15.10.2015, The View, die ultimative AussichtWeniger ist mehr!
Das ist inzwischen unser Motto im Süd-Westen. Wenn man so eine Reise das erste Mal macht, möchte man in der gegebenen Zeit möglichst viele Ziele sehen. Man plant wie die Japaner/Chinesen: „Europa in zwei Wochen.“ Mit der Zeit merkt man, dass der innere Wert einer solchen Reise weniger von der Anzahl der Ziele abhängt, sondern viel mehr von der Art, wie man sie erlebt, sie in Ruhe genießen kann.
Daher lassen wir heute auf unserer Fahrt in Richtung Süden auch das Valley of Gods rechts liegen, um für die restlichen Ziele mehr Zeit zu haben.
Unser erster Stopp ist der Gooseneck State Park wo man „die dreifache große Saar-Schleife“ des San Juan River bewundern kann.
Um einen Gesamteindruck zu vermitteln, habe ich einmal 3 Fotos „zusammengeklebt“. Von der Qualität her ist das eher „Stichen 1. Lehrjahr“. Heute weiß ich, was ich bei den Basisfotos anders machen muss.
Nach der Hinweistafel gilt das als das größte Mäander-System der Welt, wonach auch immer „groß“ bemessen wird.
Beeindruckend ist es schon, wenngleich der Horseshoe Bend bei Page noch monumentaler herüberkommt, obwohl er nur eine Schleife hat.
Was aber viel wichtiger ist: Meine Frau hat sich heute viel Mühe gegeben und die Farben ihres Poloshirts exakt auf die Himmelsfarben abgestimmt.
Als nächstes erreichen wir den bekannten Mexican Hat. Wenn man ein bisschen Feldweg fährt und noch etwas läuft, kommt man sogar relativ nahe an ihn heran. Es scheint fast so, als hätte der Bürgermeister den Hut mit etwas Beton stabilisieren lassen, damit dem Ort Mexican Hat das namensgebende Wahrzeichen nicht abhanden kommt.
Auf der Weiterfahrt habe ich mir am Forrest Gump Point nach den vielen Bildern, die ich gesehen habe, einen Wow-Effekt versprochen. Der bleibt leider aus.
Schön ist es schon, aber eben nicht „Wow“.
Kurz danach ist erst einmal die Straße gesperrt. Wegen Straßenbauarbeiten ist wechselseitig immer nur eine Spur befahrbar. Wir müssen gefühlt eine halbe Stunde warten. Wie gut, wenn der Zeitplan da nicht auf Kante genäht ist.
An der Kreuzung zum Monument Valley biegen wir zunächst rechts ab und holen uns zum Mittag an einer „Tankstelle mit heißer Theke“ ein leckeres Slice of Pizza. Frisch gestärkt geht es ins Valley.
Beim „Pförtner“ heißt es dann 20 Dollar abdrücken, trotz Hotelbuchung und NP-Pass. Aber das wussten wir schon und haben uns bereits davor auf- und wieder abgeregt. Jetzt ertragen wir es still.
Wenn man die Navajo so sieht, gewinnt man den Eindruck, dass sie ein recht bescheidenes Leben führen. Denkt man dagegen an die vermutlich hohen Einnahmen aus dem Tourismus, fragt man sich schon, wo das ganze Geld bleibt. Gibt es da einen Häuptling „Rockefeller“ oder geht das alles an irgendwelche Investoren-Heuschrecken?
Genug Politik! Jetzt geht es auf den Valley Drive mit seinen 11 View Points. Ich erspare mir die fotografische Dokumentation der „3 Schwestern“ und der übrigen Familienmitglieder. Schön sind die Felsen, keine Frage, aber sie sind im Forum schon oft genug gezeigt worden.
Hier stellvertretend nur ein Bild vom „John Wayne Felsen“ (John Ford’s Point).
Auch wir bemühen das diensthabende Pferd, um ein Beweisfoto zu schießen. Westernheld John Wayne war das Idol meines Schwiegervaters (80) in seinen jungen Jahren. Als wir ihm später das Foto überreichen, das seine „kleine Tochter“ (51) John Wayne gleich auf einem Pferd in der Prärie zeigt, ist er echt gerührt.
Die Wege im Monument Valley sind gut zu befahren. Nur "oberflächlich" hinterlässt das Unterfangen ein paar Spuren am Wagen. Es sind auch normale PKW und sogar ein paar Sportwagen dabei. Die ganz coolen unter ihnen fahren „oben ohne“. Ich bin mir nicht sicher: Entweder wollen sie möglichst lange etwas vom Monument Valley haben oder ihr schönes Stoffdach nicht schmutzig machen.
Dann geht es ins Hotel, das bekanntlich so in den Berg gebaut ist, dass alle in der ersten Reihe sitzen.
The View, der Name ist Programm. Vom Balkon des Zimmers aus können wir noch die letzten Züge des bunten Treibens im Valley beobachten. Die folgenden beiden Bilder sind für diejenigen gedacht, die sich überlegen, das eigene Auto stehen und sich stattdessen von den Navajo durch das Valley fahren zu lassen.
Weißte Bescheid!
Nach dem Duschen machen wir es uns dann auf dem Balkon gemütlich, um in aller Ruhe den Sonnenuntergang zu genießen. Obwohl es noch hell ist, öffnen wir schon mal eine Flasche Rotwein. Ich weiß, Trinken ist eine Willensfrage …
... und wir wollen.
Den Rotwein haben wir übrigens bereits 2 Wochen zuvor in Las Vegas zusammen mit der „Erstausstattung“ gekauft, um später keine Lauferei zu haben. Was uns nicht bewusst war, ist, dass es sich beim Monument Valley um ein „Dry County“ handelt, nicht nur in Bezug auf die Landschaft, sondern eben auch beim Alkohol. Selbst im Restaurant wird es später nur alkoholfreies Bier und alkoholfreien Wein geben, was auch immer das sein mag.
Nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, machen wir uns auf ins Restaurant. Jetzt lohnt es sich, schnell zu sein, denn irgendwie haben alle auf einmal die gleiche Idee.
Glück gehabt! Zügig bekommen wir einen Platz, während kurz danach Wartenummern vergeben werden.
Wir wählen die „6 Kostbarkeiten der Navajo“ (oder so ähnlich). Damit es nicht zu Missverständnissen kommt, das folgende Bild zeigt
eine Portion.
Das Essen schmeckt eher „interessant“ als besonders lecker. Was soll’s, wenn man schon einmal hier ist, muss man auch den Mut haben, Unbekanntes zu probieren.
Nach dem Dinner schauen wir im Souvenir-Shop vorbei. Alles ist maßlos überteuert. Hier kaufen wir nichts, da sind wir uns einig.
… noch.
Auf dem Rückweg ins Zimmer sehen wir Gäste, die jetzt erst anreisen. Wir kennen deren Planung nicht, aber bedauern sie still, weil sie den schönen Sonnenuntergang verpasst haben. Bei den horrenden Zimmerpreisen werden die meisten wohl auch nur eine Nacht bleiben …
Zurück im Zimmer setzen wir uns wieder auf den Balkon und geben uns dem Rotwein hin. Die Luft ist lau und klar. Über uns leuchten die Sterne, gefühlt tausend mehr als sonst. Schemenhaft sieht man die Umrisse der Felsen. Von Zeit zu Zeit fliegt eine Fledermaus vorbei.
Es ist einfach nur schön.
„Jetzt noch eine Kerze, dann wäre das Glück perfekt“, meint meine Frau.
Daran habe ich natürlich nicht gedacht. Ich freue mich schon, dass ich vorausschauend den Wein besorgt hatte …
„Vorhin im Souvenir-Shop, da hatten sie welche. Die kosteten aber vielleicht XX Dollar, wäre es dir
das wert?“, bemerke ich und hake das Thema damit für mich ab.
„Ja, irgendwie schon“, höre ich nach einer kurzen Weile
… und einer von uns macht sich auf den Weg.
Im Souvenir-Shop stelle ich dann fest, dass die Kerzen zweimal XX Dollar kosten. Beim „gelben Schweden“ bekäme man dafür wahrscheinlich die Großfamilien-Jahrespackung an Teelichtern. Glücklicherweise finde ich neben den bunten Machwerken auch ein Windlicht, das aus Navajo-Sandstein „geschnitzt“ wurde. Das hat wenigstens noch einen gewissen Erinnerungswert.
An der Kasse zücke ich stolz den 10%-Glücklichmachungs-Coupon für Hotelgäste. Die Kassiererin schlägt mit Tax und nochmal Tax zurück, so dass es am Ende ungefähr bei dem Preis bleibt, der an der Ware steht. Ich bezahle und will gerade gehen.
"Ach ja, Streichhölzer oder ein Feuerzeug hätte ich gern noch."
„So etwas haben wir hier nicht“, kommt zurück.
„Gut, wo kann man denn ein Feuerzeug kaufen?“, möchte ich noch wissen.
„Nirgends, das gibt es im ganzen Hotel nicht!“, muss ich mir anhören.
"
"
Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich geneigt zu sagen, dann könne sie sich das Windlicht auch … (na ihr wisst schon)
Aber da erwacht Bob der Baumeister in mir: „Yo, das schaffen wir.“ Mein Ehrgeiz ist herausgefordert.
Erster Halt, die Kasse im Restaurant. Die Kassiererin ist hilfsbereit. Sie will mal mit dem Koch sprechen und verschwindet in der Küche. Kurze Zeit später taucht sie wieder auf und hält ein Feuerzeug in den Händen. Heute ist mein Glückstag! Feierlich entzünden wir das Teelicht.
Mein kostbares Gut mit allen Händen schützend mache ich mich auf den Weg zum Zimmer. Vorsichtig öffne ich die erste Tür …
… ein Luftzug …
… und wusch ist meine Pracht dahin.
Das kann ich jetzt bis morgen früh noch ungefähr 32 mal wiederholen und es war nur die erste von mehreren Türen.
So wird das nichts.
Zurück zur netten Kassiererin: „Kann ich das Feuerzeug kaufen?“ - „Muss ich mit dem Koch sprechen“.
Der hat ein Einsehen.
„Stunden später“ kehre ich ins Zimmer zurück und gebe den Prometheus: Mit stolz geschwellter Brust entzünde ich die Kerze.
Noch lange genießen wir die Schönheit des Augenblicks.
Was tut man nicht alles …
Das Windlicht steht heute bei uns im Wohnzimmer und erinnert uns immer an diesen einen Abend.
… und ja, so gesehen war es sein Geld wert.
In Anlehnung an ein Lied aus dem Musical „Anatevka“ wird es morgen heißen:
„Sunrise, sunset … laden with happyness and tiers.“
Bis dann.
Fazit:
- Gooseneck Overlook: empfehlenswert
bleibt aber hinter dem Horseshoe Bend zurück
- Mexican Hat: interessant
mitnehmen, wenn man vorbeifährt
- Monument Valley: ein Muss
Rundfahrten im offenen Pick-up vermeiden
- The View: sehr teuer, aber unbedingt empfehlenswert
einmal im Leben muss man das gemacht haben
rechtzeitig kommen, so dass man den Sonnenuntergang in Ruhe genießen kann
„Dry county“, daher Wein o.ä. selbst mitbringen
(Kerze nicht vergessen,
… und ein Feuerzeug)