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Autor Thema: Jubeltour an der Ostküste - Geschichte und Südstaatenflair (Herbst 2012)  (Gelesen 29453 mal)

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Inspired

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@Anne05: Ja, das mit dem Winter stimmt. Wir wurden hier auf dem Rückweg von einer Lesung gerade vom ersten Schnee überrascht :(

@Andrea: Ich bin ziemlich zerstochen worden, aber nicht so sehr wie schon zuvor mal so "richtig" in den Tropen.

@USAflo: Danke für den Film-Tipp. Amazon wird sich wundern, dass nun alle bis auf Ilona ;) den Film bestellen...

@Ilona: Dieses satte Grün war schon toll  und die Sümpfe waren auch mal eine schöne Abwechslung zu Ashley und Scarlett :D

Und ja, @Paula, die netten Tierchen liegen da einfach so herum ohne elektrischen Zaun und ohne Sicherung. Die Mitarbeiter kennen jeden einzelnen Kollegen auch mit Alter und Namen, aber weggeschlossen werden die nicht, da sie normalerweise nicht auf Menschen losgehen. Nur ab und zu findet man einen Hinweis nach dem Motto: "Achtung Alligatoren gehen hier manchmal über die Straße" oder auch: "Vorsicht, Alligatoren könnten vielleicht gefährlich sein."


Inspired

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DO, 4.10.2012: Nach Savannah

Der Postkartentext des Tages:

Ihr Lieben, herzliche Grüße aus dem etwas morbiden Savannah. Abends gefällt es uns hier besser als tagsüber, sodass wir für morgen tagsüber einen Ausflug planen.
P.S.: Ist eigentlich das große Paket von Amazon mit den ganzen Reiseführern für die Planung 2013 schon angekommen?


Und im Klartext: Wir machten uns auf den Weg in das nur etwa 2 Stunden entfernte Savannah in Georgia, ein wenig wehmütig, denn nach einem zweiten Besuch in Charleston wird ein dritter Besuch, wenn er denn überhaupt stattfinden wird, wohl wieder mindestens 7 Jahre auf sich warten lassen - und wer weiß, wie touristisch die Stadt dann erst einmal sein wird.

Vorher starteten wir noch den Versuch Beaufort zu besichtigen, was aber ziemlich langweilig war, sodass wir uns mit einer Stadtrundfahrt als self guided Tour im eigenen Auto begnügten, die nach 5 Minuten beendet war. Zum Glück war dieses kein großer Umweg. Sicherlich war das Städtchen nett, aber nach Charleston waren wir bezüglich des Themas Südstaatenflair etwas verwöhnt und übersättigt, sodass sich hier vielleicht eher so etwas wie das Monument Valley oder die Niagara Fälle als Kontrastprogramm hätten auftun müssen um uns zu beeindrucken.

Schön, dass wir schon mittags im Hotel in Savannah einchecken konnten, sodass der Nachmittag noch gut war für einige Besichtigungen, hauptsächlich am Savannah River, wo der Bär steppt, bzw. eher die Touris schleichen.

Im Gegensatz zu Charleston hat Savannah einen eher etwas morbiden Charme: Holperiges Kopfsteinpflaster, so belassen, wie es irgendwann genutzt wurde, als es hier wohl noch furchtbar nach Fisch stank; eher alte Zweckbauten (die auch als solche erkennbar sind) als alte Protzbauten, die hier für Nostalgie sorgen, durchaus charmante Plätze mit viel Grün, die aber mitten zwischen  teilweise stark befahrenen Straßen mit teilweise hässlichen modernen Bauten lagen. Alles ein bisschen weniger durchgestylt und etwas schmuddeliger als in Charleston, deutlich weniger feines Publikum ist hier unterwegs, dafür aber irgendwie mehr originelle Typen.

Savannah ist, kurz gesagt, eine Stadt, die wohl eher auf den zweiten Blick überzeugt. Das merkte man gleich bei der Anfahrt, bei der man von Ferne vor allem Industrie, Kräne, Container, Schornsteine, Frachtschiffe sah, während unsere Anfahrt nach Charleston uns durch wohlhabend wirkende Viertel und vor allem vorbei an Plantations führte.

