

Also: zurück ins Jahr 1933......

Da reise ich gerne mit.

Wenn du mir sagst, in welche Gegend es geht, kann ich den Bericht auch gleich ins Verzeichnis eintragen.  :wink:

Viele Grüße, Petra
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Buffalo Bill am 03.06.2011, 13:50 Uhr
Bin auch dabei!  :D
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: usa2008 am 03.06.2011, 15:20 Uhr
Ich komme natürlich auch wieder mit,
1933 ist das Geburtsjahr meiner Mutter.


Gaby
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: USAflo am 03.06.2011, 18:23 Uhr
Moin!

Ich bin auch dabei!

Tschau
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 03.06.2011, 19:59 Uhr
Das Fotoalbum

Im August 1933 fährt ein deutsches Ehepaar für 2 Monate in die USA. Zu einer Rundreise im Osten des Landes. Sie kommen in New York an, fahren dann über Niagara und Detroit nach Chicago, wo sie die Weltausstellung besuchen. Von dort geht es über mehrere Zwischenstationen nach New York zurück. Aufgrund von verwandtschaftlichen Beziehungen bleiben sie noch einige Zeit in New York, bevor es dann wieder zurück ins Deutsche Reich geht.

Unsere Reisenden sind übrigens ein mittelaltes Ehepaar namens Heinz und Daniela, wahrscheinlich aus Hagen/Westfalen. Mehr wissen wir nicht. Zwar sind inzwischen im Internet die damaligen Passagierlisten der HAPAG-Schiffe einsehbar, aber dummerweise nur die ab Hamburg – und unsere Reisenden fuhren ab Cuxhaven.

Aber was haben unsere Reisenden denn nun gedacht während ihrer Reise? Das wissen wir nicht, denn im Wesentlichen enthält das Photoalbum eben nur die Fotos (von denen ich 60 online stellen werde).
Aber dennoch kann man es vermuten. Gerade Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen in Deutschland eine Vielzahl von Reiseberichten, in denen deutsche Amerikareisende ihre Erlebnisse und Eindrücke schilderten. Ganz offenbar bestand eine große Nachfrage nach solchen persönlich gefärbten Berichten über das „gelobte Land“.

Beim Erarbeiten dieses Reiseberichts fiel mir zunächst eine Reisebeschreibung in die Hände, die schon sehr gut passte. Es handelt sich um das 1934 erschienene „Aus dem Reisetagebuch eines Amerikafahrers“ des Gaggenauer Industriellen C. F. Werner.
Diese Reisebeschreibung ist aus zwei Gründen interessant. Zum einen gleicht die Reiseroute teilweise dem des Fotoalbums. Und zum anderen gibt sie einen guten Einblick in die Gedankenwelt eines durchschnittlichen Deutschen in den Anfangsjahren des 3. Reichs. Ich werde mehrfach daraus zitieren.

Als ich dann später noch einmal nach Informationen zur Weltausstellung in Chicago suchte, fand sich das Buch „Zur Weltausstellung in Chicago“ des Pfarrers Friedrich Just, der aus den nach dem I. Weltkrieg zu Polen gehörenden deutschen Gebieten stammte. Und dieses Buch ist wirklich der absolute Volltreffer. Denn Just hat genau die gleiche Reise wie Daniela und Heinz gemacht, lediglich 2 Monate früher. Und er hat darüber einen sehr schönen Reisebericht verfasst, den man in weiten Teilen 1:1 neben die Bilder im Fotoalbum stellen konnte.


Reisen in die USA in früheren Zeiten

Wie leicht haben wir es doch heute. Wenn wir in die USA wollen, buchen wir ein Ticket für ein Flugzeug, fahren zum Flughafen und kommen nur wenige Stunden später schon in der Neuen Welt an. Vielleicht nicht mit allen Koffern, die wir aufgegeben haben, aber wir sind innerhalb eines Tages locker in den USA.

Das war natürlich nicht immer so. Christoph Kolumbus brauchte bei seiner ersten Reise gut drei Monate, um sein Ziel zu erreichen (reine Fahrzeit ohne Aufenthalte für Schiffsreparaturen).

Die späteren Reisen in die neuen Kolonien – von den USA war da ja noch lange keine Rede – waren oftmals eine kaum vorstellbare Quälerei. Für diese nicht ungefährlichen Touren wurden regelmäßig miserable Schiffe eingesetzt. Dies führte bis weit ins 19. Jahrhundert in schöner Regelmäßigkeit zu Totalverlusten, also zum spurlosen Verschwinden von Schiff und Passagieren.
Doch auch wer ankam, erlebte während der Reise oft die Hölle auf Erden. Die Zustände beschrieb der württembergische Organist Gottlieb Mittelberger in seinem 1756 erschienenen Bericht mit dem bezeichnenden Namen „Reise nach Pennsylvanien im Jahr 1750 und Rückkehr nach Teutschland im Jahr 1754. Enthaltend nicht nur eine Beschreibung des Landes nach seinem gegenwärtigen Zustand, sondern auch eine ausführliche Nachricht von den unglückseligen und betrübten Umständen der meisten Teutschen, die in diesen Land gezogen sind und dahin ziehen.“
Nicht nur dass Mittelberger wegen der 36 (!) Zollkontrollen der einzelnen Staaten und Kleinstaaten 7 Wochen brauchte, um von Süddeutschland nach Rotterdam zu kommen. Sein Schiff nach Philadelphia brauchte aufgrund schlechter Wetterverhältnisse weitere geschlagene 15 Wochen, also fast 4 Monate.
Die Schiffe selbst wurden mit 400 bis 600 Passagieren voll gepackt, zuzüglich Gepäck, Proviant, Wasser und Ladung. Jeder Passagier hat eine Bettstatt von 60 cm mal 180 cm. War erstmal der eigene Proviant aufgebraucht, was oft schon binnen weniger Tage der Fall ist, blieb nur noch die miserable Bordverpflegung. Mittelberger schreibt über die Zustände im Schiff:
„Während der Fahrt entsteht in den Schiffen ein jammervolles Elend, Gestank, Dampf, Grauen, Erbrechen, mancherlei Seekrankheiten, Fieber, Ruhr, Kopfweh, Hitzen, Verstopfungen des Leibes, Geschwulsten, Scharbock, Krebs, Mundfäule und dergleichen, welches von alten und sehr scharf gesalzenen Speisen und Fleisch, auch von dem sehr schlimmen und wüsten Wasser herrühret, wodurch viele elendiglich verderben und sterben. Dazu kommen ferner der Mangel der Lebensmittel, Hunger, Durst, Frost, Hitze, Nässe, Angst, Not, Anfechtung und Wehklagen neben andern Ungemach, davon die Läuse öfters, sonderlich bei den kranken Leuten, so überhand nehmen, dass man solche am Leib abstreifen kann.“
Kinder überstanden diese Seereisen kaum. Allein auf Mittelbergers Schiff starben 32(!) Kinder.

Wer nun glücklich die Neue Welt erreichte, hatte damit aber noch lange kein gutes Leben. Denn die durch die hohen Preise der Überfahrt enstandenen Schulden mussten erst einmal abgearbeitet werden. Konkret ging das so, dass niemand das Schiff verlassen durfte, bevor er nicht seine Überfahrt bezahlt hatte. Wer kein Geld hatte – die Mehrheit der Reisenden – bezahlte die Überfahrt, in dem er sich selbst und/oder die Ehefrau und/oder die (überlebenden) Kinder in eine Art von Lohnsklaverei verkaufte. Es gab regelrechte Sklavenhändler, die auf den Schiffen so ihre Ware kauften und dann im Land weiter verkauften. Vielen so eingewanderte Deutsche wurden so auf Dauer zu Leibeigenen.

Die Zustände wurden mit der Zeit besser, insbesondere diese Lohnsklaverei wurde nach und nach zurückgedrängt.
Aber die Beschwerlichkeit der Reise blieb. Noch 1838 benötigte der deutsche Auswanderer und Schriftsteller Friedrich Gerstäcker (einer der Inspirationen für die Geschichten Karl Mays) geschlagene 62 Tage mit einem Auswandererschiff von Bremen nach New York (Gerstäcker, Reisen und Abenteuer in USA).

Zügigeres Reisen erlaubten dann die ersten Dampfschiffe, die ab der Mitte der 19. Jahrhunderts auf den Nordatlantikrouten eingesetzt wurden, sich aber erst nach und nach durchsetzten. Zu dieser Zeit wurden dann allerdings auch die Reisen deutlich angenehmer.

Die Fliegerei war natürlich lange Zeit kein ernsthafter Konkurrent. Erst Beginn des 20. Jhd. wurden die ersten erfolgreichen Motorflüge absolviert. Übrigens als erstes nicht von den amerikanischen Gebrüdern Wright, sondern von dem deutschen Karl Jatho bei Hannover (was in den USA bis heute ignoriert wird).
Nach den ersten Motorflügen über den Atlantik im Jahr 1919 (nein, das war nicht Lindbergh, auch wenn das heute alle glauben, der machte nur die erste Alleinüberquerung), rückte der Luftverkehr verstärkt in den Blickpunkt der Atlantikquerungen. Allerdings etwas anders, nämlich mit dem Zeppelin.
Mit dem 1900 entwickelten und ab 1910 in Deutschland im Linienbetrieb eingesetzten Zeppelinen kam es 1924 zur ersten Fahrt (Zeppeline fliegen nicht, sie fahren) von Deutschland in die USA. Ab 1931 kam es zu einem Liniendienst von Deutschland nach Nord- und Südamerika. Unfallfrei wurden bis 1937 auf 590 Fahrten 34.000 Passagieren transportiert. Und dies, obwohl ein Ticket für eine solche Fahrt nach heutigen Preisen locker 10.000 Euro kostete.
Am 06. Mai 1937 kam es dann zur Katastrophe von Lakehurst, als das Luftschiff „Hindenburg“ beim Anlegen in Flammen aufging und 35 der 96 Insassen ums Leben kamen. Damit endete abrupt das Zeitalter der Luftschiffe, zumal inzwischen Flugzeuge inzwischen entwickelt worden waren, die bessere Möglichkeiten versprachen. Schon Ende 1938 flog eine viermotorige Focke-Wulf Fw-200 nonstop von Berlin nach New York.
Der 2. Weltkrieg beendete erstmal auch dieses Kapitel, führte zugleich aber zu einer weiteren Verbesserung der Luftfahrzeuge.
Erste Passagierflugzeuge flogen auf der Nordatlantikroute nach dem 2. Weltkrieg.  Aber erst ab Anfang der 1970er Jahre wurde auch für den Normaltouristen das Fliegen zur Normalität.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: usa2008 am 04.06.2011, 12:19 Uhr

Vielen Dank für diese sehr interessante Einführung, super zusammengefasst.
Du hast ein tolles Hobby, das aber bestimmt auch viel Zeit kostet?!

 :respekt:                 :dankeschoen:

Gaby
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 04.06.2011, 19:35 Uhr

Vielen Dank für diese sehr interessante Einführung, super zusammengefasst.
Du hast ein tolles Hobby, das aber bestimmt auch viel Zeit kostet?!

Ja, zeitmäßig kommt da einiges zusammen. Was auch der Grund ist, warum meine Homepage so langsam wächst. Genug Fotoalben zum Einstellen hätte ich ja.

Ach ja, danke für das Vergleichsbild des Hopi-Hauses. Bis auf eine kleine Balkenkonstruktion rechts oben scheint sich nichts geändert zu haben.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Flying-N am 04.06.2011, 23:52 Uhr
 :groove: Cool - freue mich schon auf eine weitere "Zeit"-Reise von dir! Exzellent aufgearbeitetes Material lieferst du immer, danke für deine Mühe!

Nic
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 05.06.2011, 20:47 Uhr
Zunächst einmal ein Wort zu den Bildern, die ich hier einstelle:
Die Bilder sind Scans von den Originalfotos aus dem Fotoalbum. Das Fotoalbum enthält mehrere hundert Fotos, die ich natürlich nicht alle abscannen konnte. Schon deswegen habe ich mich auf Aufnahmen beschränkt, die wirklich interessantes zeigen.
Zudem sind die Originalbilder von sehr unterschiedlicher Qualität - teilweise super, teilweise schwach. Ich habe mich natürlich beim Abscannen auf die Bilder beschränkt, die so gut waren, dass man sie hier zeigen kann.


Mit der "Hamburg" nach New York

Insofern ist es ganz normal, dass unsere Reisenden ein Schiff nahmen, als sie am 10.08.1933 ab Cuxhaven in See stachen. Ihr Schiff war der HAPAG-Dampfer „Hamburg“.

Fangen wir mal damit an, zu erklären, was die HAPAG war. Die „Hamburg-Amerikanische Packetfahrt Aktiengesellschaft“ wurde 1847 von Hamburger Kaufleuten gegründet und wurde – hier führt der Name in die Irre – von Anfang an mehr als Passagierlinie, insbesondere für Auswanderer, denn als Frachtlinie betrieben.
Die HAPAG erlebte in den nächsten Jahren eine unterschiedliche Geschäftsentwicklung. Besonders hervorzuheben ist ihre Entwicklung unter Albert Ballin ab den 1890er Jahren. Ballin professionalisierte nicht nur das Auswanderergeschäft mit der Errichtung einer eigenen großräumigen Unterkunft für Auswanderer in Hamburg (der sog. Ballinstadt, heute ein Auswanderermuseum), sondern führte auch in großem Stil große Schnelldampfer für die Linie ein, die ein wirklich menschenwürdiges Reisen auch für ärmere Passagiere ermöglichte. Ganz nebenbei war die HAPAG auch der Erfinder der Kreuzfahrten, also der Schiffsreisen zum Vergnügen.

Als unsere Reisenden 1933 in See gehen, ist die HAPAG, die zum damaligen Zeitpunkt auf diversen Linien in alle Welt über 100 Schiffe betreibt, in einer schweren Krise. Die Weltwirtschaftskrise hatte die Zahl der Passagiere und die Menge der Fracht so reduziert, dass die HAPAG auf staatliche Hilfe angewiesen war. Gleichwohl erholte sich die HAPAG wieder, bis der 2. Weltkrieg sie erneut in Schwierigkeiten brachte. Heute besteht das Unternehmen, inzwischen mit der Fa. Lloyd zu Hapag Lloyd fusioniert und zur TUI-Gruppe gehörig, weiter fort und ist auf den Gebieten Reisebüros, Kreuzfahrten und Flugtourismus tätig.

Die „Hamburg“ (eigentlich „Hamburg II“, da es vorher schon einmal eine erste „Hamburg“ der Linie gegeben hatte), war 1925 von der bekannten Werft Blohm & Voss ausgeliefert wurde. Mit 21.455 Bruttoregistertonnen war sie genauso groß wie ihre Schwesterschiffe „Albert Ballin“ und „Deutschland“. Wie diese hatte sie eine Länge von 191,26 m und einer Breite von 22,2 m. Insgesamt konnte sie 1551 Passagiere beherbergen (251 in der 1. Klasse, 340 in der 2. Klasse und 960 in der 3. Klasse). Damit konnte sie sich auch nach heutigen Maßstäben durchaus sehen lassen.
So sah sie aus:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-1.jpg)


Ein wesentliches Merkmal dieser neuen Schiffe war die Abmilderung der unterschiedlichen Klassen. Zuvor gab es auf den Schiffen eine starke Unterscheidung in die wohlhabenden Passagiere der I. und II. Klasse und dem „Pöbel“ der III. Klasse. Es gab nicht nur eine klare räumliche Trennung der verschiedenen Passagiergruppen (Oberdecke für die Oberklasse, Unterdecke für die Unterklasse), auch die Unterbringung war sehr unterschiedlich. I. und II. Klasse reiste in Kabinen, während die III. Klasse in großen Schlafsälen (teilweise angeblich in der Einteilung „Männer“, „Frauen“ und „Israeliten“) unterkam.
In der nun neuen Generation der Schiffe war der Prunk der I. Klasse deutlich abgemildert. Und die III. Klasse hatte nicht nur kleine Kammern, sondern sogar einen eigenen Speisesaal und eigene Gesellschaftsräume.

Unsere Reisenden haben ein Pauschalangebot der HAPAG zur Weltausstellung nach Chicago gebucht. Dafür spricht die Bezeichnung auf dem folgenden Foto, auf dem die ca. 50 Personen als „Reisegesellschaft nach Chicago“ bezeichnet werden.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-2.jpg)

Hier sehen wir auch Heinz und Daniela zum ersten Mal.
In der mittleren Reihe steht fast genau in der Mitte eine weiß gewandete Dame. Heinz steht auf dem Bild rechts von ihr, und Daniela noch einmal rechts neben Heinz. Man beachte bitte die gute Kleidung der Reisenden.

Preislich waren diese Reisen übrigens relativ günstig. Die Weltwirtschaftskrise hatte zum einen die Nachfrage deutlich nach unten gedrückt und zum anderen den Wert des Dollars gegenüber der Reichsmark geschwächt. Friedrich Just hält hierzu fest:

„Große Vergünstigungen in Amerika, der Tiefstand des Dollars, die deutsche Registermark. Eine bescheidene Reise kostet nicht viel mehr als ein längerer Aufenthalt in einem Kurort. Also auf nach Amerika!“ (Just, S. 3)

Die "Registermark" war - wenn ich das richtig verstanden habe - eine Möglichkeit, Reichsmark in Devisen umzutauschen (das war ja wegen der Wirtschaftskrise keineswegs unproblematisch, weil natürlich jedes Land strikte Devisenpolitik betrieb).

Auch Just entscheidet sich für die Hapag und berichtet hierüber und die Reisevorbereitungen:
„Ich will mich einer Studienreise der Hapag anschließen. Da braucht man sich nicht mit zeitraubenden Überlegungen und Verhandlungen wegen Unterkunft, Verpflegung, Trinkgeld usw. zu mühen, hat sachkundige Führung in deutscher Sprache und kann in kürzester Zeit das Wichtigste sehen. Nicht ganz so leicht ist es, die Einreisegenehmigung nach den USA zu bekommen. Zwar ist der amerikanische Konsul in Warschau von vorbildlicher Liebenswürdigkeit, aber man muss die verschiedensten Papiere vorlegen und ein peinliches Verhör überstehen, dass man ja nicht goldenen Neuen Welt bleiben wolle, dass man genügend Geld habe, um in Amerika sich während des Aufenthalts dort unterhalten zu können usw.“ (Just, S. 3)

Dazu kommt ein Fragebogen mit 37 Fragen, die zu beantworten sind und die ziemlich den heutigen Fragen entsprechen. Also solche Fragen, ob man Anarchist oder Polygamist ist. Aber ehrlich antworten!

Ach ja, hier (http://www.ostdeutsche-biographie.de/justfr85.htm) gibt es ein Foto und einen Lebenslauf von Friedrich Just

An Bord der Hamburg befanden sich auch deutsche Teilnehmer für die Weltausstellung. Die Bitterfelder Ballonfahrer Schütze und Dr. Körner waren ebenfalls auf dem Schiff, um am 3. September in Chicago an einer Ballon-Wettfahrt teilzunehmen (bei der sie dann den 4. Platz belegten).
8-9 Tage dauerte eine solche Fahrt, was durchaus eine akzeptable Zeit ist. Selbst die schnellsten Schiffe brauchten gut 6 Tage.

