08.05. Tropic - Cottonwood Canyon Road - Kanab (101 Meilen / 163 km)
Ich werde wach. Horst liegt auch noch im Bett. Dann kann es ja noch nicht so spät sein. Also schlafe ich wieder ein. „Markus, wir haben verschlafen“ höre ich es irgendwann aus weiter Ferne rufen. Zuerst denke ich, mein Gott, etwa schon zehn Uhr? Nein, Entwarnung, „nur“ 8:30, aber immerhin macht uns dieser Tag die ganze Statistik kaputt. Bisher sind wir beide (!) stets vor Acht aus den Federn gewesen.
Das Einpacken geht daher etwas schneller als üblich und wir sind on Tour. Vorbei geht es am Abzweig zum Kodachrome Basin SP auf die Cottonwood Canyon Road Richtung Süden. Horst ist eifrig damit beschäftigt, seine Unterlagen zu sortieren. Ein Büro im Durchzug ist nichts dagegen. Überall liegen Papiere verstreut. Ein Glück, dass er mir noch das Lenkrad frei gehalten hat. Schade nur, dass er keinen Blick für die Straße hat. Insgesamt 7 Hasen sind heute früh schon unterwegs. Dafür lasse ich ihn am Grosvenor Arch die Schlange entdecken. Ich will ja, dass der Junge auch mal seinen Spaß hat.
Ganz alleine sind wir nicht am Grosvenor Arch. Ein paar junge Mädels haben diesen Platz für ihre Schreirekorde auserkoren. Mein Gott, die machen die gesamte Stimmung kaputt. Oder haben sie etwa nur die Schlange entdeckt, die uns entwischt ist? Auf jeden Fall wird da morgen jemand heiser sein.
Wir fahren die paar Meter zurück zur Cottonwood Canyon Road und weiter nach Süden. Auf einer Bergkuppe halten wir an und verewigen die Straße. Sieht wirklich toll aus, wie sie sich zwischen den bunten Felsen hindurch ins Tal windet und weiter auf den nächsten Berg hinauf.
Genau unten in der Senke lassen wir unseren Wagen stehen und verkrümmeln uns in den Cottonwood Canyon, den wir komplett durchlaufen – und das zieht sich. Die Sonne knallt erbarmungslos vom Himmel, weswegen die Farben auch nicht richtig zur Geltung kommen, sondern einfach zu hell sind. Der eigentlich interessantere Teil ist der letztere, aber auch nur in Blickrichtung von wo wir hergekommen sind.
Richtig interessant wird es dann wieder auf der Straße, die wir zurück zum Auto laufen. Wir erklimmen den zweiten Hügel, den wir eben schon gesehen haben, nun von hinten und oben angekommen, verlassen wir die Straße noch einmal und klettern noch etwas weiter den Hügel hoch, um eine bessere Aussicht zu haben.
Mann Mann, hier müsste man mal eine Zugstrecke durch bauen.
Im Tal neben der Straße ist ein weiterer interessanter Hügel zu sehen, mit weißen Tupfern. Ach ne, falsch, das ist nur unser Auto in den Farben Erde, getarnt und Sand.
Kaum erreichen wir unser Auto, da passiert uns ein Geländewagen mit Anhänger. Na toll, die ganze Zeit kein einziges Auto und der eine Schleicher, den haben wir jetzt direkt vor uns. Das Problem erledigt sich aber schnell, er lässt uns bei nächster Gelegenheit überholen.
Am Cocks Comb, dem Hahnenkamm, bleiben wir mal wieder stehen. Und da uns gerade die passende Ausweiche fehlt, einfach mitten auf der Straße. Gefährlich ist das nicht, denn wir können meilenweit in beide Richtungen sehen. Weit hinten in der Ferne staubt es. Das muss wohl unser Verfolger, der Typ mit dem Anhänger sein. Hauen wir lieber ab…
„Wir unterbrechen unser Programm für eine Warnmeldung: Achtung, Steinewerfer an einem Hang unterhalb des Yellow Rock, ich wiederhole, Steinewerfer auf dem Weg zum Yellow Rock.“
Lustig, das ist ja keine Absicht. Wir würden gerne den Yellow Rock sehen und angeblich soll es dort rauf auch einen relativ machbaren Weg geben. Doch den haben wir definitiv verfehlt. Wir befinden uns mitten auf einem Berghang und müssen zusehen, oben anzukommen, bevor es keinen Berg mehr gibt.
Der Boden ist absolut bröckelig. Jeder Schritt will wohl überlegt sein, denn sonst löst sich alles und wir rutschen mit dem Berg ins Tal. Selbst vermeintlich große Brocken, fest und solide aussehend, entpuppen sich als absolut haltlos, wenn man versucht, sich daran hochzuziehen. Als nächstes vergehe ich mich daher an der Vegetation. Ich denke, die Wurzeln der Sträucher sind schon irgendwie fest im Boden verwurzelt, doch Pustekuchen. Die Büsche habe ich kurzerhand in der Hand und werfe sie über die Schulter ins Tal und mich damit einen Schritt weiter nach vorn. Drei Schritte vor und zwei zurück. Ich glaube, wir hinterlassen eine Fährte der Verwüstung.
Oben angekommen, bin ich absolut k.o.. Hieß es in den vergangenen Tagen immer so schön, das hat jetzt wieder Körner gekostet, also mein Vorrat ist hiermit aufgebraucht. Ich habe keine Körner mehr.
