09.08.19, Wells Gray Provincial Park, “Berry Season – Bärenzeit”Na? Alle Englischlehrer wach?
Die Überschrift ist natürlich kein missratener Versuch einer Übersetzung. Sie will nur auf einen Zusammenhang aufmerksam machen, wie auch das folgende Schild.
Warum schreibe ich das hier? Ja, weil es heute für uns eine gewisse Bedeutung haben sollte …,
aber der Reihe nach.
Da unser Motel kein Frühstück anbietet, stoppen wir im nahegelegenen Wells Gray Inn. Dort gibt es einen kleinen Diner, in dem wir recht reichhaltig frühstücken.
Dann machen wir uns auf in den Wells Gray Provincial Park. Die Wettervorhersage zeigt 35°C. Das wird der bislang heißeste Tag des Urlaubs. Puh, auch das noch.
Aber nicht vorab meckern, erst mal abwarten und dann sehen, wofür es vielleicht gut ist.
Die folgenden Ziele haben wir uns für heute vorgenommen:
Zunächst steuern wir die Spahats Creek Falls an. Von der Straße aus ist ein kleiner Spaziergang notwendig. An den Falls stellen wir fest, dass wir zur falschen Tageszeit hier sind. Wegen ihrer Westausrichtung liegen sie noch vollkommen im Schatten. Dann kommen wir eben auf dem Rückweg noch einmal vorbei.
Weiter geht es zu den Moul Falls. Der Parkplatz ist bereits gut gefüllt. Um zum Wasserfall zu gelangen, ist hier eine richtige Wanderung notwendig. Wir ziehen uns die Wanderschuhe an und gehen los. Zunächst spazieren wir auf weitgehend ebenen Waldwegen.
Kurz vor dem Ziel sehen wir den Wasserfall schon einmal von oben.
Dankenswerterweise hat die Nationalparkverwaltung extra für uns die Regenbogendekoration aktiviert.
Jetzt müssen wir noch einen steilen Abstieg von geschätzt 80 m bewältigen und dann bietet sich uns folgendes Panorama.
Es wurde hier im Forum schon davon berichtet, dass man diesen Wasserfall hintergehen kann. Ich habe mir das durchaus vorgemerkt, aber nicht geahnt, wie „geil“ das ist. Aus versicherungstechnischen Gründen wird natürlich davon abgeraten,
… ja wir gehen dann eben „auf eigene Gefahr“.
Zuvor verpacken wir die Fotoausrüstung in Zipperbeuteln und auf geht’s. Die nachfolgenden Aufnahmen haben wir dann mit unseren wasserfesten Handys gemacht.
Von „außen“ sieht der Durchgang weitgehend trocken aus, aber das täuscht gewaltig! Durch den Wasserfall wird zum einen jede Menge Wasser hochgespritzt und zum anderen ein überaus kräftiger Wind erzeugt, so dass man im Ergebnis einem starken Sprühnebel ausgesetzt ist. Wer es sich nicht vorstellen kann, gehe einfach einmal in der Waschstraße neben seinem Auto her …
Kurzum, als wir die Passage hinter uns haben, sind wir „durch“.
Mist, ja was macht man da?
Wir ziehen einfach unseren „Wetter-Joker“. Ob es schon die vorhergesagten 35°C sind, wissen wir nicht, aber es ist bereits „lecker warm“.
Wie gut!
Auf dem Rückweg zur anderen Seite nehmen wir wieder eine Dusche mit.
Weil wir VIP-Tickets haben, zeigt man uns zum Abschluss noch einmal zwei Regenbogen.
Wir sind einfach nur glücklich!
Auf dem Rückweg zum Parkplatz fallen uns zwei Sachen auf:
Zum einen ist da eine Gruppe, die offenbar bei einem lokalen Veranstalter einen Poolbesuch an den Moul Falls gebucht hat. Sie haben alle Neoprenanzüge an und müssen bei den aktuellen Temperaturen (>30°C) auf ihrer 45-minütigen Wanderung offenbar gar nicht frieren.
