Track 11: Imperial Beach Preach: NO Lehmann Brother Certificate (ca. 55 Meilen), Radio Edit.
Von Ocean Beach nach Imperial Beach und von dort nach University City, San Diego.
Rückkehr nach Los Angeles mit dem Surfliner und Rückflug.Im Hostel in Point Loma mache ich mir zum Frühstück erstmal einige riesige Pancakes, (ein wenig Übung hatte ich ja schon aus Monterey). Das Hostel hier hat wirklich sehr nette Mitarbeiter, die jederzeit für einen kleinen Plausch in der Küche oder hilfsbereite Tipps zu haben sind. Meinem Kumpel Dan hatte ich vor einigen Tagen eine Mail geschrieben, ob in seiner Hütte noch ein Nachtlager für einen versprengter Globetrotter aus Old Europe zu bekommen sei und als ich meine E-Mails checke, habe ich glücklicherweise auch eine positive Nachricht von ihm im Postfach: Dan (eigentlich Daniel) hat einige Zeit mit meiner Familie in Berlin gewohnt, als er an der Freien Universität Berlin studierte. Ich hatte fest damit gerechnet, nun bei ihn einkehren zu können und freue mich, auf ein wenig Alltagsleben in einem amerikanischen Haushalt!
Dan teilt mir seine Adresse mit und ab wann er abends zu Hause ist. Zusammen mit den netten Mitarbeitern im Hostel ermittele ich die Straße in University City. Also lautet die letzte Etappenplanung von La Jolla nach Imperial Beach zu radeln und von dort nach University City. - Mein Stahlesel steht im Hof des Hostels und voller Zuversicht breche ich von hier Richtung Mexiko auf, kann ja nicht mehr so weit hin sein…
San Diego ist eine recht fahrradfreundliche Stadt, vorbildlich für den südlichen Teil Kaliforniens, zumindest was den Citybereich betrifft. Allerdings muss man sich auch auf einige Wechsel gefaßt machen, von Bike Trail durch den Yachthafen wechselt die Szenerie schnell, am Flughafen führt der Weg dann sogar über die Mietwagenparkplätze von Alamo und Hertz, bis die glitzernde Skyline von San Diego auftaucht:
Die Hochhäuser sind ja für viele amerikanische Großstädte kennzeichnend, in sunny San Diego ist die Lage am Wasser und der alte Innenstadtbereich an der Market Street kennzeichnend, die ich einfach mal entlang radele, weil die nächste Fähre nach Coronado noch ein wenig auf sich warten läßt. Der Fähranleger befindet sich, ähnlich wie in San Francisco, am unteren Ende der Market Street (und Broadway). Den Anleger könnte man fast übersehen, denn einen Ferry Tower gibt es nicht. Das Schiff nach Coronado trägt bezeichnenderweise den Namen "Cabrillo" und liegt neben dem Flugzeugträger „Midway“. Für 3,50 Dollar (one way) kann man zusammen mit dem Bike die Überfahrt antreten.
Es ergeben sich schöne und imposante Ausblicke auf Downtown, imposante auf die weniger schöne Coronado Bridge, schöne und weniger imposante auf Coronado…
Direkt am Fähranleger beginnt der Radweg nach Imperial Beach, wo Südkalifornien endet. Der Radweg ist durchgehend, breit, strandnah, auf der einen Seite die San Diego Bay, auf der anderen der Pacific Ocean, eigentlich ein Musterbeispiel für den Radwegebau, nur interessiert es hier keinen.
Die Menschen aus den Traumvillen auf Coronado fahren lieber mit ihren SUVs zum Golfplatz und die Soldaten der U.S. Naval Reservation sind in ihren Army Trucks unterwegs.
Plötzlich ist es dann so weit: der Fahrradweg wendet sich in eine Wohnsiedlung, um letztlich abzubrechen,... die Grenze ist erreicht! Hinter dem Zaun befindet sich Mexiko, nicht viel zu erkennen dort, nur einige Straßen, sonst Grenzgebiet. Kaum zu beschreiben, was für ein Gefühl den in San Francisco gestarteten Radfahrer hier beschleicht, ich vermag es nicht in Worte zu kleiden, nur allen raten, selbst den Pacific Coast Highway auf die Agenda zu setzen!
