Na, seid ihr noch dabei, oder wurde unterwegs schon jemand vom Alligator gefressen?
Teil 12 - Die Everglades - 28.12. Wir standen morgens sehr früh auf, um das gesamte Tageslicht auszunutzen und das Beste aus unserem Tag in den Everglades zu machen. Beim Hotelfrühstück aßen wir das gleiche wie immer: Heiko: Toast und Fredi: Toast.
Wir packten danach schnell unsere Sachen zusammen und starteten in die Everglades, wo wir nicht die einzigen waren. Auf der Hauptstraße war es noch normal voll, aber sobald wir dann die Rechtsabbiegerspur mit dem Schild „Everglades“ sahen, konnte man schon erkennen dass viele das gleiche Ziel hatten wie wir, mit denen man quasi Kolonne in den Park hinein fuhr (gab ja nur eine Straße).
Der Weg führte über Felder und Plantagen (Mangos, Kokosnüsse, Avocados, usw.), die übrigens gänzlich künstlich angelegt waren (wie die Holländer haben die Floridianer große Teile ihres Südens entwässert und zu bebaubarem Land umgestaltet), dementsprechend war die Straßenführung auch schnurgerade und Kurven immer rechtwinklig. Der erste Stopp war noch vor dem Nationalparkeingang, ein Obstladen mit dem Namen „Robert is Here“, ein sehr uriger Laden, der aber wohl im Laufe der Jahrzehnte ein Etablissement bei jedem vorbeifahrenden Touristen geworden ist. Als man den Schuppen betrat, kam man in eine tropische Zauberwelt mit massenweise frisch gepflückten, exotischen Früchten. Alle Mitarbeiter kannten sich richtig aus, suchten einem die reifsten und leckersten Früchte heraus, schnitten sie einem auf Nachfrage hin auch auf, so dass man sie gleich essen konnte (ohne die eventuell tödlichen Kerne zu verschlucken usw.,
so ist das halt wenn man eine Frucht noch nie gesehen hat). Sie hatten Avocados, Sternfrucht, Zuckerrohr, Bananen, Kokosnüsse, Pomelos, Tangerines (Mandarinen), Grapefruit, Orangen, drei Sorten Limetten, Äpfel, Ananas, Erdbeeren, usw. – und das waren nur die Früchte, die wir kannten.
Hinten im Laden verkauften sie abgepackte Produkte, wie z.B. Kekse, und dahinter gab es einen Streichelzoo. Amerika eben.
Das beste war aber der Milchshake-Stand, wo man sich sämtliche Zutaten für den Milchshake aus lauter frischen, exotischen Früchten aussuchen konnte und er dann frisch für einen gemacht wurde (wir hatten einen mit Papaya, Passionsfrucht, Kokosnuss, Ananas, usw.). Außerdem ließen wir uns eine Frucht aufschneiden „zum gleich essen“, deren Namen wir aber nicht wussten. Die Frucht hatte die Form einer Birne, war außen bräunlich; die Schale schmeckte wie die einer Gold-Kiwi und das innere schmeckte leicht matschig und sehr süß und hatte die Farbe von einer reifen Birne.
Wir fuhren weiter, erreichten bald den Parkeingang, hielten beim Willkommensschild an und erreichten dann das Visitor Center.
Dort schauten wir einen Film und lernten, dass die Everglades eigentlich kein Sumpf (stehendes Wasser) sind, sondern ein riesiger, wahnsinnig breiter Fluss mit Sumpfgras drin. Früher, vor der Besiedelung durch Menschen, war praktisch ganz Südflorida dieser breite Fluss, der in der Trockenzeit (über Winter) einen sehr niedrigen Wasserstand hatte oder austrocknete. Sobald jedoch die großen Güsse der Regenzeit fielen, wurde der große See Okeechobee (in der Mitte Floridas, den gibt es heute noch) überschwemmt und trat über sein südliches Ufer, wodurch der „große Fluss Everglades“ wieder mit Wasser gefüttert wurde und begann, den ganzen Sommer über von Zentralflorida unaufhaltsam in einem 170km breiten Strom auf die Karibik zuzufließen. Dann kamen jedoch die Menschen und begannen, sich Land trockenzulegen, wodurch die Everglades heute auf einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Ausdehnung geschrumpft sind und z.B. der Südrand von Lake Okechoobee auch nicht mehr über die Ufer tritt sondern befestigt ist, denn dort leben Menschen. Und so sind die Everglades einer der gefährdesten Nationalparks.