Aber von dem verschlafenem Südstaatennest, als das ich die Stadt noch von 2005 in Erinnerung hatte, konnte keine Rede sein. Ich habe noch im Kopf, wie es war bei glühender Hitze durch die ziemlich ausgestorbene Stadt zu schleichen. Heute fiel diese Assoziation schwer, auch wenn recht schwere feuchte Luft auch nun über der Stadt lag.

Heute liefen wir am River entlang und ließen uns vom kostenfreien Trolley 'Dot' einmal um die Stadt herum fahren, bis wir nahe beim Hotel an der Tourist Info ausstiegen.
















Abends ließen wir es uns schmecken, wobei wir uns einig waren, dass Savannah erst bei Dunkelheit vollen Charme entwickelte, aber der Abend war nicht so sehr lang, denn morgen wollen wir der Stadt für einen langen Ausflug den Rücken kehren und uns den Okefenokee Swamps widmen, die immerhin fast 3 Stunden Fahrt entfernt sind.







Flicka

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So, ich bin euch jetzt ashley-seufzend und über möglicherweise gefährliche Alligatoren hüpfend nachgereist und habe gerade in Savannah eingecheckt. Ich hoffe, wir haben hier Internetzugang, denn ich muss bei Amazon noch ein paar DVDs bestellen. ;-)

Nach den letzten Tagen des Schwelgens im Südstaatenflair lässt Savannah allerdings tatsächlich etwas nach. Andererseits wäre es wohl auch schwierig gewesen, noch einen draufzusetzen.

Eine sehr schöne Reise, und ich freue mich auf die Fortsetzung!  :D

Saguaro

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Ich amüsiere mich nach wie vor über deine Postkartentexte :grins: Was dir so alles einfällt  :lolsign:.

LG,

Ilona
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat." (Erich Kästner)


Reisefan62

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Den Eindruck von Savannah muß ich bestätigen, wir bemerkten ein gewissen Desinteresse unsererseits im Vergleich zu Charleston.

In der "Bonbon-Factory" waren wir auch und ich muß mal nachsehen, ob ich noch solche klebrigen Dinger im Schrank habe :lol:. Die wurden uns ja ständig zum Kosten angeboten und ich war dann so dumm, auch noch paar zu kaufen. Vor Ort ist das eh immer leckerer.

Beaufort fanden wir nicht so schlimm, war ganz gemütlich.

Inspired

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FR, 5.10.2012 Okefenokee Swamps und Jekyll Island

der Postkartentext des Tages:

Ihr Lieben, wir haben heute mit Alligatoren gekämpft und Schlangen beschworen und das Juwel Georgias entdeckt. Nein im Ernst, die Okefenokee Swamps erinnern sehr an den Spreewald. Wir haben uns mal wieder wie zu Hause gefühlt.
P.S.: Grüßt die Katzen. Wir werden ihnen Amerikanisches Futter mit Thanksgiving Turkey mitbringen. Habt ihr auch Wünsche für Mitbringsel?


Und im Klartext: Noch bei Dunkelheit standen wir auf, schließlich wollten wir bei unserem Besuch der Swamps nicht in Zeitnot kommen.

Jedoch war die Fahrt bis fast nach Florida lange nicht so lang und nervig wie befürchtet.

Wir entschieden uns für den Zugang im Norden der Okefenokee Swamps, ganz einfach weil er am nächsten lag und am wenigsten Sucherei versprach.

Amerikanisch perfekt war hier alles super geplant, erst sollten wir zur Bootstour aufbrechen, dann die Traintour machen und gleich danach am Nature Talk teilnehmen.

Die Bootstour war sehr interessant. Wir saßen ganz vorne und hatten somit freie Sicht auf die Swamps. Unterwegs konnte man aussteigen und die Swamps von oben betrachten von einem Aussichtsturm aus.

Die Traintour dagegen stach ganz schön ab. Das war eher langweilig, aber na ja, wenn man es denn schon bezahlt hat, dann muss man da auch mit. Und wenn man einmal auf den Zug aufgesprungen ist, dann muss man da durch bis zum bitteren Ende.

Alligatoren gab es all überall. Allerdings dachten wir bei einigen, dass sie lediglich Attrappen seien, bis das Pappmaché begann mit dem Schwanz zu schlagen oder das Maul zuklappte.