Für mich heißt es umdrehen, um nach University City zu radeln, ein schönes Stück Arbeit, durch die Vorstadt der Vorstadt, mit jetzt mangelhafter Karte. Einige Stunden später ist auch dies erledigt und ich stehe bei meinem Freund Dan vor der Tür: platt (nicht die Reifen), glücklich, zufrieden, stolz, endlich das Ziel erreicht zu haben…
Vom Fahrrad montiere ich Lenkradtaschenhalter, Lichthalterung und Schloss ab, um es hier bei Daniel stehen zu lassen, er möchte es für seinen täglichen Weg zur Universtität nutzen:
Good bye alter Kumpel!
Tagesfazit:Kondition: ++
Landschaft: ++
Erlebnis:++(+)
Die letzten Tage in San Diego nutze ich, die Beine ein wenig zu entpannen: natürlich fahre ich auch mit dem Trolley an den amerikanisch-mexikanischen Grenzübergang. Vor einigen Jahren war ich schon in Tijuana. Man kann dazu stehen wie man möchte, aber wenn man schon mal in der Gegend ist, kann ein Abstecher nach „Mexiko“ ein interessanter Tag sein.
Zudem bin ich gespannt, ob sich die Stadt im Verlauf der letzten zehn Jahre vielleicht gewandelt hat, wie die Grenzkontrollen mittlerweile sind und darüberhinaus möchte ich mal über die Grenze laufen, bisher habe ich jeweils den Bus benutzt.
Mit dem Trolley fahre ich also bis San Ysidro, überquere die Grenze und stehe nach kurzem Spaziergang über den Rio Grande, der hier eher aussieht wie ein Rinnsal, mitten im ersten Getümmel von Tijuana. TIPP(!) für Tijuana ist auf jeden Fall der Kunstmarkt, der sich direkt am Fuß der Grenzbrücke auf mexikanischer Seite befindet. Das Angebot schlägt jeden Laden in der Stadt, teilweise wird hier direkt aus den Werkstätten heraus verkauft, die Anbieter sind nicht so aufdringlich und sehr viel freundlicher als downtown. Natürlich gehe ich auch dort auf und ab und eigentlich hat sich seit meinem letzten Besuch nichts verändert, ein wenig sauberer ist es geworden, die Bordschwalben stehen in den entsprechenden Seitenstraßen immer noch Schlange und pfeifen den Männern hinterher, wohl ein Grund, warum es viele Besucher hier her bringt…
Mich treibt’s aber in ein Restaurant, in dem Einheimische, Straßenverkäufer und Mariachi essen. Für wenig Peseten bibt's ein original mexikanisches Essen auch für Gringos, wenn die Verständigung auch etwas schwieriger ist, die Mexikaner grenzen sich von den Touristen ab, die meisten sprechen nur ein wenig englisch. Diese Abgrenzung löst sich aber schnell in Gastfreundschaft auf, man ist ein wenig ertaunt über diesen Americano, der sich zu den Einheimischen gesellt, um Eier, Gemüse und Maisfladen zu bestellen, macht ihm dann aber einen Stuhl frei, ein Musiker reicht mir Salz und Gewürz, das Eis ist gebrochen…
Auf dem Weg zurück kaufe ich noch einige Souvenirs auf dem Kunstmarkt, um wieder über die Grenze zu laufen. Die Einreiseprozedur ist mittlerweile relativ streng, dauert auch ziemlich lange, vor allem, weil der Andrang an Rückreisenden am späten Nachmittag hoch ist. Ansonsten muss ich nur ein, zwei Fragen beantworten und bin wieder im gelobten Land, fahre mit dem Trolley nach Downtown, dann nach University City zurück.