Vor mir liegt ein sehr interessanter Hügel, der Yellow Rock, doch irgendwie begreife ich die Schönheit dieser Landschaft nicht wirklich. Ich bin müde und mir ist unheimlich heiß. Ich sehe, wie die Schatten der Wolken über den Slick Rock huschen und freue mich auf jede Minute, die ich aus der Sonne bin. Ein klein wenig trotte ich Horst noch hinterher, bis ich mir ein schönes Plätzchen suche und mitten auf dem Yellow Rock ein Nickerchen halte. In der Zeit erklimmt Horst den Gipfel. Er wird sicher schöne Fotos mitbringen, da brauch ich nicht auch noch hinterher.
Die Sonne scheint noch immer sehr warm, doch hier oben weht auch ein unangenehmer Wind. Unangenehm deswegen, weil er Sandkörner durch die Luft wirbelt, die wie tausende Nadeln auf den Beinen pieken. Und unangenehm für Horst, da er kaum sein Stativ beim Filmen gehalten kriegt. Der Wind ist sogar so stark, dass er meinen Rucksack etwa 2m weit entführt.
Es wird Zeit für den Abstieg. Horst glaubt, nördlich unseres Aufstiegs sei der richtige Weg ins Tal. Ich halte also auf diese Richtung zu und versuche, Mr. Supersprint so gut Schritt zu halten wie ich nur kann, doch irgendwann verliere ich ihn aus den Augen. Wo ist er denn geblieben? Auf einmal niest etwas hinter mir. Ist der denn immer noch erkältet? Aber danke, da steckst du also. Aber ist das nicht viel zu weit südlich? Ach nein, er hat sein GPS dabei, dann wird’s schon stimmen. Ohne viele Worte folge ich ihm einfach mal. Selber denken ist mir jetzt zu anstrengend.
Das Pech muss ausgerechnet heute gleich zweimal zuschlagen. Erst finden wir nicht gut bergauf, jetzt auch nicht gut bergab. Wir sind schon wieder viel zu tief, um auf der Suche nach dem „richtigen“ Weg zu sein. Wir haben die Wahl zwischen „wieder hoch“ und „auf gut Glück hier weiter absteigen“. Die Faulheit siegt und wir steigen hier weiter ab, was sich später rächen soll.
Wir folgen einem Wash und das funktioniert so lange gut, bis er auf einen Wasserfall trifft. Da wir keine Wassertropfen sind, haben wir nicht das Bedürfnis, etwa 3m in die Tiefe zu springen. Wir müssen einen anderen Weg suchen. Also wieder ein Stück nach oben und woanders wieder runter.
Meine Güte, das zehrt enorm an den Kräften. Horst bewundere ich dabei, denn er schleppt auch noch sein schweres Stativ durch die Gegend. Ihm scheint der Wanderstress fast nichts auszumachen.
Wieder kommen wir in eine Sackgasse. Darf doch nicht wahr sein. Vielleicht wäre es sogar das allerklügste gewesen, denselben Weg runter zu gehen, wie wir hoch gekommen sind. Einfach auf einen Stein stellen und ins Tal rutschen. Bergsurfing, der neue Trend aus Utah. Und dabei ein kühles Eis schlecken. Und was Kühles zu trinken. Jetzt im schönen Motelpool, erfrischend kühles Wasser, die Beine ausstrecken, kein Rucksack, …
Halt, nur ein Tagtraum. Ich merke, ich stehe noch immer auf dem Berg. Ich kann vor dem Problem nicht flüchten, das müssen wir jetzt lösen. Wir versuchen den nächsten Abstieg und diesmal bin ich zuversichtlich. Das müsste gehen. Horst geht schon mal voraus und ich höre ihn irgendwann nur noch rufen „Ich bin unten! Ich hole auch schon mal das Auto“
Zwei gute Nachrichten auf einmal, wie wunderschön. Hier geht es runter, wir brauchen also nicht wieder bergauf und ich brauche nicht zum Parkplatz zurück laufen. Dieses positive Denken spornt an und ich erreiche den Talboden.
Blöd ist nur, dass der große Wash im Tal und die Straße eine 2m hohe Wand trennt. Da muss ich noch irgendwie rauf und dann sehe ich da oben unser Auto vorbei fahren.
Zoooom! Und weg ist es.
Plötzlich scheint alle Anstrengung vergessen zu sein und ich renne die Wand hoch, wo sie etwas flacher abfällt. Angehalten hat Horst zwar, aber damit ist mir auch nicht mehr geholfen. Jetzt steht das Auto wieder genauso weit weg wie auf dem Parkplatz, nur eben in der anderen Richtung. Aber ein Trailblazer hat ja einen Rückwärtsgang. Und eine Klimaanlage. Oh ja, Gott segne den Mann, der die Klimaanlage erfunden hat.
Im Auto lasse ich mich wie ein nasser Sack in den Beifahrersitz fallen. Jetzt habe ich endlich mal Zeit, darüber nachzudenken, was mir überhaupt alles weh tut. Auch Horst sieht geschafft aus, so dass wir ohne große Diskussion weitere Programmpunkte streichen und uns stattdessen ein großes Sandwich bei Subway gönnen.
Übernachtung: Quail Park Lodge - Kanab, UTBewertung: durchschnittlich