16. September 2007Gestern haben wir ja schon die meisten Top-Highlights im Yellowstonepark abgearbeitet. Also können wir heute den Tag entspannt angehen und fahren vor dem Aufbruch noch im Supermarkt vorbei, um uns mit Proviant einzudecken. Die Frage, ob wir Brotaufstriche für unser gutes ernährungsphysiologisch wertvolles deutsches Vollkornbrot erwerben oder uns lieber gleich ein fertiges amerikanisches Sandwich aus der Frischhaltetheke nehmen, entscheidet sich ohne großes Nachdenken zugunsten des Sandwichs. Hm, warum haben wir eigentlich vor dem Abflug geglaubt, dass wir ohne Vollkornbrot in den USA dem Untergang geweiht sind?
Im Park angekommen fahren wir zuerst zu den Artists Paint Pots. Eingepackt in dicke Jacken geht es auf Holzbohlen an heißen Quellen und Nebelschwaden vorbei, dann erklimmen wir den Hügel, um einen Blick in die blubbernden Schlammtöpfe zu werfen und schauen von dort hinunter auf eine bunte Farbenpalette.
Anschließend lenken wir den Pontiac Richtung Westen, denn heute soll es zu den Wasserfällen im Grand Canyon of the Yellowstone gehen. Unterwegs sehen wir noch zwei Büffel am Straßenrand grasen, bewacht von einem Ranger, der sein Auto hinter den Tieren geparkt hat. Der Ranger denkt sich wahrscheinlich seinen Teil, als wir eifrig fotografierend im Schritttempo an den Büffeln vorbeifahren und - weil die Bilder dann doch nichts geworden sind - anschließend zweimal wenden und nochmal an den Büffeln vorbeirollen.
Nach einem Abstecher zur Virginia Cascade erreichen wir schließlich den Yellowstone River und arbeiten die View Points im Yellowstone Canyon ab. Nun gibt es ja mit Sicherheit Menschen, die vor die Wahl gestellt, einen Vormittag im landschaftlich reizvollen Yellowstone Canyon zu verbringen oder stattdessen auf Geysir-Jagd zu gehen, ohne Zögern den Yellowstone Canyon wählen würden. Zu diesen Menschen gehöre ich, wie ich heute merke, nicht. Nachdem wir an verschiedenen Punkten Fotos gemacht, Spaziergänge hinunter ins Tal und wieder hinauf unternommen haben und letztlich doch immer wieder am selben Fluss gelandet sind (welche Wunder!), bekomme ich schließlich Motivationsprobleme. Und auch vom Tower Fall, den wir nach einem ausgiebigen Picknick noch besuchen, kriege ich nicht gerade eine Gänsehaut. Dabei soll er doch einer der schönsten Wasserfälle sein.
Dafür habe ich anschließend im Shop am Tower-Fall-Parkplatz noch ein nettes Erlebnis. Der sehr zuvorkommende ältere Mitarbeiter, bei dem ich ein paar Mitbringsel bezahle, fragt mich, wann ich denn auf der University of Hawaii gewesen sei? Wie bitte, wie kommt er denn auf sowas? Er zeigt auf mein T-Shirt, und ich komme in Erklärungsnot. Ja klar, da steht in verschnörkelten Buchstaben tatsächlich University of Hawaii, aber in Deutschland druckt man so ziemlich alles auf T-Shirts. Vorzugsweise was englisches. Mit Sicherheit haben Tausende von deutschen Mädels so ein Shirt im Schrank, ohne überhaupt jemanden zu kennen, der schon mal auf Hawaii war, you know? Aber der Mitarbeiter guckt mich bloß verständnislos an, und ich beschließe, in den kommenden Tagen bei der Auswahl meiner Garderobe etwas vorsichtiger zu sein.
Nach dieser Pause geht es wieder zurück zur Madison Junction und von dort aus weiter zu den Schlammtöpfen, heißen Quellen und Geysiren am Fountain Paint Pot. Hier sind sie wieder, die unglaublichen schillernde Farben und ungestümen Fontänen, für die ich den Yellowstonepark jetzt schon liebe.
Und noch atemberaubender werden die Farben anschließend bei unserem Besuch im Midway Geyser Basin. Über dem türkisfarbenen Excelsior Geysir toben dicke Dampfwolken, die vom Wind in wilden Mustern auseinandergerissen werden. Und dann geht es über lange Stege und einen leuchtend roten Untergrund zur Grand Prismatic Spring. Auch sie hüllt sich heute fast komplett in undurchdringliche Dampfschwaden. Immer wieder wabern die Wolken zu uns hinüber, und wir atmen den warmen feuchten Schwefelgeruch ein. Ein paar Fotos gelingen trotzdem, auch wenn das leuchtende Türkis im Inneren des gelben Ringes nur zu erahnen ist.
Schließlich fahren wir noch zum Biscuit Basin weiter, aber inzwischen versteckt sich die tiefstehende Sonne zwischen den Wolken, und die Farben des Sapphire Pools wirken matt. Wetterverwöhnt wie wir inzwischen sind beschließen wir, uns den Sapphire Pool für morgen aufzuheben und auf Sonnenschein zu hoffen. Aber immerhin sehen wir noch einen Kojoten, der gelassen an den heißen Quellen vorbeitrabt.
Und dann hat sich der Yellowstonepark als Betthupferl doch noch etwas für uns aufgehoben: An einem Campingplatz nahe der Madison Junction liegt - kaum zwanzig Meter vom nächsten Zelt entfernt - ein röhrender Elkbulle zwischen den Bäumen. Irgendwie hat die ganze Situation etwas irrwitziges: Hier ein ganzer Pulk von kamerabewaffneten Menschen, die sich atemlos näher an den Elk heranschieben. Und kaum fünf Schritte entfernt zwei Mädels, die in stoischer Ruhe ihr Zelt aufbauen. Der Elk jedenfalls röhrt unbekümmert weiter, bis er sich schließlich erhebt und mit seinem breiten Geweih noch gewissenhaft einen jungen Baum zu Kleinholz macht, bevor er schließlich in der Abenddämmerung verschwindet.
An diesem Abend schauen wir uns noch ausgiebig in den verschiedenen Läden in West Yellowstone um. Endlich kommen wir auch mal dazu, Postkarten zu kaufen. Und dann sind so viele Entscheidungen zu treffen: Braucht man eigentlich eine Keksdose mit einem Elch auf dem Deckel, oder ein Nummernschild aus Wyoming? Liegt das Zeug daheim nicht doch wieder unbeachtet in der Ecke rum?
Fragen über Fragen, aber eins steht leider fest: Morgen heißt es Abschied nehmen vom Yellowstone.