Am nächsten Tag in San Diego radele ich von University City nach Old Town und verbringe dort fast meine gesamt Freizeit, insbesondere eine Museumsführung ist empfehlenswert, ein Bummel durch die zahlreichen Läden sowieso.
Downtown nehme ich auch noch mit, um am Folgetag dann University City zu durchstreifen. Hier gibt’s für den Normaltouristen aber nichts Besonderes zu sehen, Universitätsgebäude ohne Ende, zwei Malls, Highways und Eigenheime: der normale US-Vorstadt-Wahnsinn, den ich am nächsten Morgen hinter mir lasse. Wir frühstücken zusammen, mit Bus und Trolley erreiche ich zügig Santa Fe-Station in Downtown San Diego, wo der Surfliner bereits munter Pfeifsignale abgibt. Also schnell an den Schalter, um ein Ticket zu kaufen, es kostet ca. 30 Dollar, schon springe ich auf den Zug Richtung Los Angeles, der soeben losfährt.
Die Fahrt ist recht kurzweilig, zumal sich eine nette, junge Dame neben mich setzt, die sich bald als eingewanderte Deutsche zu erkennen gibt. Sie kommt von einem Besuch von einer Freundin, muss jetzt aber zurück nach Hollywood, wo sie bei einer Filmfirma arbeitet. So quatschen wir die ganze Fahrt über Film und Kino: der Pazifik, Strände und Beach-Gemeinden ziehen im Eiltempo klimatisiert am Zugfenster vorüber…
Von Los Angeles Union Station bis Santa Monica arbeite ich mich mit dem Bus voran, im Grunde keine lange Strecke, aber im Wochenendverkehr eine Ochsentour…
Am Abend sitze ich also wieder in Santa Monica auf einer Bank unterm Sternenzelt und betrachte im Lichterschein die Wogen des Pazifik, Strand und den Pier, an dem ich vor einer Woche selbst spazieren gegangen bin: wieder dasselbe Bild, Autos und Menschen ohne Ende, auf der Suche nach einem Zipfel Unterhaltung und Glück im Moloch LA… This will never change!
Meine Gedanken gehen zurück an all die Menschen, die ich auf dieser Reise getroffen habe: Peter, der Koch aus dem Hostel in Santa Cruz, die Teilnehmer vom „Potluck“ in Monterey und all ihre großzügigen Spender, Autofahrer, die Lichtzeichen gaben, grüßten und so Mut machen wollten, Dave aus Oakland, Marc aus Portland, Monica, (will I ever see you again?), den Hobbyphilosophen aus San Clemente, unbekannter Helfer aus La Jolla, meinen Freund Daniel aus San Diego, die Reisebegleitung aus dem Surfliner: Angels along the way, thank you!!!
Gern lausche ich dem Klang der Wellen an diesem Abend im Mai, am Himmel die Positionslichter der Flugzeuge, die pausenlos den nahegelegenen Airport anfliegen oder diesen in alle Richtungen hin verlassen. Aus den Straßencafés und Restaurants dringen Gesprächsfetzen, Gelächter und gute Stimmung zu mir, es vermischt sich mit der Heiterkeit, die der laue Wind vom Pier durch die Strandhäuser hindurch herüberweht. „If I should lose you“, spielt ein Straßenmusikant auf der Trompete, ich kenne diesen Song, den Chet Baker so einfühlsam zu interpretieren wußte, ein sanfter Klassiker! –
Ich schließe meine Augen und sehe zurück: endlose Meilen Asphalt, azurblauen Himmel, Stahlrösser, Wellenklang, weiter Horizont, Leuchttürme, Menschen am Pier, Morgenvögel, Sonnenschein, Big Sur, Whale Watching im Abendlicht und Blumen an Steilhängen...
„You can’t go home again“, mahnen all diese Erinnerungen die ins Hostel zurückirrende, schlaflose Nachteule.
Am nächsten Morgen steige ich in den Bus Richtung Los Angeles International Airport, um den BA-Flug über London nach Berlin anzutreten…