Beim anschließenden Nature Talk dann haben wir einiges gelernt, beispielsweise, dass Schildkröten Jahresringe haben, allerdings nicht wie Bäume am Stamm oder wie Frauen ab einem gewissen Alter am Hals, sondern am Panzer. Außerdem haben wir gelernt, dass Schlangen am Bauch kitzelig sind und dass Alligatorbabys sich gerne im Nacken kraulen lassen. So machte ein etwa ein Jahr altes Exemplar seinen Job im Gekraultwerden sehr gut und legte jedes Mal den Kopf genießerisch in den Nacken, wenn der nächste Touri dran war ihm seine Streicheleinheiten zu verpassen.













Deutlich früher als erwartet hatten wir alles gesehen, sodass wir noch den Abstecher nach Jekyll Island anhängten. Schließlich war das nur ein Umweg von ein paar Minuten.

Hier standen die armseligen Cottages der Reichen und Mächtigen des beginnenden 20. Jahrhunderts. So hatte ein gewisser Herr Rockefeller hier seine bescheidene Ferienwohnung.



Heute noch spielt man hier stilecht Kricket, die gesamte Insel scheint ein einziger Golfplatz zu sein und auf den gepflegten Grünanlagen sind jede Menge gepflegte Menschen in gepflegten Autos und wir unterwegs.



Nein, mal im Ernst. Unter anderem war es diese Insel, die 2005 in mir den Grundstein für meine USA-Leidenschaft gelegt hatte. Damals landeten mein damaliger Freund und ich hier eher zufällig. Die Insel war noch deutlich ursprünglicher und ich dachte nur, meine Güte, was es hier alles gibt, von dem man in Deutschland noch nie gehört hat. Die Cottages standen halt so herum, obwohl das Golfplatzambiente damals schon existierte.



Leider scheint man meinen Gedanken von damals zielsicher umgesetzt zu haben, dass man aus der Insel doch mehr machen könnte, das hatte ich nun davon! Bereits bei der Zufahrt warb man mit dem "Juwel Georgias" und dort, wo vor 7 Jahren ein Mensch den Wegezoll erhob, taten das heute Maschinen, während jemand (wahrscheinlich immer noch derselbe Mitarbeiter von damals) seinen Job nun deutlich unbequemer erledigte und den Ankommenden nun stehend und mit krummem Rücken beim Bedienen des Automaten assistierte, was sicher länger dauerte als ein Kassieren von Barem.

Aber der wunderbare Strand widersetzte sich allen Neuerungen. Der war herrlich unverbaut, natürlich, leer. Die Luft und das Wasser waren warm, auch wenn die Stimmung eher herbstlich war. Die eine oder andere Familie war unterwegs, das eine oder andere Paar saß mit einem Buch und Blick auf's Meer in Stühlen am Wasser.











Jekyll Island kann ich nach wie vor unbedingt jedem empfehlen, der auf einer Reise ein paar Tage am Meer ausspannen will oder einfach für die Durchreise die Küste entlang eine Zwischenübernachtung nicht direkt irgendwo an der Interstate verbringen will - auch wenn ich hiermit nun meinen ganz persönlichen Geheimtipp verrate.

Nach so viel klassischem und landschaftlichem Amerika führte uns das am Weg liegende Longhorn Steakhaus wieder mal ein weiteres Wunder amerikanischer Lebensart vor - die berühmten Pager, die man mit sich herumträgt, während man auf einen freien Tisch wartet. Ich finde die Dinger sehr praktisch, die Frau Mutter fand sie vor allem erstaunlich - und nach Abklingen des Erstaunens auch sehr praktisch.

SusanW

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Hallo,

so ein schöner Geisterwald und dann noch in die Sümpfe - die wir seinerzeit leider verpasst haben. Die Gators sehen ja wirklich oft wie Attrappen aus  8) Und dann noch die netten Häuschen in Charleston  :D Grad richtig zum Schwelgen in Erinnerungen.
Liebe Grüße 
Susan

Inspired

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SA, 6.10.2012: Savannah und Tybee Island

Der Postkartentext des Tages:

Ihr Lieben, mit leichtem Sonnenbrand sind wir heute von einem Strandnachmittag auf Tybee Island zurückgekehrt. Mit den Südstaaten und der Wärme ist nun leider Schluss, morgen geht es wieder in Richtung Norden, wir hoffen auf ein wenig schöne Herbstlaubfärbung.
P.S.: Bitte werft vor unserer Rückkehr die Heizung an!


