06.09. Pierre, SD - Bad River Road - Wall - Badlands NP - Black Hills(393 Meilen / 632km) Hallo, hier ist wieder Buffalo Bill. Hier im Souvenirshop ist noch alles ruhig. Alle Bisons schnarchen noch. Auf dem Camping-Platz in Kennebec sieht das dagegen schon ganz anders aus. Micky hat den Wecker wie immer sehr früh gestellt, doch da man sich westwärts bewegt und die nächste Zeitzone noch nicht erreicht hat, bleibt es heute länger dunkel als die Tage zuvor.
Im Dunkeln ertastet man sich den Weg aus dem warmen, gemütlichen, kuscheligen Schlafsack durch die kühle Cabin und dem eiskalten Campground zu den gemeinschaftlichen Duschen.
Erst beim Frühstück kommen die ersten Sonnenstrahlen über die Hügel. So gut wie alle anderen auf dem Platz tun das einzig Wahre und schlafen noch tief und fest.
Es hat sich nun eingebürgert, dass Micky immer morgens fährt und irgendwann im Verlauf des Tages gewechselt wird. Wenn man Markus so in Gedanken versunken im Halbschlaf ansieht, macht diese Regelung amerikanische Highways doch gleich viel sicherer.
Capitol in Pierre, South Dakota |
Der Tag beginnt mit einem kleinen Umweg. Über den Native American Scenic Byway (SR-1806) geht es querfeldein fernab jeglicher Zivilisation in Richtung Pierre, der Hauptstadt von South Dakota. Das Ziel selbst kann man sich gerne schenken, aber der Weg dorthin ist nicht von schlechten Eltern. Die Straße windet sich über eine ganze Reihe grüner und gelber Hügel mit zahlreichen Ausblicken auf den breiten Missouri.
An der erstbesten Tankstelle in Pierre wird Eis für die Kühlbox nachgekauft und dort auch gleich mal ein kleiner Stadtplan von Pierre mitgenommen. Übersichtlich, kann man dazu nur sagen. Was aber besonderes Interesse erweckt: Eine kleine Straße, die in Fort Pierre von der 1806 abzweigt und scheinbar parallel zum Highway 14 gen Westen führt. Schnell wird im Street Atlas nachgesehen, wo genau die Bad River Road denn so eilig hin möchte. Bingo, sie trifft sich irgendwann mit der US-14. Juhu! Die erste Staubstraße dieser Tour.
Bad River Road, South Dakota |
An malerisch gelegenen Orten wie Cottonwood verläuft diese Staubpiste immer entlang der Eisenbahnlinie. Cottonwood ist zwar sehr schön gelegen, abseits, ruhig und mit Blick auf die Eisenbahn, nur kann man unmöglich glauben, dass die auf dem Ortsschild angekündigten 311 Einwohner in den 5 Hütten dahinten leben. Wo ist der Rest vom Ort? Wahrscheinlich sind die anderen Häuser mit Tarnfarbe gestrichen.
Zug neben der Bad River Road, South Dakota |
Auf der ganzen 54 Meilen langen Straße kommen den beiden Jungs nur drei Autos und zwei Züge entgegen. Ein Rekord, der wohl nur schwer zu überbieten ist.
Kaum ist man wieder auf der Hauptstraße, wird man auch gleich wieder daran erinnert, nur ja nicht Wall Drugstore zu versäumen. Noch immer gäbe es dort kostenloses Eiswasser. Noch immer gibt’s da Tausende Souvenirs.
im Innern von Wall Drug |
Je näher man dieser Ortschaft kommt, desto häufiger die Reklametafeln, wobei das jetzt eigentlich unsinnig ist. Wer es einmal bis hierher geschafft hat, der wird eh nicht mehr an Wall vorbeifahren. Markus rechnet mit dem schlimmsten, doch als Wall erreicht wird, hält sich der Besucheransturm eigentlich in Grenzen. Man findet sogar einen Parkplatz auf der Hauptstraße vor dem Hauptgebäude des den ganzen Ort einnehmenden Drug Store. Es scheint, als ob alles mal klein angefangen hat und immer mehr und mehr angebaut und erweitert wurde. Außer einer unglaublichen Menge an Souvenirläden, die praktisch alle dasselbe verkaufen, kann man diesem Ort aber nichts Besonderes abgewinnen. Eher als geplant ist man wieder unterwegs.