Zum anderen gibt es entlang des Weges an vielen Stellen wilde Himbeeren. Wir naschen einzelne, … ja ganz lecker.
War da nicht etwas mit Beeren und Bären?
… ach was! So frequentiert wie der Wanderweg inzwischen ist, sollte da nichts passieren.
Es passiert auch nichts. Zurück am Parkplatz stellen wir fest, dass dieser inzwischen übervoll ist. Wir ziehen uns luftigere Schuhe an und trinken ausgiebig.
Unser nächstes Ziel sind die Dawson Falls. Busse dürfen in unmittelbarer Nähe halten, Autos müssen ein Stück weiter fahren. Entsprechend dürfen wir wieder zurück laufen, um zum Wasserfall zu gelangen. Er ist richtig mächtig und wenn dann im September die Lachse kommen, ist es wahrscheinlich noch viel schöner hier.
Weiter geht es zu Bailey’s Chute, einer Stromschnelle. Sie ist ganz nett anzusehen, aber nicht allzu besonders.
In der Umgebung stehen recht hohe Bäume.
Bailey’s Chute liegt in der Nähe des oberen Endes des Parks. Die Straße ist hier nicht mehr asphaltiert und es gibt auch deutlich weniger Besucher. Diese Attraktion ist durchaus „entbehrlich“, aber das Schicksal wusste schon, warum es uns hierher geschickt hat …
Als wir uns auf den Rückweg machen, sehen wir ein dunkles Etwas am Rande der Straße …
Wir wissen nicht genau, was es ist. Der äußeren Form nach würden wir es für ein junges Murmeltier halten, wissen aber, dass die für gewöhnlich nur im Gebirge oberhalb der Baumgrenze vorkommen. Wenn also jemand einen Hinweis dazu hat, gerne.
Noch ein Stück weiter sehen wir wieder etwas Schwarzes am Straßenrand …
… sehr viel größer als eben …
… es wird doch nicht etwa …
… es IST …
… ein Bär!
Die Kamera ist schnell zur Hand. Da hier kaum Verkehr ist, halten wir auf Höhe des Bären auf der anderen Seite der Straße und machen ein paar Fotos.
Es ist wohl ein Schwarzbär, dessen Fell rötlich-braun gefärbt ist. Und es wird auch deutlich, warum er hier ist: Er sucht den Straßenrand nach reifen Himbeeren ab.
Bald darauf kommt schon Gegenverkehr. Wir fahren ein ganzes Stück vor, ziehen wieder auf unsere Straßenseite und halten an. Wir hoffen, aus der Entfernung noch ein paar Fotos schießen zu können, bevor der Bär wieder im Wald verschwindet.
Doch was macht Meister Petz? Er lässt sich gar nicht beirren und kommt einfach auf uns zu …
… immer näher und näher.
Inzwischen ist er so nahe, dass ich ihn vom Fahrersitz aus nicht mehr sehen kann. Uta, die aus dem offenen Seitenfenster heraus fotografiert, ist tiefenentspannt, der Bär hoffentlich auch.
Ich bin es nicht!
Zum Glück habe ich 4 Gliedmaßen: während die rechte Hand das Lenkrad hält, habe ich die linke am Hebel für den Fensterheber, den linken Fuß auf der Bremse und den rechten 1 mm über dem Gaspedal. Man weiß ja nie …
Der Bär muss jetzt fast in Streicheldistanz sein. Meine Frau wird ihn ganz sicher nicht streicheln, aber was, wenn der Bär auf die Idee kommt, meine Frau zu streicheln?
Im Grunde haben wir hinreichend viele Fotos und den Bären lange genug belästigt. Ich fahre los.
Wobei unsere Zeitempfindung relativ ist. In der Situation und auch jetzt im Rückblick erscheint uns das Geschehen wie eine mittlere Ewigkeit. Wenn man sich aber die Zeitstempel der Fotos ansieht, erkennt man, dass die ganze Szene ab unserem Anhalten „weit“ vor dem Bären bis zum Weiterfahren nur ganze 26 s gedauert hat. Neben unserem Auto war er davon etwa 5 s.
