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Autor Thema: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933  (Gelesen 27360 mal)

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Kar98

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #75 am: 24.07.2011, 03:08 Uhr »
Als typisches Beispiel kann man hier einen der bekanntesten deutschen Reiseschriftsteller des 20. Jahrhunderts nehmen, den Berliner Journalisten A.E. Johann.

"A. E. Johann" ist das schriftstellerische Pseudonym von Alfred Ernst Johann Wollschläger, Journalist, und Chefredakteur der "Koralle" (Illustrierte Koralle – Bilderzeitung für Kultur und Sport, Natur und Reisen, Heimat und Ferne, 1925–1944. Ullstein-Verlag). Die Zeitschrift kennt heute kein Aas mehr, aber die Überschrift ihrer Witzseite, "Da lacht die Koralle!" ist heute noch im Volksmund Synonym für dümmliche Witze.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9110105.html


GreyWolf

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #76 am: 24.07.2011, 20:01 Uhr »
Zum Thema USA und Juden fand ich noch gerade noch folgendes:

Der deutsche Hans A. Kiderlen beschrieb 1936 in seinem Buch „Fahrt ins neue Amerika“ die USA aus stramm nationalsozialistischer Sicht. Dabei geht er auch mehrfach auf die amerikanische Einstellung zu Juden und auch die Einstellung der Amerikaner zur beginnenden deutschen Judenverfolgung ein.

„Das Verhältnis des weißen Amerikaners zum Juden unterliegt einer Reihe von einander teilweise diametral entgegenlaufenden Überlegungs- und Gefühlseinflüssen. Zunächst ist der Jude dem Amerikaner ganz einfach unangenehm, besonders wenn er in Massen auftritt. Er will ihn nicht bei sich haben, er will überhaupt möglichst wenig mit ihm zu tun haben. Andererseits ist die Ideologie des Landes der Freiheit so tief in das Gehirn und das Blut des ganzen Volkes eingedrungen, daß es sich nicht nur zu keinen einschneidenden und dann möglicherweise erfolgreichen Maßnahmen gegen das Vordringen des Juden entschließen kann, sondern sogar in ehrlichen Sympathiegefühlen zerfließt, sobald der Jude in ein Zetermordiogeschrei über irgendwelche Verfolgungen ausbricht.“ (S. 15)

Kiderlen beschreibt eine Unterhaltung in einem amerikanischen Durchschnittshaushalt, das auf das Thema der Judenverfolgung in Deutschland kommt. Kiderlen fragt daraufhin: „‘Wie ist es denn hier? Verkehren Sie zum Beispiel mit Juden?‘ ‚Oh‘, lautet da die muntere Antwort, ‚wir haben hier sehr anständige Juden, mit den wir auch sprechen, wenn wir sie in einem Laden oder in einem Lokal treffen. Zu uns nach Hause laden wir sie selbstverständlich nicht ein, und in den Landklub können sie auch nicht aufgenommen werden.‘ In diesem Satz liegt die ganze Einstellung zur Judenfrage.(…) Ich habe schon vor Jahren an Sommerfrischen Schilder gesehen: ‚Nur Nicht-Juden‘. Der New Yorker Bankier Otto H. Kahn musste Riesensummen an die Metropolitan Oper wenden, bevor er die Genugtuung bekam, sich dort in einer eigene Loge zu zeigen. Große amerikanische Firmen, nicht nur Ford, stellen grundsätzlich keine Juden ein.“ (S. 16)

Wer schon immer mal wissen wollte, wie man früher gereist ist: Alte Reiseberichte

Kar98

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #77 am: 24.07.2011, 20:14 Uhr »
Das ist heute auch nicht wirklich anders und damals auf jeden Fall richtig beobachtet.

dschlei

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #78 am: 25.07.2011, 05:01 Uhr »
Das ist heute auch nicht wirklich anders
Hast Du da mal Beispiele fuer?
With kind regards from the south bank of the Caloosahatchee River

usa2008

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #79 am: 25.07.2011, 08:38 Uhr »
Zitat
Das ist heute auch nicht wirklich anders

Na wie gut, das es in Deutschland "anders" ist.  :?