Man erreicht den Badlands National Park, meine Heimat. Bei etwas störendem Gegenlicht wird versucht, die ersten Eindrücke am Pinnacles Overlook festzuhalten, einem der schönsten Punkte im Nordteil des Parks, doch so richtig zufrieden stellend will keines der Bilder genießen. Durch die Sonnenbrille sehen die Motive so genial aus, doch setzt man sie zum Fotografieren ab, um keinen falschen Eindruck des Bildes zu bekommen, macht sich die Enttäuschung regelrecht breit.
Pinnacles Overlook, Badlands NP, South Dakota |
Denselben Effekt hat man auch bei den meisten der weiteren Aussichtspunkte, da der Blick stets Richtung Süden und damit genau in die Sonne geht. Hat man die Möglichkeit, so sollte man diesen Teil des Parks nicht zur Mittagszeit besuchen.
Auf dem Weg Richtung Osten gibt es unheimlich viele Aussichtspunkte. Alle für sich lohnend, angefahren zu werden, doch manchen Ausblicken schenkt Micky weniger Beachtung. „Sieht doch alles gleich aus.“ Er kann seine Begeisterung nur schwer zeigen.
Burns Basin Overlook, Badlands NP, South Dakota |
Auch am Fossil Exhibit Trail braucht Markus schon etwas Überredungskunst, um Micky in der Hitze für diesen kleinen Spaziergang zu begeistern, doch am Ende sind beide etwas enttäuscht: Unterwegs liegen unter Glasvitrinen kleine Überreste von urzeitlichen Tieren. Ständen keine Schilder daneben, man wüsste nicht mal, was man da überhaupt vor sich hat.
Diese alten Knocken hätte man genauso gut in ein Museum transportieren und da ausstellen können. Dafür braucht man keine Touristen 10 Minuten durch die Wildnis zu jagen, denn zwischen den Schaukästen gibt es nicht viel Abwechslung.
Gefrustet von diesem Erlebnis ist es nunmehr unmöglich, Micky zu einer weiteren Wanderung zu überreden, dabei hätte man noch so viel Tag übrig. Wie gerne wäre Markus noch den Castle Trail, Medicine Root Trail, Notch-, Window- oder Door Trail gelaufen. Aber keine Chance. Ein kurzer Stop am Window Trailhead, kurz in die Landschaft gestarrt und ein allessagendes „Langweilig“ und jede Diskussion ist im Keim erstickt.
Pinnacles Overlook, Badlands NP, South Dakota |
Zurück am Ben Reifel Visitor Center will Micy sich noch seinen üblichen Magneten kaufen. Wenn er doch für das Original so viel Begeisterung wie für seine Magnetensammlung aufbringen würde. Wie gesagt, er kann es halt nur schwer zeigen und man fragt sich langsam, ob die Ausrufe „Langweilig“ noch immer den Running Gag darstellen oder inzwischen ernst gemeint sind.
Burns Basin Overlook, Badlands NP, South Dakota |
Ich sehe, wie die beiden durch den Souvenirshop laufen. Markus bleibt vor der Büffelherde stehen, hebt Buffalo Little John hoch, der mir immer meine Ration Gras weg frisst, ja, nimm ihn, dann kann ich ab morgen wieder mehr fressen. Nimm ihn! Ja, nein, nicht wieder abstellen, nein, menno!
Er dreht sich wieder ab und macht Scherze über Mickys Magnetensammlung. Dann irgendwann kommt die Einsicht, er braucht von dieser Reise ebenso ein Souvenir. Wieder fällt sein Blick auf unsere Büffelherde und auf einmal fühle ich den Boden unter den Boden verlieren und danach die kalte Fläche neben der Kasse. Er nimmt mich!
In meinem temporären Zuhause, Markus Rucksack auf der Rückbank unseres schönen grünen Jeep Grand Cherokee, von wo ich alles wunderbar überblicken kann, umrunden wir einen Teil des Badlands National Park und fahren über die 44 und 509 zum Yellow Mounds Overlook wieder in den Park hinein. Wie aufregend, ich fahre in einem Auto!
Am Picknick-Platz von Conata wird Rast gemacht. Einzelnen Tisch-Bank-Kombinationen sind mit einem strandkorb-ähnlichen Dach ausgestattet, so dass man den Eindruck gewinnen könnte, man säße an einem wunderschönen Strand. Der weiße Sand und die Sonne passen schon mal sehr gut, nur auf das Wasser zum Schwimmen muss man noch ein wenig warten.