Man, waren die lang für mich …
Nachtrag 1: Meine Frau meinte, der Bär wäre auch ganz tiefenentspannt gewesen, hätte nur Augen für die Himbeeren gehabt und uns keines Blickes gewürdigt, als er neben dem Auto war.
Nachtrag 2: So ganz in Ordnung war unsere Aktion nicht, weil wir dem Bären unnötig nahe gekommen sind. Als mildernde Umstände führe ich an, dass wir den Bären nicht bedrängt oder ihm nachgestellt haben. Er hätte auch im Wald verschwinden können und ist aus freien Stücken auf uns zugekommen.
Wir können unser Glück kaum fassen. So nah hätten wir gestern auf unserer Bootstour bestimmt keinen Bären zu sehen bekommen.
Nun steuern wir die Helmcken Falls an. Diese sind wie erwartet hoch und mächtig, aber in unseren Köpfen schwirrt noch immer das Erlebnis mit dem Schwarzbär herum.
Die Tageszeit ist für Fotos ok, später wäre vermutlich noch besser gewesen.
Als letztes fahren wir noch einmal an den Spahats Creek Falls vorbei. Ja, ein ganz netter Wasserfall, aber nach den Erlebnissen des Tages ist es für uns nur noch ein Abgesang des Parks. Zwei Sachen sind noch bemerkenswert:
(1) Obwohl es schon recht spät ist (gegen 17.30 Uhr), liegt der Wasserfall noch immer im Schatten. Ob das gegen Abend hin noch entscheidend besser wird, weiß ich nicht.
(2) An diesem Wasserfall sieht man an der Tiefe des Einschnittes die Kraft der Erosion. Noch eine Million Jahre und der Wasserfall ist weg.
Der Tag neigt sich dem Ende entgegen und wir kehren ein in das „Hop ‘N‘ Hog Tap & Smokehouse“, das uns auch vom Visitor Center empfohlen worden war. Nach kurzer Wartezeit bekommen wir einen Tisch und genehmigen uns die Grillplatte für zwei.
Hmm, lecker! Das Restaurant können wir weiterempfehlen.
Zurück im Hotel setzen wir uns auf den Balkon und sichten bei einem Glas Rotwein die Fotos des Tages.
Danke Schicksal für diesen wundervollen Tag!
Morgen machen wir uns auf den langen Weg nach Whistler.
Tipps für Planer
- Spahats Falls
empfehlenswert
wegen der Westausrichtung abends als letztes einplanen
- Moul Falls
sehr empfehlenswert (für uns das Highlight des Parks)
Wanderung notwendig (ca. 5,5 km round trip, 200 Höhenmeter, eine Strecke ca. 45 min, letztes Stück sehr steil und z.T. rutschig, nicht für Besucher mit Gehbehinderungen geeignet, Wanderschuhe anziehen!)
Wasserfall kann hintergangen werden (geil!) (Wer das vorhat, sollte richtig warmes Wetter bestellen oder Regenkleidung mitnehmen. Man wird satt nass!)
Zipperbeutel für die Fotoausrüstung mitnehmen
für Regenbogen gegen 10.30 Uhr vor Ort sein
- Dawson Falls
empfehlenswert
breiter mächtiger Wasserfall
(wahrscheinlich) besonders interessant mit Lachsen ab Mitte September
kurze Wanderung nötig
- Bailey’s Chute
kann man machen (muss man aber nicht)
Stromschnelle mit hohen Bäumen auf dem Weg dahin
- Helmcken Falls
sehr empfehlenswert
höchster und bekanntester Wasserfall des Parks
Wegen des Lichts möglichst spät am Tag einplanen
- Restaurant “Hop ‘N‘ Hog Tap & Smokehouse” in Clearwater
empfehlenswert
- Merken: Wo es Beeren gibt, sind die Bären nicht weit!