01.09. Düsseldorf - Amsterdam - Chicago: Sears Tower am AbendHier ist Buffalo Bill und wir schreiben den 31. August des schönen Jahres 2007 als es sich ergibt, dass Christian, den alle immer nur Micky rufen, aus dem schönen Dorf Stöckse in das größte Dorf Deutschlands, nach Düsseldorf kommt. Unterm Strich kommt die Gesamtanreise nach Chicago so für beide am allergünstigsten unter der Voraussetzung, mit dem gleichen Flieger in den Urlaub durchzustarten.
In der folgenden Nacht testet Micky auf Markus’ Couch noch einmal die Übernachtungsqualität seines Schlafsacks, bevor es jetzt ernst wird: 1. September, die große Reise beginnt. Natürlich an einem Flughafen. Müde Gesichter, voller Vorfreude, sehen sich an. „Was ist an Flughäfen so hochinteressant?“ will Markus wissen. Micky antwortet: „Na, ist das nicht aufregend? Man kann in Ruhe ein Buch lesen, Musik hören, beobachten, entspannen, etwas essen…“ „Langweilig! Das kann ich in meiner Badewanne daheim auch alles, mit dem Vorteil, abhauen zu können, wenn es mir zu entspannt wird.“
am Flughafen Amsterdam-Shiphol |
Für alle, die die Fernsehserie „Die Simpsons“ nicht kennen: Hauptfigur, Familienoberhaupt und Oberchaot Homer Simpson kommentiert total uninteressante oder für ihn unwichtige Geschehnisse mit einem einzigen, gekonnt in die Länge gezogenen, resignierenden Ausruf „Langweilig“, ein Eckpfeiler dieses Berichts und Running-Gag während der Reise.
Aber alles motzen hilft nichts, alle anderen Alternativen zum Fliegen sind ja noch langweiliger (Kreuzfahrt über den Atlantik) bzw. mit noch mehr Warterei verbunden (Warten auf die nächste Eiszeit, um zu Fuß nach USA zu laufen). Da ist die Fliegerei doch noch die erträglichste Variante.
Die kleine Fokker hebt ab und landet wenig später, sogar wenige Minuten zu früh, am Flughafen Shiphol in Amsterdam. Zufälle gibt’s, die gibt’s gar nicht. Monika und Walter fliegen heute ab exakt diesem Flughafen ebenfalls in die USA und auch noch fast zur selben Minute, aber von einem anderen Terminal dieses etwas sehr ungewöhnlich gebautem Flughafen.
Über Handy wird versucht, eine Verbindung herzustellen, doch vom anderen Ende der Leitung krächzt nur jemand „wird wohl nicht gehen – lange Schlangen vor Kontrolle – sind auf dem Weg in Flieger“
Die Passkontrolle wird passiert und so lange sind die Schlangen hier doch gar nicht. Komisch. Also versucht Markus, doch noch schnell ins andere Terminal rüber zu laufen, aber zu spät. Monika und Walter sind schon in den Wartebereich ihres Gates hinter Milchglasscheiben verschwunden. Ohne eine Portion Bison-Power oder entsprechender Bordkarte ist hier kein Durchkommen.
Also zurück zum eigenen Terminal, aber vorher noch etwas zu trinken für den langen Flug gekauft. Kann man ja leider nicht mehr vom Supermarkt um die Ecke mitnehmen, weil nicht durch die Sicherheitskontrolle passierbar. Danke, liebe Terroristen. Ein misslungener Anschlag und der Rest der Welt darf verdursten oder am Hungertuch nagen, wenn man sich am Flughafen Nachschub besorgt.
Am eigenen Gate angekommen, offenbart sich der Grund, warum niemand gate-fremdes durchkommt: Hier befindet sich eine weitere Sicherheitskontrolle. Und davor eine hübsche kleine Schlange. Ach so, das meinte Monika eben. Deswegen konnten sie sich nicht mehr treffen.
Macht nichts. Hinter der Kontrolle gibt’s nächste Gelegenheiten für große Treffen: Markus’ Wasserflasche verabredet sich mit dem Mülleimer hinter dem Sicherheitsbeamten und Markus steigt durstig zu Micky ins gut gefüllt Flugzeug. Obwohl die beiden sehr früh heute Morgen am Flughafen waren, haben sie nur noch Sitzplätze in der Mitte des Fliegers bekommen.
am Flughafen Amsterdam-Shiphol |
Die nächste Hiobs-Botschaft: Kein Inseat-Entertainment System, an das man sich inzwischen schon so gut gewöhnt hat. Stattdessen wieder herkömmliches kabinenweites Starren an die Decke und jeden verfluchend, der sich gerade jetzt durch die Kabine bewegen will und ständig die Sicht versperrt. Die guten alten schlechten Zeiten.