Wir erfuhren auch viel über das Ökosystem der Everglades. Es gilt die Regel „je tiefer, desto höher“ (je tiefer das Wasser, desto höher die Baumkronen), was ja erst einmal seltsam klingt. Wo das Wasser am flachsten ist und es unaufhaltsam in Richtung Karibik fließt, wächst häufig nur Sumpfgras. Wo das Wasser tiefer ist, wachsen dann Zypressen, wo es noch tiefer ist, wachsen Nadelbäume oder ganze Inseln mit festem Boden, Nadelbäumen, Palmen und anderen Gewächsen. Das liegt daran, dass tieferes Wasser mehr Nährstoffreichtum bietet, und Gewächse setzen sich dort fest, wo Treibgut und Plankton angeschwemmt werden und dann kleine Inseln bilden, so dass der gesamte breite "Grasfluss" durchsetzt ist von Bauminseln. Je weiter man zum Meer kommt, desto mehr Salzwasser kommt ins Spiel und daher wachsen dort mehr Mangroven.
Wir kauften noch ein paar Postkarten, holten uns Maps und machten uns auf den Weg. Wir hielten als erstes beim Anhinga Trail an, der berühmt ist für seine Tiersichtungen (und Alligatorensichtungen!). Wir sichteten zunächst jedoch nur Touristenmassen, was uns etwas enttäuschte, denn dann verkriechen sich die Tiere ja häufig. Dennoch ließen wir uns nicht entmutigen, liefen ein paar Meter und beobachteten Anhingas (die Vogelart nach der der Trail benannt ist), Reiher beim Tauchen und Fische im klaren Wasser und waren schon hin und weg.
Noch während wir uns über den Tauchvogel unterhielten, erspähte ich - unseren ersten Alligator von Nahem.
Sofort wurde jegliches Gespräch abgebrochen, die Atmung eingestellt und der Körper auf Fotografieren getrimmt, es könnte ja unser letzter Alligator sein! Wir hatten SO ein Glück! Wie angestochen rannten wir zu ihm hin (an meine Mama: es war alles weit genug weg um sicher zu sein und er hätte bestimmt sowieso lieber ein kleines Kind gegessen) und freuten uns Löcher in die Bäuche.
Als wir uns wieder beruhigt hatten, liefen wir weiter und bewunderten die unglaubliche Vielzahl an Vogelarten. Wir sahen Geier, Reiher, bunte, graue, weiße, tauchende, singende und jagende Vögel.
Auch mit weiteren Alligatorensichtungen waren wir gesegnet, und so rollten wir nach dem fünften Alligator innerhalb von 20 m (inklusive einem Babyalligator und einem, der nur einen Meter entfernt war) schon die Augen: „noch einer..:“
Der Trail führte dann noch über einen Boardwalk, also einen Steg, und die Tiersichtungen hörten nicht auf.
An einer Stelle schwamm ein Alligator sogar direkt unter uns durch, was übrigens mit seinen Schlängelbewegungen erstaunlich elegant aussah. Schließlich kamen wir noch an einen Abzweig vom Trail, wo von einer Aussichtsplattform aus 11 Alligatoren und ein genüsslich jagender Vogel zu sehen waren. 11. Keine Übertreibung. Wir waren begeistert!
