31.05.2007 - San Francisco erkundenSan Francisco’s Straßen sind bequem. Sehr bequem sogar. Je steiler, desto bequemer. Nein, ich meine weder zum Hinauf- (Keuch, Uff) noch zum Hinablaufen (Halt, das ist viel zu schnell), sondern schlicht, um sich auf ihnen niederzulassen. Sitzen ist da wirklich sehr angenehm, wie auf einem Stuhl.
Und so sitze ich auf der Hyde Street etwas oberhalb der Einmündung zur Francisco Street, mein Stativ vor mir abgestellt und warte auf die Cable-Car. Da ich keinen Spiegel zur Hand habe, kann ich mir nur vorstellen, dass ich ein ulkiges Bild abgeben muss, aber meine Kamera vor mir verrät ja, was ich hier vorhabe. Darum gibt es keine Erklärungsnöte, dafür aber sehr viele von den Cable-Cars winkenden Touristen. Nein – das Band gebe ich nicht an die Universal Studios weiter. Ihr winkenden zukünftigen Schauspieler müsst schon von jemand anderem entdeckt werden.
Ich raffe mich auf und laufe zurück zur Lombard Street, um dort noch ein paar Fotos zu machen, da tippt mir jemand von hinten auf die Schulter. „Hi, nice to see you again“ Einen Moment lang bin ich verwirrt. Wer kann mich hier ansprechen? Jemand aus einem Forum? Die würden nicht Englisch reden. – Hat mich jemand verwechselt? Sehr Wahrscheinlich. Doch dann erkenne ich die beiden wieder. Pommes und Frittes. Genau, als ich das letzte Mal Pommes gegessen hatte, blickte ich in ihre Gesichter. Und das war genau in der Wüste Nevadas im California Zephyr. Ah, jetzt geht mir ein Cable-Car Scheinwerfer auf.
Wir plaudern noch ein wenig über die Stadt, das Wetter (auch sie finden, es ist wesentlich zu kalt) und den üblichen Smalltalk eben.
Danach geht jeder wieder seines Weges bzw. ich fahre meines Weges, nämlich mit der Cable-Car zum gleichnamigen Museum. Gerade noch rechtzeitig sehe ich die große Gruppe Schüler vor dem Eingang und ich entschließe mich spontan, den Haltegriff der Bahn doch noch nicht loszulassen und fahre weiter bis zur Ecke California / Powell Streets. Das Cable-Car Museum ist nicht sehr groß und man würde sich unweigerlich nur auf die Füße treten, von daher warte ich da doch lieber ein paar Momente, bis die Gruppe ihren Rundgang beendet hat. In der Zwischenzeit sind mal wieder ein paar Fotos fällig.
Nach einer halben Stunde denke ich, ich habe genügend Strom meiner Kamera verbraucht und widme mich dem Museum. Tatsächlich, von einer größeren Gruppe nichts mehr zu sehen. Dafür herrscht der übliche Lärm. Ich weiß echt nicht, wie es die Mitarbeiter im Souvenirladen hier nur aushalten. Den ganzen Tag dieses monotone Surren der Motoren, die die vier Kabel der 3 Cable-Car Linien antreiben. An dieser Stelle mal wieder einer meiner ‚gut-dass-ich’-Sprüche, diesmal: Gut, dass ich hier nicht arbeite und mich daher verziehen kann, nachdem ich alles gesehen habe.
Mit dem Bus fahre ich zum Alamo Square und steige auch brav hinten aus, wie es mir die Tonbandstimme befielt, wenn man an der Reißleine zieht und dem Fahrer signalisiert, dass man die Busfahrt satt hat. In USA gibt es im Gegensatz zu Deutschland keine kleinen Haltewunschknöpfe, sondern an den Fenstern durch den ganzen Wagen gespannten Wäscheleinen, an denen man einfach mal kurz und kräftig zieht. Der Effekt sollte hoffentlich derselbe sein.
