Donnerstag, 16.6.2011: Boston von oben und ein Ausflug aufs LandNach einer weiteren tief durchgeschlafenen Nacht stand ich wieder um 07:30 auf und machte erstmal Frühstück. Diesmal kein Trubel auf dem Flur, aber ein riesen Lastwagen wollte was abliefern und verstopfte kurz mal die Strasse hinter dem Hotel welche gleichzeitig eine Einfahrt auf den Highway ist. War ein ganz witziges Schauspiel.
Nachdem ich gepackt und meinen Koffer ins Auto geschleppt hatte surfte ich kurz im Internet bevor ich aus dem Hotel auscheckte.
Heute wollte ich mir vor der Abfahrt noch Boston aus der Höhe ansehen, also los zur T zum Heliport...
Ah nein, leider nicht
aber vom Boston Skywalk im Prudential Building hat man auch eine tolle Aussicht! Leider ist die Plattform auf dem John Hancock Tower seit 9/11 geschlossen und wird wohl auch nicht so schnell wieder eröffnet.
Der Skywalk öffnet um 10, ist aber bis 22:00 Uhr geöffnet. Hätte ich das mal gestern schon gewusst... Da ich eine halbe Stunde zu früh dran war holte ich mir im Starbucks einen Kaffee und bummelte über die Strasse auf den Campus der Christian Science um ein paar Fotos zu schiessen:
Pünktlich um 10 kaufte ich mir ein Ticket für (IIRC) 13$ und fuhr mit der Rolltreppe erstmal in den Keller. Dort sind nämlich die beiden Expressaufzüge ins 52. Stockwerk. Nachdem ich noch einer verzweifelnd Suchenden erklärt hatte wo denn hier der Shoe Repair sei (gleich rechts um die Ecke, dann auf der linken Seite...) pingte es auch schon und die Tür der Liftkabine ging auf. In gestoppten 48 Sekunden schoss der Lift mit mir in den 52. Stock zur Aussichtsplattform.
Ausser mir war erst ein weiterer Besucher oben angekommen, und so konnten wir die wirklich gigantische Aussicht in aller Ruhe geniesen.
Der John Hancock Tower. Rechts, zwischen Tower und Parkhaus das rote Gebäude, ist mein Hotel.
Die Back Bay und der Charles River
Fenway Park, das berühmte Baseball- Stadion der Boston Red Sox
Der Back Bay Fens Park. In diesem Park gibt es Schrebergärten, früher wurde dort Gemüse angepflanzt damit sich die Leute während der Depression etwas gesünder ernähren konnten.
Fenway, Brookline und Cambridgeport
Back Bay, das Charles River Basin und Cambridge mit dem MIT, dem Massachussetts Institute of Technology, eine der renommiertesten technischen Hochschulen der Welt. Ich wusste bis jetzt nicht dass das MIT mitten in Boston liegt...
Nach und nach füllte sich die Aussichtsplattform, und etwa um 11 spuckten die beiden Aufzüge zwei oder drei eher lärmige Schulklassen aus. Das machte es leider unmöglich die interessante Ausstellung zum Thema Immigration an der Rückwand der Plattform in Ruhe fertig zu betrachten. Da ich heute noch ein paar Meilen Autofahren wollte machte ich mich auf den Rückweg zum Parkhaus.
Mehr Bilder von Boston aus der Höhe gibts in
meiner Galerie!Ich installierte erstmal mein Navi und sagte ihm wo ich hinwollte, nämlich nach Everett zu Boston Harley Davidson, und das bitte ohne Autobahnen oder Mautstrassen.
Das ist wieder das selbe Thema wie mit den Städten zu Fuss. Abseits der Autobahn sieht man doch so viel mehr! Man kann aber auch gerne, so wie ich gerade, im Stau stehen... Durch diverse Vororte und Kleinstädte hindurch erreichte ich dann nach etwa einer Stunde mein Ziel. Da es gegen Mittag ging meldete ich mich noch schnell zu Hause, dort war es ja schon 1800.
Da ich selber eine Harley fahre wollte ich mich mit ein paar Kleinigkeiten eindecken, da Harley Parts und Kleidung in Europa unverschämt teuer sind.
Als ich den Laden betrat traf mich aber erst mal fast der Schlag: Der gesamte vordere Teil (von den Türmchen bis zur Kante wo das Gebäude höher wird) war dicht vollgestellt mit Motorrädern! Der grösste HD Händler in der Schweiz hat vielleicht 25 oder 30 Maschinen, neue und gebrauchte, im Laden.
