FR, 5.11.2010 Monument Valley - FlagstaffHach, war das schöööön! Das Weckerklingeln war überflüssig, denn schon eine viertel Stunde vorher gluckste es in den Leitungen durch das Duschen meiner ebenfalls schon wachen reinlichen Nachbarn, sodass ich auch ganz bestimmt pünktlich zum ersten rötlichen Schimmer auf dem Balkon saß, und zwar mit einem frischen Kaffee in der Hand auf 2 Kopfkissen und eingewickelt in eine dicke Fleecejacke und in die indianische Decke, die das Bett zierte und mich nachts schon gewärmt hatte. Kalt war´s, aber sooooo schön.
Das, was mir überhaupt erst den Gedanken brachte, unbedingt mal einen Sonnenaufgang im Monument Valley erleben zu wollen, war ein Foto eines ebensolchen Sonnenaufganges von Lurvig, das allerdiings heute leider keine Rarität mehr ist. Auch wenn ich meine Nachbarn nicht sehen konnte, man hörte Schnaufen, Flüstern, Klappern und sah Blitzlichter, die die Felsen ohnehin nicht erreichen konnten. Trotz allem, ich freute mich sehr, genau dieses Erlebnis so komfortabel haben zu dürfen.
Kaum war dann die Sonne über den Monumenten voll erstrahlt, ging es auch schon los. Offenbar hatten viele genau den gleichen Gedanken wie ich: Sonnenaufgang, Auschecken und los. Vor dem Hotel stand übrigens eine Reihe von Sportwagen. Wie Aufkleber auf deren Seiten verrieten, fuhren diese eine Ralley. Gestern hatte ich schon einen der stolzen Besitzer gesehen, wie er liebevoll sein Auto mit einem Staubwedel vom roten Staub befreite.
Los ging´s also direkt zum Coal Mine Canyon. Tatsächlich, etwa 15 Meilen südlich der Kreuzung der 160 mit der 264 sah ich das in den Beschreibungen genannte Windrad, fuhr aber erst einmal an der Zufahrt vorbei. Die war so unscheinbar und wirkte irgendwie privat. Da dort aber weder ein Tor noch ein Schild die Zufahrt untersagten, bog ich ab und stand nach wenigen Metern etwas holpriger Piste hinter dem Windrad an den Picknicktischen und musste nur noch wenige Schritte laufen. Knapp eine Stunde hielt ich mich hier auf, während dieser Zeit fuhr nur von einem nahegelegenen Haus ein Auto fort. Dass ich nicht die erste Besucherin hier war, sondern dass hier offenbar auch durchaus schon gefeiert worden ist, sah man leider an den vielen Scherben, die im umliegenden Bereich verstreut waren.
Nicht zu fassen, das Ganze sieht von der Straße aus so harmlos und unscheinbar aus, und nur einen Spaziergang von der Straße entfernt tut sich ein so buntes Schauspiel auf: Schneeweiß, Tiefrot und Schwarz wechselten sich mit den zugehörigen Schattierungen dazwischen ab. Die Ecke, an der ich stand, war von überschaubarer Größe, das ganze Gebiet aber noch weit größer. Nach hinten öffnete sich der Canyon. Ich habe mich nicht sehr weit vorgetraut, sodass ich nicht sagen kann, ob es weiter hinten noch so spektakulär war wie hier vorne.
Und nun? Sollte ich oder sollte ich nicht? Na klar, wenn man schon Zeit hat und in der Nähe ist, dann kann man auch nochmal am Grand Canyon vorbeifahren, auch wenn man ihn schon kennt. Zeit hatte ich genug, denn durch das Verlassen der Navajo-Nation hatte ich eine Stunde Zeit gewonnen. Übrigens sollte 2 Tage später bei der Weiterfahrt nach Nevada nochmals eine Stunde Zeitgewinn hinzukommen durch den Wechsel von der Sommerzeit auf die Winterzeit.
Also war ich gegen Mittag am Grand Canyon. Und nun - ich kann es mir nicht verkneifen - bei der Einfahrt zum Grand Canyon wurde ich doch tatsächlich gefragt, ob ich denn überhaupt schon wisse, dass ich den Nationalparkpass mit jemandem teilen kann, es könne noch jemand anders unterschreiben und den Pass auch nutzen: Keine Spur von Hinweis, dass dieses an irgendwelche Bedingungen geknüpft ist. Aber im Gegensatz zu 2008 ist mir auch aufgefallen, dass die Besitzverhältnisse nun wohl auch strenger kontrolliert werden. Fast jedes Mal bei der Einfahrt in einen Nationalpark oder ein Nationalmonument wurde ich nach einer ID gefragt und wie es schien, wurde auch überprüft, ob Name und Unterschrift übereinstimmten.
Es hat sich gelohnt nochmals hinzufahren. Auch wenn Ende September 2008 schon locker Nachsaison war, war es damals noch sehr voll. Nun hatte ich den Canyon zwar nicht gerade für mich allein, konnte mich aber doch abschnittsweise ziemlich allein fühlen, außer natürlich in der Nähe des Visitor-Center und der Lodges, wo fast eine Art Kurortatmosphäre herrschte aufgrund der vielen flanierenden Leute, die zum großen Teil schon im Rentenalter waren.
