Tag 11 - Von schönen Ausblicken und kleinen UnsicherheitenHeute wache ich erst gegen 8.30 Uhr auf. Ich habe mir keinen Wecker gestellt, weil ich heute mehr als genug Zeit zur Verfügung habe. Schliesslich steht nur eine nicht allzu anstrengende Tageswanderung auf dem Programm. Ursprünglich sind drei Wanderungen zur Auswahl gestanden, da der West Rim Trail wegen eines Feuers im letzten Monat aber noch immer geschlossen ist, sind des nur noch deren zwei, die sich zudem innert weniger Stunden bewältigen lassen müssten. Es sind dies die Wanderungen auf Angels Landing und zum Observation Point. Meine Wahl fällt auf den Observation Point, weil ich vor der letzten Passage auf Angels Landing einfach zu viel viel Respekt habe. Es ist nicht so, dass ich mir den Abschnitt nicht zutrauen würde, denn in den Alpen habe ich schon ganz andere Klettersteige erlebt, aber der grosse Unsicherheitsfaktor sind hier bestimmt die Massen an Leuten, die mit schlechtem Schuhwerk unterwegs sind. Ich habe keine Lust, mich von jemandem, der im Fallen nach allem und jedem greift, mitreissen zu lassen. Letztes Jahr ist dort eine 34 jährige Frau aus Las Vegas in den Tod gestürzt und getreu dem Motto „Vorsichtig ist die Porzellankiste“ meiner Mutter fällt meine Wahl deswegen auf den Observation Point.
Erst versuche ich aber erneut, das Internet zum Laufen zu bringen. Nachdem mir dies wieder nicht gelingt, stiefle ich zur Rezeption in der Hoffnung, dass heute jemand dort sitzt, der ein wenig mehr Ahnung hat als der Typ von gestern. Die Dame kann mir aber auch nicht weiterhelfen und verbindet mich telefonisch gleich mit der Chefin Mary, die das WLAN eingerichtet hat. Mary zeigt sich ob meiner Vorschläge, wie man das WLAN für alle Gäste einfacher machen könnte total unkooperativ und beantwortet meine Fragen und Vorschläge mit den drei typischen Beamten-Antworten: „Das habe ich immer schon so gemacht“, „Das habe ich noch nie so gemacht „ und „Da könnte ja jeder kommen“. Immerhin schlägt sie mir vor, ich könne ja zu ihr zum Sol Food Market kommen und das Internet dort ausprobieren. Das lass ich mir nicht zwei Mal sagen, packe meinen Laptop und fahre die kurze Strecke um Sol Food Market, direkt am Parkeingang. Komischerweise funktioniert dort alles, obwohl Mary mir unzählige Male versichert, sie habe im Hotel alles identisch eingerichtet. Sie meint, ich könne hier umsonst surfen, solange ich Gast in ihrem Hotel bin.
Da ich nun schon mal da bin, bestelle ich mir ein Frühstück, lade einen weiteren Tagesbericht auf meine Webseite hoch und bringe auch das Fotoalbum auf den neuesten Stand. Die Zeit vergeht wie im Flug und gegen 11.00 Uhr werde ich hektisch. Ich muss ja der Adventure Company bis Mittag bekannt geben, ob ich morgen mit dem Shuttle zur Chamberlains Ranch will, ansonsten sie die bereist bezahlten Fahrkosten auf jeden Fall behalten. Dazu müsste ich aber erst wissen, ob überhaupt Bewilligungen für die Narrows ausgestellt werden. Nach dem Kauf einiger Lebensmittel fahre ich also schnell zurück zum Hotel, hole meinen bereits gepackten Rucksack ab und fahre mit dem Shuttle zum Parkeingang. Beim Backcountry Desk erfahre ich, dass ab morgen wieder Bewilligungen zu haben sind. Bevor mir die Tante hinterm Schalter aber die Bewilligung ausstellt, muss ich mir einen Film über die Narrows ansehen. Dabei wird die notwendige Ausrüstung aufgezeigt und auch vor Flash Floods gewarnt. Wenn man an einer blöden Stelle in den Narrows erwischt wird, ist man mausetot. Entweder wird man von dem ganzen Krempel erschlagen, den die Springflut mit sich führt, oder man ertrinkt jämmerlich. Das Tückische an der Sache ist, dass im Nationalpark eitel Wonne Sonnenschein herrschen kann, man sich dadurch aber nicht auf der sicheren Seite wiegen darf. Für eine Springflut reichen nämlich bereits Regenfälle im weit entfernten Quellgebiet des Virgin Rivers aus, von denen man in den Narrows unmöglich etwas mitbekommen kann.