Just berichtet über seine Überfahrt: „Die Schiffskapelle spielt 'Muß i denn, muß ich denn zum Städtle hinaus', das Schiff fährt ab. Wer zum ersten Mal ein Überseeschiff betritt, kommt aus dem Staunen über die vielen Treppen und Gänge hinauf und hinab, die Speisesäle, Gesellschaftszimmer, Bäder usw. nicht heraus.“ (Just, S.6)

Für ein umfassendes Unterhaltungsprogramm ist gesorgt. Täglich gibt es ein Teekonzert, außerdem je nach Tag Tanz, Kino, Begrüßungsabend, Waldfest, Bockbierfest, Abschiedessen mit Ball, Decksport und „Pferderennen“ (nicht mit echten Pferden, sondern eine Art Gesellschaftsspiel). Und jeden Tag ein national unterschiedlich ausgerichtetes „Gabelfrühstück“ (Luncheon), nämlich russisch, französisch, caribisch, malaiisch, schwedisch oder amerikanisch.

Hier gibt es drei Bilder von Heinz und Daniela von der Überfahrt:

Beim Shuffleboard-Spielen (bzw. "Schuffelbord", wie Heinz notierte):

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-3.jpg)


Daniela beim Ausruhen in einem Liegestuhl:
(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-4.jpg)

Und Daniela mit der Dogge eines anderen Passagiers:
(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-5.jpg)

Wieder Just: „Langeweile kommt aber auf dem Schiff nicht auf. Ein Trompetensignal mahnt zum Aufstehen und zu den Mahlzeiten. An drei Vormittagen sind Besichtigungen des Schiffes, der Wirtschafts- und Maschinenräume und der Kommandobrücke. Da staunt man über die Küchen, Proviant- und Kühlräume; alles so sauber und blitzblank. Da steigt man in das Gerassel des Maschinenraums hinab, schaut durch ein Schutzglas in die Ölfeuerung, hört die Umdrehungszahlen der Turbinen und geht an der 35 Meter langen Schiffswelle entlang und bis zum Steuerrad. Da bestaunt man oben auf der Kommandobrücke die Selbststeuerung des Schiffs durch einen Kreiselkompaß. Der Kapitän erzählt von seinen Weltreisen gar interessante und amüsante Stücklein. Außer den Besichtigungen ist Gelegenheit zu Bordspielen, außerdem Abends Kinovorführungen und Konzerte, für Tanzbeflissene Bockbierfest, Kostümball usw."

Werner berichtet noch über eine andere Art des Zeitvertreibs. Passagiere finden sich spontan zusammen, um für die Dauer der Überfahrt eine Art Gesangverein für zünftiges deutsches Liedgut zu bilden.

Das erinnert mich etwas an einen aktuellen Fall, als ein deutsches Gericht den Fall zu entscheiden hatte, ob eine Kreuzfahrt auf einem Schiff, das zum weit überwiegenden Teil mit Schweizern belegt war, die Jodelvereinen angehörten und dies ausgiebigst auf dem Schiff ausübten, eine Minderung des Reisepreises gestattet.....  :D


Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kar98 am 05.06.2011, 22:21 Uhr
Die „Hamburg“ (eigentlich „Hamburg II“, da es vorher schon einmal eine erste „Hamburg“ der Linie gegeben hatte), war 1925 von der bekannten Werft Blohm & Voss ausgeliefert wurde. Mit 21.455 Bruttoregistertonnen war sie genauso groß wie ihre Schwesterschiffe „Albert Ballin“ und „Deutschland“. Wie diese hatte sie eine Länge von 191,26 m und einer Breite von 22,2 m. Insgesamt konnte sie 1551 Passagiere beherbergen (251 in der 1. Klasse, 340 in der 2. Klasse und 960 in der 3. Klasse). Damit konnte sie sich auch nach heutigen Maßstäben durchaus sehen lassen.
So sah sie aus:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-1.jpg)

http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburg_%281926%29
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Anti am 06.06.2011, 08:43 Uhr
Dass die Gesellschaft gut gekleidet ist, ist mir auch sofort aufgefallen. Sind die beiden denn erster Klasse gereist?
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: squirrel am 06.06.2011, 15:10 Uhr
Super, wieder ein alter Reisebericht - ich freue mich auf mehr!

Danke GreyWolf!

Gruß

Anja
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: BigDADDY am 06.06.2011, 15:32 Uhr
Take me back in time..., (obwohl die 30iger eigentlich so gar nicht mag), -
bei einer US-Reise bin ich dabei!
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: newyorki am 06.06.2011, 22:19 Uhr
Super- ich liiiebe die 30er Jahre mit Swing...

Hoffentlich kommen noch ein paar so seltene und geniale Bilder. :lol:

newyorki
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: usa2008 am 07.06.2011, 19:59 Uhr

Will mehr, mehr, mehr........

Ich liebe es alte Bilder anzuschauen, irgendwie wird die Vergangenheit
dann realer  :?

Gaby
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 07.06.2011, 20:24 Uhr
Dass die Gesellschaft gut gekleidet ist, ist mir auch sofort aufgefallen. Sind die beiden denn erster Klasse gereist?

Ich werde später noch auf die Kleidung eingehen. Insbesondere auf die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA. So viel sei schon verraten: die formelle Kleidung kann man während der ganzen Reise sehen.

Und dieser "offizielle" Fototermin war ohnehin sicher schon Grund genug, sich in Schale zu werfen, zumal das wohl im Anschluss an eine Einladung zum Tee vom Kapitän des Schiffes stattfand.

In welcher Klasse Heinz und Daniela fuhren, kann ich nicht sagen. 1. Klasse dürfte wohl selbst zu diesen Krisenzeiten kaum erschwinglich gewesen sein. Just, den ich regelmäßig zitiere fuhr als "armer Landpfarrer" 3. Klasse. Ich tippe aber mal darauf, dass der typische deutsche Mittelklasse-Mensch, zu denen ich Heinz und Daniela zähle, 2. Klasse fuhren.


Will mehr, mehr, mehr........


Jetzt mal Ruhe hier aus der 3. Klasse.... Sonst geht Ihr über die Planke...... :-)
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 07.06.2011, 20:39 Uhr
Ankunft in New York

Pünktlich am 18. August 1933 erreicht die „Hamburg“ den Hafen von New York. New York City hat 1933 an die 7 Millionen Einwohner und ist damit die größte Stadt der Welt.

Just: „Von früh morgens an Aufregung auf dem Schiff. Die Koffer müssen gepackt sein. Die Luft ist dunstig .... ein Boot .... Möven .... ein Stück Land! Man kann es nur nach einwöchiger Seereise verstehen, wie der Ruf 'Land!' wirkt. Die Neue Welt! Links und rechts Landstreifen. In der Ferne voraus durch den Dunst die Freiheitsstatue und die Wolkenkratzer-Insel. Wir halten vor Staten Island. Ein Prahm kommt ans Schiff, die Post wird ausgeladen. Von der anderen Seite naht ein Boot mit gelber Flagge: U.S. Public Health Service, von einem anderen Schiff steigt die Einwanderungsbehörde an Bord.
Zuerst werden die amerikanischen Bürger zur Kontrolle aufgerufen. Nach stundenlangem Warten kommen wir Nichtamerikaner an die Reihe. Der Arzt der Gesundheitsbehörde macht es kurz und schmerzlos, er knipst einfach die 'Gesundheitskarte'. Der Einwanderungskommissar aber macht einem Untersuchungsrichter Ehre. Auch das wird überstanden. Als ich auf Deck komme, fährt unser Schiff gerade an der Freiheitsstatue vorbei. Und nun – die Wolkenkratzer! Was ist die Freiheitsstatue dagegen? Ich schaue und staune nur. Zyklopenbauten, riesige aufgerichtete Zigarrenschachteln, schlanke viereckige hochgekantete Riesenbauholzbalken mit unzähligen Fenstern, schmale Schluchten zwischen Häusern, Quadernblöcke, die sich stockweise pyramidenförmig verjüngen, ein gotischer Turm, wie ein Baukasten der Riesen, wie gigantische Stalagmiten. Ich habe doch auf Bildern und Photographien dies Bild Manhattans öfter gesehen, aber als ich vorbeifahre, kommt es mir unfaßlich vor, wie ein Stück aus Gullivers Reisen.“
(Just, S. 9 f. stark gekürzt)

Unsere Reisenden Heinz und Daniela steigen hier im (1902 eröffneten und heute noch betriebenen) Hotel „Wellington“ in der 7. Avenue, ganz in der Nähe von Carnegie Hall und Central Park, ab. Die Tatsache, dass sie hier im 19. Stock untergebracht sind, war für sie so bemerkenswert, dass sie gleich mehrfach mit Fotografien im Album festgehalten ist.
 
Glücklicherweise wird auch Just im gleichen Hotel untergebracht, so dass wir auch hier ihre Gefühle nachvollziehen können.

Just: „Das Auto hält: Hotel Wellington. Ein dicker Neger im Portiersdreß winkt, Neger springen ans Auto, reißen den Schlag auf, packen die Koffer. Wir stehen in der Halle, ein hoher Raum, kühl, mit Sofas und Sesseln. Kein Hoteldirektor, der sich verbeugt und fragt, wie wir die Seefahrt überstanden haben, keine katzbuckelnden befrackten Kellner. An der Office (Bureau) wird der Zimmerschlüssel ausgehändigt: ein flaches Patentschlüsselchen mit leichtem Nummertäfelchen, bequem in der Westentasche einzustecken; kein Riesenschlüssel mit Hundeknüppel daran. Der Neger mit meinem Koffer führt mich zum Fahrstuhl – es gehen mehrere nebeneinander. Der Fahrstuhlführer ist ebenfalls ein Neger mit weißen Handschuhen. Im Nu ist der Fahrstuhl voll. Hinauf ..... eighteen (achtzehn), der Fahrstuhl hält. Der Neger winkt mir, ich folge ihm nach, durch ein Gang um die Ecke, Zimmer 1843. Ich schließe auf, der Koffer steht im Zimmer, lautlos ist der Neger verschwunden. Da stehe ich nun und schaue mich um. Das Zimmer ist nicht allzu hoch und breit, aber hell und freundlich. Ein riesiges breites Bett, geräumig für ein dickes Ehepaar. Zimmertelephon, ein Streichholzschächtelchen auf dem Nachttisch, kein Klingelknopf für Kellner und Zimmermädchen, eine Kommode mit Nadelkissen und Spiegel darüber, ein kleiner Schreibtisch, ein Sessel, ein Wandschrank für Kleider und Beutel für zu waschende Wäsche. Im Nebenraum das Bad und die Waschgelegenheit.
Ich trete ans Fenster und schiebe die Scheiben hoch, es sind Doppelschiebefenster, eins aus Gaze, eins aus Glas. Ich schaue hinunter .... mir wird fast schwindelig. Die Ameisen da unten – nein, das sind Menschen. Richtig, ich wohne ja im 18, Stock, im achtzehnten Stock!! Aber auf der anderen Straßenseite das Hochhaus, ist noch lange nicht die Hälfte der Höhe. Ich muss mich in den Sessel setzen, so benommen bin ich von allem und mir ist so heiß.“


Und die passenden Bilder von Heinz dazu (kann jemand das Hochhaus auf dem 2. Bild identifizieren - in NY kenne ich mich nicht aus):

Der Blick nach unten:
(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-8.jpg)

Und der Blick auf die Wolkenkratzer:
(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-7.jpg)

Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 07.06.2011, 20:40 Uhr
Ach ja, falls jemand Bilder vom Einlaufen vermisst:

Es gibt zwar Bilder, aber auch bei Heinz und Daniela war die Sicht sehr dunstig - insofern sind die Bilder zum Abscannen zu schlecht.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Marterpfahl am 07.06.2011, 22:24 Uhr
Hallo Grey Wolf,

ich bin auch gerne wieder dabei.

Noch zum Thema Überfahrt:  Wenn mal jemand von Euch nach Bremerhaven ( Fishtown )
kommt, dann wäre das "Auswandererhaus" Pflicht. Ich finde, es ist absolut einen Besuch
wert. Man bekommt hier einen recht authentischen Eindruck. Es sind Teile der Schiffe
nachgebaut worden und man hat u.a. auch Einblick in die Schlafmöglichkeiten der
verschiedenen Klassen. Für uns aktuell kaum nachvollziehbar, wie man so die Überfahrt
lebend überstehen konnte: frei nach dem Motto: Wir lagen vor Madagaskar.



Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: mrh400 am 07.06.2011, 22:26 Uhr
Hallo,
kann jemand das Hochhaus auf dem 2. Bild identifizieren - in NY kenne ich mich nicht aus
schwierig - wer weiß, ob das überhaupt noch in der Form steht aber inzwischen wohl eindeutig klar.

Das Gebäude links am Bildrand mit der Laterne auf dem pyramidenförmigen Walmdach ist das Helmsley-Building (http://www.nyc-architecture.com/MID/MID033.htm). In der siebten Bildreihe sieht man meinen Verdacht bestätigt, daß der nur noch vage erkennbare Wolkenkratzer direkt rechts dahinter das Chrysler Building ist - nahezu der gleiche Aufnahmewinkel (nur daß in dem Link noch das 1963 entstandene Pan-Am bzw. MetLife-Building drauf ist).

Eine sehr große Ähnlichkeit mit dem von Dir gesuchten Gebäude sehe ich beim GE-Building (http://www.nyc-architecture.com/MID/MID060.htm) im Rockefeller Center, allerdings nicht in den auf der Architekturseite gezeigten Blickwinkeln, sondern von Norden her gesehen wie hier bei Bing-Maps (http://www.bing.com/maps/explore/#/ths7tfzfym216t8p) - das würde dann einem Aufnahmeort in der Nähe 7th Ave/Central Park entsprechen. Wahrscheinlich ist es das dann wohl.

PS: Blick mit google-earth (http://maps.google.de/maps?q=40.75448,-73.975856&num=1&t=f&sll=40.714353,-74.005973&sspn=0.270913,0.512238&ie=UTF8&ll=40.757694,-73.979259&spn=0.003104,0.006464&z=18&ecpose=40.7611332,-73.97911728,402.39,-178.209,44.994,0). Dort oben ist übrigens "Top of the Rock".

PPS: Hier (http://www.nyc-architecture.com/MID/MID055.htm) in der vierten Reihe, rechtes Bild hat man eine fast gleiche Blickrichtung - nur daß es oben abgeschnitten ist; dafür ist auch noch das kleinere querstehende Gebäude sehr schön zu identifizieren.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 09.06.2011, 15:38 Uhr
Hallo mrh400:
Super, ich denke, die Vergleichsbilder treffen es genau!
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 09.06.2011, 15:50 Uhr
Da wir gerade über Hochhäuser sprechen.......

Was hat denn nun den durchschnittlichen Deutschen am meisten fasziniert in New York City?
Interessanterweise ähneln sich die Reiseberichte der damaligen Zeit sehr. Im Wesentlichen werden drei Dinge immer wieder genannt:
- die Hochhäuser,
- der Verkehr
- und die Schnelligkeit und zugleich Einfachheit des Lebens.

Gehen wir mal diese Besonderheiten durch:

1. Die Hochhäuser

Die Entwicklung von höheren Gebäuden beschränkte sich jahrhundertelang auf solche mit besonderer Symbolkraft, insbesondere Kirchen (wobei viele Kirchen ihre imposanten Kirchtürme erst im 19. Jahrhundert erhielten).
Normale Gebäude erreichten hingegen nur wenige Stockwerke.

Ein Hauptproblem war dabei, dass bei der traditionellen Bauweise aus Stein die Masse der oberen Stockwerke auf den Wänden der unteren lag. Je höher das Haus wurde, desto massiver – also dicker – mussten die unteren Wände werden. Dies stieß nicht nur schnell auf technische Grenzen, sondern schränkte natürlich wegen der dicken Außenwände und der Notwendigkeit von weiteren tragenden Wänden die Benutzung der unteren Stockwerke ein.
Ein zweites Problem war der Transport der Menschen in höheren Gebäuden. Mal ehrlich, wer wollte denn – gerade als begüteter Erbauer eines Hauses - mehr als 1 oder 2 Stockwerke über Treppen hochlaufen? Entsprechend findet man in älteren Häusern heute noch die Aufteilung, wonach die besseren Wohnungen in den unteren Etagen waren (weil da die Eigentümer wohnten).

Doch gerade in Ballungszentren wuchs mit der steigenden Zahl von Bevölkerung und (Büro)Arbeitskräften einerseits und dem teureren Baugrund andererseits der Wunsch nach höheren Häusern. Drei technische Entwicklungen sorgten im 19. Jahrhundert dann für die Möglichkeit, wirklich hohe Häuser zu bauen.
Erstens die Erfindung der Stahlbauweise, wonach also Häuser aus einem Skelett von Stahl bestehen, das dann nur noch verkleidet werden muss. Ein Chicagoer Architekt setzte diese Methode 1885 erstmals ein und schuf so das zehnstöckige Gebäude der Home Insurance Company.
Zweitens der Einsatz von modernem Massenstahl, der dem bisher eingesetzten Gusseisen von seiner Festigkeit deutlich überlegen war.
Und drittens: die Erfindung von absturzsicheren und schnellen Aufzügen.

Jetzt stand dem Bau wirklich hoher Häuser nichts mehr im Wege. Schon aufgrund des knappen und damit besonders teuren Baugrunds und des für Bautätigkeit gut geeigneten felsigen Untergrundes war Manhatten wie geschaffen für diese Aufgabe. In kurzen Abständen entstanden immer höhere Häuser. Um nur ein paar Wegmarken zu nennen:

1888 Tower Building, 13 Stockwerke, 49 Meter
1899 Park Row Buildung, 29 Stockwerke, 119 Meter
1909 Metropolitan Life Building, 52 Etagen, 213 Meter
1913 Woolworth Building, 55 Stockwerke, 240 Meter.

1929 – damals standen schon fast 2500 Gebäude mit mehr als 10 Stockwerken in New York City – bahnte sich ein weiterer Wettkampf an. Zunächst zwischen dem Chrysler Buildung und dem Gebäude der Manhattan Co. Durch einen Trick – im Inneren des Gebäudes wurde heimlich eine Stahlkappe zusammengebaut, die dann auf das fertige Gebäude gestellt wurde – gewann das Chrysler Buildung zunächst mit 319,4 Metern den Kampf.
Zu diesem Zeitpunkt war das Empire State Building schon in der Planung. Trotz der einsetzenden Wirtschaftskrise wurde der Turm noch höher geplant – 320 Meter. Und damit man sich wirklich sicher sein konnte, nicht durch einen erneuten Trick von Chrysler den Titel des höchsten Gebäudes zu verlieren, setzt man in einer weiteren Planung einen 61 Meter hohen Mast zum Andocken von Luftschiffen oben drauf.
In nur 13 Monaten wurde das Hochhaus errichtet und im Mai 1931 mit 381 Metern Gesamthöhe (449,5 Meter mit Antenne) feierlich eröffnet.
So beeindruckend das Empire State Buildung auch war – wirtschaftlich gesehen war es ein Flop. Trotz aller Versuche gelingt es nicht, in der nunmehr voll entfachten Wirtschaftskrise genügend Mieter für die Büros zu finden. Von 80 Stockwerken waren anfangs kaum die Hälfte vermietet. Es dauerte 13 Jahre bis das Gebäude erstmals Profit abwarf. Übrigens: an dem Ankermast für Luftschiffe legte nur ein einziges Mal ein Luftschiff an.
Zum Vergleich: das höchste Hochhaus im Deutschen Reich (und zugleich in Europa) – es gab davon ohnehin nur wenige – war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 65 Meter hoch. Kein Wunder also, dass die deutschen Reisenden dieser Zeit (und auch heute noch) sich von diesen unglaublich großen Gebäuden geradezu erschlagen fühlten.