Hier standen (ich habe nachgefragt) 125 neue und im Untergeschoss nochmal 35 gebrauchte Motorräder rum...
Nachdem ich mich vom zweiten Schock über die Preise (etwa 20% günstiger als hier, Tax eingerechnet) erholt hatte ging ich in den hinteren Teil des Geschäfts und stürzte mich in die Kleiderabteilung.
Ich suchte mir eine Lederjacke mit herausnehmbarer Baumwollweste, eine ebensolche Baumwolljacke, zwei T Shirts und eine Gürtelschnalle aus. Die quirlige Verkäuferin beriet mich sehr gut, bot mir einen Kaffe an (aus einer orange- schwarzen Nespresso- Maschine) und machte, als sie erfuhr dass ich aus Übersee sei noch einen kurzen Rundgang durch die Firma mit mir. Als es ans Bezahlen ging machte sie mich auf ein Rabattprogramm aufmerksam welchem etwa 20 HD Händler angehören. Für eine einmalige Gebühr von 80$ habe ich jetzt bei diesen Händlern einen Rabatt von 11% auf Einkäufe über 125$, und wenn ich bei Boston Harley einkaufe werden mir Punkte gutgeschrieben. Habe ich erstmal 20 Punkte kriege ich bei ihnen 12% Rabatt usw...
Nach dieser kurzweiligen Zeit schleppte ich meine zwei Taschen ins Auto wobei ich mir anfing zu überlegen wo ich wohl in der Gegend einen günstigen Koffer finden könnte, ich wollte ja morgen noch in ein Outlet shoppen gehen... Ich verschob diesen Gedanken auf später und machte mich auf den Weg durch weitere kleine Städtchen nach Salem.
In Salem wollte ich mir eigentlich das Peabody Essex Museum ansehen. Es zeigt einen Überblick über den Asien- speziell Chinahandel, sowie im Moment eine Ausstellung mit Bildern u.A. von Man Ray, einem sehr interessanten surrealistischen Künstler.
Allerdings war die Strecke dorthin doch etwas weiter gewesen, und es war sehr heiss und wolkenlos. Deshalb hielt ich nur kurz an, trank etwas und fuhr weiter. So ist dies leider mein einziges Bild aus Salem:
Die weitere Fahrt führte mich durch Wälder, über Felder und durch hübsche kleine Ortschaften, immer weiter in den Norden nach Plum Island.
Plum Island ist eine Barrieren- Insel welche einen Meeresteil, in diesem Fall eine Flussmündung, vom Meer abtrennt. Ausserdem ist es ein grosses Natur- und Vogelreservat mit einer grossen Salzmarsch welche vielen Tieren (und Mücken!) eine Heimat bietet.
Im Örtchen Plum Island selber wollten sie 5$ fürs Parkieren. Ich wollte nicht wirklich lange bleiben, und so folgte ich dem Rat eines Freundes von BuffettNews und fuhr richtung Naturpark.
Dort bezahlte ich zwar auch 5$ Eintritt, die werden aber sicher gut genutzt.
Am Visitor Center stellte ich mich auf den Parkplatz und ging über den Steg an den Strand. In Jeans und Turnschuhen. Falscher gehts wohl nimmer... Auf dem Rückweg zum Auto wo ich mich etwas leichter anziehen wollte wurde ich mir plötzlich unsicher: habe ich jetzt gelesen dass hier Rauchverbot ist, oder nicht? Gleich neben dem Steg waren ein Park Ranger und ein Jagdaufseher (im Park ist die Jagd auf gewisse Vögel zu gewissen Zeiten mit Permit erlaubt) am quatschen. Also schlich ich mich an und fragte höflich. Rauchen sei erlaubt, aber ich soll doch bitte keine Kippen liegen lassen! Und danke fürs Fragen! war die nette Antwort.
Also am Auto Shorts und Flip Flops montiert. Wie immer wenn ich ans Meer reise hatte ich keine Badehose eingepackt. Eine kaufen wollte ich auch nicht, denn ich reise ab und zu ans Meer und besitze dementsprechend sicher schon zehn Stück...
Zurück am Strand dippte ich zum ersten Mal meine Zehen in den USA in den Atlantik. Die Zehen. Nicht mehr. Es war so ¦¦ kalt... Andere Leute waren schon in der Sommerfrische und genossen die kühle Brise.