Alamo Square, im Osten von der Steiner Street begrenzt, mit den dort stehenden viktorianischen Häusern, den „Pink Ladies“ vor der Skyline von San Francisco. Das Postkartenmotiv der Stadt, wenn man mal die Cable-Cars und Golden Gate Bridge ausnimmt. Endlich schaffe ich es, von diesem Anblick auch mal ein Foto zu machen. Bisher ist immer irgendetwas dazwischen gekommen. 2000 sind wir hier mit dem Reisebus entlang, durften aber nirgendwo parken und konnten nur einen flüchtigen Blick durchs Busfenster werfen. 2001 habe ich es schlichtweg vergessen. 2002 wurde eins der mittleren Häuser saniert und die Fassade von einem unmöglichen schwarzen Plastikvorhang verdeckt. 2003-2006 folgte kein Besuch in San Francisco, aber jetzt, nach 7 Jahren ist es endlich vollbracht. Ich weiß, die Welt dreht sich ohne dieses Foto auch weiter, aber jetzt mit einem glücklicheren Markus.
Ich sitze auf dem Mäuerchen, das den Platz umgibt und lasse einen und noch einen zweiten Bus durchfahren, bevor ich mich von der Aussicht trennen kann und weiter Richtung Golden Gate Park fahre, den ich nun zu Fuß durchqueren möchte.
Ich laufe Querfeldein und lasse mich überraschen, wo ich denn wohl auskommen werde. Mein Ziel ist vorerst Japanese Tea Garden. Ich passiere das Denkmal von Goethe und Schiller, das M.h. de Young Museum und das Asian Art Museum, da stehe ich auch schon vor dem roten Eingangstor. Im Innern wird im Teehaus am See gerade Gebäck gereicht und eine Menge Vögel zwitschern in den Ästen über mir. Heute ist verhältnismäßig wenig los im Park, so dass ich alle Ecken in Ruhe genießen kann. Ich liebe die japanische Gartenkultur – überhaupt die ganze fernöstliche Kultur und möchte gerne mehr darüber erfahren. Daher ist als eine der nächsten Reisen eine Fahrt nach Japan zur Kirschblüte geplant.
Wieder vor der Toren dieser fremden Welt, entdecke ich die Schilder zum Eingang des botanischen Garten. Warum eigentlich nicht? Ein paar befremdliche Pflanzen ansehen hat sicher noch niemand geschadet, wobei ich in dieser Beziehung etwas oberflächlich bin. Ein echter Pflanzenfreund mag es mir verzeihen, dass ich nur so von Pflanze zu Pflanze gehe und mit dem Kopf nicke, aha, eine sowiesoistzukomplizierteslateinius. Ich verzeihe ja auch, dass andere Menschen Eisenbahnen als Beförderungsmittel von A nach B ansehen und nicht die Geschichte, die hinter einem Netz steht, hinterfragen.
Am Ausgang des Parks laufe ich immer weiter geradeaus. Hier muss doch jetzt gleich irgendwo der Stow Lake kommen. Ich passiere das Denkmal von Goethe und Schiller (wie viele gibt’s davon?), dann das M.h. de Young Museum und – genau – das Asian Art Museum. Da vorne ist der Eingang zum Japanese Tea Garden. Verdammt - ich bin im Kreis gelaufen.
Frustriert über diesen Vorfall, jage ich einige Tauben davon, die mir am Stow Lake meine Salzstangen streitig machen wollen und schlage mich zur Straßenbahnlinie N durch, um den Rest des Weges bis zum Ozean fahrend zurückzulegen.
Die anschließende Wanderung durch den Sand des Strandes ist schon anstrengend genug. Ok, nicht so anstrengend, wie Surfen sein muss. Selbst dieses scheußlich kalte Wetter, was hier direkt an der Pazifikküste noch um ein Vielfaches kühler ausfällt, kann die Jungs nicht davon abhalten, sich in die Fluten zu stürzen, was sie mit schöner regelmäßig auch tun. Paddel, paddel, hinknien, aufrichten, eine Welle, Platsch! Wieder im Wasser. Sich berappeln, Surfbrett suchen, paddeln, paddeln, paddeln, hinknien, aufrichten, ausrutschen, Platsch! Und immer so weiter…
Mich zieht es auch weiter, diesmal mit dem Bus nach Norden zum Palace of the Legion of Honor. Bis zur vorletzten Haltestelle ist der Bus durchweg gut besetzt, nur das letzte Stück lege ich alleine mit dem Busfahrer zurück, als er mich fragt, wo ich denn hinwolle. Ganz erstaunt plappere ich irgendwas von Palace of Honor und er gibt Gas, um die Endstelle zu erreichen.