2. Der (Auto)Verkehr

Ein deutlicher Unterschied selbst zu deutschen Großstädten war der massive Autoverkehr. Die Motorisierung der Bevölkerung lag in den USA zu dieser Zeit um ein Vielfaches über der Deutschlands oder anderer europäischer Staaten. Grund hierfür war die günstige Massenfertigung von einfachen wie besseren Personenkraftwagen, die sich auch ein normaler Arbeiter und Angestellter leisten konnte. In Deutschland war hingegen ein privat genutztes Auto in den 30er Jahren noch für viele ein Luxus.

C.F. Werner schreibt: „Das unvorstellbarste ist aber der riesenhafte Autoverkehr! Es laufen in New York zirka eine Million Autos, eines hinter dem anderen, meist in zwei Reihen und trotzdem kann man ruhig eine Straße überqueren. Die Straßen sind für unsere Verhältnisse sehr breit, so dass meist in 4 Reihen gefahren wird.“ (S. 13)

3. Die Schnelligkeit und Einfachheit des täglichen Lebens

Was die Reisenden aber ganz besonders faszinierte, waren viele kleine Dinge, die das alltägliche Leben erleichterten. Z.B. dass man Zeitungen einfach gegen Münzeneinwurf aus einem Kasten ziehen konnte (und nicht wie zu Hause im Laden erwerben musste). Oder dass man in der Mittagspause nicht in ein Wirtshaus ging und dort umständlich ein Essen bestellte, sondern sich einfach in einem Selbstbedienungsrestaurant fertig zubereitete kalte und warme Speisen auf ein Tablett stellte und an einer zentralen Kasse bezahlte. Dass in den privaten Haushalten viele aufwändige Arbeiten durch elektrische Maschinen erledigt wurden (Waschmaschine, Spülmaschine) und dass man vorgekochte Mahlzeiten kaufen konnte, die man dann nur einfach aufwärmen musste. Überhaupt: dass man Lebensmittelbestellungen telefonisch durchgab und binnen weniger Stunden die Ware nach Hause geliefert bekam.

Und C.F. Werner schreibt: „Auf dem Heimweg wird ein großes Lebensmittelgeschäft besichtigt. Am Eingang nimmt man einen Korb, holt, was man will, und an der Kasse am Ausgang wird bezahlt. Bedienung ist nur am Fleischstand, im übrigen bedient man sich selbst. Angefangen von der Zwiebel, allem Grünkram, Teigwaren, eingemachten Früchten, Schleckereien, Obst usw. ist hier alles zu haben.“  (Werner, S. 26)
Aha – ein Supermarkt also. Das war natürlich ein bisschen anders als die Tante-Emma-Läden, in denen man in Deutschland einkaufte.
Auch das einfache System der Untergrundbahn sorgt für Bewunderung. Kein umständliches Lösen von unterschiedlichen Fahrkarten für unterschiedliche Strecken, sondern ein Einheitssystem mit Münzen.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Anti am 09.06.2011, 16:39 Uhr
Dass das Empire State Building eine Andockstation für Luftschiffe war, hatte ich noch nicht gewusst. Sehr interessant. Toll, diese Infos!
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: dschlei am 09.06.2011, 16:55 Uhr
Damals, in den 50ger Jahren, wurde in meiner Heimatstadt das erste Hochhaus gebaut, es hatte, glaube ich mich zu erinnern, ganze 14 Etagen!
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kar98 am 09.06.2011, 17:58 Uhr
Zum Vergleich: das höchste Hochhaus im Deutschen Reich (und zugleich in Europa) – es gab davon ohnehin nur wenige – war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 65 Meter hoch.

Von 1880 bis 1884 war der Kölner Dom das höchste Gebäude der Welt, mit 158 Metern Höhe.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: mrh400 am 09.06.2011, 18:26 Uhr
Zum Vergleich: das höchste Hochhaus im Deutschen Reich (und zugleich in Europa) – es gab davon ohnehin nur wenige – war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 65 Meter hoch.

Von 1880 bis 1884 war der Kölner Dom das höchste Gebäude der Welt, mit 158 Metern Höhe.
:wink:
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 09.06.2011, 19:43 Uhr
Dass das Empire State Building eine Andockstation für Luftschiffe war, hatte ich noch nicht gewusst. Sehr interessant. Toll, diese Infos!

Was praktisch gesehen ohnehin eine Schnapsidee war. Die sehr großen und vergleichsweise leichten Luftschiffe am Boden landen zu lassen, ohne dass sie weggeweht wurden, war schon schwierig genug. Wie sollte das denn in solcher Höhe, wo dann entsprechend auch noch stärkerer Wind und Aufwinde hinzukamen, praktisch funktionieren?
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Anti am 09.06.2011, 21:25 Uhr
Und wenn ich dann noch an das Drama von Lakehurst denke...
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: KarinaNYC am 10.06.2011, 10:11 Uhr
Schön, wieder ein alter Bericht  :D
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: spooky2109 am 10.06.2011, 10:42 Uhr
Tolle Infos/ Bilder und der Bericht eh! Finds auch cool, die Vergleichsbilder (damals/ heute) zu sehen.
In diesem Sinne ...  :dankeschoen: und weiter so ;) :D
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 13.06.2011, 17:08 Uhr
Die Reisegruppe nach Chicago scheint sich nur kurz in New York aufgehalten zu haben. Im Fotoalbum nehmen die Bilder von New York nur eine Seite ein. Das ist für uns nicht tragisch, da Heinz und Daniela nach dem Abschluss der Fahrt mehrere Wochen in New York bei Verwandten wohnen. Wir kommen also auf New York zum Schluss noch einmal zurück.

Direkt darauf folgt – offenbar per Zug – nach Buffalo.

Das Zugfahren ist auch eine interessante Sache, die uns einmal mehr Just beschreibt, der die gleiche Tour als Nachtfahrt macht:

„Der Autobus hält nicht vor dem Bahnhofsgebäude, sondern fährt in einen Tunnel hinein. Unten wie in einer riesigen Gruft ein langer schwarzer Zug mit niedrigen Kellerfenstern. Der Bahnsteig ist leer, Bahnsteigkarten werden nicht ausgegeben, also kein Abschiednehmen und -küssen. Die Uhr ist 9.24 – das ist aber Bahnzeit, 1 Stunde früher als New Yorker 'Standard-Zeit“. Die Negerschaffner rufen: 'to bord' (an Bord). Der Zug geht ab. Alle Fernzüge werden unterirdisch durch elektrische Lokomotiven unter dem Hudson-Fluss von und zu den Fernbahnhöfen gebracht. Erst auf dem Festland wird die Dampflokomotive vorgespannt, ein großes schwarzes fauchendes Ungeheuer mit mannshohen Rädern.
 
Die Pullmanwagen sind von der Pullmangesellschaft gemietet. Jeder Wagen hat einen besonderen Namen. Unser heißt Silver Lake (Silbersee). Der Wagen ist ein einziger langer und breiter Raum. An beiden Seiten Clubsessel, immer zwei gegenüber. Die sind so breit, dass auf jedem Sitz bequem zwei Personen Platz finden könnten. An der Decke sind auf beiden Seiten längs gewölbte Behälter, hinter denen die Bettwehr tagsüber aufbewahrt wird.

Als alle sich bequem auf ihren Sitzen eingerichtet haben, kommt der Schaffner und lässt sich die Fahrkarte zeigen, nur einmal, ob einer auch tagelang mit demselben Zug fährt. Ein dicker, schwitzender Neger richtet sich den Wagen zum Schlafen her. Die obere Wölbung wird heruntergeklappt dadurch entsteht ein Obergestell. Seitenbretter schaffen einen besonderen Schlafraum. Matratzen machen aus den Sesseln unten ein unteres Bett. Grüne dicke Vorhänge unten und oben, weiße Laken: schon ist`s fertig zum Schlafen. Dann zieht man die Beine hoch und versucht sich hinter dem Vorhange auszuziehen und hängt die Kleidungsstücke auf einen Bügel längs des Vorhangs herab. Das Bett ist nicht quer, sondern längs der Fahrtrichtung. Man liegt sehr bequem. Das Fenster ist so niedrig, dass man das Kopfkissen nur doppelt unter den Kopf zu stopfen braucht, um im Liegen hinaussehen zu können.
 
So könnte man schlafen wie in 'Abrahams Schoß'. Man könnte – aber, aber. Die Lokomotiven müssen wohl schlechte Kohle feuern oder teuflisch rußen. Die niedrigen Fenster, zwei nebeneinander, sind Doppelfenster zum Schieben, die eine Hälfte ist aus Gaze. Will man frische Luft haben, kommen durch die Gaze dicke Flocken Ruß – das Bettleinen ist ganz schwarz. Schiebt man das Doppelfenster davor, ist es eine Hitze zum Umkommen. Dazu das Rattern und Rasseln, Stoßen und Schleudern des Wagens, der Zug fährt drauflos, schier über Stock und Stein, dass man hin und her geschüttelt wird. Und dauernd läutet es wie auf der Bimmelbahn, aber mit gewaltigerem Ton. Es gibt keine Bahnwärterhäuschen und Wegeschranken. An den Bahnübergängen pfeift die Lokomotive, nein sie pfeift nicht, sie brüllt. Ist man ein wenig eingedußelt, wird man auf den Haltestellen durch das An- und Abkoppeln von Wagen aus dem Schlaf gestoßen, gestoßen im wahrsten Sinne des Wortes. Die Amerikaner müssen wohl gegen Lärm und Gestoße unempfindlich sein!

Ich stehe schon sehr früh auf, um mich zu waschen. Der Waschraum hat Waschgelegenheit für vier Personen. Außerdem sind darin Bänke, auf denen man sich zum Rauchen niederlassen kann. Ich habe trotz des Wagenschleuderns und -stoßens das Kunststück fertig gebracht, mit mit einem Messer zu rasieren. Die anderen verzichteten darauf.“
(Just, S. 26-29, stark gekürzt).

Heinz und Daniela, so sie ebenfalls über Nacht fuhren, dürften sich ebenso gefühlt haben. Jedenfalls wird der Lärm und das „Geschleuder“ in mehreren zeitgenössischen Reiseberichten bemängelt.

In Buffalo wird die gerade erst im Art-Deco-Stil erbaute City Hall (Höhe: 115 Meter) abgelichtet.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-9.jpg)

Buffalo an sich wird in den zeitgenössischen Reiseberichten praktisch nicht erwähnt. Obwohl es 1930 immerhin an die 600.000 Einwohner hatte, bot es wohl für die Reisenden wenig Interessantes.


Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Anti am 13.06.2011, 17:59 Uhr
Zwar kenne ich die Dampfloks aus meiner Kindheit noch, aber nur vom sehen. Ich habe mir eigentlich nie darüber Gedanken gemacht, dass bei geöffnetem Fenster Qualm, Ruß und Gestank ins Abteil dringen...
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 16.06.2011, 20:34 Uhr
Zwar kenne ich die Dampfloks aus meiner Kindheit noch, aber nur vom sehen. Ich habe mir eigentlich nie darüber Gedanken gemacht, dass bei geöffnetem Fenster Qualm, Ruß und Gestank ins Abteil dringen...

In wie weit dies bei deutschen Bahnen der Fall war bzw. ist (gibt ja noch Museumsbahnen, die mit Dampf fahren), kann ich nicht definitiv sagen. Allerdings schreibt ja Just diesen Ruß etc. schlechter Kohle zu und erwähnt dieses Problem ja auch ausdrücklich. Also war es wohl in Deutschland anders.

Niagara-Fälle

Weiter geht es mit den Niagarafällen, die die Reisegruppe höchstwahrscheinlich mit dem Zug erreicht. Die Fälle werden ausgiebig erkundet, von allen vier Seiten (USA-Seite, Kanada, stromaufwärts und stromabwärts) finden sich Fotos im Album.

Diese Fälle sind erdgeschichtlich relativ jung – sie entstanden erst vor ca. 12.000 Jahren, als sich mit dem Ende der Eiszeit die Großen Seen bildeten.
Den Indianern galten sie – gut verständlich – als mystischer Ort. Und auch der erste Europäer, der sie 1678 zu sehen bekam, soll vor Erstaunen auf die Knie gesunken sein. Um das Gebiet dann sogleich für Frankreich zu besetzen und ein Fort zu errichten.

Die Fälle eigneten sich aufgrund ihrer Lage im bevölkerungsreichen Osten der USA natürlich als Sehenswürdigkeit. Nachdem noch Ende des 18. Jahrhunderts nur ein einfacher Indianerpfad dorthin führte und es im weiten Umkreis keine weißen Bewohner gab, setzte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Tourismus ein – also schon lange bevor im Westen der USA überhaupt die ersten Nationalparks ausgewiesen wurden. Ja lange bevor im Westen überhaupt alle Staaten gegründet worden waren.
 
Der Besucherstrom war am Anfang noch recht bescheiden, zumal sich die Fälle ja genau an der Grenze zwischen den USA und dem britischen Kanada befanden, die von 1812 bis 1815 auch genau hier Krieg führten. Der Krieg in dieser Region begann übrigens wie folgt: Ein britischer Offizier hatte amerikanische Offiziere zum Abendessen zu Besuch. Während des Essens erhielt er die Nachricht, dass sich die beiden Länder im Krieg befänden. Dies teilte er seinen Gästen mit. Und nun? Man nahm es gentleman-like, verabschiedete sich höflich voneinander, wünschte sich gegenseitig alles Gute und die Amerikaner eilten zu ihren Truppen zurück.

Gerade aber dieser Krieg beflügelte aber den Tourismus, da man ja nun neben den Fällen auch noch die nahe gelegenen Schlachtfelder des Krieges besuchen konnte.
1845 schrieb ein Reisender begeistert, dass er mit dem Schiff nur wenige Tage bis zu den Fällen gebraucht hätte. Als dann aber in den 1850ern die Eisenbahn Niagara Falls erreichte, konnte der Massentourismus einsetzen.
Ab 1849 gab es schon die ersten „Maid of the Mist“-Schiffe, die bis an die Fälle heranfuhren. Und 1853 bemerkte ein Reisender schon jede Mengen Museen, Kuriositätenläden etc. an den Fällen.

Bekannt wurden sie nicht zuletzt als typisches Reiseziel von Hochzeitsreisenden, gerade dann im 20. Jahrhundert. Man denke nur daran, dass Cary Grant in „Arsen und Spitzenhäubchen“ seine Flitterwochen dort verbringen will – oder an den Film „Niagara“ mit Marilyn Monroe.

Heute besuchen angeblich 14. Mio Menschen pro Jahr die Fälle, die hier auch ein gewaltiges Kommerz-Angebot in unmittelbarer Entfernung finden.

1933 war das Ganze, zumal im Sommer, sicher auch sehr gut besucht, wenn auch vermutlich der Kommerz noch nicht so gewaltig war wie heute.
Natürlich besuchen auch Just und C.F. Werner die Fälle und sind begeistert. C.F. Werner schreibt:
 
„Wundervolles Erleben! Es ist wert, daß man dahin fährt. Schon zwei Stunden lauf ich sie entlang und des Schauens kein Ende! Der schönste Teil ist der Horsshoe (Pferdehuf)-Fall. Wie ein smaragdgrüner Vorhang schießt das Wasser den Katarakt hinunter. Man kann die Fälle aufwärts noch kilometerweit verfolgen, denn die Stromschnellen beginnen schon beträchtlich weiter oberhalb. Das Gebiet ist jetzt Naturschutzgebiet. Hunderte von Autos von weit her. Schöne Anlagen ringsum.“ (Werner, S. 21, gekürzt)

Hier kommen einmal Daniela vor den amerikanischen Fällen und dann noch einmal Heinz (mit Daniela dahinter):

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-10.jpg)


(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-11.jpg)


Eine Sache fällt mir hier übrigens besonders auf den Bildern auf: das Festhalten an formeller Kleidung trotz der vermutlichen Hitze im August. Man darf ja nicht unterschätzen, wie konservativ in dieser Hinsicht Deutschland bis in die 1950er Jahre war. Ein anständiger deutscher Bürger trug natürlich einen Anzug mit Weste und Krawatte. Und einen Hut. Im Sommer dann in einer leichteren Version, aber Anzug musste sein. Die Amerikaner waren hier schon viel legerer. Da wurde – wie ein deutscher Reisender in einem Reisebericht empört feststellte – in einem heißen Eisenbahnwagen ohne jegliche Scham einfach das Jackett ausgezogen. Und auch noch die Krawatte. Und die amerikanischen Weiber, diese schamlosen Personen, zogen ihre Schuhe aus und legten ihre Füße so auf einen anderen Sitz, dass man unter ihren Kleidern ihre Unterschenkel sehen konnte. Sodom und Gomorrha!

Auch C.F. Werner ist ganz erstaunt, als er nur in Hut, Hemd und Hose und zudem – aus Versehen – Pantoffeln eine halbe Stunde mit der Straßenbahn fährt und dabei nicht einmal seinen Mitfahrenden aufgefallen ist. (Werner, S. 33).

(Und wenn wir schon dabei sind: gibt es noch etwas, was die damaligen deutschen Reisenden in den USA für ungehörig oder seltsam halten? Ja, es gibt zwei Sachen, die immer wieder erwähnt werden.
Zum einen die Musik. Die moderne amerikanische Musik, gerade der Jazz, werden von den deutschen Reisenden, zumindest von denen, die schon etwas älter sind, abgelehnt.
Und zum anderen: das Kaugummi-Kauen. Oder in der Sprache der damaligen Zeit das „Gummikauen“. Viele deutsche Reisende empfinden sich inmitten einer wiederkäuenden Kuhherde. In Deutschland ist Kaugummi-Kauen damals noch weitgehend unbekannt, erst mit dem Ende des II. Weltkriegs bringen die amerikanischen Besatzungstruppen diese Angewohnheit nach Deutschland. )



Neben dem Tourismus hatten die Fälle aber noch eine andere wesentliche Funktion ab der Mitte des 19. Jahrhunderts – die Erzeugung von elektrischer Energie. Indem man erhebliche Teile des Wassers durch Tunnel schleuste, erzeugte man schon 1896 an die 100.000 PS Energie. Der deutsche Auswanderer Jacob Schoellkopf, 1841 mit einem Schiff von Bremen nach New York gelangt, brachte die Energieerzeugung am Niagara richtig in Schwung. 1877 kaufte er den Niagara Falls Hydraulic Power Canal. Durch den Verkauf des Stroms an die gerade entstandenen Telefongesellschaften verdiente er viel Geld und erhielt den Beinamen „King of Power“.