Dafür muss mal erwähnt werden, dass das Flugzeugessen auf diesem Abschnitt äußerst geschmackvoll arrangiert ausgeteilt wird.
Wieder sehen sich zwei müde Gesichter, voller Vorfreude an: „Was ist am Fliegen so hochinteressant?“ will Markus wissen. Micky antwortet: „Na, ist das nicht aufregend? Man fliegt mit wahnsinniger Geschwindigkeit über den Wolken, kann aus dem Fenster sehen, Filme gucken, schlafen, beobachten, …“ „Langweilig! Das kann ich in meinem Bett daheim auch alles, mit dem Vorteil, abhauen zu können, wenn es mir zu entspannt wird.“
Die Immigration in Chicago läuft unterschiedlich ab. Markus ist sehr schnell durch, nachdem er dem netten Opa am Tresen als Grund für die Reise unter anderem den Yellowstone Nationalpark nennt. Man plaudert ein wenig über die Reise, wahrscheinlich auch über die leckeren Grassorten in der Prärie und das war’s dann.
Micky wird dagegen nicht so einfach durchgelassen. Keine Ahnung, was genau hinterfragt wurde, er muss noch eine Runde warten. Ok, Treffpunkt am Gepäckband.
Banges Warten dort, das Band läuft an und erste Koffer kommen zum Vorschein, dann ebbt es wieder ab. Bange Blicke in die Runde, ach, da stehen noch so viele Leute herum, da kommen noch weitere. Denkste. Das Band hält an. Und nu?
Wieder bange Blicke, doch noch schier endloser Zeit setzt sich das Band wieder in Bewegung. Nun ist auch Micky bei Markus eingetroffen und nimmt kurze Zeit später seine beiden Gepäckstücke vom Band. „Die wollen noch irgendetwas wegen den Koffern von mir, wir treffen uns draußen?“. Kein Problem und wieder heißt es Geduld haben…
Irgendwann reißt dem Kofferband die Geduld und es bleibt wieder stehen, ohne, dass Markus seinen Koffer hat. Komplizierte Menschen, was schleppen die auch alles mit sich herum? Als Bison hat man es da einfacher. Alles, was man braucht, hat man immer bei sich. Menschen sind schon komplizierte Viecher.
Markus bleibt nichts anderes übrig, als ohne lästige Gepäckschlepperei zum Hotel zu fahren. Der Koffer würde morgen nachgeschickt werden.
Micky staunt am Ausgang nicht schlecht, als Markus ihm von der frohen Botschaft erzählt, der Koffer wäre angeblich wegen zu knapper Umsteigezeit nicht mitgekommen. Ist aber auch gemein. Micky hat zwei Taschen und so gepackt, dass er im Notfall mit einer einen Tag auskommen könnte und die sind beide angekommen. Da war die Umsteigezeit nicht zu knapp. Echt gemein so etwas.
Im Autoland USA geht es vom Flughafen nun mit der Hochbahn, englisch „elevated train“ oder kurz „L“ in die Innenstadt von Chicago, wegen der Form der Hochbahn dort einfach nur Loop genannt (dt. Schleife), aber das ist gar nicht so einfach. Die Hinweisschilder deuten in alle möglichen Richtung zu zig Parkhäusern, nur das Stiefkind Hochbahn ist nur mit viel gutem Wille zu finden.
In der Bahn sehen sich zwei müde Gesichter, voller Vorfreude an: „Was ist an Zügen so hochinteressant?“ will Micky wissen. Markus antwortet: „Na, ist das nicht aufregend? Man kann sich entspannt zurücklehnen, während man am Stau vorbei und ohne Parkplatzsorgen in die Innenstadt gebracht wird, …“ „Langweilig! Das kann ich in meinen Träumen auch alles, mit dem Vorteil, abhauen zu können, wenn es mir zu entspannt wird.“
ja, jetzt haben wir den Salat. Überladener Wohnwagen |
Das Hotel Best Western Grand Park ist schnell gefunden, war Markus doch erst vor 3 Monaten hier gewesen. Noch immer ist der Sommer zu Gast in der Stadt, doch leider sind Markus’ leichte Schuhe noch in Amsterdam. Alles, was ihm bleibt, sind seine dicken Winterstiefel, die er während des Fluges getragen hat. Und weil die zur kurzen Hose etwas blöd aussehen würden, bleibt die Hose lang und das Befinden heiß. Gewünscht ist nun eine kleine Shopping-Tour in wohl klimatisierten Geschäften, um das nötigste für einen Tag zu besorgen: Unterwäsche, Socken, T-Shirt, Zahnbürste. Selbst diese Kleinigkeiten summieren sich schon fast zu den von KLM zur Verfügung gestellten 50$ auf, so dass keine Ausnutzung der Lage für weitere T-Shirts oder Pullover im Sonderangebot bleibt.