Mit der Bewilligung in der Tasche besteige ich das nächste Shuttle und fahre Richtung Weeping Rocks. Das kostenlose Shuttle ist sicherlich eine tolle Sache, aber man hat bei dem Schnecken-Tempo das Gefühl, nie am Ziel anzukommen. Schliesslich erreichen wir um 12.30 Uhr endlich die Haltestelle Weeping Rocks. Voller Tatendrang hüpfe ich aus dem Shuttle und mach mich gleich an meine heutige Wanderung. Heute sind 655 Höhenmeter und 12 Kilometer hin und zurück zu bewältigen. Der National Park Service gibt eine Marschzeit von insgesamt 5 Stunden vor. Das kann also nicht so schlimm sein.
Gleich zu Beginn wird nicht lange gefackelt und es geht gleich steil aufwärts. Das gefällt mir, denn irgendwo müssen die Höhenmeter ja gemacht werden und ich latsche nicht gerne kilometerweit, bis es endlich richtig losgeht. Ich bin gespannt, wie die Route verläuft, denn von unten sieht man nur Felswände. Erst vom Observation Point aus kann man den Verlauf des in den Stein gehauenen Wegs sehr gut erkennen.
Nach unzähligen Serpentinen führt der Weg überraschenderweise in einen Canyon. Damit habe ich nicht gerechnet und bin darüber hocherfreut.
Nach dem Verlassen des Canyons, der schon mal einen kleinen Vorgeschmack für die morgen beginnende Narrows-Wanderung bietet, noch ein kurzer Blick zurück.
Dann geht es weiter auf dem Weg, der sich sehr schön am Felsen entlang nach oben schlängelt. Mir gefällt das ausserordentlich gut und bin inzwischen heilfroh, mich für diesen Weg statt für Angels Landing entschieden zu haben.
Inzwischen ist es Zeit für eine Pause, deswegen setzte ich mich gemütlich hin, geniesse den Blick in die Landschaft und freue mich darüber, dass während der ganzen Pause kein Mensch zu sehen ist. Einfach herrlich!
Dann geht es weiter. Der in den Fels gehauene Weg windet sich weiter nach oben, bis man das Plateau erreicht. Oben angekommen ist ein nicht mehr allzu langer Fussmarsch bis zum Observation Point zu absolvieren, wo sich mir nach insgesamt 1:50h Anstrengung endlich das ganze Panorama offenbart. Weiter unten ist Angels Landing zu sehen. Schade, dass ich keinen Feldstecher dabei habe, um die Leute dort beobachten zu können. Ein Paar aus Tampa bittet mich, ein paar Fotos von Ihnen zu schiessen und so kommt man recht schnell ins Gespräch. Wie üblich werden die Erfahrungen ausgetauscht, berichtet und nachgefragt, was man schon gesehen hat und was man unbedingt noch sehen muss. Sie möchte unbedingt noch auf Angels Landing und ist nicht sehr erfreut darüber von mir zu erfahren, dass dort letztes Jahr eine Frau zu Tode gestürzt ist. Als die beiden sich dann wieder an den Abstieg machen klappere ich die nahe liegende Umgebung ab, um ein paar Fotos für meinen Reisebericht zu schiessen.
Dann mache ich mich wieder an den Abstieg und bin nach 1:30h wieder beim Shuttle Stopp. Es ist inzwischen schon ordentlich heiss und ich bin recht k.o. Auf die Emeral Pools habe ich nun keine Lust mehr. Weil ich aber schon da bin, beschliesse ich schnell mal bei den Heulsusen von Felsen, den Weeping Rocks, vorbeizusehen. Die sind in Natura nicht so interessant, dass sich der Weg alleine für sie lohnen würde, aber aus der richtigen Perspektive geschossen, gelingen doch tolle Fotos die sich als Desktop-Hintergrund gut machen.
Anschliessend besteige ich wieder das Shuttle Richtung Parkeingang und erwische einen Busfahrer, der sich auch als Alleinunterhalter sieht, einen Witz nach dem anderen reisst und an jeder Ecke eine neue Geschichte zum Zion Nationalpark bereithält. Den Mitfahrern gefällts und ich muss hie und da auch schmunzeln. Auf jeden Fall gestaltet sich die Fahrt relativ kurzweilig. Beim Sol Food Market besteige ich das Springdale Shuttle, das mich wieder zum Hotel bringt. Dort hüpfe ich unter die Dusche und mache mich dann gegen 18.00 Uhr auf zur Zion Adventure Company, die schräg gegenüber auf der anderen Strassenseite liegt, um mir dort meine Ausrüstung für die Narrows zu holen. Konkret geht es um einen Wanderstock, ein Paar Neopren-Socken und Canyoneer 5.10-Schuhe, mit denen man problemlos im Wasser wandern kann.