Palo

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #80 am: 25.07.2011, 09:11 Uhr »
Das ist heute auch nicht wirklich anders
Hast Du da mal Beispiele fuer?

Das würde mich auch mal interessieren, oder wenigstens wo du diese Information her hast.

Gruß

Palo

GreyWolf

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #81 am: 25.07.2011, 20:30 Uhr »
Nach diesem Ausflug ins Politische geht die Reise nun zu Ende:

Heimreise

Am 13. Oktober 1933 beginnt für Heinz und Daniela die Heimreise nach Cuxhaven. Diesmal mit der „Albert Ballin“.

Just fährt ebenfalls mit der „Albert Ballin“, wenn auch mehrere Monate früher. Er schreibt über die Ausfahrt aus New York in der Nacht: „Pünktlich 1 Minute nach Mitternacht Abfahrt. Das Schiff wird gedreht und fährt den Hudson hinab. Ein unvergeßliches Bild bietet sich dem Blick dar. Oben wie im Himmel die erleuchtete Spitze des Empire State; von dem Gebäude sieht man sonst nichts, nur unten zwei oder drei schwach beleuchtete Fenster; wie ein hoher Leuchtturm im Himmel. An den Ufern die hellen Lampenkugeln der Straßen, eine ununterbrochene Kette. Und nun kommen die Wolkenkratzer der Unterstadt, romantisch, wie eine matterleuchtete Einlagearbeit, geheimnisvoll, Fensterreihen über einander aufgetürmt; auf einer hohen Spitze ein rotes Licht. Unser Schiff gleitet still vorbei. Jetzt eilt an Deck alles auf die andere Seite hinüber, wo die Freiheitsstatue im Licht der Scheinwerfer hell strahlt. Aber das ist Kitsch gegenüber der geheimnisvoll erleuchteten Zauberburg auf Manhattan. Ich bleibe auf dem Hinterdeck und hänge an dem Märchenbilde bis es langsam verschwindet, ein entrücktes Zauberland, nein, ein Stück aus der Offenbarung St. Johannis!“ (Just, S. 70)

Die Heimfahrt wird Just etwas lang, immerhin kennt er das Bordleben schon von der Hinfahrt. Heinz und Daniela haben zeitweise stürmisches Wetter und hatten damit vermutlich nicht so viel Spaß.

Hier hält Heinz im Bild fest, wie sie der Bordzeitung die „Hitler-Rede“ entnehmen.




Gemeint ist offenbar die Hitler-Rede vom 14. Oktober 1933, in dem er ankündigte, das Volk im November über einen Austritt aus dem Völkerbund entscheiden zu lassen (was erwartungsgemäß 95 Prozent der Deutschen dann befürworteten). Vox populi......


Und dann kommt man nach Hause:
Wieder Just: „Am Freitag ist alles in Aufbruchstimmung. Leuchtschiff Norderney ..... Feuerschiff Elbe 1 .... Insel Neuwerk ...... Cuxhaven. Die Musikkapelle spielt „Deutschland, Deutschland über alles“, am Landesteg heben sich die rechten Arme. „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen“, wieder Armheben.“

C. F. Werner notiert: „Dankbar und glücklich begrüßte ich bei meiner Rückkehr die geliebte deutsche Heimat. Deutschland, Deutschland über alles! Und Heil Hitler!“ (S. 77)


Und was bleibt als Fazit? Heinz hält etwas belustigt die „Wolkenkratzer“ in Hamburg fest – das ist nun wirklich kein Vergleich zu Amerika.



Und so sah Hamburg früher mal aus....