Weiter südlich hinunter war der Strand gesperrt, um einer im Sand brütenden Vogelart eine Aufzucht ihrer Jungen in Ruhe zu ermöglichen. Auch weite Teile des Parks waren unzugänglich um den Tieren ihre Ruhe zu lassen. Es gab allerdings markierte Wanderwege und zwei beschilderte Interpretative Trails, Naturlehrpfade.
Vom Beach Access Parking aus fuhr ich dann weiter südlich bis ich zum Ende der geteerten Strecke kam. Eigentlich wollte ich bis ganz runter zum Leuchtturm fahren, aber das wäre fast nochmal so weit gewesen. Die gravel road war zwar in einem recht guten Zustand, es war allerdings furztrocken und staubte entsprechend, also war die Sicht recht schlecht. Nach wenigen hundert Metern entschloss ich mich deshalb umzukehren.
Ich legte noch einen Stop bei einem Aussichtsturm ein wo man einen wunderbaren Ausblick über die Tümpel der Salzmarschen hatte. Und ausserdem so richtig zünftig von so kleinen sch@#ss Mücken zerstochen bzw. -bissen wurde.
Auf dem Rückweg zum Auto fiel mir auf dass der Radfahrer den ich schon vor einer halben Stunde gesehen hatte immer noch am Fluchen war. Da ich mal den Beruf des Mashinenmechanikers erlernt habe bot ich ihm meine Hilfe an welche er gerne annahm. Er hatte sich am Tag zuvor ein wirklich tolles neues Rennrad gekauft - glücklicherweise mit Repair Set für den schon defekten Schlauch. Bei einem netten Plausch war das Hinterrad im Nu wieder heile, und der liebe Senior bedankte sich überschwänglich. Er wollte mich gerne zu sich zum Dinner einladen, was ich leider ablehnen musste da ich noch ein paar Meilen vor mir hatte. Ein schönes Beispiel für die Freundlichkeit der Amerikaner!
Mit Plum Island hatte ich den nördlichsten Punkt meiner Reise erreicht, und so machte ich mich auf in Richtung meines Tageszieles, Cape Ann.
Im Internet war ich auf Glouchester aufmerksam geworden, ein ehemaliges Fischerstädtchen. Dort wollte ich übernachten.
Zuerst machte ich aber noch einen kurzen Abstecher nach Rockport, einem weiteren, eher touristischen Fischerort auf Cape Ann. Rockport ist bekannt für seine Künstlerkolonie - und das meistgemalte Gebäude der USA, Motif#1.
Schnell fand ich einen Parkplatz, einen Quarter für dreissig Minuten, günstig hier! Zu Fuss ging ich in den malerischen Hafen wo unübersehbar auf einer Mole Motif#1 thront. Was ist nun das meistgemalte Gebäude der USA? Schaut es euch hier an:
Motif#1
Ja echt, ohne Witz! Gemäss diverser Reiseführer und Wikipedia ist ein roter Holzschuppen auf einer Mole im Hafen von Rockport Massachussetts das meistgemalte Gebäude der USA!
Nach einem Schnack mit einem Einheimischen der das ganze auch recht lustig fand merkte ich dass ich doch recht müde war. Also machte ich mich auf die letzten paar Meilen zu meinem heutigen Etappenziel, nach Glouchester.
Ich hatte mir dort im Crows Nest, dem Krähennest, ein Zimmer reserviert für 65$.
Glouchester wurde im Jahre 1991 von einem verheerenden Sturm heimgesucht. Bei diesem Sturm sank die Andrea Gail, ein Schwertfischtrawler, mit sechs Mann Besatzung. Ein Autor namens Sebastian Junger schrieb über diese Unglück ein Buch, The Perfect Storm, welches zum Bestseller wurde und im Jahr 2000 von Wolfgang Petersen unter dem Titel Der Sturm verfilmt wurde.
Das Crows Nest und seine damalige Besitzerin kommen einerseits im Film vor, andererseits logierte die Filmcrew während den Dreharbeiten dort. Was Hollywoodstars genügt genügt auch für mich, ne? Auf Tripadvisor.com hatte ich einige gelinde gesagt amüsante reviews gelesen, und so war ich dementsprechend gespannt. Und ich wurde nicht enttäuscht...
Nach einem Moment der Panik da ich einfach keinen Parkplatz zu finden glaubte, bis ich jemanden einfach am Strassenrand anhalten und reingehen sah - ah so geht das hier - ging ich mal in den eher dunklen Schankraum.