Über die Sage Creek Road erreichen wir die zweite Staubstraße des Tages. Obwohl diese waschbrettartige Straße doch ziemlich durchschüttelnd ist, scheint hier ein SUV nicht unbedingt nötig zu sein, denn etwa eben so viele normale Autos kommen uns entgegen wie Geländewagen.
Präriehund an der Sage Creek Road, Badlands NP |
Und schon auf den ersten Metern stehen die ersten Zaungäste neben der Spur. Besonders auffällig sind die zahlreichen Präriehunde, die aufgeregt vor den Eingängen ihres Höhlensystems stehen und lautstark pfeifen. Was wollen sie uns damit sagen? „Hey, nimmt mich mit!“? „Hey, bitte nicht mit so schweren Autos über unsere Gänge fahren!“? „Hey, hast du mal’n Dollar?“ Leider spreche ich nicht so gut Präriehundisch.
Bisons an der Sage Creek Road, Badlands NP |
Besser verstehe ich da die nächsten Kameraden. Eine Herde Bisons. Scheinbar ist die Mittagszeit vorbei und alles liegt bequem in der Sonne herum, wartend auf das Abendessen. In respektvollem Abstand wird das Auto zum Stillstand gebracht und diese majestätischen Tiere bestaunt. Kein Zaun weit und breit zu sehen, so fällt es nicht all zu schwer sich vorzustellen, wie es einmal ausgesehen haben muss, als die weite Prärie von diesen Tieren beherrscht wurde.
Die Aussichtspunkte entlang der Sage Creek Road verlieren immer mehr an Bedeutung. Die wahre Schönheit dieses Teils des Parks oder viel mehr der interessante Aspekt sind hier eindeutig die Tiere, denen man stundenlang zuschauen könnte, wenn man dürfte. Ein paar mal noch windet die Straße sich um einige Kurven und bietet noch mehrfach einen Blick auf dieselbe Bisonherbe, bevor auch dieses Kapitel abgeschlossen ist und man mal wieder vor den Toren des Parks landet. Ein Cattle-Guard in der Straße und schon heißt es Bisons ade. Bis hierher und nicht weiter.
Aussicht vom Sheep Mountain Table, Badlands NP |
Sehr lohnenswert ist ein Abstecher auf den Sheep Mountain Table. Eine unscheinbare, alles durchrüttelnde Stichstraße zweigt von der 27 nach Westen ab und bietet nach fünf oder sechs Meilen einen phantastischen Ausblick auf einen ruhigen und unheimlich grünen Teil des Parks. Auch so kann die Prärie ausschauen. Die Prärie ist halt unheimlich vielseitig.
Aussicht vom Sheep Mountain Table, Badlands NP |
Und wir haben diesen Aussichtspunkt für uns alleine. Kein weiteres Auto zu sehen. Wir haben uns diesen Blick alleine erkämpft.
Ok, genug vom Badlands National Park gesehen, über eine weitere Schotterstraße, diesmal Nummer zwei, geht es nun endgültig auch um den südlichen Parkteil herum und den Black Hills entgegen. Aus dem Radio tönt nette Musik, die Stimmung ist gut, das Wetter in der Ferne sieht schon ziemlich bedrohlich aus. Hoffentlich kommen wir da in kein Unwetter. Wie gesagt, die Stimmung ist gut, eine nette kleine Lampe erstrahlt am Armaturenbrett, begleitet von einem netten surrenden Geräusch, das nun überhaut nicht zum Takt der Musik bleibt. Was hat denn unser lieber Jeep? Ist ihm etwas aufgestoßen? Tanken müssen wir doch noch lange nicht. Was könnte denn dieses Symbol bedeuten, das da so wie ein Reifen ausschaut? Micky spricht es aus, woran Markus nicht gerne denken möchte: „Wir haben einen Platten.“ „Ach du, Sch…“
platter Reifen an unserem Jeep Grand Cherokee |
Der Wagen wird zum Stillstand gebracht und die Reifen kontrolliert. Hinten links ist deutlich ein Loch im Reifen zu sehen, aus dem es noch fröhlich laut pfeift. Markus ahnt schon das schlimmste: Na toll, Urlaubsunterbrechung. Jetzt muss sich um den Reifen gekümmert werden.
