27.04. Page - Horseshoe Bend - Coalmine Cy - Verde Cy Railroad - Sedona (347 Meilen / 558 km)
Schon wieder beginnt ein Tag um 5:30. Jedenfalls für mich. Als ich meine Augen aufschlage, ist von Horst keine Spur mehr auszumachen. Freundlicherweise hat er unseren Wagen dagelassen.
Wie er mir später erzählen wird, ist er nur mal kurz zur Rezeption gegangen, um ein wenig im Internet zu surfen. Dabei hat er sich auch im usa-reise.de Forum gemeldet und angekündigt, mich nun aus dem Bett zu werfen. Schade, schade, dass aus diesem teuflischen Plan nichts wird, denn ich stehe schon unter der Dusche. Scheinbar wird aus mir Langschläfer doch noch ein Frühaufsteher.
Übrigens haben wir es längst aufgegeben, für meine Videokamera einen Ersatzakku zu kaufen. Schade, dass der Wal Mart in Page seine Pforten geschlossen hat. Ein Versuch wäre es gewesen. Horst hatte mich gestern im Dunkeln zu dem Gebäude geführt, wo er sich einst ausbreitete. Ich habe mich längst damit abgefunden, dass er nun alleine sein schweres Stativ durch die Mittagshitze tragen darf, da sehe ich, auf der anderen Seite der Straße, der riesige neue Komplex, den der Wal Mart hier hochgezogen hat. Trotzdem: Mein Entschluss bleibt, meine minderwertigere Kamera hat Sendepause. Ich werde mich nun vermehrt auf die Fotographie konzentrieren.
Horseshoe Bend – wollte ich vor vier Jahren schon einmal gesehen haben. Damals hatte ich meine Reise noch fast ohne Internet und irgendwelchen Foren geplant und vertraute darauf, dass der Parkplatz schon ausgeschildert sei. War er aber nicht. Horst weiht mich daher in die hohe Kunst des Meilenmarkerlesens ein, doch bevor ich eine Übungsstunde nehmen kann, sehen wir, dass der Parkplatz nun ausgeschildert ist.
Vom Parkplatz führt ein sandiger Weg den Hügel hoch. Oben angekommen, fällt Mr. Spielberg ein, dass sein Weitwinkelobjektiv noch im Wagen liegt. Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Füßen. Und seine arme Frau darf noch mehr Sand aus seinen Socken waschen.
(ohne Weitwinkel)
Das Weitwinkel ist aber schon eine feine Sache und sollte hier wirklich nicht fehlen. So etwas will ich auch haben. Egal, wie ich mich verrenke, ich bekomme die blaue Kurve des Colorado einfach nicht auf ein Bild. Stolz präsentiert mir Horst den Unterschied – mit und ohne Weitwinkel aufgenommene Filmszenen. Sofort machen wir ein kleines Experiment: Er hält sein Objektiv einfach vor meine Kamera. Ich meine, es handelt sich immerhin um eine Digitalkamera. Wenn’s nichts wird, kann man es hinterher ja wieder löschen. Der Versuch kostet doch nichts.
(mit Weitwinkel)
Voller Freude um die herrliche Ausbeute an schönen Fotos fahren wir zum nächsten Highlight, dem Coal Mine Canyon. In einem Reisebericht, der uns hier als Orientierung dient, heißt es sinngemäß so schön: „Diesen Canyon wollte ich eigentlich gar nicht besuchen, sondern fand ihn eher zufällig, als ich neben einer Windmühle nachgesehen habe.“
Und tatsächlich: Das Land ist absolut flach, grüne Weiden mit grasenden Kühen, eine einsame, verlassen wirkende Windmühle und nichts, was auf einen Canyon hinweist. Passiert man die Mühle, liegt er mit einem Mal vor einem da. Ich versuche erneut, unser Auto möglichst fotogen zu parken, doch es gelingt mir diesmal nicht so. Ist aber auch zweitrangig. Nicht unser Wagen ist der Star des Tages, sondern der Canyon.
Leider – oder vielmehr – glücklicherweise ist die namensgebende Kohle in diesem Canyon von eher schlechterer Qualität, so dass sich niemand ernsthaft die Mühe gemacht hat, sie auszubuddeln und so den farbenfrohen Canyon zu verschandeln. Es ist noch vor Mittag, also fällt das Licht aus östlichen Richtungen in den Canyon, so dass wir ihn umrunden, um etwas davon abzubekommen. Ein kleiner Weidezaun stellt für uns keine Hürde dar und den Spuren auf der anderen Seite nach – für andere auch nicht. Hier scheinen schon wilde Partys gefeiert worden sein.
Die Zeit vergeht ganz schön, wenn man ordentlich fotografiert und auch mal inne hält, um diese Schönheit, in unserer bekannten Tradition kostenlos & einsam, zu bewundern. Bald müssen wir weiter.
Bis Flagstaff kommen wir gut durch, nur dahinter auf der Landstraße 89A nach Sedona bewegt sich die von Touristenfahrzeugen geformte Schlange etwas zäher. Mein Zug setzt gerade in den Bahnhof zurück als wir vorfahren. Da Horst keine so große Begeisterung für Züge wie normale Menschen aufbringen kann, muss ich wohl oder übel diesen schönen Nachmittag alleine an Bord der Verde Canyon Railroad verbringen.