Unsere Reisenden wussten natürlich von dieser Funktion, werden doch als Besonderheit elektrifizierte Bahnstrecken bei den Fällen abgelichtet. Im Deutschen Reichen waren solche Strecken 1933 noch die Ausnahme, schon da es aufgrund der großen Kohlevorkommen keine Notwendigkeit für elektrisch betriebene Eisenbahnen gab. Nur zur Klarstellung: auch in den USA wurden natürlich die Überlandstrecken mit Dampflokomotiven betrieben - Just hat es ja beschrieben. Aber in der Nähe der Niagarafällen, wo es Strom im Überfluss gab, war die Elektrifizierung sinnvoll.

Hier ein Bild vom Elektrizitätswerk und dann eines von einer elektrifizierten Bahntrasse:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-12.jpg)


(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-13.jpg)




Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: EDVM96 am 17.06.2011, 01:38 Uhr
(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-11.jpg)

Selbst das Geländer ist heute noch das Gleiche: Google Street View (http://maps.google.de/maps?q=niagara+falls&hl=de&ie=UTF8&hq=&hnear=Niagara+Falls,+Regional+Municipality+of+Niagara,+Ontario,+Kanada&ll=43.081505,-79.078109&spn=0.013447,0.033023&t=h&z=16&layer=c&cbll=43.081822,-79.07798&panoid=Lytzk3JfbuQy4MXgC1k0ig&cbp=12,59.04,,1,6.81) :lol:

Den hässlichen Observation Tower (http://www.photo-america.com/New_York/viewer.php?lib=Niagara_Falls&page=0&i=9) gab es damals zum Glück noch nicht.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: SusanW am 21.06.2011, 15:40 Uhr
Wirklich interessant die Reise

War selbst mit Oma und kanadischen Verwandten vor rund 34 Jahren bei den Niagara Falls und selbst da ging man noch ziemlich fein gekleidet auf solche Ausflüge  :roll: Muss mal wieder die alten Fotoalben anschauen....
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 21.06.2011, 19:45 Uhr
War selbst mit Oma und kanadischen Verwandten vor rund 34 Jahren bei den Niagara Falls und selbst da ging man noch ziemlich fein gekleidet auf solche Ausflüge  :roll: Muss mal wieder die alten Fotoalben anschauen....

Stell doch mal ein Vergleichsbild ein - wir versprechen auch, nicht zu lachen :-)

Niagara - Toronto - Detroit

Von Niagara fährt die Reisegruppe mit einem Schiff über den Ontario-See nach Toronto und damit nach Kanada, das erst in den letzten Jahrzehnten zuvor seine Unabhängigkeit von Großbritannien erreicht hatte.

Hier ist Daniela auf dem Schiff, wohl mit Toronto im Hintergrund.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-14.jpg)


Toronto entwickelt sich gerade zur Millionenstadt und hatte in den letzten 30 Jahren seine Einwohnerzahl von 200.000 auf über 600.000 Einwohner gesteigert, was nicht zuletzt dadurch gefördert wurde, dass man von den Niagara-Fällen Strom beziehen konnte (heute hat die Stadt Toronto ca. 2,6 Mio. Einwohner und die Metropolregion noch mal 3 Millionen mehr).

Von Toronto selbst finden wir keine Bilder im Fotoalbum. Offenbar war der Aufenthalt nur sehr kurz.

Mit dem Zug geht es dann weiter nach Detroit.
Detroit war zu jener Zeit auf einem Höhepunkt seiner Bedeutung. Hatte es um 1900 gerade mal 285.000 Einwohner, hatte sich die Zahl bis 1930 auf über 1,5 Millionen mehr als verfünffacht. Gerade in den 20er Jahren wurde viel repräsentative Bauten errichtet. Der Grund für diesen Aufschwung lag in der Ansiedlung der Autoindustrie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jhd., die in der Detroiter Region mit den „Big Three“ – Ford, General Motors und Chrysler – ihr Zentrum hatte (was seit dem Niedergang dieser drei Marken seit den 1950er Jahren Detroit in genau solche Schwierigkeiten bringt wie es früher damit Erfolge feierte).
Hier ein Blick von einem Hochhaus auf die Stadt und den Detroit River.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-15.jpg)
 

Just beschreibt eine Rundfahrt durch Detroit: „Jede Stadt muss wenigstens ein Gebäude haben, daß das größte der Welt ist. So werden wir zuerst zum Masonic-Tempel gefahren. 'Das ist der größte und schönste Freimaurertempel der Welt, kostet 9,5 Millionen Dollar', erklärt der Wagenführer stolz. Ich habe mir einen kleinen englischen Führer gekauft – darin steht 'cost 5000000'. Ob 4,5 Millionen Dollar mehr oder weniger, macht hier wohl nichts aus.“

Den Tempel gibt es immer noch und er ist immer noch der größte Freimaurertempel der Welt. Und Wikipedia gibt die Herstellungskosten mit 2,5 Millionen Dollar an.
 
Just weiter: „Wir fahren durch glatte Straßen, an vielen großen Tankstellen vorbei, Kirchen – es sollen im ganzen 500 sein, Holzhäuser, Straßen mit grünen Bäumen, ein großer Kirchhof mit stattlichen Bäumen und Autostraßen, aber weiter nichts als kahle aufrechtstehende Grabsteine, keine Grabhügel, keine Blumen, ein Friedhof ohne Gemüt, ohne Liebe.“

Wir können davon ausgehen, dass Heinz und Daniela wie die meisten Reisenden ihrer Zeit auch eines der Ford-Werke besuchten. Fotos gibt es nicht davon, was aber auch nicht verwundert, denn das Fotografieren war nicht gestattet.

Just beschreibt seine Eindrücke beim Besuch eines Ford-Werkes, in dem die Massenfertigung mittels Fließband für eine besondere Kostengünstigkeit der gebauten Autos sorgte (diese Technik hatte Ford übrigens nicht erfunden, sondern sich bei den Chicagoer Schlachthöfen abgeschaut):

„Wir treten in das Fabrikgebäude: alles sauber, kein Schmutz, kein Staub; Licht und Luft überall. Durch den ganzen Raum läuft die Transportkette, hinauf und hinab, daran hängen die einzelnen Maschinenteile, wie an einem Karussell. Wir beschauen zuerst die Herstellung eines Motors. Jeder Arbeiter hat nur ein paar bestimmte Handgriffe zu tun, während die Kette an ihm vorbeigeht. Die muß er aber auch erledigen. Wir sehen, daß keiner Zeit hat, sich nach den Besuchern umzudrehen: die unerbittliche Kette fordert seine Arbeit. Wir gehen an der Kette entlang, bis zur Absendung des fertigen Motors. Täglich werden 2600 Motoren hergestellt.
Nun zur Montage des Autos. Mit der Unterlage beginnt`s, sie wird auf ein laufendes Brett gesetzt. An der Kette, die entgegengesetzt läuft, hängen die Zubehörteile. Räder werden angesetzt, der Motor. Von oben schwebt die Karosserie nieder, vier Mann packen sie, ein Ruck genügt, sie sitzt in den Zapfen. Nun fahren mehrere Mann mit dem Auto mit. Unten öffnet sich ein Gang, in dem ein Arbeiter von unten her seine Handgriffe tut. Sieh, da sitzt ja ein Chauffeur schon drin. Jetzt tutet es, das Auto fährt los, hinaus aus der Fabrik. In 55 Minuten fix und fertig.“


Just muss auch bemerken, dass die Weltwirtschaftskrise seine Schatten wirft:
„Zurzeit wird nur an 5 Tagen zu 8 Stunden in einer Schicht gearbeitet, und statt der 100.000 Mann werden nur 36.000 Mann beschäftigt. Wir kommen an einem riesigen 'Autofriedhof'' vorbei, alles alte Fordwagen.“

Und wie gefiel Just die Fabrik? „Unsere Reisegesellschaft sind begeistert von dem Betrieb, von der Hygiene und der Sauberkeit, von der Schnelligkeit der Produktion usw. Mir aber würgt es in der Kehle. Dieses unheimlich laufende Band, unerbittlich für den Arbeiter – wie das Schicksal. Das preßt ihm Saft und Mark aus dem Körper. Aufs teuflischste ist ausgeklügelt, was seine letzte Kraft hergeben kann. Der Führer rühmt es, dass ungelernte Arbeiter in wenigen Minuten ihren Handgriff am Band lernten und vollwertige Arbeit leisteten. Ja, der Geist wird ausgeschaltet. Daher auch so viel unnordische Gesichter " [bei den Arbeitern]  (Just, S. 35 f., stark gekürzt)
So also Just – der ja Pfarrer war.

Und wie sieht C.F. Werner eine amerikanische Fabrik – immerhin ist er selbst Besitzer eines Industriebetriebs? Er war zwar in Detroit, aber leider nicht in den Fordwerken. Aber er besuchte eine Fabrik für Registrierkassen, die ebenfalls mit Fließbandproduktion arbeitete. Er fand die „Einrichtung und Organisation vorbildlich“. (Werner, S. 25)

Übrigens: auch wenn die Fließbandproduktion von diesen beiden deutschen Reisenden als typisch amerikanisch angesehen wird – in Deutschland wird sie zu diesem Zeitpunkt in der Automobilindustrie auch bereits genutzt.

So und als nächstes geht es zur Weltausstellung nach Chicago.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: sarahbonita am 21.06.2011, 21:34 Uhr
Still und leiser, aber nicht weniger fasziniert und begeistert lesen mein Freund (Conny alias Goliath) und ich hier mit. Still und leise, weil bald der nächste USA-Urlaub ansteht und wir gut beschäftigt sind.

Auch auf der Homepage haben wir schon einiges bestaunt.

Manchmal würden wir gerne die Zeit etwas zurückdrehen können um die Welt damals nochmals mit unseren Augen zu sehen.

Liebe Grüsse
Sarah
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: SusanW am 24.06.2011, 11:34 Uhr
Zitat
Stell doch mal ein Vergleichsbild ein - wir versprechen auch, nicht zu lachen
Die weißen Söckchen nebst Lackschühchen sind ja nicht mit drauf  :wink:   Also hier

Niagara Falls Juli 1977

(http://www.usa-reise.net/galerie/albums/userpics/12633/normal_niagara.jpg)
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 25.06.2011, 20:41 Uhr
Und weiter geht es nach Chicago, dem eigentlichen Ziel der Reise:

Chicago

Chicago hatte seit seiner Gründung im Jahr 1833 eine unglaubliche Entwicklung vollzogen. Von wenigen hundert Einwohnern bei der Gründung war die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 1930 auf fast 3,4 Mio. Einwohner gestiegen. Zeitweise war das Wachstum der Stadt so stark, dass es sogar die Einwohnerzahl von New York City zu übertreffen schien.

Der Grund für diese Entwicklung war die exzellente Verkehrsanbindung der Stadt. Zum einen war Chicago zunächst das Drehkreuz für Transporte auf dem Wasser, nämlich zwischen dem Osten des Landes (große Seen mit den Kanälen bis zur Ostküste) und dem Mittleren Westen und dem Südosten (über Kanäle zum Mississippi und Missouri). Zum anderen war Chicago nach dem Ausbau des Eisenbahnnetzes der zentrale Knotenpunkt dieser Linien. Es ist dann auch nur logisch, dass die ersten durchgehenden Highways der USA in den 1920er Jahren wie der Lincoln Highway und die Route 66 wichtige Stationen bzw. ihren Startpunkt in Chicago hatten.

Und wie sieht der typische Deutsche denn nun Chicago? Just schreibt, als er abends mit dem Zug Chicago erreicht:

„Der Bahnhof ist unansehnlich, der Bahnhofsvorplatz schwarz. Aber auf der breiten Straße ein Meer von Licht, Hochhäuser, das Gebäude des Kaugummikönigs Wrigley märchenhaft weiß erleuchtet .... hinein in die Autoreihen. Der erste Eindruck von Chicago ist: großzügig.

Am Dienstag vormittag Rundfahrt durch die Stadt. Der erste Eindruck der Großzügigkeit vertieft sich: breite Straßen, Wolkenkratzer und Parks. Und dann die prächtige Michigan Avenue am Michigansee – 26 Meilen Seefront! Freilich treten die Gegensätze schroff nebeneinander auf: Armenviertel und häßliche Häuserblocks dicht vor den Häusern der Millionäre. An der „Goldküste Chicagos“, wie der Volksmund diese vornehme Wohngegend nennt, haben sich am Ufer des Michigansees Arbeitslose Bretterbuden zusammengenagelt. Der Volksmund nennt diese Siedlungen nach dem Präsidenten Hoover City."


Ein Foto von der "Goldküste" haben wir natürlich von Heinz

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-26.jpg)


Just weiter:
"Und die Viertel der Polen, Italiener, Juden und Neger lassen an Häßlichkeit und Ärmlichkeit nichts zu wünschen. Höchstens dass einige wegen der Gangsterkämpfe interessant sind. So fahren wir am Lexington-Hotel, Hauptquartier von Al Capone, vorüber, das früher, ehe der Schmugglerkönig hinter 'eiserne Gardinen' gesperrt wurde, hinter den Fenstern mit Maschinengewehren bestückt war.“

Richtig: die berüchtigten Chicagoer Gangster.

Wie in allen Großstädten gab es natürlich auch in Chicago organisiertes Verbrechen, zunächst insbesondere von italienischen Banden. Mit der Einführung der Prohibition 1919 als bundesweites Verkaufs- und Genussverbot von Alkohol ergab sich dann aber ungewollt für die Banden ein reiches Betätigungsfeld. Zwar sank der Alkoholkonsum der Bevölkerung insgesamt deutlich – was sich übrigens positiv auf die Volksgesundheit niederschlug – aber der wenige verfügbare Alkohol konnte natürlich zu wesentlich höheren Preisen (und steuerfrei) verkauft werden. Der hierdurch erfolgende Anstieg der Straftatenzahlen – einmal wegen der neuen Delikte überhaupt, aber auch wegen der hieraus resultierenden brutalen Verteilungskämpfe – sowie die faktische Nichtdurchsetzbarkeit der Regelungen führten letztlich zur Aufhebung der Prohibition im März 1933 – also nur wenige Monate, bevor unsere Reisenden das Land betraten.
 
Die in dieser Zeit noch stärker als zuvor betriebene heimliche Herstellung von Alkohol aller Art nannte man „Moonshining“, weil man es eben heimlich nachts, bei Mondschein, betrieb. Diese Tätigkeit wird übrigens auch als eine Möglichkeit für die Katastrophe der „Hindenburg“ in Zusammenhang gebracht. Angeblich musste die „Hindenburg“ vor dem Landeanflug über einem Waldstück kreisen, das für sein Moonshining bekannt war. Es wird nun behauptet, dass solche Moonshiners die „Hindenburg“ für einen Versuch der Polizei ansahen, sie auszuspähen, worauf sie Schüsse mit Schrotflinten auf das Luftschiff abgegeben haben sollen. Das hierdurch ausströmende Gas soll sich dann bei der Landung entzündet haben. Klingt jedenfalls nicht unplausibler als manche andere Erklärung für diese Katastrophe.

Auch ein anderer Begriff wurde in dieser Zeit geprägt: die „Flüsterkneipen“ („speak easy“). So genannt, weil man dort nur flüstern sollte, damit ihr geheimer Standort in irgendwelchen Hinterhäusern oder Kellern nicht bekannt wurde.

Zwei Ansichten von Chicago von Heinz. Einmal das Wrigley-Haus, das in den 20er Jahren als Hauptsitz der gleichnamigen Kaugummi-Firma gebaut wurde (hier der Blick auf den 133,5 Meter hohen Südturm)

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-29.jpg)

Das folgende Bild wurde aufgrund patriotischer Gefühle gemacht. Denn Heinz notiert hierzu, dass das Tor zu dem Gebäude anläßlich der letzten Weltausstellung 1893 in Chicago von Kaiser Wilhelm II. persönlich eingeweiht wurde:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-27.jpg)


Ein ganz wesentlicher Punkt für die Entwicklung der Stadt waren die Schlachthöfe geworden. Das Schlachtvieh wurde aus dem Westen und Süden per Eisenbahn nach Chicago verbracht, dort in (damals neuartiger und später von Ford für seine Automobilwerke kopierte) Fließbandarbeit geschlachtet und verarbeitet. Die Fleischprodukte wurden dann in den Osten, wo ja der Hauptteil der amerikanischen Bevölkerung saß, geliefert. Um die Jahrhundertwende wurden so 82 Prozent des amerikanischen Fleischbedarfs gedeckt und hierfür 12 Millionen Tiere jährlich geschlachtet. Im geschäftigsten Jahr 1924 wurde in Chicago mehr Fleisch als in jeder anderen Stadt der Welt verarbeitet. Die Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten waren allerdings miserabel und wurden mehrfach literarisch verarbeitet, so auch von Bert Brecht mit seiner „Heilige Johanna der Schlachthöfe“.

Interessanterweise waren die Schlachthöfe eine recht beliebte Touristenattraktion. Viele deutsche Reiseberichte schildern Besuche dort. Die im Sommer herrschende Hitze, der Gestank und das Geschrei der Tiere führten oftmals aber dazu, dass die Besucher nicht unbedingt begeistert waren. Es ist halt doch etwas Anderes, ein gutes Steak zu verzehren als seine blutige Herstellung live zu verfolgen.
Heinz und Daniela waren jedenfalls dort, denn es gibt zumindest Fotos von den Außengehegen.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-30.jpg)


Und Just beschreibt eine Führung unter dem Titel „Der Massenmord“:

„Wir kommen zu den Viehhöfen: weite Pferche, Rinder, Schafe und Schweine, in den Gängen Reiter. Wir steigen vor dem Empfangsgebäude der Fa. Swift & Compagnie aus. Ein deutschsprechender Führer geleitet uns. Hinauf über Dächer, die Luft ist voll schwelenden Holzes: unten sind die Räuchereien. Aus den Gebäuden vor uns dringt dumpfes Quietschen und Schreien: die Schweineschlächterei. Wer schwache Nerven hat, kann einen Gang herum gehen. Als die Tür aufgemacht wird, schlägt uns lautes Schweinegeschrei ans Ohr.“

Die genaue Beschreibung des Schlachtvorgangs erspare ich uns.

„Im Kühlhaus, das wir dann betreten, hängen 3000 Schafe, 1500 Kälber, 3000 Rinderseiten und noch mehr Schweine. Da rutscht auf langen schmalen Tischen Fleischseite hinter Fleischseite hinab.
Das Schlachten der Schafe können wir nicht sehen. Es ist gerade eine Pause, und hinter uns kommt eine große Schar 'höherer Töchter', so daß wir nicht warten können. Ebenso geht es uns beim Ochsenschlachten.
Dann sehen wir noch, wie die Speck- und Schinkenseiten appetitlich, geräuchert, in Gazebeuteln hängen, wie Margarine hergestellt und verpackt wird. Zum Schluss betrachten wir die Fertigwaren.“


Und wie gefiel das nun den Besuchern?