Und im Klartext: Wir hatten heute nochmals einen herrlichen Spätsommertag. Eigentlich war ja für heute ein Ausflug nach Jekyll Island geplant, aber da wir gestern schon dort waren, fiel die nochmalige Fahrerei für mich weg. Wir sahen uns am Vormittag nochmals in Savannah um und hatten unseren ersten Eindruck von vorgestern revidieren können. Es gibt zahlreiche schöne Plätze, die bei dem heute warmen Wetter Gelegenheit zum Ausruhen boten. Auf jedem Platz entweder ein Brunnen oder ein Denkmal, alles schön mit Tafeln beschildert, sodass man immer weiß, um wen oder was es hier geht.

Auf der morgendlichen Joggingrunde geknipst:









Später am Vormittag in der Stadt:







Wir konnten kaum glauben, dass dieser Riesenkahn tatsächlich unter der Brücke durchpassen sollte:





Nach einigen Stunden kreuz und quer durch die Stadt wollten wir ein letztes Mal dieses Jahr Sonne und Meer genießen. Auch wenn klar war, dass Tybee Island sehr touristisch ist, so war es doch die nächst gelegene Möglichkeit das zu tun, übrigens auch nicht die schlechteste Möglichkeit.

Typisch Georgia:



Der Strand war unverschämt voll im Vergleich zu allem, was wir bisher auf der Reise erlebt hatten. Das bedeutete, dass etwa im Abstand von je 10 bis 20 Metern ein Paar, eine Gruppe oder eine Familie sich niedergelassen hatte. Und so schlimm verbaut wie es auf Google maps aussah, war es gar nicht hier -für jemanden, der gerne mal Savannah besuchen, jedoch nicht dort direkt wohnen will, sicherlich eine gute Alternative, knapp eine halbe Stunde Fahrt vom Stadtzentrum entfernt.





Schade, nach 1,5 Stunden der bezahlten Parkzeit vertrieb uns ein Platzregen. Sobald wir im Auto saßen, war dieser vorbei, sodass wir schon einige Minuten später den zwar nett anzusehenden, aber auch nicht ausgesprochen spektakulären Leuchtturm bei Sonnenschein besichtigen konnten.

Nun ja, für etwas brennende Haut hatte es schon gereicht, sodass wir im Grunde ganz froh sein konnten, dass das Wetter dafür gesorgt hatte, dass es noch nicht unangenehm wurde.





Am Abend erkannten wir den Bereich am Savannah River fast nicht wieder. Während es vorgestern noch eher leer war hier und die beiden Sänger, die hier als Straßenmusikanten unterhielten, ohne jeden Verstärker auskamen, war heute hier der Bär los, eine einzige Partymeile, selbst Las Vegas konnte das nicht besser, sondern nur größer. Auf den Straßen in der Stadt war richtig Stau, mehr als bei unserer Ankunft am Donnerstag. Im Nachhinein erfuhren wir, dass es sich um das Oktoberfest gehandelt hat, also ist es offenbar nicht jedes Wochenende so.

Deutlich netter war es übrigens auf den Plätzen der Stadt, wo der eine oder andere einsame Saxophonist zugange war, was auch viel, viel besser in diese Stadt passte.

Und morgen geht es also weiter zu Besuch bei für mich Fremden, eine vollkommen ungewohnte Situation. Man darf gespannt sein, das bin ich auch.

Saguaro

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So ein Plätzchen auf der Schaukel am Meer bei 25°C würde mir jetzt auch gut gefallen.