Ich frage mich, wie wohl die deutschen Amerikareisenden im Allgemeinen die deutsche Kriegserklärung an die USA 1941 erlebt haben. Sie hatten ja mit eigenen Augen die gewaltigen Städte, die großen Fabriken, das riesige Volk gesehen. Konnte jemand, der ein solches Land mit gesehen hatte, allen Ernstes annehmen, dass Deutschland gegen dieses Land auf Dauer eine Chance haben würde?

Was ist aus unseren Reisenden geworden? Wir wissen es nicht.

C. F. Werner blieb wohl weiterhin Fabrikant in Gaggenau. Heute ist dort ein Kindergarten nach ihm benannt.

Just, der ja Pfarrer in deutschen Gebieten in Polen war, wurde gleich am ersten Kriegstag durch einen polnischen Heckenschützen erschossen.


Ich bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit. Vielen Dank für Eure Anmerkungen.
Ihr dürfte jetzt wieder bei Eurer Zeitmaschine das Jahr 2011 eingeben.


P.S. In absehbarer Zeit gibt es dann diesen Reisebericht auf meiner Homepage.
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Hanksville

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #82 am: 27.07.2011, 11:17 Uhr »
Vielen Dank für diesen interessanten "Reisebericht".  :clap:

Bei deinem nächsten bin ich sicher wieder dabei.  :D

Vor allem finde ich die alten Bilder immer sehr interessant und informativ.

Danke!  :daumen:

Gruß
Heiko


usa2008

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #83 am: 27.07.2011, 12:25 Uhr »

Vielen Dank auch von mir, vor allem für die zusätzlichen Informationen,
die du uns neben dem RB noch lieferst.
Bin bestimmt bei deinem nächsten Bericht wieder dabei.

 :dankeschoen:

Gaby

Flying-N

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #84 am: 27.07.2011, 14:01 Uhr »
Super informativ und interessant wieder mal - vielen Dank, dass du uns an deinem "Hobby" teilhaben lässt!

Nic

 :clap:
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atecki

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #85 am: 27.07.2011, 14:18 Uhr »
Hi Greywolf,

vielen Dank für den Reisebericht! Ich habe ihn begeistert (und teilweise mit Schrecken) gelesen!

Freue mich schon auf weitere Reiseberichte aus der Vergangenheit!

Axel

BigDADDY

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #86 am: 27.07.2011, 14:31 Uhr »
Schon vorbei? - Schade!

Zitat: "C. F. Werner notiert: „Dankbar und glücklich begrüßte ich bei meiner Rückkehr die geliebte deutsche Heimat. Deutschland, Deutschland über alles! Und Heil Hitler!“

Weit gereist, aber den Horizont kaum erweitert...
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GreyWolf

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #87 am: 27.07.2011, 20:07 Uhr »
Schon vorbei? - Schade!

Zitat: "C. F. Werner notiert: „Dankbar und glücklich begrüßte ich bei meiner Rückkehr die geliebte deutsche Heimat. Deutschland, Deutschland über alles! Und Heil Hitler!“

Weit gereist, aber den Horizont kaum erweitert...

Ja, ich fürchte, das ist aber nicht auf diese Zeit beschränkt ;-)

Ich nehme mal an, dem ein oder anderen waren seine schriftlichen Ergüsse nach 1945 doch ziemlich peinlich....
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Kauschthaus

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #88 am: 27.07.2011, 21:18 Uhr »
Ein unglaublich interessanter Bericht, vielen Dank für deine Recherchen und die Zeit, die du dir dafür genommen hast.

Viele Grüße, Petra
Wenn DAS die Lösung ist, dann will ich mein Problem zurück!

KarinaNYC

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Re: Die USA-Reise eines deutschen Ehepaares im Jahr 1933
« Antwort #89 am: 29.07.2011, 08:57 Uhr »
Boah die Ausfahrt aus Manhatten ist ja toll geschrieben  :herz:

DANKE für den schönen Bericht!!!!