Im Bahnhof kaufe ich noch schnell ein paar Postkarten, damit ich was zu tun habe, bis der Zug abfährt und bezahle zum ersten Mal in diesem Urlaub mit Bargeld. Wirklich praktisch, dass man sonst alles andere mit Kreditkarte schnell und einfach erledigen kann. Das große Entsetzen, wie leer die Kasse doch ist, schiebt man damit auch auf einen Zeitpunkt, wo man sowieso trauert, dass wieder alles vorbei ist.
Zum Schreiben der Postkarten komme ich allerdings nicht. Auf meiner Fahrkarte ist kein expliziter Sitzplatz angegeben und ich möchte doch unbedingt ans Fenster, also stelle ich mich lieber schon einmal an die Bahnsteigkante, denn der Zug scheint voll zu werden. Der Zug besteht aus offenen und geschlossenen Wagen. Bei dem schönen Wetter würde ich lieber in einem offenen Wagen mitfahren, doch leider weist mir meine Fahrkarte eine Reservierung in einem geschlossenen Wagen zu.
Eine halbe Stunde stehe ich nun in der prallen Sonne, verteidige meine gute Position, wo doch der rettende Schatten nur 2m entfernt ist und dann passiert, womit ich niemals gerechnet hätte: Die Leute eines Waggons sollen eine wohlgeformte Schlange bilden, doch die von meinem Waggon ist mal wieder ganz woanders. Ich bin also einer der letzten, die den unerwartet geräumigen Waggon betreten. Sofort schnappe ich mir einen der zahlreich vorhandenen Fensterplätze und warte nicht lange, als man uns nahe legt, wir sollten doch in den offenen Wagen wechseln, um mehr von der Landschaft zu sehen. Ich verstehe die Leute nicht, die sich so Sorgen um ihren Sitzplatz machen.
Über Lautsprecher werden wir mit den neuesten Informationen rund um die Bahnstrecke versorgt. Hinter dem Bahnhof passieren wir einen riesigen Berg Schlacke, Rückständen aus der Dampflok-Ära. Echt nichts besonderes, vergleichbar mit einer Mülldeponie, aber weil es über die Lautsprecher durchgesagt wird, knipsen sich die Hobbyfotografen um Kopf und Kragen.
Lohnenswertere Motive folgen nun Schlag auf Schlag, Kurve für Kurve. Der Zug ist so lang, dass man gut von den hinteren Waggons den vorderen Zugteil seitlich vor der Landschaft fotografieren kann. Der Canyon wird nun enger und wir lassen unsere Phantasie spielen. Ist das nicht eine Schildkröte? Und da: Sieht der Felsen nicht wie ein Elefant aus?
Und auf einmal jubeln alle Amerikaner um mich herum: Schau, da ist der Felsen aus der Pepsi-Werbung. Wirklich schade, dass ich ihre Begeisterung nicht teilen kann.
Den Wagen teile ich mit einer Gruppe Tierbeobachter. Wann auch immer sich etwas bewegt, und sei es nur ein vom Zug abgebrochener Zweig eines Baumes, der zu nah an den Gleisen steht, schon sind die Ferngläser oben. Kein Insekt ist vor ihnen sicher. Besondere Begeisterung erfolgt, als wir ein Adlernest passieren. Die Tiere scheinen sich schon längst an den Lärm der Eisenbahn gewöhnt zu haben oder werden dafür bezahlt, geduldig zu posieren.
Besonders spektakulär ist die Fahrt durch den einzigen Tunnel der Strecke. Meine Güte, wie man Amerikaner begeistern kann, wenn man mal für einen Moment nichts sieht, dafür aber das Quietschen der Räder doppelt gut hört, doch ich sehe Licht am Ende des Tunnels und bald ist Perkinsville erreicht, für uns der Wendepunkt der Fahrt. Das Bahnhofsgebäude sieht herunter gekommen aus. Einen Ort gibt es hier nicht, nur ein paar baufällige Farmen. Auch eine undefinierbare Karosserie gammelt nebenan vor sich hin. Ob hier überhaupt noch jemand lebt? Wir staunen nicht schlecht, als wir in die Fenster des Hauses blicken können: Da läuft gerade ein PC und scheinbar surft da jemand im Internet.
Die Rückfahrt wird weit weniger spektakulär als die Hinfahrt. Erstens kennen wir praktisch schon jeden Stein und zweitens ziehen langsam Wolken auf und es wird unangenehm zugig. Zügig verkrieche ich mich wieder in den geschlossenen Wagen und harre der Dinge die da kommen mögen.
Ich hoffe doch, es wird Horst sein, denn wir sind wieder am Bahnhof verabredet. Auf dem Bahnsteig kann ich ihn leider nicht sehen. Schade, unsere Ankunft scheint er nicht zu filmen. Jetzt muss ich ihn aber doch ein paar Minuten warten lassen. Ich kämpfe mich vor bis zur Lok, übersehe dabei ein dummes kleines „No Trespassing“ Schild und bin wieder voll in meinem Foto-Element.
Als ich mich dann endlich loseisen kann, fährt Horst gerade auf dem Parkplatz vor. Perfektes Timing. Auf dem Weg nach Sedona tanzen erste Tropfen auf unserer Windschutzscheibe. Wirklich: allerbestes Timing.
Übernachtung: Village Lodge - Sedona, UTBewertung: naja