LG,

Ilona
Liebe Grüße

Ilona

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sil1969

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Habe jetzt ein paar Tage "nach"lesen (wir waren eine Woche auf Usedom) dürfen. Gefällt mir sehr gut dein Bericht.
LG Silvia
LG Silvia

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Hallo Silvia,

die von Ilona gewünschten 25 Grad werdet ihr zumindest in den letzten Tagen nicht mehr gehabt haben, oder? Ansonsten finde ich Usedom toll und hoffe, dass ihr eine schöne Zeit hattet. Welcome back :D

Birgit

Inspired

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SO und MO, 7. und 8.10.2012 Sanford, NC

Der Postkartentext des Tages:

Ihr Lieben, ja wir wissen, eine Postkarte mit Hello Kitty drauf habt ihr nicht erwartet. Diese erhaltet ihr der Not gehorchend, denn in diesem völlig untouristischen Ort gibt es keine Ansichtskarten. Was sollte da auch schon drauf sein, zu sehen gibt es hier nicht viel.
P.S.: Apropos Kitty, unsere Kleine bekommt hoffentlich jeden Tag ihre gewohnten 100 Bürstenstriche???


Und im Klartext:

Wir machten uns auf den Weg ins Nirgendwo, zu Elke und Fred, die in North Carolina zwischen Sanford und Fayetteville leben, direkt neben einer Militärbase.

Frau Mutter zeigte sich erstaunt darüber, dass sie gestern Abend die Nachbarin nicht erreicht hat. Da war die wohl unterwegs. Na, was treibt die sich auch morgens um fünf irgendwo herum? Hm, da hatte wohl jemand die Zeitverschiebung in die falsche Richtung vermutet, hi hi!

Wir kamen nach ziemlich eintöniger Fahrt nach knapp sechs Stunden im eher tristen Sanford an. Es wurde nicht nur bewölkt, sondern im Verlauf der Fahrt richtig herbstlich kalt. Hier merkt man deutlich, dass die gesamte Region vom und für das Militär lebt: An jeder Ecke ein Autoteilehandel und gleich mehrere Knarrengeschäfte auf wenigen Meilen.

Nachmittags erreichten wir das Compound, in dem Elke und Fred leben. Elke ist die Jugendfreundin meiner Mutter, die beiden haben sich seit fast 50 Jahren nicht gesehen. Aber das schrieb ich ja schon oben.

Elke und Fred haben sich als junge Menschen in Venezuela kennengelernt, lebten dann einige Jahre in Deutschland bis sie gefragt wurden, ob sie nicht in den USA eine Bäckerei eröffnen wollten, sodass sie 1975 nach Key West umzogen. Hier zogen sie ihren noch in Deutschland geborenen Sohn und den kurz nach der Ankunft in den USA geborenen jüngeren Sohn auf, der schon gar kein Deutsch mehr sprechen kann.

Nach allem, was die beiden zu erzählen hatten, liegt ein buntes Leben mit vielen Höhen und Tiefen hinter den beiden. Die beiden "Jungs" sind sicherlich amerikanischer als so mancher Amerikaner, mit Football und Army und Abschlussfeiern, wie etliche Fotos in diesem Haus zeigten. Einer ist heute noch beim Militär, der andere hat die Army verlassen und arbeitet nun für das FBI - alles wichtig und hoch geheim, sodass wir dazu nicht allzu viel erfahren haben. Also Pssssssst!

Entstanden ist eine sehr internationale Familie. Einer der Söhne ist mit einer Chinesin aus Malaysia verheiratet, der andere mit einer Spanierin.

Um nicht immer wieder angstvoll die Wettermeldungen hinsichtlich der Hurricanes beobachten und zur Vorsicht das Haus verlassen zu müssen und dann mit klopfendem Herzen in banger Erwartung wieder zurückkehren zu müssen und außerdem um wieder in der Nähe eines ihrer Kinder zu sein, zogen Elke und Fred um nach North Carolina in direkte Nachbarschaft des jüngeren Sohnes, der mittlerweile jedoch wiederum in Seattle lebt. Das war vor über 6 Jahren, nachdem das Haus in Key West durch den Hurricane Wilma unter Wasser gesetzt worden war.

Und hier verbrachten wir nun zwei Tage in einer typisch amerikanischen Siedlung, einer gated community mit Clubhaus, Golfplatz, Freibad, Tennisplätzen, Fitness Trail und Kontrolle am Eingang, wobei es hier sicherlich noch gemäßigt zuging, denn wir durften vorangemeldet auf das Gelände fahren, mussten "nur" vorher durch unsere Gastgeber angemeldet werden, bekamen aber keinen Aufkleber oder Hangtag für das Auto und wir wurden nicht gefragt, wie lange wir bleiben wollten. Immerhin waren die Kontrollen beeindruckend genug um mich in meiner Naivität erst vermuten zu lassen, dass wir gar nicht auf ein privates Gelände fahren, sondern direkt auf Militärgelände landen würden.

