29.07.2008 Bozeman - Butte
the richest hill on earth und ganz viel Bier
Nach den "Strapazen" der letzten Tage haben wir's heute etwas ruhiger angehen lassen. Wir sind später aufgestanden, haben dann gegenüber vom Motel erst Mal Wäsche gewaschen, eine Kleinigkeit im Motel gefrühstückt und waren dann gemütlich im Safeway um die Ecke einkaufen.
Hier kann man Wäsche waschen ...
... und hier kann man einkaufen. Montana hat übrigens keine State Sales Tax, hier zahlt man nur kommunale Steuern.
Wir sind dann erst so gegen halb elf losgefahren. Der Plan für heute war wieder ganz einfach: Bis Butte fahren und dort ein Motel suchen. Unterwegs kamen wir an Thee Forks vorbei und dort wollten wir einen kleinen Halt machen. Was gibt's dort zu sehen? Ganz einfach, bei Three Forks ist der offizielle Beginn des Missouri. Gleich neben der Stadt fließen nämlich die drei Quellflüsse des Missouri zusammen, der Jefferson, der Gallatin und der Madison. Und zwar passiert das Ganze im Missouri Headwaters State Park. Eintritt: $ 5 pro Auto bzw. $ 1 für Fußgänger. Wir beschlossen, drei Dollar zu sparen und das Auto am Park Office stehen zu lassen. So groß war der Park schließlich nicht. Einmal durchspaziert hin und zurück ca. 2-3 Meilen, wenn überhaupt. Wir spazierten am Madison entlang und waren nach kurzer Zeit an der Stelle, wo der Madison in den Jefferson fließt. Ab hier heißt das ganze Wasser dann offiziell Missouri.
Eine gute halbe Meile später kommen dann noch der Gallatin (rechts) und Kanufahrer (links) dazu.
Benannt wurden die drei Flüsse übrigens von Lewis (oder war's Clark?). Eigentlich handelt es sich bei dem Jefferson bereits um den Missouri, nur unter anderem Namen. Und streng genommen müßte der Mississippi ab dem Zusammenfluß mit dem Missouri in der Nähe von St. Louis eigentlich Missouri heißen, denn der Missouri war deutlich länger als der Mississippi und üblicherweise werden Flüsse nach dem längeren Fluß benannt. Durch Begradigungen wurde der Missouri allerdings im Laufe der Zeit etwas verkürzt und ist je nach Messweise etwas länger oder kürzer als der Mississippi. Somit wäre die Ordnung wenigstens halbwegs wieder hergestellt. Wenn Clark (oder Lewis?) den Missouri aber an seinem Anfang nicht zum Jefferson deklariert hätten, wäre er auf jeden Fall nach jeder Definition immer noch länger als der Mississippi und der große Fluß der da zwischen St. Louis und dem Golf von Mexiko fließt, hätte definitiv den falschen Namen. Alles klar?
Is ja auch wurscht. Der Park ist jedenfalls ganz nett. Am Zusammenfluss des nun auf jeden Fall Missouri heißenden Flusses mit dem Gallatin gibt's einen Parkplatz mit Picknickplatz, Restrooms und Frischwasser. Daneben eine "interpretative site" mit dutzenden von Schildern, wo man was über die Geschichte der Gegend und die ganzen Flüsse (wie auch immer die jetzt heißen mögen) lernen konnte. Der Geschichtsteil ging hauptsächlich über Lewis und Clark und andere Pioniere und was denen hier alles passiert ist (z.B. Indianerüberfall). Außerdem erfuhren wir, dass wenn man ein Stück Holz oder ähnliches hier in den Fluß wirft, dann braucht das sechs Monate, bis es im Golf von Mexiko ankommt. So viel Zeit hatten wir aber nicht und traten dann den Rückweg an. Dabei nahmen wir einen anderen Trail über einen kleinen Hügel mit netter Aussicht auf den Gallatin.