Ich ging vom Parkplatz irgendwo dazwischen durch das Nadelwäldchen und fast fühlte ich mich, als ob dahinter die Ostsee auftauchen müsste, da muss man ja auch teilweise erst einmal durch Dünen mit Nadelwald gehen. Aber statt der Ostsee den Grand Canyon zu sehen, das war schon was! Übrigens, da man bei der Zufahrt über Cameron immer schon mal den Colorado River und die Schlucht sehen kann, ist es bei einem ersten Besuch sicherlich überwältigender, wenn man von Süden an den Canyon heranfährt, wo man ja nichts als Wald rechts und links hat und dann abrupt vor dem riesigen Riss in der Erde steht, was natürlich andererseits erfordert, dass man auch die Chance auf einen Parkplatz hat. Da kann man sich gut vorstellen, wie diejenigen, die früher noch nichts von ihm wussten, gestaunt haben müssen, als sie irgendwann mal einfach davor standen, während sie ahnungslos durch den Wald liefen oder ritten.
Touristen aus einer anderen Welt:
Es war noch gar nicht allzu spät, als ich mich dann in Richtung Flagstaff aufmachte, noch nicht einmal 16 Uhr. Unterwegs sah man immer wieder den schon mit Schnee überzuckerten San Francisco Mountain, allerdings liegt der Schnee leider nur auf der von Flagstaff abgewandten Seite, sodass der Anblick sich nur auf die Fahrt beschränkte.
In Flagstaff angekommen, war ich erst einmal wieder völlig KO. Aber beim Weg in die Stadt wirkte diese irgendwie anheimelnd auf mich. Dass das 2008 bei der kurzen Durchfahrt auch schon so gewesen ist, hatte mich ja schließlich dazu gebracht nun hier 2 Nächte Station zu machen: Die Stadt wirkt friedlich, sie wirkt gewachsen und nicht wie erst vor 50 Jahren auf dem Reißbrett entworfen, sie wirkt durch die vielen jungen Leute, die an der NAU studieren, aufgeschlossen, lebendig und intelligent. Nur war ich eben KO und daher selbst wenig lebendig und aufgeschlossen, sodass ich mir aktuell nicht gerade viel hiervon versprach. Der starke Verkehr auf der Rt. 66, an der mein Hotel lag und die riesige Leuchtreklame eines Waffengschäftes in der Nachbarschaft trugen in diesem Moment auch nicht sehr zum Wohlfühlen bei.
Aber wer mich kennt, weiß, dass ich nicht lange Pause gemacht habe, gerade mal so lange um wieder mal eine Maschine Wäsche zu waschen und zu trocknen. Schließlich wusste ich, wo die Old Town lag und genau dahin wollte ich heute noch gucken gehen. Mittlerweile war es dunkel und ich wusste nicht so recht, wie stark das Waffengeschäft gerade hier seine Berechtigung hatte, obwohl ich direkt neben der Uni nicht gerade ein kriminelles Viertel vermutete.
Nach wenigen Metern tauchten aber andere Fußgänger auf, denen ich einfach hinterher lief. Nanu, aus einem Laden schallte Livemusik, das musste wohl eine private Party sein. Aber als dann aus der nächsten Kneipe auch Livemusik tönte, ein paar Mädels gut gelaunt "free hugs" anboten, es in der Innenstadt fast voller war als in einer deutschen Innenstadt am Samstag und an allen Ecken und Enden, manchmal mehr schlecht als recht, immer jedoch höchst engagiert, von Kirchenchor über Alleinunterhalter bis zur stompähnlichen Performance Musik erschallte, war mir klar, dass das wohl irgendwie so sein musste.
Keine Spur mehr von Müdigkeit: Ich bummelte durch die vielen netten Läden und guckte schon mal aus, wo ich später essen wollte (es wurde dann ein sehr leckeres thailänisches Essen). In einem alten und alternativ wirkenden Theater sang sich eine Band die Seele aus dem Leib und Stände mit Kunsthandwerk waren aufgebaut. Als ich in einem Laden einen Schal kaufte, fragte ich die Verkäuferin, ob das hier immer so sei. Das sei jeden ersten Freitag im Monat so, dann sei hier nämlich "Artwalk". Und im Sommer sei jeden Freitag viel los, dann gebe es nämlich in der Stadt zudem noch Open Air Kino. Also, ich kann´s nur empfehlen, solltet ihr mal an so einem Termin in der Nähe sein und Lust haben auf eine total schöne, junge, niedliche Stadt mit schönen Kneipen und Restaurants, dann seid ihr hier absolut richtig - übrigens, wie sich am Folgetag herausstellen sollte, war die Stadt auch am Samstag nicht tot und still und leer, sondern immer noch sehr schön.
Übernachtung: Drury Inn & Suites, gebucht über die Website des Hotels für $ 109 plus Tax (übrigens: Wer sagt denn, dass in Flagstaff überall die Züge zu hören sind? Klar hört man einen Zug, der 4 Loks hat und mehrere Minuten zur Durchfahrt braucht, aber obwohl hier alle paar Minuten ein Zug durchfährt, habe ich nicht ein einziges Mal mitbekommen, dass diese immer wieder laut und anhaltend hupen.)
gefahren: 294 Meilen