Hier gab es auf sehr hügeligem Gelände voll mit Nadelwald und Teichen die 1500 Häuschen der Bewohner, viele derzeit geschmückt mit Halloween Deko. Hier begegnen einem Katzen, Hunde und auch Rehe, die bei unseren Gastgebern sogar bis aufs Grundstück kommen und den Rasen und die Blumenkästen mähen. Zum nächsten Laden allerdings fährt man locker 20 Minuten.

Die Navi fand das schöne und großzügige Haus ohne Probleme. Fred kocht wunderbar, es gibt deutsches Bier und Spiegel- und GEO-Hefte von 2000 und 2007. Dem konnten wir abhelfen, indem wir die mitgebrachte Literatur auspackten, die gewünschten Zeitschriften quer durch den Gemüsegarten außer Bravo und dem Playboy gemäß dem Wunsch "Hauptsache, es stehen deutsche Sätze drin". Und auch dem Biervorrat halfen wir ab...













Den Montag, übrigens Columbus Day, verbrachten wir zunächst damit zu lernen, was amerikanischer Patriotismus konkret ist. Hier, mitten im Nirgendwo, gibt es nämlich ein riesiges Museum, in dem nichts anderes vorgeführt wird als die Schlachten, die die USA in allen Ecken der Welt geführt haben, die bezeichnender Weise "theater" genannt werden.

US-Soldaten erklärten ihren Söhnen im Vorschulalter den "price of freedom" und demonstrierten, was es bedeutete, sich im "Land of the free because of the brave" dafür einzusetzen, dass der Taliban nicht bis Washington vorrückte und die weibliche Hälfte der Bevölkerung unter die Burka zwang.









Anschließend zogen wir los auf Shopping Tour. Erstaunlich, was es hier so alles an Läden, Restaurants und Hotels gibt. Deutsche Touristen gibt es hier mit Sicherheit selten, aber das bedeutet nicht, dass es hier keine Deutschen bzw. keine Beziehungen zu Deutschland gibt, denn diese bestehen zumindest über das Militär durchaus.

Wir erfuhren vieles über die Familiengeschichte und ich hatte alle Gelegenheit viele Fragen zu stellen zum Leben in den USA, die mich schon länger beschäftigten. Nebenbei erfuhr ich so übrigens nicht nur, welche Bedingungen damit verknüpft waren die US-Flagge auf dem eigenen Grundstück aufzustellen (vollen Respekt nach diesen Infos allen, die es trotzdem tun), sondern auch, dass ein Jeep zumindest in Key West wohl recht typisch war für Gays. Das als kleine Warnung an alle, die bei der Mietwagenübernahme sich für einen solchen entscheiden, da sie eine "Reisschüssel" ablehnen...

Yaphi

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Das mit der Flagge interessiert mich auch ! Was muss man denn tun ?
Persönlich bei einer speziellen Behörde in DC eidesstattlich erklären und mit dem Singen der Hymne belegen, dass man aufrechter und vaterlandsliebender Amerikaner ist ?

Ansonsten weiterhin ein toller Bericht ;)

Inspired

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Elke hat berichtet, man dürfe beispielsweise die Fahne nachts nur draußen hängen lassen, wenn sie beleuchtet sei, man dürfe sie nicht über den Boden schleifen und eine kaputte Fahne nicht wegwerfen, sondern muss sie in einer dafür würdigen Einrichtung verbrennen lassen.

Keine Ahnung, wie streng das zu nehmen ist, denn als ich mal darauf geachtet habe, habe ich durchaus auch bei Nacht Flaggen gesehen, die nicht wirklich beleuchtet waren, sondern bei denen allenfalls Licht irgendwo in der Nähe war.

Aber vielleicht weiß ja ein Mitleser dazu mehr :D

Saguaro

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So ein Einblick in einen "amerik. Haushalt" finde ich KLASSE. Es ist immer interessant, was aus deutschen Auswanderern "drüben" geworden ist.

LG,

Ilona

Liebe Grüße

Ilona

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