Nach ungefähr zwei Stunden waren wir wieder am Auto und weiter ging's. Ab nach Butte. Quer durch die Berge. Links die Tobacco Root Mountains und rechts die Elkhorn Mountains.
Auch diese Strecke war nicht wirklich lang. Eine gute Stunde später waren wir da.
Butte ist eine alte Bergbaustadt. Der intensive Bergbau hat hier einige Spuren hinterlassen.
Wir fuhren durch die neueren Viertel in den historischen Teil am Hügel. Dort suchten und fanden wir ein Quartier für die Nacht im Finlen Hotel & Motor Inn.
Dieses hat einen Hotel- und einen Motelteil. Wir nahmen ein Zimmer im Motelteil für ungefähr $ 56, die billigste Unterkunft der ganzen Reise. Nach dem Einchecken machten wir einen kleinen Spaziergang durch die Straßen. Gleich um die Ecke fanden wir einen alten Förderturm mit Infotafeln. Hier sah man, wie reich die Stadt früher gewesen sein muss, sogar die Mülleimer waren aus Kupfer.
Die Stadt liegt an einem Hügel, der ungeheuer reich an Bodenschätzen, vor allem Kupfer, ist. Daher der Spitzname "the richest hill on earth". Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Butte die reichste Stadt der Welt. Allerdings haben sich den ganzen Reichtum vor allem ein paar wenige reiche Minenbesitzer einverlebt, für die ganzen Arbeiter blieb natürlich nicht viel übrig. Das hat den Arbeitern nicht so gut gefallen und sie protestierten und rebellierten regelmäßig. Dieses Rebellieren gefiel wiederum den Minenbesitzern nicht so richtig und sie ließen die Polizei auf die Arbeiter schießen. Folglich gab es immer wieder Straßenschlachten zwischen Polizei und Bergarbeitern. Die ganzen Minen in Butte gehörten nämlich der Amalgamated Copper Mining Company, die seit 1915 Anaconda Copper Mining Company heißt. Diese Firma ist/war laut Kritikern einer der größten Umweltverschmutzer und Ausbeuter der Welt. Die ganze Minengegend um Butte ist höchst kontaminiert, u.a. mit Arsen, Kadmium, Zink und Kupfer. In den 70ern wurde Anaconda von ARCO gekauft. Die EPA hat dann ARCO verpflichtet, den ganzen Dreck wieder aufzuräumen, aber diese Aufgabe ist noch lange nicht abgeschlossen.
Heute ist von dem "Reichtum" nicht mehr viel übrig, Butte hat seine besten Tage hinter sich. Dennoch oder gerade deshalb besitzt die Stadt einen gewissen Charme.
Auf dem Förderturm oder wie die Dinger heißen steht "mile high", denn die Stollen reichen hier eine Meile tief in die Erde.
Wer eine Kirche braucht, kann hier eine kaufen.
Trivia: Butte ist der einzige Ort der USA ohne "open container law", das heißt, hier darf man überall im Stadtgebiet mit offenen Alkoholbehältern rumlaufen.
Im Rest der USA geht das nur in einigen wenigen Städten in bestimmten Stadtteilen, z.B. auf dem Las Vegas Strip. Allerdings haben wir niemanden mit offenen Bier- oder Schnapsflaschen rumlaufen sehen. Weiterhin wissenswert mag sein, dass Butte nicht auf alle Verkäufe tax erhebt. Wenn man in Butte z.B. Lebensmittel kauft, dann zahlt man überhaupt keine sales tax.
Nach etlichem Herumspazieren war es Zeit für ein Häppchen. Wir kehrten in eine Art Sportsbar ein. Dort gab es natürlich die örtliche "Spezialität": pork chop sandwich. Das war nicht schlecht, aber im Prinzip ist das nichts anderes als eine Schnitzelsemmel. So gestärkt ging es zum letzten Ziel für heute, die M&M Bar. Ich hatte einige Monate vorher in einer uralten Zeitschrift (Geo oder Merian oder so was ähnliches) gelesen, dass diese Bar seit 1890 bis heute ununterbrochen 24 Stunden am Tag geöffnet hat. Da mußten wir natürlich hin. Ich erfuhr dann später, dass die Bar irgendwann vor ein paar Jahren aber nach Erscheinen der oben erwähnten Zeitschrift für einige Monate geschlossen hatte. Aber egal, der Besuch hat sich gelohnt.