Auf dem kurzen Stück bis zum Golfplatz nördlich des „Palasts“ überlege ich ständig, was der Hintergrund dieser Frage war. Wollte er mich loswerden, so dass er die abgelegene Haltestelle nicht mehr anfahren musste? War er besorgt, ich könnte meine Station schon verpasst haben? Ich komme zu keinem eindeutigen Ergebnis.
Am bereits erwähnten Golfplatz erblicke ich das markante Rot, das die Einfahrt zur Bucht überspannt, die Golden Gate Bridge. Heute mal aus einer ganz anderen Perspektive. Morgen, ja, morgen soll die Brücke noch einmal überquert werden. Ich hoffe, dann ist endlich mal besseres Wetter, so dass man das Panorama noch besser genießen kann.
Zurück an der Bushaltestelle – kein Bus. Laut Fahrplan müsste jetzt eigentlich einer kommen – kommt aber keiner. Ich meine, da dies die Endhaltestelle ist, müsste er hier ja etwas eher eintreffen, um noch seine Pause abzuwarten. Als 5 Minuten nach Abfahrtszeit noch immer kein Vehikel auf der Bildfläche erscheint, gebe ich die Warterei auf und laufe südwärts zur nächstgelegenen Wohnsiedlung. Murphy’s Gesetz will es natürlich, dass der Bus dann doch kommt und zwar genau als ich schon zwischen zwei Haltestellen bin. Laufe ich zurück? Dann fährt der wohl gerade los, wenn ich eintreffe. Laufe ich weiter? Ja, wo ist denn die nächste Haltestelle?
Oh Mann, warum können die keine Haltestellenschilder aufstellen. An den großen Ecken machen sie es ja auch, nur kleinere Stationen werden häufig durch einen einfachen gelben Farbring an Laternenmasten gekennzeichnet. Wo ist hier die nächste Laterne? Mensch, ich brauche Lichtmacher, der Bus kommt doch gleich.
An der nächsten Ecke steht zwar eine Laterne, doch kein gelber Ring. Mist, und da hinten kommt der Bus. Wo ist die Haltestelle? Tröstend ist zwar, dass die Busse häufiger fahren als die Amtrak-Nachtzüge, ich also nicht 24 Stunden warten müsste, aber ich würde da doch schon ganz gerne mitfahren. Da ist der Bus und ich weiß nicht, wo ich einsteigen kann. Ich baue mich also unter der Laterne auf, schaue ganz mitleidig Richtung Bus und da hält der doch tatsächlich an. Freundlich bedanke ich mich bei der Fahrerin und bekomme einen außergewöhnlichen freudigen Gruß „you are welcome!“ mit besonderer Betonung auf „Welcome“ zurück.
An der nächsten Haltestelle dann ein ähnliches Spielchen. Jeder wird von der Fahrerin begrüßt, einige sogar mit einem regen Gespräch bedacht. Ist das jetzt nur Smalltalk oder fährt die Dame hier häufiger und kennt wie Tante Emma in ihrem Kramladen die halbe Nachbarschaft?
Dieses Spielchen setzt sich aber fort bis zur Endstelle. Jeder, der zusteigt, wird freudig begrüßt und jeder Aussteigende wird lautstark mit einem „Have a great evening“ verabschiedet. Gleiches wünsche ich ihr auch.
Mann, die Muni hat doch noch fähige Mitarbeiter. Angesichts der Schlappe mit den Cable-Car Fahrern scheint es aber schon fast, als ob sie die gesamte einstige Fröhlichkeit gesammelt und dieser Fahrerin verliehen haben. Was den anderen fehlt, ist bei ihr umso stärker ausgeprägt. Danke, Ma’m, für diesen wunderschönen Abend.
Übernachtung: Grant Plaza Hotel, San Francisco
Bewertung: durchschnittlich