Motorhaube hoch, das Zeichen in Amerika, dass man ein Problem mit dem Wagen hat und tatsächlich, zwei Minuten später kommt der erste Wagen vorbei und hält auch direkt. Micky bittet den Fahrer, im nächsten Visitor Center Bescheid zu sagen, dass wir einen Platten haben und eventuell Hilfe benötigen. Markus packt inzwischen das Gepäck um, um an das Werkzeug zu kommen, was beim Grand Cherokee unglücklicherweise im Boden des Kofferraums versteckt ist. Als der Ranger eintrifft, hat man das Werkzeug inzwischen schon gefunden und lässt sich vom Fachmann nur noch erklären, wo der Wagenheber anzusetzen ist, nämlich vor der Hinterachse, nicht dahinter.
Highway 2, südlich des Badlands NP |
Wagen aufbocken, Radmuttern lösen, Reifen wechseln, Wagen ablassen – so schwer ist das doch eigentlich gar nicht. Hätten wir auch ohne Ranger hinbekommen, aber es gibt ein gutes Gefühl, wenn jemand hinter einem steht, der weiß, was zu tun ist und der im Notfall auch einen Rettungswagen hätte herbeiordern können, wenn uns der Wagen auf den Fuß gefallen wäre.
Mit einem platten Reifen unter dem Kofferraum, einem etwas komischen Gefühl in der Magengegend und die Gewissheit, einen Reifen wechseln zu können, nähern wir uns der Gewitterfront, die sich bedrohlich vor einem aufbaut. Es dauert nicht lange und es beginnt zu regnen. Gut, dass wir nicht jetzt einen Platten haben.
Aussicht vom Highway 2, südlich des Badlands NP |
Es beginnt nicht nur zu regnen, es gießt, es schüttet, es hagelt! Blitze zucken, der Donner kracht etwas hinkend hinterher, doch der ist schon gar nicht richtig zu hören. Vielmehr ist der Hagel auf der Windschutzscheibe und auf dem Dach zu hören. Meine Güte, bitte jetzt nicht auch noch einen Hagelschaden in der Scheibe. Die Fahrt wird zu einer einzigen Kriechfahrt, aber Sicherheit geht vor. Noch gerade so ist die Straßenbegrenzung zu sehen und der Scheibenwischer müht sich echt einen ab.
Das Blöde an der Schleicherei, man entkommt so dem Wetter so noch langsamer.
So schnell, wie das Unwetter gekommen war, so schnell ist es auch wieder verschwunden. Der nächste Ort, Keystone, wird erreicht. Micky interessiert sich nicht mehr für einen Urlaub, er ist besessen von dem Gedanken, den defekten Ersatzreifen gegen einen neuen auszutauschen.
In Keystone gibt es nur eine einzige Tankstelle, aber keine Werkstatt. Wir wollen unser Glück in Hill City versuchen. Diese kann auf mehreren Strecken erreicht werden, am kürzesten ist eine kleine asphaltierte Nebenstraße ab durch die Mitte, doch Micky ist beunruhigt. Er will lieber kein Risiko eingehen und über die gut ausgebaute US-16 außen herum fahren. Man kann es auch übertreiben. Ich meine, sollte der höchst unwahrscheinliche Fall eintreten und man bekommt binnen wenigen Minuten den nächsten Platten, kann man noch immer einen Abschleppdienst rufen. Gehen tut vieles.
In Hill City sieht es ähnlich mau aus. Gegenüber einer Tankstelle gibt’s eine Autowerkstatt, doch diese ist bereits geschlossen. Es ist nach 18 Uhr abends. Und nein, auch, wenn wir 5 Minuten eher hier gewesen wären, es hätte alles nichts gebracht. Die Geschichte mit dem Reifen muss auf morgen verschoben werden.
Jetzt freuen wir uns erstmal auf leckere Bratwürste. Nun wissen wir ja, wie man das anstellt – oder doch nicht?
Vor unserer Cabin befindet sich eine Feuerstelle tief im Erdreich, darüber in etwa 30cm Abstand ein Rost, das nicht in der Höhe verstellbar ist. Als um 22 Uhr die Würstchen noch immer nicht durch sind, pickst sie Markus einzeln auf und hält sich minutenlang in geringem Abstand über die inzwischen wenigstens ansehnliche Glut.
Mit knurrenden Magen wird schlafen gegangen. Der gewünschte Erfolg ist leider ausgeblieben. Und ich? Ich schreibe im Schein von Markus Taschenlampe noch diese Zeilen und freue mich über ein paar neue Grasbüschel.
Herzlichst, Euer Buffalo Bill.
Übernachtung: KOA Campground - Mount Rushmore / Hill City, SDBewertung: Gut!