Just: „Etliche der Besucher sind entsetzt über den Massenmord und die Tierquälerei. Was uns mit Grausen erfüllt, ist die Menge der Schlachtopfer, das Schlachten am laufenden Bande – jährlich werden über 3.000.000 Rinder, 8.000.000 Schweine, 5.000.000 Schafe, 1.000.000 Kälber geschlachtet, täglich 57.000 Tiere, in jeder Minute 120 Tiere; allein in dem Betriebe von Swift & Co. Und dazu die Neger beim Schlachten – das schwarze Gesicht mit den wulstigen Lippen und dem Weiß im Auge, in dem blutgespritzten Kittel, das scharfe Schlachtmesser in der Hand!“ (Just S. 42 ff., stark gekürzt)

Mit dem ersteren hat Just natürlich Recht. Da sicherlich fast alle Besucher Fleisch aßen, ging es letztlich darum, dass viele Besucher es nur schwer ertragen konnten, zu sehen, wie viele Tiere und auf welche Weise sie getötet wurden. Dies bestätigen auch die Beschreibungen anderer deutscher Reiseschriftsteller.

Und das mit den Negern? Dazu kommen wir noch.

(Übrigens mal zum Vergleich: Im Jahr 2010 wurden in deutschen Schlachthöfen ca. 60 Mio. größere Tiere wie Rinder und Schweine geschlachtet. Dazu kommen 280 Mio. Hühner.)
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 28.06.2011, 20:54 Uhr
Die Weltausstellung
 
In Chicago treffen Heinz und Daniela Verwandte. Nämlich „Mieze“ und Ernst, die – wie wir später erfahren – in New York City wohnen. Da Ernst als „Schwager“ bezeichnet wird, muss wohl „Mieze“ dann die Schwester entweder von Heinz oder Daniela sein. Nach dem Körperbau tippe ich mal auf die Schwester von Heinz. Immerhin hat sie nicht seinen Schnurrbart ;-)

Hier sehen wir "Mieze" und Daniela vor einer großen Lokomotive:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-20.jpg)


Gemeinsam erkunden sie dann Chicago mit der Weltausstellung.

Hier die beiden noch einmal vor dem indianischen Dorf:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-24.jpg)

Und wenn wir gerade vom indianischen Dorf sprechen:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-16.jpg)


Bereits 1893 hatte eine Weltausstellung in Chicago stattgefunden. Als 1933 zum 100. Jahrestag der Gründung Chicagos (damals teilweise in Deutschland noch Chikago geschrieben) die zweite Weltausstellung dort stattfand, war der offizielle Titel „A Century of Progress International Exposition“. Thematisch widmete es sich also dem Fortschritt der vergangenen 100 Jahre. Dies stand im Kontrast zu den früheren Weltausstellungen, bei denen man die neuesten Produkte der Teilnehmerländer in einem regelrechten Wettstreit präsentierte. Stattdessen war die 1933er Ausstellung durch eine Wissenschaftsausstellung und insbesondere durch originalgetreu funktionierende Fabriken, die die Besucher durchschreiten konnten, geprägt. So konnte man z.B. zusehen, wie ein Ford-Auto zusammengesetzt wurde.

Hier zwei Gebäude:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-22.jpg)

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-23.jpg)


Die Weltausstellung wurde auf einem schmalen, knapp fünf Kilometer langen Uferstreifen am Michigan See zwischen der 12. und 39. Straße südlich vom Stadtzentrum errichtet. Auf diesem Terrain befanden sich bereits das Sportstadion Soldier Field, das heute vollständig umgebaut den Chicago Bears als Heimat dient, und seit der Chicagoer Weltausstellung von 1893 das Field Museum.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-19.jpg)


Wie bei allen Weltausstellungen seit der Jahrhundertwende gehörte ein Vergnügungspark auch bei der Century of Progress zu den unverzichtbaren Anziehungspunkten. Hier wurden u.a. ein chinesischer Tempel, das Geburtshauses des ersten amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln und ein belgisches Dorf mit mittelalterlichen und barocken Häusern errichtet.

Und ein "Old Heidelberg"

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-25.jpg)


Dahinter begann die nach dem Vorbild der Weltausstellung von 1893 'Midway' benannte Vergnügungszone, die Zerstreuungen aller Art bot: von einer Schlangenschau und einen Flohzirkus bis zur skandalumwitterten Striptease-Show des Showstars Sally Rand, die ich schon in meinem Reisebericht über eine Reise durch die USA im Jahr 1940 erwähnt habe. Außerdem waren die von anderen Weltausstellungen her bekannten Tanzvorführungen exotischer Völker hier untergebracht. In den Straßen von Paris waren große Nachtlokale, Tanzhallen, eine Nudistenkolonie und Spielhöllen untergebracht. Einige dieser Lokalitäten mussten von den Behörden wegen Verstoßes gegen die guten Sitten wieder geschlossen werden, überall aber wurde mit Freibier 1933 die Aufhebung der Prohibition gefeiert.

Das Wahrzeichen der Weltausstellung aber wurde der Sky Ride, eine Hochseilbahn, die über die Lagune führte. Zwei 600 Meter voneinander entfernte und 190 Meter hohe Stahlgerüsttürme überragten das ganze Gelände. In 70 Meter Höhe waren die Türme mit Stahlkabeln verbunden, an denen große Gondeln für jeweils 60 Passagiere hingen und von einem Turm zum anderen fuhren. Die Gondeln sahen aus wie Raketen und stießen bunte Rauchwölkchen aus. Nach drei Minuten allerdings war das Fahrvergnügen bereits vorbei.

Hier zwei Bilder dieser Bahn (wobei man leider die Gondeln nicht sieht)

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-17.jpg)


(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-18.jpg)


Von Mai bis Oktober 1933 waren 22,5 Millionen Besucher zur Weltausstellung nach Chicago gekommen, was aber nicht reichte, um alle Geldgeber der Ausstellung auszuzahlen. Das Ausstellungskomitee beschloss daher, die Schau noch um einen weiteren Sommer zu verlängern. Die halbjährige Pause diente der Überarbeitung und Ergänzung der Ausstellungen.

Nach dem Ende der Ausstellung am 31. Oktober 1934 blieb einzig das Verwaltungsgebäude für die Chicagoer Parkverwaltung stehen, die aus dem Gelände einen Landschaftspark machte, nämlich mit dem Northerly Island Park und dem Burnham Park.

Es wäre zu viel, hier die Reisebeschreibungen von C.F. Werner und Just zu zitieren. Seitenweise beschreiben sie die verschiedenen Ausstellungsteile bis ins Detail, Werner bleibt 11 Tage in Chicago, von denen er viele auf der Ausstellung verbringt. Entsprechend viel schreibt er auch darüber.

Just schreibt zusammenfassend: „Es wird vieles auf der Ausstellung geboten. Bahnbrechend Neues weniger. Erstaunlich ist aber die geschickte Verdeutlichung und die Anschaulichkeit. Auch der schlichteste Besucher kommt auf seine Rechnung. Nicht das tote Modell steht dort, sondern alles in Bewegung und Tätigkeit. Und der Besucher darf es auch anrühren und selber probieren. Kino, Tonfilm, Dioramen, bewegte Figuren, alles wird in den Dienst der aufklärenden Reklame gestellt.“

Kritisch merkt er an: „Weltausstellung, wo sind die großen Ausstellungsgebäude der verschiedenen Staaten der Welt? England ist nicht vertreten, Frankreich nicht, Rußland nicht, Deutschland nicht. An der Flaggenstraße stehen nur die Pavillons kleinerer Staaten.“   Beim polnischen Pavillon muss er feststellen, dass dieser von den Polen nicht fertiggestellt werden konnte und nun als „Deutsches Haus“ eröffnet werden soll. „Eine Weltausstellung im wahren Sinne des Wortes ist also die Chicagoer Ausstellung nicht. Es ist eher eine amerikanische Angelegenheit, und wie es mir scheint, im großen und ganzen mehr Verkaufsangelegenheit als Ausstellung.“ (Just, S. 50 ff. stark gekürzt).

Als „Seltsamkeiten“ beschreibt Just dann noch folgende Dinge: Werbung für den Eintritt ins amerikanische Militär; ein internationales Wetteierlegen, Werbung für Möbelwachs, Ausstellung von Rechenmaschinen in einem griechischen Tempel, Brutkästen für frühgeborene Kinder mit richtigen Kindern darin und die Darstellung von Dinosauriern und Urmenschen.

Und dann noch folgendes: „Im Midway sind mehrere 'Schießstände'. Da wird mit großen Kugeln nach runden Scheiben geworfen. Trifft man, dann plumpst ein lebendiger Neger, der in einem Käfig sitzt, und dem durch den Kugelstoß das Sitzbrett weggezogen wird, ins Wasser. Das ist der Spaß. Einer unserer Reisegesellschaft wurde aber bitter enttäuscht. An einem solchen 'Schießstande' sollte aus einer verschlossenen Tür eine Negerin herauskommen und ins Wasser sausen. Er hoffte, es würde eine hübsche junge sein. Aber siehe da, als er traf und erwartungsvoll auf die sich öffnende Tür schaute, da kam – ein ganz altes Weib heraus gesaust und plumpste in Wasser.“ (Just, S. 54 ff.)

Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: SusanW am 29.06.2011, 15:02 Uhr
Weiterhin ein sehr interesaater Bericht  :daumen:

Auf die Schlachthöfe hätt ich sicher gut verzichten können. :? Bei der Weltaustellung kommen mir Vergleiche mit der hier  -quasi vor unserer Haustür vernastalteten - Expo 2000 in den Sinn.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 29.06.2011, 20:49 Uhr
Bei der Weltaustellung kommen mir Vergleiche mit der hier  -quasi vor unserer Haustür vernastalteten - Expo 2000 in den Sinn.

Vielleicht hätte man auch da die Ausstellung so lange verlängern sollen, bis sie gewinnbringend ist? Also so etwa 30-40 Jahre.....
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: TheWurst am 29.06.2011, 21:08 Uhr
Das Wahrzeichen der Weltausstellung aber wurde der Sky Ride, eine Hochseilbahn, die über die Lagune führte. Zwei 600 Meter voneinander entfernte und 190 Meter hohe Stahlgerüsttürme überragten das ganze Gelände. In 70 Meter Höhe waren die Türme mit Stahlkabeln verbunden, an denen große Gondeln für jeweils 60 Passagiere hingen und von einem Turm zum anderen fuhren. Die Gondeln sahen aus wie Raketen und stießen bunte Rauchwölkchen aus. Nach drei Minuten allerdings war das Fahrvergnügen bereits vorbei.

Hier zwei Bilder dieser Bahn (wobei man leider die Gondeln nicht sieht)

Hallo, im Internet findet man einige Bilder davon, z.B. hier: http://blogs.voanews.com/tedlandphairsamerica/2011/06/17/worlds-fairs-then-now-and-whenever/ (ein bisschen runterescrollen)

Echt ein sehr interessanter Bericht, danke dass Du Dir die Mühe machst, das alles zusammenzutragen!
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 03.07.2011, 20:23 Uhr
Pittsburgh

Von Chicago ging es dann zunächst mit dem Zug weiter nach Pittsburgh.
Pittsburgh, das in der Mitte des 18. Jhd. als französisches Fort gegründet worden war, hatte sich in der folgenden Zeit wegen seiner reichen Steinkohlevorräte und seiner günstigen Schifffahrsbedingungen zu einem Zentrum der amerikanischen Eisen- und dann Stahlindustrie entwickelt. 1911 produzierte Pittsburgh die Hälfte des amerikanischen Stahls. Es war zudem eine sehr deutsch geprägte Stadt, da ein Großteil der Einwanderer aus Deutschland zuzogen. Zeitweise gab es dort vier deutschsprachige Zeitungen. Und eine der wichtigsten Erfindungen aller Zeiten wurde dort gemacht: Ein deutscher Einwanderer namens Henry J. Heinz erfand den Ketchup!
(Ich werde später noch mehr über Deutsche in den USA schreiben. )

1930 hatte die Stadt 671.000 Einwohner und war damit die zehntgrößte amerikanische Stadt. Die Weltwirtschaftskrise traf die Stadt natürlich besonders hart.

Just schreibt über die Bahnfahrt und über Pittsburgh:
„Auf 20 Stunden Bahnfahrt müssen wir uns einrichten. Diesmal geht das Ausziehen und Schlafen schon besser. Der Zug freilich rußt und rasselt und brüllt immerfort wie ein Schwein dicht vor dem Schlachten. Als ich des Morgens beim Waschen und Rasieren bin, fahren wir durch das Alleghanny-Gebirge und halten in Pittsburgh am Zusammenfluss des Alleghanny-  und Monongahela-Flusses. Pittsburgh liegt schön auf den hohen steilen Ufern, ist aber in den Dunst vieler Fabriken gehüllt. Hier ist das Zentrum der Anthrazit-Steinkohlen und Stahlindustrie: Schornstein an Schornstein und elende, verräucherte Häuser.“ (Just, S. 61 f.)

Dass Just nicht mehr schreibt, zeigt, dass ihm Pittsburgh nicht gerade gefallen hat.

Unsere Reisenden Heinz und Daniela besuchen noch das „Carnegie-Museum“. Heute gibt es gleich vier Carnegie-Museen in Pittsburgh. Damals gab es zwei, die von dem Stahl-Tycoon Andrew Carnegie selbst in Auftrag gegeben worden waren, nämlich das Kunstmuseum und Naturkundemuseum, die 1895/96 ihre Pforten öffneten. Carnegie selbst ist eine interessante Person der Geschichte. Nachdem es ihm gelungen war, den weltgrößten Stahlkonzern aufzubauen, nutzte er seinen Ruhestand dafür, getreu seinem Motto: „Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande“, mittels zahlloser Stiftungen Gutes zu tun. So sponserte er z.B. über 1.600 Bibliotheken, die genannten Museen und – vielleicht heute am bekanntesten – das  Konzerthaus Carnegie-Hall in New York City.

Ansonsten finden unsere Reisenden einen den Verkehr regelnden Schutzmann mit einem Sonnenschirm so spannend, dass sie ihn im Bild festhalten.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-31.jpg)



Bahnfahrt nach Washington D.C.

Weiter geht es nach Washington D.C.

Unterwegs steht bei einem Bild von Eisenbahnschienen: „Eisenbahnunglücksstelle bei Washington“.
Ich zweifelte sehr, ob ich über einen fast 80 Jahre vergangenes Eisenbahnunfall etwas finden würde. Aber Google sei Dank: Es dürfte sich um das Unglück „Crescent limited weck“ handeln, das sich am 24. August 1933 – also nur ein paar Tage, bevor Heinz und Daniela diese Strecke nutzten – auf der Amtrak Railroad Anacostia Brücke zutrug. Diese Brücke liegt in Washington D.C. und überquert den Anacostia Fluss.

Die damals 27 Jahre alte Brücke war an diesem Tag durch Hochwasser des Flusses, das wiederum von einem Hurrican ausgelöst wurde, so schwer beschädigt worden, dass ein Zug der Bahnlinie „Crescent limited“ entgleiste und teilweise in den Fluss stürzte. Aufgrund glücklicher Umstände verloren nur 2 Bahnbedienstete ihr Leben und 13 Passagiere wurden verletzt.
Binnen 4 Tagen wurde die Unglückstelle geräumt und eine provisorische eingleisige Brücke wurde installiert (wobei ein Arbeiter getötet und mehrere verletzt wurden). Über diese Brücke fuhr dann der Zug von Heinz und Daniela und sie durften sich angenehm gruseln.
Und tatsächlich: wenn man bei dem Bild ganz genau hinsieht, sieht man am oberen Bildrand etwas, was die eingestürzte alte Brücke sein könnte.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-32.jpg)
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 04.07.2011, 20:26 Uhr
Weiter geht es, Schlag auf Schlag:

Washington D.C.

Washington D.C. wurde bekanntermaßen als künftige Hauptstadt der USA in einem 10 mal 10 Meilen großen Gebiet an den beiden Ufern des Potomac gegründet und nahm im Jahr 1800 diese Funktion auf. Im Britisch-Amerikanischen Krieg wurde Washington von den Briten eingenommen und zerstört. Weniger wegen derer strategischen Bedeutung, sondern einfach um es den Amis mal so richtig zu zeigen, dass man sich nicht mit Großbritannien anlegte.
Danach wurde Washington wieder aufgebaut und wuchs in den Folgejahren nach und nach heran. Allerdings vergleichsweise langsam, 1930 hatte die Stadt aber doch 486.000 Einwohner. Der große Sprung kam dann aber mit der Wirtschaftskrise, als die amerikanische Regierung den Staatsapparat massiv ausbaute. 1940 hatte die Stadt dann schon 180.000 Einwohner mehr.

Natürlich besuchen die Reisenden die klassischen Sehenswürdigkeiten wie das Weiße Haus, das Capitol, den Soldatenfriedhof in Arlington etc. Ich verzichte darauf, sämtliche Fotos hier einzustellen, weil diese Stätten natürlich heute genauso aussehen wie damals. Drei bringe ich aber doch:

Blick aufs Kapitol:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-33.jpg)

Blick aufs weiße Haus:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-34.jpg)

Und Schwarze vor dem Landwirtschaftsministerium:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-35.jpg)


Daneben berichtet Just, der ja die gleiche Reise zwei Monate früher gemacht hat, noch von einem organisierten Besuch der Regierungsdruckerei und die Briefmarkendruckerei, der Kongressbibliothek und dem Smithsonian-Museum. Dort freut sich Just besonders, das Flugzeug „Bremen“ zu sehen, mit dem der deutsche Pilot Hauptmann Köhl mit seinem Passagier Freiherr  von Hünefeld 1928 den ersten Transatlantikflug in Ost-West-Richtung gemacht hatten (was damals entgegen der Hauptwindrichtung ein sehr waghalsiges Unternehmen war und 36 Stunden dauerte – vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ehrenfried_Günther_Freiherr_von_Hünefeld).

Just berichtet über eine Stadtrundfahrt: „Wir machen gleich vom Zuge aus eine Rundfahrt durch die Stadt. Vorbei am Capitol und am Weißen Hause, das schmalhüftig wie ein besseres Gutshaus in einem Park liegt. Wie still und behäbig sind die Straßen, wie in einer kleinen, vornehmen Residenz. Und doch hat Washington 500.000 Einwohner, aber keine Fabriken. Überall sind neue Staatsgebäude im Bau. Alles soll größer und schöner werden. Gerade in der Zeit des Niedergangs der Wirtschaft!“ (Just, S. 62)
Und insgesamt beschreibt Just seine Eindrücke von Washington: „New York und Washington – welche Gegensätze! New York will Dollar machen und mit Wolkenkratzern protzen, Washington will weiß und schön sein. (Just, S. 65)

Die Reisenden steigen im Lee House Hotel an der Ecke 15th und L Street ab.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-39.jpg)

Der dem Fotoalbum beigefügte Hotelprospekt verrät uns, dass Einzelzimmer mit Bad 2,50 bis 4,50 Dollar kosteten und Doppelzimmer 4,00 bis 7,00 Dollar. Dafür gibt es dann ein „modernes, feuerfestes Gebäude mit 250 nach außen gerichteten Zimmer, jedes mit Bad und Dusche. Das Ganze in einer „most desirable“ Lage, einem Restaurant voller „loveliness“ und mit „fine-mannered service“. Na, das nimmt man doch gerne.
Leicht spöttisch schreibt Heinz zu dem Bild: „Nur 8 Stock“. Okay, für amerikanische Verhältnisse ist das halt klein.