Dann der nächste Schock. Die Mutti hinterm Tresen erklärt mir, dass es auf der Zufahrtsstrasse zur Chamberlains Ranch geregnet habe und daher nicht sicher sei, ob das Shuttle überhaupt fahre. Bei Nässe würde sich auf der Strasse eine tiefe Schlammschicht bilden, in der das Shuttle einfach stecken bliebe. Ich solle kurz vor 20.00 Uhr wieder kommen, dann wisse sie schon mehr. Na toll, nicht dass mir jetzt die paar Regentropfen einen Strich durch die Rechnung machen!
Ich beschliesse, inzwischen einen Happen Essen zu gehen. Das Bit and Spur Restaurant and Saloon, das überall so hoch gelobt wird, ist leider geschlossen. Also stoppe ich schnell beim Hotel und fahre dann mit dem Laptop weiter zum Sol Food Market, wo ich mich im Internet über andere Tipps in der Nähe schlau mache. Die Wahl fällt nach kurzer Zeit auf Oscar’s Cafe, das zudem ideal direkt neben der Adventure Company liegt. Da ich nun mal schon da bin, surfe ich noch ein wenig im Internet herum, lade die heutigen Fotos hoch und mache mich dann zurück zum Hotel. Auto abgestellt, Laptop zurück ins Zimmer und nach einem Blick auf die Uhr festgestellt, dass sich das Essen jetzt fast nicht mehr lohnt. Also schnell bei Oscar’s Cafe gefragt, wie lange die denn geöffnet haben (laut Internet soll der Laden schon um 21.00 Uhr dicht machen) und nach Auskunft, dass erst um 22.00 Uhr geschlossen wird, gehe ich rüber zur Adventure Company.
Dort weiss man noch immer nicht Bescheid, ob das Shuttle fährt. Inzwischen hat sich der Chef der Sache angenommen, läuft mit dem Handy wie in Tiger im Käfig durchs Geschäft schimpft und redet wie wild auf jemanden ein. Die Mutti hinterm Tresen meint, sich solle doch einfach später wieder kommen. Die Narrows will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen, weswegen ich vor Ort bleibe und mich regelmässig über den Stand der Dinge erkundige. Auf meine Frage, ob ich denn der Einzige sei, der sich für die Fahrt interessiere, meint die Mutti hinterm Tresen, dass man den anderen einfach gesagt habe, man würde sie telefonisch verständigen, falls die Fahrt nicht stattfinden sollte. Nachdem ich dem Chef erzählt habe, wie wichtig mir die Wanderung ist und ich da unbedingt hin müsse, schickt er mich mit einem Mitarbeiter zum Socken, Schuhe und Wanderstock aussuchen und verschwindet wieder wild gestikulierend mit seinem Handy. Anschliessend muss ich wieder einen Film über die Gefahren der Narrows ansehen. Die gehen hier aber wirklich auf Nummer sicher. Kurze Zeit später taucht der Chef wieder auf, meint es wäre alles in Ordnung für die morgige Fahrt und dass ich um 6.00 Uhr hier sein solle.
Erleichtert lade ich die eben gemieteten Utensilien im Hotelzimmer ab und gehe endlich zu Oscar’s Cafe, um dort einen Happen zu essen. Inzwischen habe ich einen Bärenhunger, deswegen bestelle ich mir gleich den grössten Burger auf der Karte mit einem ganzen Pfund Fleisch. Dazu Pommes aus Sweet Potatoes und ein Microbrew. Der Burger ist so riesig, dass ich nur mit Mühe und Not meinen Mund weit genug aufbekomme, um einen Bissen davon zu nehmen. Sowohl die Pommes als auch der Burger erweisen sich als supergut, ich bin begeistert!
Anschliessend geht es zurück zum Hotel, um meinen Rucksack für Morgen zu packen. Da bei dieser Wanderung wirklich alles wasserdicht verpackt werden muss, falls man in den Narrows im Virgin River umfällt, und natürlich nebenbei der Fernseher läuft, bin ich bis nach Mitternacht damit beschäftigt. Gegen 0.30 Uhr lege ich mich endlich schlafen.
Gefahrene Meilen: 5.6