Dafür wird der gute Vorsatz gefasst, bei der nächsten Reise sicher solche Kleinigkeiten im Handgepäck mitzuführen, denn Shoppen am ersten Tag mit dem Ziel, unbedingt etwas finden zu müssen, nervt einfach nur.
Sears Tower in Chicago |
Kurz vor Sonnenuntergang wird der Plan gefasst, die Aussichtsplattform des Sears Towers zu besuchen. Zuerst geht es mit dem Aufzug nach unten und hinein in eine lange Schlange. Zwei müde Gesichter sehen sich voller Vorfreude an: „Was ist…“ „Ach, halt die Klappe.“
Doch hier ist ausnahmsweise das Beobachten wirklich mal hochinteressant: Wir befinden uns in Amerika, mitten in den USA. Leicht zu erkennen daran, dass jeder zweite hier wohl über 90 kg wiegt. Selbst die Kinder der beleibteren Eltern haben schon gut angesetzt. Du meine Güte.
Viel schöner und interessanter ist allerdings, wenn wieder ein Aufzug ankommt, eine Gruppe daraus entsteigt, man hört sie murmeln und plötzlich stehen sie in diesem großen Raum mit der langen Schlange, plötzlich Totenstille, ein ungläubiges Staunen und der innere Kampf in den Augen zu sehen, soll ich mich jetzt darüber aufregen oder ist es einfach nur zu warm und ich stelle mich schön brav hinten an?
Wenn sie in die Augen von Micky und Markus blicken, werden sie da wohl etwas wie Schadenfreude erkennen können und innere Freude, dass sie mit jedem Neuankömmling in der Schlange weiter nach vorne rutschen.
Ausblick vom Sears Tower Richtung Nordosten | | Ausblick vom Sears Tower Richtung Norden |
Es ist schon fast dunkel, als man endlich das Aussichtsdeck erreicht. Die Sonne selbst ist nicht mehr zu sehen, nur noch ihre himmelsfarbenen Hinterlassenschaften. Die Chicagoer Elektrizitätswerke freuen sich mal wieder über mehr Tageseinnahmen, als die Laternen in der Stadt eingeschaltet werden.
Der Blick geht Richtung Osten über den Lake Michigan, etwas versteckt hinter einem Hochhaus kann man noch klein den Buckingham Fountain erkennen, jedem bekannt aus der Eröffnung der Fernsehserie „eine schrecklich nette Familie“. Im Nordosten ein Hochhaus neben dem anderen, die aber alle unterhalb des Sears Towers ehrfürchtig enden, um ihm nicht den ersten Platz als höchstes Gebäude der USA streitig zu machen. In einiger Entfernung, an der nördlichen North Michigan Avenue, das Hancock Building, dessen Aussicht angeblich noch viel schöner ist. Und im Westen schließlich die schier unendlich weite Vorstadt, wo sich die geradlinigen Straßen wie Lichterstreifen bis zum Horizont erstrecken. „Können wir jetzt gehen?“ Micky wird schon ungeduldig, aber Markus ist mal wieder in seinem Element und schießt mehr Fotos, als jemals benötigt werden würden. Aber die Digitalkamera lädt einen ja förmlich dazu ein.
Als er sich endlich loseisen kann, weil nun langsam die tiefdunkle Nacht über die Stadt hereinbricht, ist das Desaster bereits geschehen: Jeder Besucher sieht die besten Motive für heute verschwunden und es hat sich eine nette Schlange vor dem Aufzug gebildet, die schon fast einmal rundherum durch die obere Etage führt.
Zwei müde Gesichter, voller Vorfreude auf die gemütlichen Betten sehen sich an – und schweigen.
Ausblick vom Sears Tower Richtung Osten | | Ausblick vom Sears Tower Richtung Westen |
Unten in der Halle ist es leerer geworden. Kaum noch jemand will noch nach oben, dafür aber alle Welt herunter. Draußen auf der Straße - hey, wer hat hier schon wieder das Licht ausgemacht? Typisch Ranger, als ob wir Bisons Röntgenaugen hätten. Ok, dann wird jetzt geschlafen und morgen weiter über die Stadt berichtet.
Herzlichst, euer Buffalo Bill.
Übernachtung: Best Western Grant Hotel - Chicago, IL Bewertung: Gut! |