Just kommentiert interessantweise ähnliches über seine Unterbringung: „Im Hotel dieselben Einrichtungen wie überall, Standardbett, der Glasschacht als Briefkasten mit Briefeinwürfen auf jedem Stockwerk. Am Morgen wundere ich mich beim Erwachen, daß ich Menschenstimmen von der Straße herauf höre und Vogelsang – ich wohne ja auch nur im 4. Stock.“

Das Lee House Hotel gibt es heute übrigens nicht mehr, es machte einem modernen Bau Platz.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 10.07.2011, 20:17 Uhr
Philadelphia

Nach einem Zwischenstop in Mt. Vernon, dem Haus von George Washington, geht es weiter nach Philadelphia.
Hier sind für Heinz und Daniela zunächst einmal der Blick vom Hotel, dem Elks Hotel(?) ein Foto wert.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-37.jpg)

Besonders der Wasserbehälter auf dem Dach gegenüber scheint Heinz zu faszinieren, denn er schreibt das zum Foto dazu.

Und dann das Rathaus mit seinem 167 Meter hohen Uhrenturm. Das ist bis heute das höchste gemauerte Gebäude und war für 7 Jahre nach seiner Eröffnung im Jahr 1901 auch das höchste Bürogebäude der USA. Hier mit Daniela im Vordergrund:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-38.jpg)


Und was schreibt Just über Phili? „Der Eindruck der Stadt ist wieder ganz anders als der bisher besuchten Städte. Enge Straßen, ältere Häuser, zwei- oder dreistöckig aus rotem Backstein, mehr europäisch und historisch.“ (Just, S. 65)
Was kein Wunder ist, denn sie war immerhin schon 1682 gegründet und bei Ausbruch der amerikanischen Revolution die größte Stadt Nordamerikas. Nicht umsonst versammelte sich hier 1774 der erste Kongress, wurde hier 1776 die Unabhängigkeit proklamiert und 1788 die Verfassung der USA angenommen. Und von 1780 bis 1800 war sie die erste Hauptstadt der USA – bevor das dann Washington D.C. übernahm. In den 1930er Jahren hat sie an die 2 Millionen Einwohner.
Klar ist, dass Heinz und Daniela wie auch Just die typischen Sehenswürdigkeiten wie insbesondere die Independence Hall und die Freiheitsglocke besichtigen.

Hier abschließend ein Blick auf die Stadt vom New Art Museum

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-36.jpg)



Atlantic City

Als nächstes findet sich im Fotoalbum Atlantic City.
Dabei ist es mir nicht klar, ob dies als Teil der organisierten HAPAG-Reise oder ein eigentständiger Ausflug war. Just erwähnt Atlantic City nicht. Das spricht eher dafür, dass es wohl ein eigenständiger Ausflug von Heinz und Daniela war. Oder es gab verschiedene Reiserouten.
Egal, diesmal müssen wir also auf Justs Kommentare verzichten. Aber dafür sind die Bilder umso aussagekräftiger.

Atlantic City, in New Jersey auf einer vorgelagerten Insel gelegen, ist mit heute 40.000 Einwohnern im Stadtkern und rund 275.000 in der Umgebung für Deutschland vielleicht eine bedeutende Ansiedlung – in Amerika kam und kommt es damit aber höchstens unter „ferner liefen“. Die relative Nähe zu New York City (ca. 120 km) und zu anderen großen Städten, die direkte Anbindung mit dem Zug und der breite und lange Strand (Heinz notiert hierzu „der größte Badestrand der Welt“ - keine Ahnung, ob das stimmt) führten aber dazu, dass dieser Bereich schon im 19. Jahrhundert als Tourismusziel bekannt wurde. 1874 kamen schon 500.000 Besucher per Bahn.

Ein ganz wesentlicher Teil seiner Anziehungskraft war die hölzerne Promenade, der sog. „Boardwalk“ entlang des Strandes. Ursprünglich gebaut, damit die Hotels nicht so viel Sand in die Lobbys bekamen, entwickelte er sich zu einer eigenständigen Attraktion. Sehen und gesehen werden, das Strandleben beobachten, die Attraktionen entlang des Walks genießen – bis 1944 wurde der Boardwalk auf 11 Kilometer verlängert.

Schon in den 1870er/1880er Jahren wurde Atlantic City als Kurzurlaubsziel so populär, dass eine Eisenbahnlinie allein den Verkehr nicht mehr bewältigen konnte. Zwei weitere wurden gebaut. Und auch eine Straße wurde dorthin gebaut. Damit waren dem weiteren Aufstieg erst mal keine Grenzen mehr gesetzt, riesige Hotels schossen in den Himmel. Bis in die 1920er Jahre folgte ein Höhenflug der Stadt. Insbesondere die Prohibition oder besser gesagt: deren Nichtdurchsetzung in der Stadt sorgten für weiteren Zulauf.
Als Heinz und Daniela dort ankamen, war die Stadt also auf einem Höhepunkt. Im Hotel Sindy(oder Cindy? schwer leserlich) abgestiegen, waren sie über den Trubel in der Sommerzeit sicher mehr als erstaunt. Das war dann doch was Anderes als die Kaiserbäder an der Ostsee.

Die folgenden Bilder zeigen zunächst einmal den Badestrand - einmal vom Hotel aus und dann von unten:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-40.jpg)

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-42.jpg)

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-41.jpg)

Beim letzten Bild frage ich mich, ob Heinz hier Daniela fotografiert hat oder die weniger bekleidete Dame rechts ..... :-)

Puh, ganz schön voll am Strand. Just hat Atlantic City nicht besucht, beschreibt aber ähnliche Szenen von Coney Island:
„Auf der breiten gedielten Promenade kann man kilometerweit am Strande entlang schreiten und das Badeleben betrachten. Da ist aber buchstäblich kein Sandfleckchen zu sehen, einer liegt, sitzt oder steht am anderen. Frauen und Kinder, Männlein und Weiblein bunt durcheinander. Und das Geschrei, wie in einem riesigen Vogelhause! Wir sehen uns das Gewühl der Badenden etwas genauer an. Das sind doch lauter Juden, alte wie junge! Juden und wieder Jüdinnen, gibt`s nichts anderes als Juden? Doch, Italiener und wieder Italiener. Es sind die Armenviertel in der Nähe, und freie Plätze hat New York zu wenig. Nein, schön sehen die Badenden nicht aus.“ (Just, S. 69).

Und dann kommen einige Fotos von Heinz und Daniela, die uns zu einem Thema zurückleiten, das wir schon gestreift haben: „Neger“.



"Die Negerfrage"

Dies ist ein Punkt, den ich bisher noch nicht angesprochen habe. Im Album finden sich wiederholt Bilder, auf denen gezielt Neger abgebildet wurden. Teilweise auf der Straße. Oder eben wie hier, wo sich Daniela teilweise davor stellt, wohl um zu verheimlichen, dass eigentlich die Schwarzen fotografiert werden sollen.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-43.jpg)


(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-44.jpg)


In zeitgenössischen Reiseberichten habe ich einmal eine Beschreibung gelesen, dass deutsche Touristen sich sogar mit schwarzen Babys auf dem Arm fotografieren ließen.

Nun ist dieses Ablichten per se nichts Ungewöhnliches. Als Tourist hält man natürlich das im Foto fest, was „besonders“, was „anders“ ist. Und Schwarze waren für den normalen Deutschen 1933 natürlich etwas Besonderes und Anderes. Sehr gut können wir das bei Karl August Busch nachlesen, der in seinem Buch „Quer durch Amerika“ seine Eindrücke einer USA-Reise vermutlich um 1900, schildert:
„Das erste, was mir [nach der Einreise in New York] auf dem amerikanischen Pflaster Hobokens auffiel, war – ein Neger. Bald sah ich sie überall, die man bei uns vielleicht nur einmal in Zoologischen Gärten bestaunt, als Portiers, Gepäckträger, Droschkenkutscher, Handwerker, Hilfsschaffner und dergleichen. Und eine der großen Nationalfragen der Union tauchte schon am Zolltor Hobokens vor mir auf – die Negerfrage.“ (S. 46 f.)


Im Gegensatz zu anderen europäischen Mächten gab es in Deutschland praktisch keine schwarze Bevölkerung. Das Deutsche Reich hatte nur kurze Zeit Kolonien in Afrika besessen und diese zum Ende des I. Weltkriegs verloren. Wenn Busch schreibt, als Deutscher habe man Schwarze höchstens im Zoo gesehen, so ist das durchaus zutreffend. Tatsächlich stellten deutsche Zoos immer wieder Schwarze quasi als „Ausstellungsstücke“ ein. Sie wurden dann in Gehegen so gezeigt, wie man sich eben so das Leben in Afrika vorstellte.
 
Während der Weimarer Republik gab es maximal 3.000 Schwarze im gesamten Deutschen Reich. Wobei man als Deutscher in einer Kleinstadt niemals einen Schwarzen zu Gesicht bekam. (Und vermutlich gerade diese geringe Zahl sorgte dafür, dass sie im Vergleich zu anderen „nicht-arischen“ Minderheiten offenbar vergessen wurden und vergleichsweise glimpflich davon kamen. Nur teilweise wurden sie in Konzentrationslager gesperrt und eine systematische Vernichtung, wie eben z.B. bei den Juden und „Zigeunern“, erfolgte nicht.)

Nachdenklich stimmen aber die deutschen Reiseberichte jener Zeit und auch das Album. Neben einigen neutralen Stimmen finden sich viele rassistische Bemerkungen über Schwarze.
C.F. Werner, den ich ja schon mehrfach zitiert habe, schreibt z.B. über Chicago:

.... und bald sind wir in der Negerstadt, die ca. 200.000 Schwarze beherbergt. Ich betonte schon, dass vor etwa 40 Jahren die wohlhabendsten Leute der Stadt hier ihre Wohnsitze aufgeschlagen hatten. In einem Haus, das früher eine Familie bewohnte, wohnen jetzt bis zu 20 Negerfamilien. Die hier befindlichen Häuser weisen alle noch keine eigenen Badezimmer auf, aber das tut nichts zur Sache, denn die 'Nigger' sind sehr wasserscheu.“ (S. 53)

Wobei Werner Ursache und Wirkung verwechselt. Die aus dem Süden zuwandernden Schwarzen, die hofften, in der Industrie Arbeit zu finden, mussten irgendwo unterkommen. Da der normale weiße Hausbesitzer aber keine Wohnungen an sie vermietete, blieb es letztlich nur, zu vollkommen überhöhten Preisen von Wucherern zu mieten. Das Ergebnis war, dass sich die Schwarzen also in Wohnblöcken zusammendrängen mussten, wobei sie für weniger Raum die gleichen Preise zahlen mussten wie die Weißen für größere Wohnungen in „weißen“ Wohnblocks. Und dann war eben auch oft kein Badezimmer dabei. Und da Schwarze oft als letzte eingestellt und als erste gefeuert wurden, führte dies schnell zu ghettoartigen Bedingungen.

Heinz ist wohl keine Ausnahme. Unter vielen Fotos, die er von Schwarzen macht, schreibt er „Jumbos“ (genau so, also mit Anführungszeichen). Das ist ein Begriff, den ich nirgendwo finden konnte, scheint mir aber eine herabsetzende Bezeichnung zu sein. So etwa wie „Bimbo“? Ich tippe einfach mal darauf, dass er diesen Begriff von seinen amerikanischen Verwandten aufgeschnappt hat.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kar98 am 11.07.2011, 03:13 Uhr
Heinz ist wohl keine Ausnahme. Unter vielen Fotos, die er von Schwarzen macht, schreibt er „Jumbos“ (genau so, also mit Anführungszeichen). Das ist ein Begriff, den ich nirgendwo finden konnte, scheint mir aber eine herabsetzende Bezeichnung zu sein. So etwa wie „Bimbo“? Ich tippe einfach mal darauf, dass er diesen Begriff von seinen amerikanischen Verwandten aufgeschnappt hat.

Glaube ich nicht. "Bimbo" ist eine dusselige Schnepfe, und wird hat nicht die Bedeutung wie in Deutschland.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: SusanW am 11.07.2011, 20:04 Uhr
Wow, so volle Strände habe ich drüben ja noch nie gesehen  :shock:
Allerdings waren wir auch noch nicht in Atlantic City....
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 12.07.2011, 20:23 Uhr
Zurück nach New York City

Zurück geht es nach New York. Für die anderen Reiseteilnehmer dürfte es nun wieder nach Hause gegangen sein. Heinz und Daniela kommen aber bei ihren Verwandten Ernst und „Mieze“ unter. Die in Brooklyn wohnen, und zwar 702 East 5th Street. Das Haus wurde 1905 gebaut und steht übrigens genauso immer noch (wie bindet man denn Google-Street View mit der Adresse ein?). Sein Wert beträgt nach Internetangaben derzeit ca. eine Million Dollar, also durchaus eine gute Wohngegend.

So sah es damals aus:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-70.jpg)

Und noch mal von der Seite:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-56.jpg)


Zunächst einmal zu Brooklyn: Wenn man von der Größe von New York City spricht, darf man nicht vergessen, dass diese nur durch Eingemeindungen erreicht wurde. Brooklyn war nämlich bis 1899 eine unabhängige Stadt mit über einer Million Einwohnern. Das Herz von New York City schlägt zwar in Manhattan, aber wer es sich leisten konnte und kann, wohnt in Brooklyn. 1930 hatte Brooklyn 2,5 Millionen Einwohner (rein nebenbei bemerkt: auch Berlin wurde erst am Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Städten wie z.B. Charlottenburg zusammengefügt).

Als unsere Reisenden dort ihre Verwandten besuchen, sind erhebliche Teile Brooklyns trotz der hohen Bevölkerungszahlen gute Wohngegenden mit Einfamilienhäusern. Der Film „Arsen und Spitzenhäubchen“ mit Cary Grant, der dort spielt, zeigt dies ja gut.

Da Ernst und „Mieze“ dort ein Haus haben, darf man annehmen, dass sie sich in Amerika ganz erfolgreich behauptet haben. Vermutlich sind sie in jungen Jahren ausgewandert und haben ihr Glück dort gemacht.

Deutsche in Amerika

Wenn wir gerade über Deutsche in den USA sprechen: Dass die Deutschen über lange Zeit eines der größten Einwandererkontigente für die USA gestellt haben, dürfte bekannt sein. Während der ersten Besiedlungswelle wurden die USA zwar im Wesentlichen von Englischsprachigen besiedelt (also Bewohnern von Großbritannien und Irland), aber 1607 kam auch der erste Deutsche (der dann schon im nächsten Jahr starb). Zunächst waren die deutschsprachigen Einwanderer religiös Verfolgte (man denke nur an die Amish, die ja zu großen Teilen bis heute noch einen deutschen Dialekt sprechen). Zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges sollen ca. 225.000 bis 250.000 der Bewohner der Kolonien deutschsprachig gewesen sein. Und nach der Volkszählung von 1790 hatten immerhin schon fast 9 Prozent der Amerikaner deutsche Wurzeln.
In der Folgezeit verstärkte sich die Zuwanderung aus Deutschland. Zwischen 1850 und 1930 immigrierten 5 Millionen Deutsche in die USA – nicht zuletzt nach der gescheiterten Revolution von 1848.
Die genauen Zahlen sind natürlich schwer zu ermitteln, zumal ja dann in den USA nach und nach eine Vermischung mit anderen Einwanderern erfolgte. 2005 hatten von ca. 295 Mio US-Bürgern ca. 50 Mio. deutsche Vorfahren, also ca. ein Sechstel.

Deutsche Einwanderer waren dabei sehr beliebt, da sie als ordentlich und arbeitsam galten. Viele Deutsche, die sich mit Gelegenheitsjobs für einige Zeit in den USA durchgeschlagen und darüber Reiseberichte geschrieben haben, erwähnen, dass für sie als Deutsche die Jobsuche wesentlich einfacher war als für Arbeitslose anderer Herkunft.

Da man als Einwanderer sich oftmals an Einwanderern des gleichen Herkunftslandes orientierte, kam es zu sehr starken deutschsprachigen Siedlungen. Dies änderte sich zum einen durch den sinkenden Nachzug von Deutschsprachigen – andere Einwanderergruppen überwogen dann und ohnehin setzte sich mehr und mehr das Englische durch. Und zum anderen änderte es sich durch den I. Weltkrieg. Nach dem Kriegseintritt der USA gegen Deutschland kam es zu einer regelrechten Spionagehysterie gegenüber deutschsprachigen oder nur (vermeintlich) deutschfreundlichen Amerikanern (ähnlich wie dann im II. Weltkrieg mit den Japanern). Es ging so weit, dass in verschiedenen Bundesstaaten der öffentliche Gebrauch des Deutschen gesetzlich verboten wurde.

Die (Deutsch)Schweizerin R. Zurbuchen beschrieb in ihrer Reisebeschreibung „Kreuz und quer durch Nordamerika in den Jahren 1915 bis 1919“ ihre Erlebnisse, als sie wegen des Kriegseintritts der USA nicht mehr nach Europa zurückreisen konnte. Sie blieb daher bei Verwandten in Kansas.

„Leider wurde durch die einseitige Kriegspropaganda der Presse der Deutschenhaß im Landes herum künstlich geschürt. Er richtete sich nicht nur gegen die Deutschen Europas, die ‚Hunnen‘, wie sie in den Zeitungen genannt wurden, sondern auch gegen die vielen Deutschamerikaner im Lande selbst und gegen alle diejenigen, welche deutschklingende Namen trugen. Der Durchschnittsamerikaner weiß keinen Unterschied zwischen Schweizern und Deutschen zu machen und bezeichnet sie alle mit dem Sammelnamen ‚Dutchmen‘. Im ganzen Land wimmelte es von Detektiven, deren Aufgabe es war, jedes deutschfreundliche Wort aufzufangen und nach Washington zu berichten. Es kam vor, dass Deutschamerikaner wegen unvorsichtiger Bemerkungen ohne Verhör als unloyal eingesteckt [inhaftiert] wurden. Dieses bezahlte Spioniersystem säte ein gegenseitiges böses Mißtrauen im Volk. Bald ging man soweit, die deutsche Sprache in Amerika vollständig zu verbieten. Ein alter Farmer im Staate Iowa fragte seinen Nachbarn auf Plattdeutsch nach seinem Pflug, da er eben kein Englisch sprechen konnte – dabei wurde er von einem ihn hassenden Spion beobachtet und auf dessen Anzeige hin eingesteckt. In den großen Städten wurden die deutschen Lehrbücher in den Parks haufenweise verbrannt und die Schullehrer der deutschen Sprache wurden von einem Tag auf den anderen entlassen.
Hätte das amerikanische Volk selbst über den Eintritt in den Krieg abstimmen können, und nicht nur seine Senatoren, so wäre Amerika nie in den Krieg getreten. Nun musste auf alle erdenkliche Weise Propaganda gemacht werden, damit das Volk willig sei, seine Söhne in den Krieg zu senden und die vielen Kriegsanleihen zu kaufen.
Ein junger Kanadier ging in dem meistens von Deutschamerikanern bewohnten Städtchen Halstead in Kansas so weit, zu behaupten, dass alle Amerikaner, welche die Hunnensprache sprechen, unloyal seien, und die guten Leute wußten sich nicht anders zu helfen, als Beifall zu klatschen, um nicht als unloyal zu gelten.
Sogar die Kirchen boten ihren Hand zur Kriegspropaganda, indem von den Kanzeln herab verkündigt wurde, dass es des Herrn Jesu Wille sei, dass Amerika in Europa für die Aufrichtung der Demokratie kämpfe. Im ganzen Lande wurden die Leute gezwungen, Kriegsanleihen zu kaufen.