Im Regenwald liefen wir dann noch den Gumbo Limbo Trail (benannt nach einem besonderen Baum dort), sahen Spinnen und Eidechsen und bekamen unsere ersten Moskitostiche (übrigens eine sehr gute Bilanz für die Everglades, im Sommer soll man selbst mit Mückenspray zerstochen wieder herauskommen!).
Wir fuhren weiter, durch zunehmend Zypressenwälder, und machten einen kurzen Trail, wo wir erfuhren, dass die Zypressen im „Winter“ hier auch ihre (nadelartigen) Blätter abwerfen und deshalb so kahl aussehen. Das tun sie aber nicht wegen niedriger Temperaturen, sondern weil es für sie in der Trockenzeit zu trocken ist (obwohl sie mitten im Wasser stehen…).
Wir probierten auch, wie uns im Film angeraten wurde, das Plankton anzufassen – es war wie ein schleimiger, geruchloser Gummischwamm, aber nicht klebrig und man konnte es nicht auf der Haut zerreiben. Daraus entsteht hier alles Leben! Wir hielten außerdem noch an einem Turm an, von wo aus meinen Ausblick auf die Weiten des Grasflusses hatte.
An einem anderen Punkt machten wir einen Trail, der erst über einen Steg über Gras und Wasser hinweg führte, dann jedoch eine Insel erreichte, bei der man plötzlich festen Boden unter den Füßen hatte und durch einen Wald lief.
Während der weiteren Fahrt änderte sich die Vegetation drastisch, denn plötzlich fuhr man durch Mangrovenwälder, die aber von der Straße aus aussahen wie guter, alter mitteleuropäischer Mischwald. Vom typischen grasigen Everglades-Anblick keine Spur. Als wir jedoch bei einem Mangroven-Boardwalk anhielten, betraten wir den Wald und sahen rings um uns herum riesige Luftwurzeln und Sumpf, der nahtlos in offenes Salzwasser überging, und das nur wenige Meter neben der Straße, die wir eben noch für durch einen Wald führend hielten.
Schließlich fuhren wir vor Sonnenuntergang noch die letzten Kilometer bis Flamingo, der Stadt am Ende der einen Straße durch die Everglades. Dort war es plötzlich sehr schwül, wenngleich nicht heiß, und die Klamotten klebten am Körper. Wir liefen unter dem hässlichen rosa Visitor Center hindurch und standen gedankenversunken am grau-blau-türkisen Meer umrahmt von Mangroven: jetzt sind wir tatsächlich an einem karibischen Meer.
Wir wollten dann noch prüfen, ob man den Sonnenuntergang sehen kann (theoretisch nicht möglich, denn wir waren zwar an der Südspitze aber eine Landmasse im Westen sollte den Sonnenuntergang über dem Meer verhindern), und liefen dazu einen Trail, vorbei an einer Zikadenwiese und einem überwucherten Palmenwald mit Baummoos, zu einem kleinen Strand. Dort konnte man tatsächlich die Sonne untergehen sehen, wie sie in den schönsten, explosivsten Rottönen zwischen den Wolken hervorkam und dann als glühender Ball hinter einem kleinen Streifen aus Mangrovenwald verschwand. Unglaublich!
Dann flüchteten wir vor den Mücken, die jetzt doch herauskamen, ins Auto und fuhren in der hereinbrechenden Dunkelheit zurück nach Miami, was gut anderthalb Stunden dauerte. Unterwegs hielten wir noch einmal beim Obststand an, um Heiko eine Koksnuss zu kaufen, in die er gleich dort ein Loch gebohrt bekam und sie austrank. Premiere! In Miami kauften wir im Supermarkt zum Abendbrot Brot und Lachs und Frischkäse, was wir mit einer reifen Avocado vom „Robert is Here“ verputzten, in einem Motel, was komplett ausgebucht und voller Touristen war.
Mehr tolle Bilder (heute lohnt es sich wirklich!) gibt's im Album:
http://s169.photobucket.com/user/Elli_0991/slideshow/Go%20South%2012-13/Part%2012 (Passwort D00494).