Sofort verstummte, wie auch schon vorher die der Raucher auf der Terasse, sämtliche Gespräche, und alle Köpfe wandten sich mir zu. An der Bar stellte ich mich kurz vor und erwähnte dass ich ein Zimmer reserviert habe. Nach dem Bezahlen erhielt ich umgehend den Schlüssel mit einer Erklärung wo mein Zimmer zu finden sei, und ich brachte meinen Koffer hoch in den ersten Stock. Das Zimmer wirkte abgenutzt und würde mal eine Renovation vertragen. Es war allerdings tiptop sauber, anders als auf Tripadvisor gelesen.
Nachdem ich den Kurbelmechanismus des Fensters durchschaut hatte konnte ich etwas frische Luft und den Strassenlärm reinlassen. Der Lärm störte mich in der Nacht dann gar nicht mehr...
Ich hatte einen enormen Durst, also stieg ich wieder runter ins Restaurant. Ich bin ein anfänglich etwas scheuer Mensch, deshalb setzte ich mich etwas abseits auf einen freien Stuhl an der Bar. Das war vollkommen sinnlos. Ich hatte kaum mein Bier bestellt brach auch schon die Neugier bei meiner Sitznachbarin drei Stühle weiter durch. Als sie erfuhr dass ich aus der Schweiz sei meinte sie das sei unglaublich, sie verstehe mich so gut - was ich von ihrem Akzent nicht behaupten kann, jedenfalls nicht bis ich etwa drei Bier hatte... Sie sei hier aufgewachsen und spreche den typischen einheimischen Akzent, erklärte sie mir.
Dazu möchte ich anmerken dass ich beruflich viel mit Menschen aus der ganzen Welt zu tun habe mit denen ich Englisch spreche, meist am Telefon, und daher unterdessen die Sprache ziemlich fliessend beherrsche. Die working class people die ich in New England kennenlernte hatten aber zum Teil schon einen sehr starken Akzent...
Nachdem ich von meiner ersten Zigarette zurück war wusste das ganze Lokal dass ein Schweizer aufgeschlagen hatte! Das war aber für mich voll in Ordnung, so ergaben sich während dem ganzen Abend viele interessante Gespräche, unter Anderem mit einem der letzten Fischer, mit einem Trucker der regelmässig dort absteigt und mir seinen tollen Peterbilt zeigte (leider keine Bilder da keine Kamera dabei) und mit den wenigen Touristen die am nächsten Tag zum Fischen fahren wollten.
Die Zeit verflog, und ich wurde hungrig. Leider, teilte mir Charlene die Bardame mit, leider hätten sie im Moment keinen Koch. Das sei aber kein Problem, es habe einen super Pizza Service im Ort, ich soll mir doch eine Pizza bestellen, ich könne sie gemütlich an der Bar essen... Versuch das mal hier? So bestellte sie mir eine small deep pan mit shrimps, 8.50$, welche super lecker und trotz small immer noch zu viel war, ich teilte sie mit Tomi, der Quasseltante.
So gegen ein Uhr morgens we closed down the bar. Der ganze Abend hatte mich etwas über 30$ gekostet. Ohne Pizza, aber einige spendierte Runden waren dabei. Ich hatte ganz schön Öl am Hut, ich schlief nämlich bei sperrangelweit geöffnetem Fenster wie ein Stein durch.
Hier noch zwei Bilder, aufgenommen am nächsten Tag:
Mein Zimmer, sorry for the mess. Keine A/C, dafür aber Kühlschrank und Mikrowelle.
Das Crows Nest. Im ersten Stockwerk, das zweithinterste Fenster, das war mein Zimmer.
Leider habe ich mir nicht täglich die gefahrenen Meilen aufgeschrieben, aber ich glaube mich an etwa hundert zu errinnern.
Geschlafen habe ich ausgezeichnet, kein Wunder bei den vielen Bieren, im Crows Nest in Glouchester.
Ich würde sagen, wenn ihr mal in der Gegend seid, sehr gut Englisch sprecht, nicht scheu und nicht allzu heikel (Zimmer) seid und Kontakt zu Einheimischen sucht, besucht mal das Crows Nest, ist einen Abstecher wert! Es gibt in und um Glouchester auch andere Unterkünfte...
Wie immer findet ihr alle Bilder und noch mehr, auch zum grösser betrachten,
in meiner Galerie!Bald gehts weiter mit Shopping und einem Konzertabend!
Bis denne, liebe Grüsse vom
Mike