[Zurbuchen beschreibt detailliert einen Fall, wo ein mittelloser deutschamerikanischer Farmer aus ihrer Umgebung mit Waffengewalt gezwungen wurde, eine Spende für das Rote Kreuz zu geben,]

Auf dem Lande kam es vor, daß in der Nacht Farmhäuser mit gelber Farbe beschmiert wurden, was als Zeichen der Unloyalität galt. In unserer Nähe wurde dem Vater eines amerikanischen Offiziers sein Auto gelb angestrichen, nur weil man wußte, daß der alte Mann vor dem Kriege als Deutscher deutschfreundlich gesinnt gewesen war. Ihm selbst wurde aufgepaßt [aufgelauert], um ihn bei Gelegenheit mit Teer zu überschütten und mit bunten Federn zu schmücken.
Doch kamen Teerungen und gelbe Autos und Häuseranstriche vielfach vor.“
(Zurbuchen, S. 255 ff., gekürzt).


Noch einmal zu Ernst und „Mieze“ zurück. Hier sehen wir sie noch mal genau in Bildern:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-57.jpg)

(Von links nach rechts: Ernst, unbekannt, Heinz, Daniela, "Mieze")


(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-71.jpg)

(Von links nach rechts: "Mieze", Ernst, Daniela, Heinz)


Betrachte ich mir die Fotos, so finde ich schon, dass man gewisse Unterschiede zwischen den „Amerikanern“ Ernst und „Mieze“ und den deutschen Heinz und Daniela erkennen kann. Am meisten fällt mir der Schnurrbart von Heinz auf. Und tatsächlich gab es hier Unterschiede. Busch schreibt nach seinen Beobachtungen auf New Yorks Straßen: „Die Herren waren alle rasiert. Nirgends sah ich einen Schnurr- oder gar Vollbart!“ (Quer durch Amerika, S. 47)

Aber auch der Kleidungsstil und die Frisuren sind etwas anders. Ernst und „Mieze“ haben sich angeglichen.
In einem Punkt allerdings nicht: sie haben einen Hund.

Und das ist Eure Aufgabe bis zum nächsten Mal:
Was für einen Hund hatten Ernst und "Mieze" und wie hieß er?



Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: mrh400 am 12.07.2011, 20:52 Uhr
Hallo,
(wie bindet man denn Google-Street View mit der Adresse ein?)
so: link (http://maps.google.de/maps?q=40.634532,-73.973841&ll=40.63498,-73.973916&spn=0.001598,0.003232&sll=40.667026,-73.974879&sspn=0.006295,0.006295&num=1&z=19&layer=c&cbll=40.634879,-73.973898&panoid=WlB5HKUFUwT12rxSJSET5w&cbp=12,300.95,,0,-1.27)

siehe Screenshot unten; StreetView aufrufen, rechts oben das Kettenglied-Symbol anklicken (siehe Mauspfeil), Link kopieren
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: dschlei am 13.07.2011, 00:29 Uhr
Im Gegensatz zu der allgemeinen Information wurden auch tausende Deutsch-Amerikaner im WWII in den USA in Lagern interniert!

http://en.wikipedia.org/wiki/German_American_internment
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Flying-N am 13.07.2011, 10:07 Uhr
Wahrscheinlich hatten sie einen Schäferhund, der "Rex" hieß... stimmt's? Oder vielleicht einen Dackel?

Nic

Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: TheWurst am 13.07.2011, 10:21 Uhr
Oder vielleicht einen Dackel
Namens Purzel  :lol:
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: mrh400 am 13.07.2011, 10:36 Uhr
Hallo,
Oder vielleicht einen Dackel
Namens Purzel  :lol:
wenn schon Dackel, dann Waldi  :lol:
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 13.07.2011, 20:30 Uhr
Oder eine Dogge namens "Adolf"? :-)
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Marterpfahl am 13.07.2011, 22:22 Uhr
Einen "Deutschen Schäferhund"  namens "Max"   (http://smileyjungle.com/smilies/animals11.gif) (http://smileyjungle.com)
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: mrh400 am 13.07.2011, 22:33 Uhr
Hallo,
Oder eine Dogge namens "Adolf"? :-)
lieferst Du da jetzt die Lösung (warum dann "?") oder willst Du uns verwirren?
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: wuender am 14.07.2011, 07:55 Uhr
(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-70.jpg)

[...]

Was für einen Hund hatten Ernst und "Mieze" und wie hieß er?

Ist das Tier zwischen den beiden Frauen der gesuchte Hund? Das sieht mir wie ein Schäferhund aus. (http://www.smilies.4-user.de/include/Tiere/smilie_tier_116.gif)

Aber wie um Himmels Willen sollen wir den Namen rausbekommen? :shock:

Schöne Grüße,
Dirk
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: TheWurst am 14.07.2011, 09:46 Uhr
Ist das Tier zwischen den beiden Frauen der gesuchte Hund? Das sieht mir wie ein Schäferhund aus.
Gute Augen, hab ich garnicht gesehen...

Aber wie um Himmels Willen sollen wir den Namen rausbekommen? :shock:
Guck doch noch mal genau hin, vielleicht steht er ja auf dem Halsband :knockout:
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: wuender am 14.07.2011, 09:57 Uhr
Aber wie um Himmels Willen sollen wir den Namen rausbekommen? :shock:
Guck doch noch mal genau hin, vielleicht steht er ja auf dem Halsband :knockout:

Stimmt, wie konnte ich das übersehen. Dann möchte ich lösen: Der Name ist Rex :wink: 8)

Schöne Grüße,
Dirk
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Flying-N am 14.07.2011, 10:41 Uhr
Stimmt, wie konnte ich das übersehen. Dann möchte ich lösen: Der Name ist Rex :wink: 8)

.... hab ich doch gleich gesagt! Ob es denn nun stimmt???

Nic
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kauschthaus am 14.07.2011, 14:01 Uhr
Entweder hatte der Hund einen "Allerweltsnamen" wie Rex oder Harro, oder einen berühmten Schäferhundnamen.

Nachdem es vermutlich nicht Blondi ist, tippe ich auf Rin Tin Tin.  :wink:

Grüße, Petra
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 14.07.2011, 14:19 Uhr
Okay, okay, ich löse das Rätsel auf.

Die Dogge namens "Adolf" ist es natürlich nicht - das stammt aus "Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone".

Das Foto enthält tatsächlich einen Hinweis, da ist der Hund - allerdings schlecht - zu sehen. Es war ein Deutscher Schäferhund. Und er hieß (natürlich) "Rex"....
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Flying-N am 14.07.2011, 15:44 Uhr
Juhu, ich hatte recht! Erste!  :smiledance:
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 16.07.2011, 15:29 Uhr
Juhu, ich hatte recht! Erste!  :smiledance:

Gut gemacht! Und Dein Preis: Du darfst diesen Reisebericht weiterlesen. (Die anderen auch, aber das tut hier nichts zur Sache).


Aufenthalt in New York

Was fiel Heinz und Daniela Besonderes in Brooklyn auf? Papiersäcke! Nämlich die, die die Amerikaner anstelle von Mülltonnen verwendeten.


Heinz und Daniela haben sich in den kommenden Wochen New York City natürlich von vorne bis hinten angesehen. Die Bilder bedecken einige Seiten und es ist schwer, hier eine Auswahl zu treffen.

Eine Sache musste natürlich gemacht werden: die Aussichtsplattform des Empire State Building. Und da das auch Just gemacht hat, können wir wieder in Originalton schalten:

„Das Empire State-Gebäude steht etwas von der Straße zurück und steigt in strahlender Schönheit wie ein höheres Wesen auf.
Wir treten ein. Wohlige Kühle umfängt uns, der Wolkenkratzer ist eisgekühlt. Marmorwände, glänzende Läden. Zum Fahrstuhl. Empire State hat 67 Fahrstähle, Lokal-, beschleunigte und Espressfahrstühle. Wir steigen in den Express ein. Oben leuchten Zahlen auf, unheimlich schnell hintereinander – die Stockwerke. Mir legt sich ein Druck auf die Ohren. Schon hält der Fahrstuhl: 80. Stockwerk, in Worten: achtzigstes Stockwerk. Umsteigen. 86. Stockwerk. Aussteigen zur Aussichtsterrasse und zum Erfrischungsraum. Die Sicht von oben ist unbeschreiblich. Weit, weit .... Dort unten scheint eine Liliputstadt ausgebreitet .... ein Baukasten .... ein Ameisengekrabbel. Man kann sich nicht satt sehen. Aber es geht noch höher. 102. Stockwerk, 385 Meter. Ein Luftschiff schwebt heran, aber es macht nicht fest – Empire State hat oben einen Ankermast für Luftschiffe. Wie erhoben und erhaben kommt man sich bei dieser Rundsicht vor. Welche Großtat des himmelstürmenden Geistes!
Ich muss mich schier von dieser Höhenschau losreißen. Beim Hinabfahren erfahre ich, daß dieser neue Wolkenkratzer zu 89 Prozent leer steht.“
(Just, S. 25 f.)

Hier ein Bild aus dem Fotoalbum, wobei ich die dargestellten Personen nicht identifizieren kann (Daniela mit amerikanischer Verwandtschaft?):

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-53.jpg)




Eine weitere Tagestour war eine Bootsfahrt den Hudson hinauf. Bei der Vorbeifahrt wird zunächst die Washington Bridge bestaunt.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-45.jpg)


Diese Brücke, die Manhattan mit dem Festland verbindet, war erst 2 Jahre zuvor eröffnet worden und war damals mit 1067 Metern Spannweite zwischen den Pfeilern die größte Hängebrücke der Welt. Schon 1937 verlor sie den Titel an die Golden Gate Bridge. Und heute kommt sie noch nicht einmal mehr unter die TOP 10, da es inzwischen schon Hängebrücken gibt, die fast doppelt so lang sind.


Weiter entlang des Hudson wird dann noch die Bear Mountain Brigde beschaut, wobei diese 1924 eingeweihte Brücke mit einer Spannweite von 497 Metern dann nicht mehr so überwältigend ist. Beim Bau der Brücke wurden aber erstmals neue Techniken eingesetzt, so z.B. eine Betonfahrbahn. Mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen wurden dann noch größere Brücken, wie eben die Washington Bridge, möglich.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-46.jpg)



Ansonsten wird beim Vorbeifahren das berühmt-berüchtigte Gefängnis Sing Sing bestaunt. Die Bezeichnung der Strafanstalt – das ist kein Spitzname, wie ich dachte, sondern ihr offizieller Name – leitet sich von „Sint Sinks“ ab, was angeblich in einer indianischen Sprache „Stein auf Stein“ bedeutet (angeblich, vielleicht heißt es auch: "dunkles Loch, in dem übel riechende, weiße Männer sitzen").
 
Und dann wird noch in West Point gestoppt, wo man natürlich die United States Military Academy besucht, wo schon seit 1802 die Offiziere der US-Armee ausgebildet werden. Heinz notiert dazu: "herrlich gelegen!".

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-47.jpg)

Und die Beschriftung dieses Bildes: "Parademarsch (ohne preuss. Paradeschritt!)"

Ich nehme an, dass das positiv gemeint ist.....
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 21.07.2011, 21:00 Uhr
Weiterer Aufenthalt in New York City

Wie schon erwähnt, haben sich Heinz und Daniela nach dem Ende der Rundreise noch gut 2 Monate in New York City aufgehalten. Und haben sich die Stadt von vorne bis hinten angesehen. Es würde daher zu weit führen, alle weiteren Ziele von Heinz und Daniela im Bild wiederzugeben. Seiten um Seiten wird das Fotoalbum gefüllt. Ich beschränke mich daher auf ein paar Eindrücke.

Es gibt ein paar Sachen, die Heinz immer wieder fotografiert. Dazu gehören Gebäude mit Feuertreppen. Heinz schreibt hierzu auch immer „Feuertreppen!“ und meint die außenliegenden Feuertreppen aus Eisen, wie sie an vielen Neubauten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angebaut bzw. bei Altbauten nachträglich installiert wurden. In Deutschland scheint es so etwas nicht gegeben zu haben (obwohl sie eigentlich eine klasse Idee sind - bis heute).

Ein Kinderkarussel auf einem Wagen wird festgehalten:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-55.jpg)

Blicke von der Brooklyn-Bridge, wo sich ja der  Fußgängerweg ganz oben befindet auf Down Town (hat jemand Vergleichsbilder von heute?):

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-50.jpg)


(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-51.jpg)


(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-52.jpg)


Einen anderen Aspekt zeigt dieses Bild vom Central-Park – mit Bretterhütten von Arbeitslosen

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-54.jpg)


Und eine Straßenszene im Jüdischen Viertel:

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-49.jpg)


Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: usa2008 am 21.07.2011, 21:52 Uhr

Klasse Bilder!!
Besonders die beiden letzten zeigen deutlich die Unterschiede zum heutigen Zustand.
Man sieht den Menschen an, dass sie z.Teil noch nicht lange in NY leben, die Unterschiede
der Zuwanderländer sind noch deutlicher als heute und die Zeichen der Armut.

Gaby
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kar98 am 22.07.2011, 06:47 Uhr
Blicke von der Brooklyn-Bridge, wo sich ja der  Fußgängerweg ganz oben befindet auf Down Town (hat jemand Vergleichsbilder von heute?):

Sicher doch:
http://www.google.com/search?q=brooklyn%20bridge%20pedestrian%20walkway&um=1&ie=UTF-8&tbm=isch&source=og&sa=N&hl=en&tab=wi&biw=1172&bih=573
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 23.07.2011, 20:10 Uhr
Herzlichen Dank für die Verlinkung aktueller Bilder.

So ganz langsam kommen wir zum Ende der Reise. Um ein Thema kommen wir aber im Jahr 1933 nicht rum:


"Das neue Deutschland und seine Reiseberichte"

Im Jüdischen Viertel fotografiert Heinz ein Schild „Don`t buy german goods“ - kauft keine deutschen Waren.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-48.jpg)

(Das Schild ist etwa auf Höhe des Laternenpfahls)


Urheber dieses Boykottaufrufs ist der amerikanische Rechtsanwalt Samuel Untermyer (1858-1940). Schon vor dem Dritten Reich aktiv gegen Antisemitismus, gründerte er 1933 die American League for the Defense of Jewish Rights. Im Hinblick auf die Verfolgung deutscher Juden initiierte Untermyer einen US-Boykott deutscher Importe und erklärte auf einem jüdischen Weltkongress in Amsterdam 1933 Deutschland einen „Heiligen Krieg”. Übertriebene Zeitungsberichte über diese relativ unbedeutenden Boykottmaßnahmen führten als Gegenmaßnahme dann zum bekannten Boykott jüdischer Geschäfte in Deutschland („Kauft nicht beim Juden!“).

Sehe ich mir das Album insgesamt an, dürfte Heinz von diesem Boykott deutscher Waren vermutlich empört gewesen sein. Wie die meisten Deutschen dieser Zeit.

Es ist interessant, die Reiseberichte der 20er Jahre mit denen aus dem Dritten Reich zu vergleichen. Bei den Berichten aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus waren nationalistische Bemerkungen eher selten, rassistische Ausfälle gegen Juden oder Schwarze eigentlich gar nicht zu finden.
Das änderte sich schlagartig nach 1933. Kaum ein Reisebericht, der nicht das „neue Deutschland“ lobt. Und viele Reiseberichte, die die einschlägigen nationalsozialistschen Feindbilder in kleinen Randbemerkungen, aber auch in seitenweisen Ausführungen brachten.

Bezeichnend ist dabei, dass nicht nur normale Reisende, die als Gelegenheitsschreiber ihre Eindrücke festhielten, so schrieben, sondern auch gestandene und noch heute gerne gelesene Reiseschriftsteller. Als typisches Beispiel kann man hier einen der bekanntesten deutschen Reiseschriftsteller des 20. Jahrhunderts nehmen, den Berliner Journalisten A.E. Johann. Johann hatte seit den 20er Jahren immer wieder den nordamerikanischen Kontinent bereist und Land und Leute zunächst bewundernd beschrieben. Umso erstaunlicher ist es dann, dass Johann 1942 mit „Das Land ohne Herz“ eine gnadenlose Abrechnung mit den USA schrieb. Selbst wenn man ihm zu Gute hält, dass er dabei teilweise durch die schlimmen Verhältnisse während der Weltwirtschaftskrise beeinflusst wurde und auch manches wirklich Kritikwürdiges anspricht wie z.B. die Zerstörung der Wälder, bekennt auch er sich ohne wenn und aber zum nationalsozialistischen Deutschland. Aus seiner Sicht erklärt er seine Wandlung ab 1932, in dem er zum ersten Mal ein antiamerikanisches Buch veröffentlichte („Amerika, Untergang im Überfluss“)– von mir deutlich gekürzt – wie folgt:
„Der deutsche Zeitgenosse kann sich kaum eine Vorstellung machen, in welchen Ausdrücken, mit welchen Mitteln der Verleumdung und grundsätzlich böswilligen, das wahre Bild stets verzerrenden und verfälschenden Darstellungskunst schon 1934 gegen das Dritte Reich gearbeitet worden ist! Obwohl ich manchen harten Brocken gewöhnt bin, habe ich schon damals oft genug Zeitschriften in die nächste Ecke gepfeffert, weil ihre raffinierte Verfälschung der in Deutschland tatsächlich obwaltenden Verhältnisse einfach nicht zu ertragen war.“
Um sich dann positiv zum Krieg gegen Amerika zu äußern, der selbstverständlich Amerikas Werk war (A.E. Johann, Das Land ohne Herz, 1942, S.31 und S. 64 f.). Und ganz nebenbei kann er es auch nicht lassen, darüber zu lamentieren, dass das einstige Amerika von Menschen „vollständig nordischer Abstammung“ nunmehr „von slawischen, jüdischen, überall zusammengelesenen Menschenmassen“ überflutet wird, „die sich als nur ganz oberflächlich assimilierbar erwiesen, von primitivsten Menscheninstinkten geleitet wurden und das Bevölkerungsbild Amerikas, das schon durch die Neger schwer belastet war, hoffnunglos verwirrten.“ (ebenda, S. 25)

Muss ich hinzufügen, dass Johann nach dem Krieg sofort wieder positiv über Amerika schrieb?

Antisemitismus ist aber keineswegs eine allein deutsche Erscheinung. Fast überall in der christlichen Welt, in der Juden lebten, kam es früher oder später zu Antisemitismus.

