Schwalbennester
Mittwoch, 26.12.2007Gefahrene Meilen: 256.0 (= 412 km)
Heute sollte es einmal etwas Abwechslung zu Felsen und Canyons geben. Dazu ging es wieder nach Süden. Und draußen wurde es immer kälter. Es blieb den ganzen Tag unter 0° C. Jetzt am Abend habe ich anhand meiner Aufzeichnungen vom Navi festgestellt, dass ich auf 2500 m hoch kam und immer noch auf 1600 m bin. Moab liegt dagegen auf knapp 1200 m.
Zuerst war es zwar nur schweinekalt draußen, aber das Fahren war recht angenehm und im Auto war es ja warm. Aber kurz vor Monticello kamen dann die ersten verschneiten Stellen auf der Straße. Das Fahren war aber trotzdem kein Problem. Es war aber deutlich zu merken, dass ich höher hinauf kam. Wieder überlegte ich, ob ich das Tageshighlight (Mesa Verde) ausfallen lassen sollte und direkt nach Farmington oder noch weiter durchfahren. Aber je näher ich Cortez kam, desto weniger Schnee war auf und neben der Straße zu sehen. Also beschloss ich, den Besuch einfach zu wagen. Und wie schon die Tage zuvor: Es hat sich gelohnt.
Mesa Verde ist echt der Hammer. Zuerst einmal die Anfahrt: Kurz nach dem Parkeingang geht es rauf und rauf und rauf und die engen Serpentinen wollen einfach kein Ende nehmen. Wenn ich mal einen Blick zur Seite wage, kann ich kaum glauben, was ich dort sehe. Der Blick schweift in die Ferne und findet einfach kein Ende. Das Bild ist von einem Aussichtspunkt aufgenommen, bei dem knapp die Hälfte des Höhenunterschieds bis ganz oben überwunden ist. Mit meiner Höhenangst kann ich die Aussicht gar nicht genießen und starre lieber nur auf die Straße. Es gibt auch einige Stellen, an denen es relativ eben oder mit nur leichter Steigung durch für mich angenehmeres Gelände geht. Ganz gemein finde ich, dass es auch immer mal wieder nach unten geht, um dann in fiesen Serpentinen wieder raufzugehen. Beim Gedanken an den Rückweg wurde mir schon ganz anders.
Das Fahren an sich war ganz angenehm: In diesem Park wird eine Straße den ganzen Winter schneefrei gehalten; der Rest ist einfach gesperrt. Es gibt also nur an ein paar extremen Stellen etwas Schnee auf der Straße und ansonsten ist sie schön frei und trocken.
Dann bin ich endlich oben (auf 2150 m, bei 1850 ging es los mit den Serpentinen) und kann mich mit den Sehenswürdigkeiten beschäftigen. Es handelt sich dort um eine Felsenbehausung, das Spruce Tree House, die ohne Einschränkung besichtigt werden kann.
Es ist unglaublich, wie diese Gebäude wie ein Schwalbennest unter den Felsen kleben. Nachdem ich diese Ruinen ausgiebig besichtigt hatte, stattete ich noch dem Museum und dem Souvenir-Laden einen Besuch ab. Und ich wurde wieder mal fündig. Eine lange gesuchte Landkarte vom AAA (dem amerikanischen ADAC), ein Magnet und zwei T-Shirts wechselten den Besitzer.
Dann ging es weiter auf den einzig offenen Loop im Winter, der an einigen sehr interessanten Aussichtspunkten vorbeiführt. Und dort musste ich mal wieder warten bis einige seltsame Zweibeiner die Straße überquert hatten. Und diesmal gelang mir sogar ein Foto.
Diese Vögel haben mich irgendwie an japanische Touristen erinnert: Die ersten trippelten laut schnattern erst halb über die Straße. Dann kehrten ein paar wieder halb um und riefen wohl die restlichen, die noch im Gebüsch warteten. Zum Schluss hatten dann alle im trippelnden Schnellschritt glücklich die Straße überquert und besprachen wohl das Abenteuer im Gebüsch.
Die Aussichtspunkte zeigten hauptsächlich weitere Felsenbehausungen, die auch wieder in Felslöchern kleben. Da überlegt man sich ernsthaft, wie die Bewohner damals dort rauskamen und ob es welche gab, die die Behausung nie verlassen hatten. Und was um alles in der Welt haben nur die getan, die wie ich Höhenangst haben?
Ein paar Haltepunkte des Loops führten zu überdachten Ausgrabungen, die zeigen, dass in dieser Gegend nicht nur die Bewohner dieser Felsenbehausungen lebten, sondern es auch Grubenhäuser gab, die wohl ein Dach aus Holz und Zweigen hatten.
Ein Aussichtspunkt hat mich besonders fasziniert. Zeigt er doch sehr deutlich, dass jede brauchbare Einbuchtung im Felsen zum Bau dieser Häusergruppen genutzt wurde. Von diesem Aussichtspunkt aus konnte ich fünf dieser Schwalbennester in der gegenüberliegenden Wand ausmachen. Sie lagen aber alle so weit auseinander, dass ich einfach nicht zwei davon gleichzeitig fotografieren konnte. Es gab Schwalbennester mit nur ein paar wenigen Gebäuden und dann welche mit ganz vielen, wie der berühmte Cliff Palace, den man nur im Sommer mit geführten Touren besuchen kann. Aber man kann wenigsten von weitem einen Blick darauf werfen.
Und dann kam das, wovor ich mich schon die ganze Zeit gefürchtet hatte: Ich musste wieder runter. Und da fragte ich mich manchmal wirklich, wie man so eine Straße nur bauen kann. Da ging es direkt neben der Straße fast senkrecht runter und mich trennte noch nicht einmal eine unsichere Leitplanke vom Abgrund. Aber irgendwie hatten die Straßenbauer doch mit ängstlichen Fahrern gerechnet: Es gab immer wieder Ausweichstellen, an denen die langsamen Fahrer die Schlange hinter ihnen vorbeilassen konnten.
Ich nutzte diese Ausweichstellen auch reichlich – teilweise auch einfach nur zum kurz ausruhen. Das Bild wurde an einer „harmlosen“ Ausweichstelle aufgenommen. Ich war wirklich heilfroh, wieder unten angekommen zu sein. Diese Strecke könnte ich auch als Beifahrer nicht genießen – aber da könnte ich wenigstens die Augen zumachen. Und trotzdem würde ich diese Strecke wieder fahren, wenn ich dafür auch die anderen im Sommer zugänglichen Schwalbennester besichtigen könnte.
Jetzt bin ich in Farmington und sehe mit Entsetzen den Wetterbericht im Fernsehen. Wenn die wirklich Recht haben, muss ich morgen mit Neuschnee rechnen und vielleicht auch meine Route umstellen oder einen Tag in Farmington verbringen und dann erst weiterfahren und dafür einen Tag in Santa Fe streichen, der eh sehr unsicher ist (Schneegefahr).
Nachwort
Ich bin unheimlich froh und stolz, dass ich das geschafft habe - auch wenn jetzt beim nochmaligen Durchlesen des Berichts die Erinnerung an den Pudding in den Knien und die zitternden Hände wieder sehr lebendig ist.