Als wir reinkamen war nix los. Wir setzten uns an die Bar, bestellten ein Bier und sahen zuerst ein wenig in den über der Bar laufenden Fernseher. Praktischerweise haben die Fernseher in den ganzen bars Untertitel, so dass man mitbekommt, um was es geht ohne durch die Lautstärke gestört zu werden, falls man sich doch mal unterhalten muss. Ich erinnere mich auch noch daran, was lief, denn diese Sache war schon überall die ganze Zeit Topthema in den Fernsehnachrichten, nämlich ein kleines knapp dreijähriges Kind namens Caylee Anthony, das unter mysteriösen Umständen verschwunden war und irgendwie hatten manche die Mutter, Casey Anthony , im Verdacht, dass sie etwas damit zu tun hatte (vgl.
http://en.wikipedia.org/wiki/Caylee_Anthony_homicide). So richtig konnten wir dieses Drama aber nicht verfolgen, denn da wir zur Zeit die einzigen Gäste waren, kamen wir sehr schnell mit dem barkeeper ins Gespräch. Der schien ein ganz interessanter Typ zu sein und unterhielt uns den ganzen Abend mit seinen Stories. Manchmal hatte ich den Verdacht, dass er, nun ja, leicht übertrieb, aber was macht das schon. Die Zeit verging wie im Flug, wir waren stundenlang in der Bar.
Zwischendurch gab er uns immer wieder mal ein Bier aus, ließ uns verschiedene microbrews probieren und während des Trinkens unterhielten wir uns über Gott und die Welt, naja, nicht über Gott, aber über die Welt. Der Barkeeper kam ursprünglich aus Vegas und schien dort in irgendwelche Gang-Auseinandersetzungen involviert gewesen zu sein, jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass es ihm dort zu heiß geworden war und er deshalb nun hier war. Er erzählte unter anderem, dass man ihm mal den Unterkiefer mit einem Baseballschläger gebrochen hatte, dass Harry Reid ein persönlicher Freund der Familie war, wie das mit dem tip in bars funktioniert und dass er dieses Mal ausnahmsweise die Demokraten wählen werde, auch wenn sie ihm seine Waffen wegnehmen wollten, aber das Land brauche jetzt wirklich mal etwas Veränderung. Wir unterhielten uns auch lange über Unterschiede zwischen Deutschland und den USA, vor allem in Sachen Alkohol, Schusswaffen und Führerschein. Zwischendurch gab es immer ein neues Bier, mal wurde es ausgegeben, mal zahlten wir auch.
Zwischendurch kam noch ein Typ aus San Diego und ein älteres Ehepaar aus dem Mittleren Westen vorbei und auch mit denen hielten wir ein Schwätzchen. Der San Diegoaner kam zum Abendessen, erklärte uns, dass San Diego die schönste Stadt der Welt sei und bestand darauf, sein Abendessen mit uns zu teilen. Das Ehepaar war mit dem Wohnwagen unterwegs und kam gerade aus Richtung Glacier, den sie (und auch der Barkeeper) uns sehr empfahlen. Der Barkeeper gab uns dann noch alle möglichen Empfehlungen für die weitere Reise, insbesondere betreffend die besten Brauereien und Biersorten. Besonders gut sei das Bier in der Bayern-Brauerei in Missoula, die gehöre einem ausgewanderten Deutschen.
Am Schluss waren wir beide etwas angeheitert, verabschiedeten uns gerade rechtzeitig, bevor es zu viel Bier wurde und wankten die zwei Blocks zurück ins Motel.