Die USA bildeten da keine Ausnahme. Zwar standen die Vereinigten Staaten schon aufgrund ihrer Gründungsgeschichte für Religionsfreiheit. Und solange es nur relativ wenige Juden in den USA gab, war entsprechend auch der Antisemitismus unbedeutend. Mit der drastischen Zunahme der jüdischen Einwanderung, insbesondere aus Osteuropa, in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich aber auch ein versteckter wie offener Antisemitismus. Juden waren in weiten Teilen der Gesellschaft schlicht unerwünscht, so z.B. in Clubs oder Ferienorten.

Dies zeigt sich beispielhaft auch in den Aufnahmekriterien der berühmten Universität Harvard. Diese hatte Anfang des 20. Jahrhunderts ein neues Verfahren für die Auswahl ihrer Studenten eingeführt, wonach ausschließlich die schulischen Leistungen über die Vergabe der Studienplätze entschieden. Da dje jüdische Minderheit überdurchschnittlich gute Schüler stellte, förderte diese Maßnahme mittelbar die Vergabe von Studienplätzen an Juden. Dass nach einigen Jahren schon fast 20 Prozent der Studienplätze durch Juden belegt wurden, führte zu Unbehagen bei Mitstudenten wie auch der Leitung dieser Universität. Und nicht zuletzt auch bei den Angehörigen der weißen Oberschicht, die wesentliche Geldgeber dieser Universität waren und ihre eigenen Kinder als Studierende sehen wollten. Harvard führte daraufhin ein neues Bewertungssystem ein, wobei neben der schulischen Leistungen auch Empfehlungsschreiben und ein persönliches Interview zur Bewertung des Charakters einflossen. Ganz nebenbei erforderte das neue Bewerbungsverfahren neben einem Foto des Bewerbers auch genaue Angaben zu den Eltern und zu möglichen Namensänderungen, um so die jüdische Herkunft zuverlässig enttarnen zu können. Mit diesem Verfahren gelang es dann auch, den jüdischen Anteil der Studierenden in Harvard auf unter 15 Prozent zu drücken.

(Nebenbei bemerkt: Einer der Nutznießer dieses Systems ist der ehemalige US-Präsident George W. Bush, der in Harvard studierte, obwohl seine Noten ihn nicht gerade dafür prädestinierten. Aber wenn natürlich der Charakter mitzählt .....)

Interessanterweise beeinflusste der amerikanische Antisemitismus sogar den Nationalsozialismus. Das zutiefst antisemitische Buch „Der internationale Jude – ein Weltproblem“, das von dem bekannten Autofabrikanten Henry Ford(!) herausgegeben wurde, wurde nämlich in der deutschen Übersetzung eine wesentliche Grundlage des in Deutschland aufkommenden Nationalsozialismus. Teile der darin vertretenen Thesen finden sich z.B. in Hitlers „Mein Kampf“.



Nun wissen wir nicht, wie Heinz und Daniela genau zum Nationalsozialismus standen. Wie so viele andere Deutsche werden sie vermutlich jedenfalls in den Anfangsjahren eher begeistert gewesen sein. Wenn man auch vielleicht das ein oder andere eingesetzte Mittel der Nationalsozialisten in Frage stellte, so zeigten sich für viele Deutschen die Nationalsozialisten erst einmal als Ordnungsmacht, der es überraschend schnell gelang, sowohl die Wirtschaftskrise als auch die teilweise bürgerkriegsähnlichen Zustände im Land zu beseitigen. Und nebenbei auch die harten Vertragsbedingungen von Versailles abschüttelte, die viele Deutsche in Empörung versetzt hatten.

Solche Anklänge finden sich auch in den Büchern der beiden Autoren, die ich hier regelmäßig zitiert habe.
Just zeigt in seinem Buch immer wieder Anklänge an die neue Ideologie. Bei C.F. Werner wird es noch deutlicher. So schreibt er z.B.:

„Gestern hatte ich noch eine sehr heftige Diskussion mit zwei Juden. Sie erkannten mich als Deutschen und fingen an mit mir über das neue Deutschland zu diskutieren! So etwas von blindwütigem Hass und gleichzeitiger Ignoranz ist mir noch nicht vorgekommen.“ (S. 21)

„Hatte gestern Abend eine lange politische Diskussion mit einem hiesigen jungen Universitätsprofessor. Er sagte mir, ich solle heimschreiben, dass das gebildete Amerika jetzt genau weiß, dass Frankreich und England viel mehr Schuld am Krieg [gemeint natürlich der I. Weltkrieg] tragen als Deutschland und dass die Amerikaner durch die jüdischen Geldmagnaten in den Krieg gezwungen wurden. (...) Er ist sich auch bewusst, dass die amerikanischen Zeitungen heute genau so lügen wie in Kriegsjahren.“ (S. 27)

„Heute habe ich auch die Zeitungen mit der Führerrede erhalten. Ich muss immer wieder sagen, wie schändlich das Ausland an Hitler und an Deutschland handelt!! Nichts als Lügen und Verdrehungen!“ (S. 36)

Wohlgemerkt, das war bereits 1934, als jeder sehen konnte, wohin das Deutsche Reich trieb.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kar98 am 24.07.2011, 03:08 Uhr
Als typisches Beispiel kann man hier einen der bekanntesten deutschen Reiseschriftsteller des 20. Jahrhunderts nehmen, den Berliner Journalisten A.E. Johann.

"A. E. Johann" ist das schriftstellerische Pseudonym von Alfred Ernst Johann Wollschläger, Journalist, und Chefredakteur der "Koralle" (Illustrierte Koralle – Bilderzeitung für Kultur und Sport, Natur und Reisen, Heimat und Ferne, 1925–1944. Ullstein-Verlag). Die Zeitschrift kennt heute kein Aas mehr, aber die Überschrift ihrer Witzseite, "Da lacht die Koralle!" ist heute noch im Volksmund Synonym für dümmliche Witze.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9110105.html

Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 24.07.2011, 20:01 Uhr
Zum Thema USA und Juden fand ich noch gerade noch folgendes:

Der deutsche Hans A. Kiderlen beschrieb 1936 in seinem Buch „Fahrt ins neue Amerika“ die USA aus stramm nationalsozialistischer Sicht. Dabei geht er auch mehrfach auf die amerikanische Einstellung zu Juden und auch die Einstellung der Amerikaner zur beginnenden deutschen Judenverfolgung ein.

„Das Verhältnis des weißen Amerikaners zum Juden unterliegt einer Reihe von einander teilweise diametral entgegenlaufenden Überlegungs- und Gefühlseinflüssen. Zunächst ist der Jude dem Amerikaner ganz einfach unangenehm, besonders wenn er in Massen auftritt. Er will ihn nicht bei sich haben, er will überhaupt möglichst wenig mit ihm zu tun haben. Andererseits ist die Ideologie des Landes der Freiheit so tief in das Gehirn und das Blut des ganzen Volkes eingedrungen, daß es sich nicht nur zu keinen einschneidenden und dann möglicherweise erfolgreichen Maßnahmen gegen das Vordringen des Juden entschließen kann, sondern sogar in ehrlichen Sympathiegefühlen zerfließt, sobald der Jude in ein Zetermordiogeschrei über irgendwelche Verfolgungen ausbricht.“ (S. 15)

Kiderlen beschreibt eine Unterhaltung in einem amerikanischen Durchschnittshaushalt, das auf das Thema der Judenverfolgung in Deutschland kommt. Kiderlen fragt daraufhin: „‘Wie ist es denn hier? Verkehren Sie zum Beispiel mit Juden?‘ ‚Oh‘, lautet da die muntere Antwort, ‚wir haben hier sehr anständige Juden, mit den wir auch sprechen, wenn wir sie in einem Laden oder in einem Lokal treffen. Zu uns nach Hause laden wir sie selbstverständlich nicht ein, und in den Landklub können sie auch nicht aufgenommen werden.‘ In diesem Satz liegt die ganze Einstellung zur Judenfrage.(…) Ich habe schon vor Jahren an Sommerfrischen Schilder gesehen: ‚Nur Nicht-Juden‘. Der New Yorker Bankier Otto H. Kahn musste Riesensummen an die Metropolitan Oper wenden, bevor er die Genugtuung bekam, sich dort in einer eigene Loge zu zeigen. Große amerikanische Firmen, nicht nur Ford, stellen grundsätzlich keine Juden ein.“ (S. 16)

Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kar98 am 24.07.2011, 20:14 Uhr
Das ist heute auch nicht wirklich anders und damals auf jeden Fall richtig beobachtet.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: dschlei am 25.07.2011, 05:01 Uhr
Das ist heute auch nicht wirklich anders
Hast Du da mal Beispiele fuer?
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: usa2008 am 25.07.2011, 08:38 Uhr
Zitat
Das ist heute auch nicht wirklich anders

Na wie gut, das es in Deutschland "anders" ist.  :?
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Palo am 25.07.2011, 09:11 Uhr
Das ist heute auch nicht wirklich anders
Hast Du da mal Beispiele fuer?

Das würde mich auch mal interessieren, oder wenigstens wo du diese Information her hast.

Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 25.07.2011, 20:30 Uhr
Nach diesem Ausflug ins Politische geht die Reise nun zu Ende:

Heimreise

Am 13. Oktober 1933 beginnt für Heinz und Daniela die Heimreise nach Cuxhaven. Diesmal mit der „Albert Ballin“.

Just fährt ebenfalls mit der „Albert Ballin“, wenn auch mehrere Monate früher. Er schreibt über die Ausfahrt aus New York in der Nacht: „Pünktlich 1 Minute nach Mitternacht Abfahrt. Das Schiff wird gedreht und fährt den Hudson hinab. Ein unvergeßliches Bild bietet sich dem Blick dar. Oben wie im Himmel die erleuchtete Spitze des Empire State; von dem Gebäude sieht man sonst nichts, nur unten zwei oder drei schwach beleuchtete Fenster; wie ein hoher Leuchtturm im Himmel. An den Ufern die hellen Lampenkugeln der Straßen, eine ununterbrochene Kette. Und nun kommen die Wolkenkratzer der Unterstadt, romantisch, wie eine matterleuchtete Einlagearbeit, geheimnisvoll, Fensterreihen über einander aufgetürmt; auf einer hohen Spitze ein rotes Licht. Unser Schiff gleitet still vorbei. Jetzt eilt an Deck alles auf die andere Seite hinüber, wo die Freiheitsstatue im Licht der Scheinwerfer hell strahlt. Aber das ist Kitsch gegenüber der geheimnisvoll erleuchteten Zauberburg auf Manhattan. Ich bleibe auf dem Hinterdeck und hänge an dem Märchenbilde bis es langsam verschwindet, ein entrücktes Zauberland, nein, ein Stück aus der Offenbarung St. Johannis!“ (Just, S. 70)

Die Heimfahrt wird Just etwas lang, immerhin kennt er das Bordleben schon von der Hinfahrt. Heinz und Daniela haben zeitweise stürmisches Wetter und hatten damit vermutlich nicht so viel Spaß.

Hier hält Heinz im Bild fest, wie sie der Bordzeitung die „Hitler-Rede“ entnehmen.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-58.jpg)


Gemeint ist offenbar die Hitler-Rede vom 14. Oktober 1933, in dem er ankündigte, das Volk im November über einen Austritt aus dem Völkerbund entscheiden zu lassen (was erwartungsgemäß 95 Prozent der Deutschen dann befürworteten). Vox populi......


Und dann kommt man nach Hause:
Wieder Just: „Am Freitag ist alles in Aufbruchstimmung. Leuchtschiff Norderney ..... Feuerschiff Elbe 1 .... Insel Neuwerk ...... Cuxhaven. Die Musikkapelle spielt „Deutschland, Deutschland über alles“, am Landesteg heben sich die rechten Arme. „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen“, wieder Armheben.“

C. F. Werner notiert: „Dankbar und glücklich begrüßte ich bei meiner Rückkehr die geliebte deutsche Heimat. Deutschland, Deutschland über alles! Und Heil Hitler!“ (S. 77)


Und was bleibt als Fazit? Heinz hält etwas belustigt die „Wolkenkratzer“ in Hamburg fest – das ist nun wirklich kein Vergleich zu Amerika.

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-59.jpg)

Und so sah Hamburg früher mal aus....

(http://www.alte-reiseberichte.de/bilder/usa1933-60.jpg)



Ich frage mich, wie wohl die deutschen Amerikareisenden im Allgemeinen die deutsche Kriegserklärung an die USA 1941 erlebt haben. Sie hatten ja mit eigenen Augen die gewaltigen Städte, die großen Fabriken, das riesige Volk gesehen. Konnte jemand, der ein solches Land mit gesehen hatte, allen Ernstes annehmen, dass Deutschland gegen dieses Land auf Dauer eine Chance haben würde?

Was ist aus unseren Reisenden geworden? Wir wissen es nicht.

C. F. Werner blieb wohl weiterhin Fabrikant in Gaggenau. Heute ist dort ein Kindergarten nach ihm benannt.

Just, der ja Pfarrer in deutschen Gebieten in Polen war, wurde gleich am ersten Kriegstag durch einen polnischen Heckenschützen erschossen.


Ich bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit. Vielen Dank für Eure Anmerkungen.
Ihr dürfte jetzt wieder bei Eurer Zeitmaschine das Jahr 2011 eingeben.


P.S. In absehbarer Zeit gibt es dann diesen Reisebericht auf meiner Homepage.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Hanksville am 27.07.2011, 11:17 Uhr
Vielen Dank für diesen interessanten "Reisebericht".  :clap:

Bei deinem nächsten bin ich sicher wieder dabei.  :D

Vor allem finde ich die alten Bilder immer sehr interessant und informativ.

Danke!  :daumen:

Gruß
Heiko

Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: usa2008 am 27.07.2011, 12:25 Uhr

Vielen Dank auch von mir, vor allem für die zusätzlichen Informationen,
die du uns neben dem RB noch lieferst.
Bin bestimmt bei deinem nächsten Bericht wieder dabei.

 :dankeschoen:

Gaby
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Flying-N am 27.07.2011, 14:01 Uhr
Super informativ und interessant wieder mal - vielen Dank, dass du uns an deinem "Hobby" teilhaben lässt!

Nic

 :clap:
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: atecki am 27.07.2011, 14:18 Uhr
Hi Greywolf,

vielen Dank für den Reisebericht! Ich habe ihn begeistert (und teilweise mit Schrecken) gelesen!

Freue mich schon auf weitere Reiseberichte aus der Vergangenheit!

Axel
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: BigDADDY am 27.07.2011, 14:31 Uhr
Schon vorbei? - Schade!

Zitat: "C. F. Werner notiert: „Dankbar und glücklich begrüßte ich bei meiner Rückkehr die geliebte deutsche Heimat. Deutschland, Deutschland über alles! Und Heil Hitler!“

Weit gereist, aber den Horizont kaum erweitert...
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 27.07.2011, 20:07 Uhr
Schon vorbei? - Schade!

Zitat: "C. F. Werner notiert: „Dankbar und glücklich begrüßte ich bei meiner Rückkehr die geliebte deutsche Heimat. Deutschland, Deutschland über alles! Und Heil Hitler!“

Weit gereist, aber den Horizont kaum erweitert...

Ja, ich fürchte, das ist aber nicht auf diese Zeit beschränkt ;-)

Ich nehme mal an, dem ein oder anderen waren seine schriftlichen Ergüsse nach 1945 doch ziemlich peinlich....
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Kauschthaus am 27.07.2011, 21:18 Uhr
Ein unglaublich interessanter Bericht, vielen Dank für deine Recherchen und die Zeit, die du dir dafür genommen hast.

Viele Grüße, Petra
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: KarinaNYC am 29.07.2011, 08:57 Uhr
Boah die Ausfahrt aus Manhatten ist ja toll geschrieben  :herz:

DANKE für den schönen Bericht!!!!
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 02.09.2011, 16:44 Uhr
Heureka - die Reisenden sind identifiziert!


Am Anfang des Reiseberichts habe ich ja geschrieben, dass ich auf den im Internet verfügbaren Abfahrtslisten von Deutschland unsere Reisenden leider nicht finden konnte.
 
Zufälligerweise habe ich aber festgestellt, dass jetzt auch die amerlkanischen Immigration-Listen dieser Jahre verfügbar sind. Dort versuchte ich es erst mit einer Abfrage in einer Suchmaske, wo ich aber kein Ergebnis bekam. Dann  sah ich, dass man die Listen auch direkt online einsehen kann. Also habe ich die Schiffslisten der "Hamburg" bei ihrer Ankunft in New York am 18.08.1933 angesehen. Und nach einiger Zeit habe ich - Gott sei Dank sind die Listen mit Schreibmaschine geschrieben und gut lesbar - einen Volltreffer gelandet. Geholfen hat mir dabei, dass mir eingefallen ist, dass "Heinz" vielleicht gar nicht der Taufname unseres Reisenden, sondern eine Abkürzung von "Heinrich" sein könnte (so wie mein Großvater, der auf "Friedrich" getaut wurde, sogar in amtlichen Dokumenten als "Fritz" abgekürzt wurde).
 
Unsere Reisenden sind:
Dr. Heinrich Kasemeyer, zum Einreisezeitpunkt 1933 51 Jahre alt und gebürtig in Steinfurt. Als Beruf ist Jurist angegeben und tatsächlich findet sich seine Dissertationsschrift von 1909 "Die Ansprüche des durch Originärerwerb Enteigneten auf Ausgleichung des Verlustes gegen den Originärerwerber" bei Google Books.
Begleitet wurde er von seiner Ehefrau Daniela Kasemeyer, 45 Jahre alt und gebürtig in Holzminden. Wohnhaft waren die beiden - wie von mir vermutet - in Hagen / Westfalen und zwar vermutlich in der Ringstraße 16.
 
Insofern hat sich nun das Geheimnis unseres Paares gelüftet.




Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Antje am 04.09.2011, 18:45 Uhr
DAS ist ja sensationell (also ich finde das zumindest!)

Das macht den Bericht irgendwie noch spannender.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: KarinaNYC am 05.09.2011, 08:21 Uhr
DAS ist ja sensationell (also ich finde das zumindest!)

Das macht den Bericht irgendwie noch spannender.

Find ich auch!!!!  :P
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: GreyWolf am 25.09.2011, 20:31 Uhr
So, und jetzt habe ich abschließend noch eine Auskunft von der Stadt Hagen erhalten, wo man aufgrund meiner Angaben im Archiv des Einwohnermeldeamtes fündig wurde.

Herr und Frau Kasemeyer haben den II. Weltkrieg überlebt, was angesichts mehrerer schwerer Bombenangriffe auf Hagen keineswegs selbstverständlich war.

Daniela Kasemeyer verstarb 1955 in Hagen.

Dr. Heinrich Kasemeyer, zuletzt wohnhaft in der Mainstraße 30 in Hagen, ist vier Jahre später nach Handorf, Kreis Münster, verzogen. Er wurde als "Landgerichtsrat" geführt, war also Richter am Landgericht.
Titel: Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
Beitrag von: Angie am 25.09.2011, 21:31 Uhr

Was du alles in Erfahrung bringst, ist sensationell! Hut ab!


LG, Angie